Das Kernkraftwerk Zwentendorf. Einer der größten Konfliktfelder in der österreichischen Nachkriegszeit


Seminararbeit, 2006

71 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschichte
2.1 Österreich und die friedliche Nutzung der Kernenergie
2.2 Energiepolitik im Österreich der 70er-Jahre
2.3 Entscheidungsträger
2.4 Planung und Bau
2.5 Baubeschluss

3 Der Konflikt
3.1 Vom Konsens zum Konflikt
3.2 AtomkraftbefürworterInnen und -gegnerInnen
3.2.1 Die Atomkraft-BefürworterInnen
3.2.2 Die Atomkraft-GegnerInnen
3.3 Die Parteien
3.3.1 Die sozialistische Partei - SPÖ:
3.3.2 FPÖ – Freiheitliche Partei Österreichs
3.3.3 Die österreichische Volkspartei - ÖVP
3.3.4 Atomexperten und Parteien
3.4 Die AKW-Gegnerschaft
3.4.1 Erster Widerstand
3.4.2 Zwentendorf wird öffentlich
3.4.3 Österreichweiter Zusammenschluss der AKW-GegnerInnen
3.4.4 Die AKW-Gegnerschaft stößt an ihre Grenzen
3.5 Die Medien
3.6 Die Aufklärungs/Informationskampagne der Bundesregierung und ihre Bedeutung für die AKW-Gegnerschaft
3.7 Politische Dimensionen des Konflikts

4 Die Volksabstimmung
4.1 Warum kam es zur Volksabstimmung?
4.2 Die Einstellung der Bevölkerung
4.2.1 Die Gründe der Befürworter
4.2.2 Die Gründe der Gegner
4.3 Der Wahlkampf
4.3.1 Die Befürworter
4.3.2 Die Gegner
4.3.3 Die Medien im Wahlkampf
4.4 Das Ergebnis der Volksabstimmung
4.5 Das Atomsperrgesetz

5 Der Konflikt um Zwentendorf – Versuch einer Analyse
5.1 Entstehungsursache
5.2 Einstellung der Einflussadressaten
5.3 Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit
5.4 Konkurrenzsituation
5.5 Organisationsstruktur
5.6 Legitimation gegenüber der Öffentlichkeit
5.7 Strategien (konventionell – unkonventionell)
5.7.1 Pressure Politik und Öffentlichkeitsarbeit der Gegnerschaft
5.8 Finanzielle und andere Mittel/Ressourcen
5.9 Expertenwissen
5.10 Störpotential
5.11 Nähe/Ferne zum politischen System
5.12 Gesellschaftliche Funktion/positiver Beitrag?

6 Abschließende Bemerkungen

7 Resümee

Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

In dieser Arbeit soll es um den Konflikt und um die damit verbundene Interessensdurchsetzung rund um das fertig gebaute aber nie in Betrieb genommene Kernkraftwerk Zwentendorf (eigentlich: Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld G. m. b. H.) gehen. Bei diesem Konflikt handelt es sich um einen der größten Konflikte im Österreich der Nachkriegszeit, der zudem auch zahlreiche Besonderheiten aufweist, auf die wir im Laufe dieser Seminararbeit natürlich noch näher eingehen werden.

Der Konflikt zog sich über die gesamten 70er-Jahre hin und fiel damit genau in die Zeit der SPÖ Alleinregierung unter Bundeskanzler Bruno Kreisky. Beginnend mit der relativ unspektakulär verlaufenden Planung, spitzte sich der Konflikt ab dem Jahr 1976 derart zu, dass der damaligen Bundesregierung lediglich der Weg in eine Volksabstimmung, übrigens die erste und einzige Volksabstimmung der Zweiten Republik, als Lösung möglich erschien.

Wir wollen in dieser Arbeit darauf Bezug nehmen, wie es geschehen konnte, dass die moderne Technik und die damit verbundene Problematik in der Lage war, zahlreiche Menschen derart zu verunsichern, dass die Volksabstimmung schließlich negativ entschieden wurde.

Um uns der Thematik anzunähern werden wir damit beginnen, geschichtliche Hintergründe, welche für die Einführung der Kernenergie sprachen näher zu erklären, und dass weder bei der Planung, noch beim Bau des Kernkraftwerkes unter den Verantwortlichen je die Frage danach aufgetaucht war, sich um Sicherheitsfragen zu kümmern. Der erste Teil unserer Arbeit wird sich vorwiegend damit auseinandersetzen, warum Österreich ein eigenes Kernkraftwerk bauen wollte, und auch die Gründe dafür darlegen. Des Weiteren wird behandelt werden, wie es zur Entscheidung kam, das Kernkraftwerk schließlich zu bauen.

Der zweite große Teil dieser Arbeit wird sich mit dem Konflikt selbst auseinandersetzen, von seinen Anfängen zu Beginn der 70er-Jahre, als eine kleine Gruppe von Menschen bereits die Sicherheitsfragen in Verbindung mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie aufwarf und so versuchte (z. B. durch Bauplatzbesetzungen) den Bau des Kernkraftwerks Zwentendorf zu verhindern.

Besonders interessant ist neben den Bürgerinitiativen hier auch die Rolle der relevanten politischen Parteien in diesem Zeitraum, auch auf dies wird näher eingegangen um so die Motive für die Haltungen der Parteien verstehen zu können. Eine tragende Rolle bei diesem Konflikt spielten natürlich die Bürgerinitiativen, denn ohne sie wäre es wohl nie zur oben bereits erwähnten Volksabstimmung und auch zum Konflikt um das Kraftwerk überhaupt gekommen.

Wir werden aufzeigen, aus welchen bedeutenden Gruppierungen sich die Befürworter als auch die Gegner der Atomkraft zusammensetzten und auch deren Argumente für bzw. gegen eine Inbetriebnahme darstellen.

In Bezug auf die AKW-Gegnerschaft werden wir auch auf ihre Entstehung eingehen, von den kleinen Anfängen hin zum österreichweiten Zusammenschluss über die Spaltung bis zur abschließenden Wiedervereinigung, um zu versuchen, die Inbetriebnahme von Zwentendorf letztendlich doch noch verhindern zu können.

Als besonders wichtig in diesem Konflikt haben wir auch noch die Rolle der Medien erachtet, insbesondere jene von Kronen Zeitung und Kurier, damals die auflagenstärksten Zeitungen (auf die auch nicht unbedeutende Rolle der Vorarlberger Nachrichten wird im Kapitel rund um das Schweizer AKW Rüthi auch kurz eingegangen). Nicht zu unterschätzen ist im Zusammenhang mit diesem Konflikt natürlich auch die Rolle des Österreichischen Rundfunks und Fernsehens, die durch zahlreiche Serien und Berichterstattungen auch maßgeblich vor allem zur Verunsicherung der Bevölkerung beitrugen, wie Studien aus dem Journal für Sozialforschung ergaben. Einen weiteren wichtigen Punkt im Zusammenhang mit der Meinungsbildung der Bevölkerung stellt die „Aufklärungskampagne der Bundesregierung“ dar, die eigentlich dazu beitragen sollte, die Unsicherheit in der Bevölkerung zu beseitigen – gerade aber diese Aufklärungskampagne bot eine ideale Plattform für die Atomkraftgegner und führte letzten Endes auch dazu, dass diese sich österreichweit vereinten.

Im letzten Teil des Kapitels geht es schließlich darum, wie aus einem Konflikt, der in erster Linie nichts mit Politik zu tun hatte ein politischer Konflikt wurde, der bis hin zur Rücktrittsdrohung des damals amtierenden Bundeskanzlers Bruno Kreisky führte.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit der Volksabstimmung selbst und dem Ergebnis (ein äußerst knappes Ergebnis), welches für Politiker als auch für das Volk doch eine Überraschung darstellte. Am 5. November 1978 kam es zur ersten Volksabstimmung der zweiten Republik, eine Entscheidung, über die noch lange diskutiert werden sollte, und die auch beachtliche Konsequenzen nach sich zog. Auch hier werden wir wieder die Gründe dafür aufzeigen, wie es zur Entscheidung der Bundesregierung, eine Volksabstimmung durchzuführen, kommen konnte, sowie die Befürworter als auch die Gegner eines solchen Schrittes beschreiben. Zudem werden wir versuchen aufzuzeigen, wie die Einstellung der Bevölkerung im Laufe des Wahlkampfs beeinflusst wurde und welche Meinungen die Befürworter als auch die Gegner des Kernkraftwerkes innerhalb der Bevölkerung vertraten. Anschließend zeichnen wir den Wahlkampf selbst nach, ein Wahlkampf bei dem die Mittel zwischen den konkurrierenden „Parteien“ äußerst ungleich verteilt waren. Zum Abschluss dieses Kapitels gehen wir noch auf das sehr knappe, aber dennoch von vielen unerwartete Ergebnis dieser Volksabstimmung ein, ein Ergebnis, welches schließlich auch zur Verabschiedung des „Atomsperrgesetzes“ (Bundesgesetz 676 vom 15. Dezember 1978) über das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich) führte. Das Gesetz, welches in weiterer Folge noch heftig diskutiert werden sollte, wohl aber heute und vor allem seit dem großen Reaktorunfall – am 26. April 1986 ereignete sich in der heute ukrainischen Stadt Prypjat der bisher folgenschwerste Unfall mit einem Kernreaktor (Tschernobyl Block 4) – unumstritten ist.

In Kapitel 5 werden wir anhand der Leitfragen zur Analyse von organisierten Interessen versuchen, vor allem die AKW-Gegnerschaft zu untersuchen, aber auch noch kurz auf die anderen beteiligten Gruppierungen eingehen.

Im letzten Kapitel werden wir noch kurz auf Zwentendorf und seine Folgen eingehen, ein Kernkraftwerk, dass als eines der sichersten der Welt gilt, weil es eben nie in Betrieb ging bevor wir im letzten Kapitel unsere Ergebnisse zusammenfassen werden und die von uns aufgestellte Hypothese überdenken werden, die wie folgt lautet:

Das Ergebnis der Volksabstimmung im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf ist auf den Einsatz, das Engagement sowie den Enthusiasmus der AKW-Gegnerschaft zurückzuführen und steht nicht in Zusammenhang mit parteipolitischen Präferenzen der BürgerInnen.

Ziel unserer Arbeit soll es demnach sein, herauszufinden, inwieweit parteipolitische Präferenzen bei der Entscheidung für bzw. gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks eine Rolle gespielt haben.

Um uns an die doch schon einige Jahre zurückliegende Thematik anzunähern haben wir mit Hilfe der Onlinedatenbanken und mit Hilfe des Internets nach geeigneten Quellen, die sich mit dem Konflikt rund um das Kernkraftwerk Zwentendorf beschäftigten gesucht. Als besonders hilfreich in dieser Hinsicht stellte sich das „Journal für Sozialforschung“ aus den 70er-Jahren sowie zahlreiche, in Fachzeitschriften erschienene Artikel heraus, die sich eben mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die Entscheidung vom 5. November 1978 eine auch politische war.

2 Geschichte

Um die Motive für den Bau eines Kernkraftwerkes in Österreich näher bringen zu können, möchten wir einleitend darauf eingehen, wo die Ursachen für Planung und Bau eines solchen lagen. Dafür wird es nötig sein, die Energieentwicklung sowie den Energiebedarf seit den späten 50er Jahren kurz zu thematisieren.

In den USA setzte ca. im Jahr 1953 die Entwicklung von Atomreaktoren ein, welche aber nicht in erster Linie auf deren Einsatz in den USA abzielte, sondern im Sinne des European Recovery Program (ERP = Marshallplan) dazu beitragen sollte, die vom Marshallplan profitierenden Länder mit Atomenergie zu versorgen und sie in diesem Bereich der Kontrolle der USA zu unterwerfen. Zudem sollte Westeuropa so zu einem aufnahmefähigen Absatzmarkt für die US-Wirtschaft werden (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 154).

Kernenergie wird im wesentlichen zur kalorischen Stromerzeugung eingesetzt, somit ist das Kernenergieproblem vor allem in Zusammenhang mit einem steigenden Energieverbrauch zu sehen (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 158), denn seit den fünfziger Jahren nahm, mit der wachsenden Weltwirtschaft auch der Energieverbrauch stetig zu. Im Energiekonzept der österreichischen Bundesregierung aus dem Jahr 1969 wurde die Situation wie folgt geschildert:

„In den Jahren 1945 bis Mitte der fünfziger Jahre trug der westeuropäische Energiemarkt die typischen Merkmale eines Verkäufermarktes. Wichtigster Energieträger Westeuropas waren damals die festen Brennstoffe. [...] Innerhalb von zwei Jahren wandelte sich der Energiemarkt Europas in einen Käufermarkt.“ (Streeruwitz 1980, 236).

Man hatte die Absicht, zur Sicherstellung des sozialen Friedens, eine Energiequelle zu schaffen, die einerseits billig und andererseits nahezu unerschöpflich wäre (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 158).

Die Vorräte an nuklearen Brennstoffen würden unter Verwendung von schnellen Brütern[1] jedenfalls ausreichen, um durch Nutzung der Kernspaltung die Expansion unserer Stromversorgung für einige Jahrhunderte zu garantieren (vgl. Streeruwitz 1980, 243).

Durch die auch damals bereits dominierende Rolle des Erdöls stieg die Importabhängigkeit der westeuropäischen Länder speziell gegenüber den OPEC-Ländern rapide an, die Gefahr, die damit verbunden war, erkannte man allerdings erst im Laufe der Ölkrise (vgl. ebd., 236).

Bereits Anfang der siebziger Jahre wurden die Energiequellen in Bezug auf ihre Umweltverträglichkeit unterschieden. Auslösend für diese neuen Ansichten waren zum einen wissenschaftliche Studien, welche die Begrenztheit der Rohstoffressourcen ins öffentliche Bewusstsein rückten, zum anderen eine Einschränkung der Rohstoffproduktion in den Förderländern aufgrund internationaler Krisen sowie Preissteigerungen bei der Primärenergie. Diese führten in den westlichen Industrieländern aber auch in den Entwicklungsländern zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Verschwendung von Energie wurde zunehmend als umweltbelastender Faktor gesehen (vgl. ebd., 235).

2.1 Österreich und die friedliche Nutzung der Kernenergie

In Österreich begann bereits im Jahr 1955, kurz nach Abschluss des Staatsvertrages, eine Diskussion über die friedliche Nutzung der Kernenergie. Damals galt das vorwiegende Interesse allerdings noch nicht dem Bau eines eigenen Reaktors, man wollte lediglich die neue Energieform besser kennen lernen. Die erste UNO-Konferenz in Genf über die friedliche Nutzung der Atomenergie im Jahr 1955 hatte darauf beträchtlichen Einfluss und im Anschluss an diese Konferenz kam es zur Gründung der ÖSGAE, der Österreichischen Studiengesellschaft für Atomenergie. Diese beschäftige sich vorwiegend damit, die verschiedensten Reaktorlinien, die für Österreich passend wären, zu studieren. Da man sich als kleines Land nicht in der Lage sah, eine eigene Linie zu entwickeln orientierte man sich vorwiegend an den USA (vgl. Glatz 1980, 87).

Bei der Einführung der Kernenergie in Österreich spielten zu Beginn vor allem die „Modernisierung“ als auch die Notwendigkeit einer „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ eine entscheidende Rolle. Die Nutzung der Kernenergie wurde außerdem als notwendiger Bestandteil einer auf Expansion ausgerichteten ökonomischen Entwicklung gerechtfertigt (vgl. Schaller 1987, 514). Dagegen spielten energieversorgungspolitische Argumente ebenso eine eher untergeordnete Rolle, wie auch Fragen der Sicherheit oder Bedenken hinsichtlich der ökologischen und sozialen Verträglichkeit von Kernkraftwerken (vgl. ebd., 514).

Auch in Österreich wurde damals also die Frage diskutiert, wie weit auch in unserem Land die Kernkraft zur Elektrizitätserzeugung herangezogen werden sollte, um so dem internationalen Kernkraftboom Rechnung zu tragen und sich dieser neuen Technologie gegenüber offen zu zeigen (vgl. Streeruwitz 1980, 261). Österreich versuchte so, mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten. Es sei nämlich nur dann möglich, so wurde damals argumentiert, technischen Fortschritt zu erlangen, wenn man kerntechnische Erzeugnisse in das Produktionsprogramm der verstaatlichen Industrie aufnehmen würde, „um mit dem technologischen Weltstandard Schritt zu halten“ (Glatz 1980, 88). Technische Entwicklung trage im Lauf der Jahre entscheidend zum wirtschaftlichen Wachstum und somit auch zur Mehrung des Wohlstands bei, sei also so gesehen eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche und politische Stabilität (vgl. Klose 1980, 38). Dies wiederum führte zugleich in eine weitere Begründung, für den Bau von Kernkraftwerken, man wies in diesem Zusammenhang nämlich auf den stetig steigenden Energiebedarf bei gleichzeitig steigendem Wirtschaftswachstum hin.

Dazu kam noch die Warnung, es könne zu einer Knappheit der fossilen Energieträger kommen, was natürlich auch in enger Relation mit der Erdölkrise der siebziger Jahre steht. Gerade in Österreich, wo die Erdöl- und Erdgasimporte sehr hoch waren, was wiederum die österreichische Zahlungsbilanz massiv belastete, war dies ein durchaus schlagendes Argument (vgl. Wimmer 1980, 57). Allerdings wurden bereits zu diesem Zeitpunkt auch Stimmen in der Energiewirtschaft laut, die einen weiteren Ausbau der Wasserkraft befürworteten. Damals war es auch erstmals zu der sich später ausweitenden Umweltbewegung gegen den Verbau von Flüssen und Tälern in Österreich gekommen, welche sich später, vor allem im Konflikt um Hainburg, ausgeweitet hatte. Diese ersten Initiativen trugen nicht unwesentlich dazu bei, dass die Parteien und auch die Energiewirtschaft sich dazu entschlossen, statt der geplanten Wasserkraft, die Kernenergie in Österreich auszubauen. Bereits damals bestanden, quer durch alle Gruppierungen, harte Grenzen zwischen den Befürwortern und den Gegnern dieser noch neuen Technologie (vgl. Streeruwitz 1980, 261).

In Österreich wurden zwar noch keine kompletten AKWs hergestellt, allerdings drängte die private und verstaatlichte Industrie auf die Einführung der Atomenergie, unter anderem, weil sie sich einen großen Marktanteil bei der Herstellung von einzelnen Kraftwerkskomponenten versprachen. Mit einem „Vorzeigekraftwerk“ hätten die Fähigkeiten der österreichischen Industrie sowie ihr hoher Entwicklungsstand weltweit unter Beweis gestellt werden können.

Auch die Politiker aller Parteien wollten sich durch ihren Einsatz für die Atomenergie und die damit verbundene Technologie vor den Wählern als „Förderer der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung und somit als Wohltäter Österreichs profilieren“ (Brandstätter et. al. 1984, 158).

2.2 Energiepolitik im Österreich der 70er-Jahre

Laut Streeruwitz (1980, 244 ff.) war Energiepolitik in der Zeit der Regierung Kreiskys so gut wie nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang seien zwei kurze Beispiele erwähnt: zum einen wurden damals vom Handelsministerium anlässlich der ersten Ölkrise 1973 „Leitlinien für einen österreichischen Energieplan“ vorgelegt, in welchen aber lediglich dazu geraten wurde, etwa seine Häuser besser zu isolieren. Tatsächlich jedoch kam es in den folgenden Jahren zu keinerlei Regierungsaktivitäten auf dem Sektor Energiesparen, abgesehen von der zeitweiligen Einführung eines autofreien Tages und kaum wirksamen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den österreichischen Straßen. Umgesetzt wurden lediglich jene Auflagen, die der österreichischen Mineralölwirtschaft einen schrittweisen Ausbau der Vorratshaltung vorschrieben (vgl. ebd.). Kennzeichen der österreichischen Energiepolitik der 70er Jahre waren die Preissteigerungen auf dem Energiesektor, von denen Österreich genau so hart getroffen wurde, wie alle anderen westeuropäischen Staaten auch, die Ankündigung von Maßnahmen seitens der Bundesregierung, die aber letzten Endes nicht getroffen wurden sowie die Konzentration der Energiepolitik auf das Atomkraftwerk Zwentendorf (vgl. ebd., 255). Dazu kam, was hier als zweites Beispiel erwähnt werden soll, noch der unvergessene Vorschlag von Bundeskanzler Kreisky, „sich eben nass zu rasieren“ um so Strom zu sparen (Mayerhofer 2004). Die Frage nach einer österreichischen Energiepolitik wurde im Lauf der 70er Jahre letzten Endes nahezu zur Gänze auf Zwentendorf reduziert. Im Energieplan der Bundesregierung von 1976 hieß es noch: „Bis zum Jahre 1990 ist die Inbetriebnahme von drei Kernkraftwerken vorgesehen.“ (Streeruwitz 1980, 244). Bereits zu diesem Zeitpunkt war es allerdings nicht mehr sicher, ob und wann das erste österreichische AKW (Atomkraftwerk) in Betrieb gehen würde. Die österreichische Bundesregierung distanzierte sich dann zwar vom Bau weiterer Kernkraftwerke, setzte sich jedoch vehement für eine Inbetriebnahme von Zwentendorf ein. Das Projekt war in der Zwischenzeit ja nahezu fertig gestellt worden. Als die Kernenergiediskussion in Österreich eskalierte, verlagerte die Bundesregierung die Entscheidung über eine Inbetriebnahme erst ins Parlament und beschloss letzten Endes die Durchführung einer Volksabstimmung (vgl. ebd., 244) (siehe dazu Kapitel 4.1).

2.3 Entscheidungsträger

Bei der Entscheidung, die Kerntechnologie auch in Österreich zu verwenden, spielten vor allem die österreichische Industrie aber auch die Elektrizitätswirtschaft eine zentrale Rolle. Beiden war es nämlich daran gelegen, möglichst billigen Strom zur Verfügung zu haben und gerade die Kernenergie wurde als eben diese konstengünstige Energiequelle gesehen. Allerdings hatte Österreich im Vergleich zu den restlichen europäischen Ländern diesbezüglich eine Sonderstellung eingenommen, da die Energiereserven des Landes eigentlich reichlich genug waren, um auch ohne Kernenergie auskommen zu können (vgl. Glatz 1980, 87). Gerade aber für künftige Exporte, so wurde argumentiert, wäre ein eigenes Atomkraftwerk von enormer Wichtigkeit und so setzte sich die österreichische Industrie vehement für den Bau eines solchen ein, um auf dem internationalen Mark weiterhin als Zulieferer für Kernkraftwerkskomponenten bestehen zu können. Ein österreichisches Kernkraftwerk solle als „Nachweis zur Fähigkeit der praktischen Fertigung einer solchen Anlage“ gelten. Der zweite bedeutende, wenn auch nicht wichtigste Akteur bei der Durchsetzung der Kernenergie in Österreich, die Elektrizitätswirtschaft (die Entscheidung über die zu verwendende Reaktorlinie fiel dort, man einigte sich nach längeren Diskussionen auf einen Siedewasserreaktor) kam bereits Ende der sechziger Jahre darin überein, die Kernenergie auch in Österreich zu durchzusetzen (vgl. ebd., 88).

2.4 Planung und Bau

Bereits gegen Ende der sechziger Jahre bestand bei den maßgeblichen Kräften Konsens in Bezug auf den Einsatz der Kernenergie. Allerdings flammte um 1970 eine Diskussion um den Einsatz von Kernkraftwerken auf und kurz vor dem eigentlichen Baubeschluss kam es zu Konflikten zwischen den Landesgesellschaften und der Verbundgesellschaft: Die Verbundgesellschaft plädierte nämlich für eine Verschiebung des Baus und trat, aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen (vgl. Schaller 1987, 513), für einen weiteren Ausbau der Wasserkraft ein. lm Jahr 1969 erklärte sich der sozialistische Betriebsrat der Donaukraftwerke AG sogar dazu bereit, ein Volksbegehren gegen AKWs zu unterstützen (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 158). Die heimische Elektrizitätswirtschaft erwies sich umso mehr gespalten, je näher die Entscheidung für den Bau des ersten Atomkraftwerkes heranrückte, was wiederum schwierige interne Verhandlungen unter politischem Druck erforderlich machte, bis schließlich die KKWP (Kernkraftwerks-Planungsgesellschaft m. b. H.) und die GKT (Gemeinschaftskraftwerke Tullnerfeld) als die für die Kernenergie-Politik verantwortlichen Gesellschaften gegründet wurden (vgl. Schaller 1987, 513).

Die Kernkraftwerks-Planungsgesellschaft m. b. H. wurde Im Jahr 1968 mit dem Auftrag gegründet, Planungsarbeiten für das erste österreichische Kernkraftwerk durchzusetzen. Im Jahr 1970 erfolgte dann die Gründung der GKT, der Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld Gesellschaft m. b. H. Den eigentlichen Bauanstoß lieferten allerdings die Landesgesellschaften, welche versuchten, auf diesem Wege mehr Einfluss auf die Verbundgesellschaft zu erlangen (vgl. Glatz 1980, 89). „Das zweite Verstaatlichungsgesetz, dass die Organisation der Energiewirtschaft regeln soll sieht nämlich vor, dass die Verbundgesellschaft Großkraftwerke bauen und betreiben soll“ (Glatz 1980, 89). Aus diesem Grund versuchten die Landesgesellschaften auch, den Einfluss der Verbundgesellschaft zurückzudrängen und beim Bau eines Kernkraftwerkes sahen sie große Chancen, dass ihnen dies gelingen würde, da dies die Kapazitäten der Verbundgesellschaft deutlich übersteigen würde. Die Verbundgesellschaft selbst stand dem Bau eines Kernkraftwerkes eher skeptisch gegenüber und verfasste im Jahr 1971 ein Memorandum, in dem sie forderte, den Bau des Kraftwerks um zehn Jahre zurückzustellen. Doch letztendlich gelang es den Landesgesellschaften, sowohl unter Mithilfe das damals zuständigen Verkehrsministers Weiß von der Österreichischen Volkspartei, als auch durch den Einsatz des Elektrizitätsförderungsgesetzes als Druckmittel durch die Regierung Klaus, sich durchzusetzen (vgl. ebd.). Durch das im am 12. Dezember 1969 novellierte Gesetz sollte den Energieversorgungsunternehmen (EVUs) der Einstieg in die Atomenergie finanziell schmackhaft gemacht werden, da es über die üblichen Begünstigungen hinaus auch noch die Übernahme des Haftungsrisikos als auch steuerliche Abschreibungen beim Kraftwerksbau bot (vgl. ebd. und vgl. Brandstätter et. al. 1984, 173).

Nach langwierigen Verhandlungen zwischen der Verbundgesellschaft und den Landes-Elektrizitätsgesellschaften wurde schließlich im Jahr 1970 eine Einigung über den gemeinsamen Bau durch die Sondergesellschaft GKT erzielt, „allerdings erst, nachdem die ÖVP mit einem Auslaufen des Elektrizitätsförderungsgesetzes gedroht hatte und das Parlament einstimmig die Beteiligung der Verbundgesellschaft (VBG) am Atomkraftwerk beschlossen hatte“ (Kok/Schaller 1986, 63). Nach dem Regierungswechsel konnten sowohl die SPÖ als auch die Verbundgesellschaft nur durch massiven Druck der Landeselektrizitäts-gesellschaften und der Öffentlichkeit von einem mit höheren Kosten verbundenen Bauaufschub abgehalten werden (vgl. ebd.), da eigentlich der Ausbau der Donau hätte forciert werden sollen. Dieser hätte, neben energiepolitischen auch verkehrspolitische Vorteile (Ausbau der Donau als Schifffahrtsstraße durch den Rhein-Main-Donau-Kanal) gehabt (vgl. Glatz 1980, 89).

An der GKT waren die Verbundgesellschaft zu 50%, sowie die Landes-gesellschaften von Verbund (50%) und die Landesgesellschaften von Tirol (13,34%), Niederösterreich (10,83%), Steiermark (10%), Oberösterreich (8,33%), Kärnten (3,33%), Salzburg (2,5%) und Vorarlberg (1,67%) beteiligt (AAI 1999).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: AAI – Anti Atom Interantional(1999)

http://www.unet.univie.ac.at/~a9406114/aai/zwentendorf/austellung/pics/gkt.gif

Nicht beteiligt waren Wien und Burgenland, allerdings war die Wiener Landesgesellschaft mit 12% am geplanten zweiten AKW in St. Pantaleon beteiligt (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 159).

2.5 Baubeschluss

Die Planungsarbeiten für das Kernkraftwerk Zwentendorf wurden noch unter der Regierung Klaus begonnen, Beschlüsse über die Beteiligung der Verbundgesellschaft am Kernkraftwerk Zwentendorf, sowie am zweiten geplanten Kernkraftwerk erfolgten einstimmig im Hauptausschuss des Nationalrates. Der einstimmige Beschluss über den Baubeginn erfolgte bereits unter der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Kreisky im Jahr 1971. Von Baubeginn an erfolgten alle Schritte des Genehmigungsverfahrens für das Kernkraftwerk, welche in Bundeskompetenzen fielen seitens der Organe der sozialdemokratischen Bundesregierung. Bestimmte Genehmigungen wurden auch von der niederösterreichischen Landesregierung erteilt (vgl. Streeruwitz 1980, 261).

Die staatlichen Behörden, die Sozialpartner, aber auch die Medien standen offen hinter der Kernenergie und auch die SPÖ sowie die Verbundgesellschaft waren nur vorübergehend auf Distanz (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 173). In einer Generalversammlung der GKT unter dem Vorsitz von Generaldirektor Gruber wurde schließlich der Baubeginn beschlossen (vgl. AAI 1999). Am 22. März 1971 kam es zum Baubeschluss für das Kernkraftwerk Zwentendorf (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 173). Die Entscheidung fiel zu Gunsten eines Siedewasserreaktors mit 730 Megawatt Leistung, der kommerzielle Betriebsbeginn war für den August 1976 vorgesehen (vgl. AAI 1999).

3 Der Konflikt

Nachdem wir nun im vorangegangenen Kapitel kurz die Entwicklung der Kernenergie und deren Bedeutung für Österreich behandelt haben, möchte wir uns nun dem außergewöhnlichen Konflikt rund um Bau und Inbetriebnahme des Kraftwerks widmen.

Bereits gegen Ende der 60er Jahre kam es zu einem Wertewandel bei dem nicht-materielle Ziele in den Vordergrund zu rücken begannen, unter ihnen vor allem Partizipation (Demokratisierung) und die Qualität der Umwelt. Die Bevölkerung wies postmaterialistische Haltungen auf (vgl. Bretschneider 1980, 33), dies brachte auch eine Art Sensibilisierung in Bereichen der Umwelt mit sich und auch das Misstrauen gegenüber Großprojekten seitens der Regierung wuchs in diesem Zeitraum an. (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 157). Ergebnisse von Untersuchungen über die Motive von Protestgruppen zeigten, dass die traditionellen (materialistischen) Werte wie Einkommenssteigerung, stabile Preise, Ruhe und Ordnung im Staat, etc. sich zugunsten der nicht-materialistischen Werte aus dem Bereich der Bildung und Selbstverwirklichung gewandelt hatten (vgl. Wimmer 1980, 59).

Vor allem die Frage der Kernenergie stellte einen sichtbaren und besonders gravierenden Fall der Umweltfrage dar, der sich häufig aus der Diskussion um die Problematik der Endlagerung ergab (vgl. Bretschneider 1980, 33).

3.1 Vom Konsens zum Konflikt

Im Österreich der Nachkriegszeit gab es eher geringes innenpolitisch relevantes Konfliktpotential, was vor allem durch die Konsenspolitik der beiden großen Parteien als auch auf die Entwicklung des sozialpartnerschaftlichen Systems zurückzuführen ist. Gerade die Sozialpartnerschaft hat sich als eine sehr anpassungsfähige Institution zur Konfliktbewältigung erwiesen und war so in der Lage den sozialen Frieden sicherzustellen (vgl. Klose 1980, 35).

Aber auch über die Sozialpartnerschaft hinaus konnte sich in Österreich eine gesamtgesellschaftliche Stabilität durchsetzen, die einen Ausgleich zwischen den verschiedenen wirtschaftspolitischen Zielen sicherstellen konnten (vgl. ebd., 36). Im Österreich der 70er Jahre herrschte ein Grundkonsens der sozialen Zufriedenheit vor. Es kam, im Gegensatz zu anderen Ländern, nicht zum Ausbruch von gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfen, da die Verschlechterung der internationalen ökonomischen Lage Österreich nur am Rande streifte. Der allgemeine Lebensstandard wurde während dieser Zeit gehoben und so konnten soziale Konflikte bereits im Keim erstickt werden (vgl. Brandstätter et. al. 1984, 157).

Gerade aber die Diskussion um die friedliche Nutzung der Kernenergie hat ein Konfliktpotential erzeugt, welches bis dahin in der zweiten Republik noch nie da gewesen war (vgl. Klose 1980, 35).

3.2 AtomkraftbefürworterInnen und -gegnerInnen

3.2.1 Die Atomkraft-BefürworterInnen

Als Beispiel dafür, wie die Befürworter zum damaligen Zeitpunkt argumentierten, diente unter anderem eine Informationsbroschüre des Verbandes der österreichischen Elektrizitätswerke aus dem Jahr 1975 „Warum wir Zwentendorf brauchen“. Gerade die Elektrizitätswirtschaft war natürlich eine der vehementesten BefürworterInnen.

In einer Broschüre der Elektrizitätswirtschaft wird massiv davor gewarnt, welche Folgen es haben könnte, wenn Österreich weiterhin ohne Atomstrom auskommen sollte.

Strom aus Kernkraftwerken ist vorderhand und für längere Zeit die einzige Möglichkeit, um die Stromversorgung der Industriestaaten vor Engpässen zu schützen.“ (Schweißer 1975, 1)

Vor allem wird in der Broschüre darauf hingewiesen, dass ohne Atomstrom Arbeitsplätze verloren gehen, Reallöhne sinken und die Inflation steigen würde (vgl. Schweißer 1975, 1). Die Kernenergie wird somit als Ausweg aus diesem Dilemma empfohlen, um nicht in Zukunft total von Energieimporten abhängig zu werden.

Um die österreichischen Bürger darauf aufmerksam zu machen, wie notwendig ausreichende Energie werden wird, wird in der Broschüre gar bis auf die Zeit der Sklavenarbeit zurückgegriffen (vgl. ebd., 3). Des weiteren wird massiv davor gewarnt, dass die fossilen Energieträger (Kohle, Erdöl und Erdgas) knapp würden und als einziger Ausweg aus dem Dilemma wird der Einstieg in die Kernenergie propagiert (vgl. ebd., 5). Zwar wird auch die Wasserkraft als Alternative erwähnt, allerdings mit der Schlagzeile dass, wenn wir weiterhin nur auf Wasserkraft bauen würden, wir bis „1990 eine zweite Donau brauchen“. (ebd., 7) Argumentiert wurde damit, dass der Zuwachs des Stromverbrauches schlichtweg zu hoch wäre, um diesen Bedarf durch zusätzliche Wasserkraftwerke decken zu können (ebd.), vor allem deshalb, weil im Winter die Wasserkraft massiv zurückgehen würde aber genau dann der Stromverbrauch steige. Dagegen sei der Strom aus Kernkraftwerken sicher und stabil.

Ebenso sei das Atomkraftwerk Zwentendorf von massiver Bedeutung für die Sicherung der Arbeitsplätze, da ja genügend Strom eine Grundvoraussetzung für die Erhaltung von Arbeitsplätzen sei. Hier wird auf die höhere Produktivität durch mehr Maschinen und damit verbunden, mit steigenden Reallöhnen argumentiert. Des Weiteren sei Zwentendorf aber auch erforderlich, um die nationale Unabhängigkeit Österreichs auf Dauer zu gewährleisten, da Österreich gerade beim Import von fossilen Energieträgern massiv auf Importe aus dem Ausland angewiesen sei (vgl. ebd., 11)

Was nun die Importe von Uran betrifft, so merkte man in der Broschüre an, dass es dafür sehr viele verschiedenen alternative Anbieter gebe, die nicht, so wie die Erdölexporteure in einem Kartell miteinander verbunden wären (vgl. ebd., 13).

Auch auf die „Umweltfreundlichkeit“ von Atomkraftwerken wird in der Broschüre hingewiesen: „Sie (Kernkraftwerke, Anm. d. Verf.) erzeugen keinen Rauch und keine Abgase, keine Stickoxide und kein Schwefeldioxid. Sie entlasten unsere schon gar so strapazierte Luft und Umwelt.“ (ebd., 15).

Laut der Broschüre wären auch die Warnungen vor erhöhter Strahlenbelastung bei weitem übertrieben, da man in Österreich bereits immer schon mit der Radioaktivität leben würde. Zudem wären Kernkraftwerke soweit abgesichert, dass nur einen Strahlung von 1 Millirem pro Jahr nach außen gelangen würde, was wiederum weniger wäre, als ohnehin bereits in der Luft vorhanden sei (vgl., ebd., 17).

Was nun den radioaktiven Abfall, also den so genannten Atommüll betrifft, so bestätigt die Broschüre, dass für diese Problematik bereits Lösungen gefunden worden seien. Der Vertrag mit einer französischen Firma, wo die Brennstäbe aus Österreich zur Wiederaufbereitung hingeschickt werden sollen, sei bereits abgeschlossen worden. Zudem würde endlagerungsfähiger Abfall in Österreich ohnehin erst in den 90er-Jahren entstehen aber auch für dieses Problem seien bereits Lösungen gefunden worden und somit wäre das Entsorgungsproblem technisch gelöst (vol., ebd., 19).

Am Ende der Broschüre tritt man für die Sicherheit des Kernkraftwerkes Zwentendorf ein. Mit einem etwas gewagten Rechenbeispiel versuchte man zu untermauern, dass die Kernenergie als sehr sicher einzustufen wäre:

Seit 25 Jahren arbeiten auf der ganzen Welt Kernkraftwerke. Heute sind es 208. Das ergibt insgesamt 1.500 Jahre Betriebserfahrung. Noch nie hat es dabei einen tödlichen Strahlenunfall gegeben.“ (ebd., 21).

3.2.2 Die Atomkraft-GegnerInnen

Die Standpunkte und Forderungen der GegnerInnenschaft der Atomkraft wurden vor allem auf Fragen der Sicherheit sowie der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls angenommen.

Die wichtigsten Argumente der Atomkraft-Gegner waren:

- Ein Kernkraftwerk kann mit der Wirkung einer Atombombe explodieren.
- Der Atommüll stellt eine dauernde Gefährdung der Umwelt da.
- Kernkraftwerke führen zu einer radioaktiven Verseuchung der Umwelt und damit zu Leukämie.
- Der Strom aus Kernkraftwerken wird zu teuer sein.
- Wir haben ohnehin auch in der Zukunft genug Elektrizität und brauchen daher keine Kernkraftwerke.
- Ein Unfall in einem Kernkraftwerk kann Tausende Tote in der Umgebung verursachen.
- Alte Kernkraftwerke werden als strahlende Ruinen Jahrhunderte lang die Umwelt gefährden.
- Das Kernkraftwerk Zwentendorf ist erdbebengefährdet.
- Terroristen könnten durch einen Angriff auf Kernkraftwerke die Bevölkerung gefährden (vgl. Journal für Sozialforschung 4/78)

[...]


[1] Die Brutreaktoren wurden zur besseren Ausnützung der vorhandenen Uranreserven entwickelt. Die schnellen Brutreaktoren dienen der Stromerzeugung und der Erzeugung von Kernbrennstoff. Sie erzeugen mehr Spaltstoff als sie bei der Kettenreaktion verbrauchen. Schnelle Brüter besitzen keinen Moderator, somit werden die Kernspaltungen durch schnelle Neutronen ausgelöst (daher der Name Brüter) (vgl. Sattari 2005)

Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Das Kernkraftwerk Zwentendorf. Einer der größten Konfliktfelder in der österreichischen Nachkriegszeit
Hochschule
Universität Salzburg  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Interessendurchsetzung in Österreich
Note
1
Autoren
Jahr
2006
Seiten
71
Katalognummer
V55157
ISBN (eBook)
9783638501859
ISBN (Buch)
9783638736602
Dateigröße
938 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwentendorf, Konflikt, Seminar, Interessendurchsetzung, Österreich, Kernenergie, Atomkraft, Kreisky
Arbeit zitieren
Regina Bianchi (Autor:in)Karin Weber (Autor:in), 2006, Das Kernkraftwerk Zwentendorf. Einer der größten Konfliktfelder in der österreichischen Nachkriegszeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55157

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