Im Mittelpunkt dieser Diplomarbeit steht die kritische Auseinandersetzung mit der Dekonstruktion im Sinne Jacques Derridas unter Berücksichtigung theoretischer Positionen, die sich mit verschiedenen von Derrida problematisierten Themen beschäftigen. Das Hauptaugenmerk liegt auf entsprechenden Texten von Rodolphe Gasché, Jürgen Habermas, Richard Rorty, Stanley Cavell und John Caputo. Einer der Gesichtspunkte, unter dem diese Positionen ausgewählt worden sind, ist die Frage nach der öffentlichen Relevanz der Dekonstruktion. Eine erste Leitfrage ist in weiterer Folge diejenige, in welchem Ausmaß die Dekonstruktion eine mögliche Grundlage für ethische und politische Analysen bilden kann. Im Zuge dieser Aufgabenstellung gilt es zu klären, inwieweit die Dekonstruktion in den klassischen Begriff „Philosophie“ noch zu integrieren ist, und in welchem Verhältnis sie zur Literaturkritik steht, der sie zuweilen zugerechnet wird. Will man, so lautet eine erste Behauptung, die Dekonstruktion für ethische und politische Fragestellungen öffnen, so muss man sie der Philosophie (wieder) annähern. Die zweite wichtige Frage ist die nach dem möglichen Inhalt ethischer und politischer Ansprüche der Dekonstruktion. Es gilt in diesem Sinne die Annahme zu begründen, dass dafür die Anerkennung der Singularität des Fremden und Anderen bzw. das Bemühen um eine nicht-aneignende Haltung gegenüber der Alterität eine wesentliche Voraussetzung darstellt.
Inhaltsverzeichnis
- Fragestellung und Herangehensweise
- Öffentliches und privates Denken
- 1 Gasché: "A system beyond being"
- 2 Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne
- 3 Rorty: Pragmatismus und Dekonstruktion
- Unterwegs zu einer Ethik der Dekonstruktion
- 4 Bemerkungen zu Gasché, Habermas und Rorty
- 5 Ethik und Politik der Dekonstruktion
- Philosophie und Autobiographie
- 6 Cavell: A Pitch of Philosophy
- 7 Die Dekonstruktion der Autobiographie: Circumfession
- Zusammenfassung und abschließende Bemerkungen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit setzt sich kritisch mit der Dekonstruktion im Sinne Jacques Derridas auseinander, wobei sie theoretische Positionen von Rodolphe Gasché, Jürgen Habermas, Richard Rorty, Stanley Cavell und John Caputo einbezieht. Die Arbeit untersucht, inwiefern die Dekonstruktion eine Grundlage für ethische und politische Analysen bilden kann und welches Verhältnis sie zur Literaturkritik hat. Ein weiterer Fokus liegt auf der Bedeutung von Derridas autobiographischen Texten für das Verständnis der Dekonstruktion.
- Die öffentliche Relevanz der Dekonstruktion
- Die ethischen und politischen Implikationen der Dekonstruktion
- Das Verhältnis der Dekonstruktion zur Philosophie und Literaturkritik
- Die Bedeutung von Derridas autobiographischen Texten für die Dekonstruktion
- Die Rolle der Singularität und Alterität in der Dekonstruktion
Zusammenfassung der Kapitel
- Fragestellung und Herangehensweise
Die Arbeit stellt drei Leitfragen vor: Inwiefern kann die Dekonstruktion als Grundlage für ethische und politische Analysen dienen? Welchen Inhalt haben ethische und politische Ansprüche der Dekonstruktion? Welche Bedeutung haben Derridas autobiographische Texte im Zusammenhang mit der Dekonstruktion? Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen.
- Öffentliches und privates Denken
- 1 Gasché: "A system beyond being"
Gasché argumentiert, dass Derrida nicht als Literaturkritiker, sondern als Philosoph zu verstehen ist. Er versucht, Derridas Denken über eine Reflexivität ohne Ursprung und dessen darauf basierende Heterologie zu beleuchten. Gasché betont den quasi-transzendentalen Charakter der Dekonstruktion, die die klassischen transzendentalen Bedingungen der Möglichkeit eines Phänomens durch den Aufriss seiner Bedingungen der Unmöglichkeit differenziert.
- 2 Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne
Habermas kritisiert Derrida, indem er ihm vorwirft, die Dekonstruktion ignoriere sämtliche Wahrheits- und Vernunftansprüche und lasse durch ihr nicht-wissenschaftliches, literaturkritisches Vorgehen Texte in einem relativistischen Kontextualismus aufgehen. Habermas sieht in der Dekonstruktion einen Angriff auf den Begriff der Rationalität und eine massive Unterstützung für die poststrukturalistische Literaturkritik.
- 3 Rorty: Pragmatismus und Dekonstruktion
Rorty stellt Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Pragmatismus und Dekonstruktion fest, insbesondere in Bezug auf die Einschätzung der Sprache. Er kritisiert Derridas Schüler, die die Dekonstruktion entweder zu einer neuen Methode der Literaturkritik oder zu einer strengen Analyse des Präontologischen machen. Rorty hält die Dekonstruktion für ein privates Streben nach stilistischer Autonomie, das für den öffentlichen Bereich kaum etwas zu leisten vermag.
- 1 Gasché: "A system beyond being"
- Unterwegs zu einer Ethik der Dekonstruktion
- 4 Bemerkungen zu Gasché, Habermas und Rorty
- 4.1 Die Quasi-Transzendentalität der Dekonstruktion (Derrida und Gasché)
Derrida stimmt Gasché zu, dass die Dekonstruktion nicht als ausschließlich für literarische Texte vorgesehene Lektüremethode abgetan werden kann. Er betont aber auch die Unverzichtbarkeit der transzendentalen Frage, die nicht einfach zugunsten von empirischen Bedingungen aufgegeben werden kann. Die Dekonstruktion ist ein Durchgang durch das Feld der klassischen Transzendentalphilosophie, der die Oppositionen dieses Feldes unentscheidbar zurücklässt. Derrida modifiziert den Begriff der Transzendentalität durch das Präfix "quasi", um die Verbindung zwischen Transzendentalem und Fiktivem bzw. Ironischem deutlich zu machen.
- 4.2 Die Dekonstruktion der Gattungsgrenzen (Derrida und Habermas)
Derrida weist Habermas' Kritik zurück, indem er betont, dass er niemals Philosophie und Rhetorik gleichgesetzt hat und die Philosophie nie auf ein literarisches Genre reduzieren wollte. Er betont, dass die Dekonstruktion die Gattungsgrenzen nicht aufhebt, sondern verfeinert. Derrida sieht in der Literatur eine öffentliche Institution, die durch Konventionen und Gesetze eine politische Dimension erhält.
- 4.3 Singularität und Dekonstruktion (Derrida und Rorty)
Derrida stimmt Rorty zu, dass der Begriff "Dekonstruktion" im Grunde bedeutungslos ist und sich einer Determinierung verweigern muss. Er betont aber auch, dass die Dekonstruktion für politische Analysen eingesetzt werden kann. Derrida sieht in der Dekonstruktion eine Analyse der Stabilisierungen, die das gesellschaftliche Zusammenleben prägen, und eine ethische Forderung, dass diese Stabilisierungen sich nie zu einer unumstößlichen Gegebenheit festigen, die alles Fremde ausschließt.
- 4.1 Die Quasi-Transzendentalität der Dekonstruktion (Derrida und Gasché)
- 5 Ethik und Politik der Dekonstruktion
- 5.1 Falsche Lektüren
Derrida weist Kritik zurück, die ihm vorwirft, er plädiere für eine völlige Abwesenheit des Subjekts und die Irrelevanz seiner Intentionen. Er betont, dass in Frage gestellt wird, nicht die Intention oder Intentionalität, sondern deren Telos, das, was ihre Bewegung auf ein bestimmtes Ziel ausrichtet.
- 5.2 Zum quasitranszendentalen Status der "magic words"
Derrida betont, dass die différance nicht als Schöpferin des Sinnes agiert, sondern als ein Effekt der differentiellen Beziehungen zwischen den Marken. Er dekonstruiert den "Begriff des Begriffs", indem er die différance, Supplement oder Iterabilität als Motive einführt, die nicht mehr ganz Worte oder Begriffe sind. Die différance bezeichnet die Bewegung der Iteration, die keinen bestimmbaren Ursprung hat und sich nicht durch eine metaphysische Begrifflichkeit erfassen lässt.
- 5.3 Der Diskurs über den Parasiten
Derrida kritisiert Austins Sprechakttheorie, die den Begriff von Kommunikation als rein semiotischen, linguistischen oder symbolischen Begriff auffasst. Er sieht in Austins Theorie eine Sackgasse, die auf einer idealisierten Norm beruht, die den Kontext erschöpfend bestimmen will. Derrida betont, dass die grundsätzliche Iterabilität auch die Intention betrifft und so eine Unterscheidung zwischen "eigentlichem" und "uneigentlichem" Sprechen verunmöglicht.
- 5.4 Die Bestimmung des Kontexts als politischer Akt
Derrida betont, dass die Dekonstruktion nicht neutral ist, sondern die jeweiligen Stabilisierungen darauf hin untersucht, welche Kräfte an diesen Strukturen teilgehabt haben und welche an einer Aufrechterhaltung interessiert sind. Er sieht in jedem Versuch, einen Kontext zu definieren, ein gewaltsames Moment, das mit der metaphysischen Bevorzugung des Einheitlichen, Reinen zusammenhängt. Die Dekonstruktion kann zeigen, dass die Stabilisierungen etwas stabilisieren sollen, das "essentially unstable and chaotic" ist, was gleichzeitig eine Chance für Politik und Ethik darstellt.
- 5.5 Radikale Alterität als ethisches Motiv
Derrida betont, dass jede Entscheidung im Namen des Anderen zu treffen ist, der aber für eine endgültige Entscheidung unverfügbar ist. Die Unentscheidbarkeit entspringt nicht menschlicher Unzulänglichkeit, sondern der Unüberwindbarkeit der Andersheit des Anderen. Die Dekonstruktion versucht, dieser Ethik der Alterität Rechnung zu tragen, indem sie die Offenheit für den Anderen als eine Aufgabe deklariert. Derrida sieht in der Alterität den Ursprung der Verantwortung, die sich nicht durch eine determinierte Entscheidung oder ein übergeordnetes ethisches Prinzip erfassen lässt.
- 5.1 Falsche Lektüren
- 4 Bemerkungen zu Gasché, Habermas und Rorty
- Philosophie und Autobiographie
- 6 Cavell: A Pitch of Philosophy
Cavell argumentiert, dass die traditionelle Philosophie die Unterdrückung der (privaten, individuellen) Stimme und in weiterer Folge der Autobiographie gefordert hat. Er setzt sich für eine Rückkehr der Stimme in die Philosophie ein, die die Autobiographie als einen möglichen Ausgangspunkt für das individuelle Philosophieren betrachtet.
- 7 Die Dekonstruktion der Autobiographie: Circumfession
- 7.1 Autobiographie als Strategie der Dekonstruktion
Derrida versucht, mit Circumfession Benningtons Erwartungshaltung in Bezug auf seine Texte zu enttäuschen. Er sieht in Circumfession einen Text, der durch das Erzählen von singulären Ereignissen die strukturelle Unberechenbarkeit eines Schreibens, das der Unentscheidbarkeit gewidmet ist, zum Ausdruck bringen soll.
- 7.2 Autobiographie und Erinnerung
Derrida betont, dass der autobiographische Text keine Konservierung von Intentionen oder Erinnerungen ermöglicht. Das Individuum selbst kann im Text nicht präsent sein, sondern nur seine Spuren hinterlassen. Er sieht in der Pflicht, die Spur des geliebten Anderen (nach dessen Tod) in sich zu tragen, eine ethische Forderung.
- 7.3 Autobiographie und Entfremdung
Derrida beschreibt seine eigene Herkunft als franko-maghrebinisch, die für ihn keinerlei Identifikationsmöglichkeit gegeben hat. Er sieht in seiner Beschneidung ein Symbol für seinen Unwillen, sich einer Gemeinschaft einzugliedern, und ein Trauma, das ihn unwiderruflich zu einem Juden gemacht hat. Diese Zugehörigkeit ist für ihn aber nichts Eigenes, sondern ist immer von der Bedrohung der Zerstreuung oder "Ent-Aneignung" geprägt.
- 7.4 Autobiographie und das Warten auf den Anderen
Derrida beschäftigt sich in Circumfession mit dem Religiösen und der Dekonstruktion theologischer Diskurse. Er sieht in der Theologie die Gefahr des Absolutismus, der sich einstellt, wenn Bedingungen und Begründungen nicht quasi-transzendental aufgefasst werden. Derrida betont die Unentscheidbarkeit des Namens Gottes und die Verletzlichkeit des Menschen im Gebet, die von einem entblößten Subjekt, einem Subjekt ohne subjektive Autorität, kommt.
- 7.5 Autobiographie als nicht-privates Philosophieren
Derrida weist Rortys Einordnung seiner Texte als "private Bekenntnisse" zurück. Er betont, dass Schreiben generell nichts Privates ist und dass seine Aufmerksamkeit für das Singuläre und dessen Geheimnis eine Reaktion auf die Tendenz ist, das Private der öffentlichen Diskussion zu entziehen. Derrida sieht in der Dekonstruktion ein politisches Potenzial, das Rorty in Zweifel zieht.
- 7.1 Autobiographie als Strategie der Dekonstruktion
- 6 Cavell: A Pitch of Philosophy
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Dekonstruktion, die Quasi-Transzendentalität, die Alterität, die Singularität, die Autobiographie, die Ethik, die Politik, die Sprache, die Literatur und die Philosophie. Die Arbeit untersucht die ethischen und politischen Implikationen der Dekonstruktion, das Verhältnis der Dekonstruktion zur Philosophie und Literaturkritik, die Bedeutung von Derridas autobiographischen Texten für die Dekonstruktion und die Rolle der Singularität und Alterität in der Dekonstruktion.
- Quote paper
- Mag. Dominika Meindl (Author), 2004, Singularität und Alterität: Ethik und Politik in der Dekonstruktion mit besonderer Berücksichtigung autobiographischen Schreibens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55453
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.