Robert Gardner, der 1925 in Massachusetts geboren wurde, interessierte sich bereits in frühester Kindheit für damalige Filme, wie etwa die von Charlie Chaplin. Zunächst fasziniert von der 16mm-Kamera seines Vaters, bekam er irgendwann eine eigene Kamera, und es begann für ihn die Überlegung, was es denn mit dieser einzufangen galt. Da Gardner sich selbst ein Verständnis von Film und Filmemachen aneignen musste - es gab kaum derartige Ausbildungsmöglichkeiten - verschlang er zunächst die Filme, die in den damaligen Kinos gespielt wurden. Gardner sah das Filmemachen als eine Art Kunstform an und umso kunstvoller erschien es ihm, wenn es Filmemachern gelang, Emotionen und Stimmungen der realen Welt in Form eines Films zu konservieren. Diese reale Welt zu bewahren, liegt - so zitiert Gardner den englischen Dichter Philip Larkin - "aller Kunst zugrunde."
Es kristallisierte sich also schnell ein Interesse an nicht-fiktiven Filmen heraus. Gardner schreibt in dem Text "Der Impuls zu bewahren", dass er Filme, wie "The private life of a cat" - von Maya Derens - noch immer am meisten liebt, denn es gelang ihr in diesem Film, Aktualität statt Phantasie in den Vordergrund zu stellen, was Gardner nachhaltig beeindruckte. Er beschreibt Filme wie diesen als visuell eindrucksvoller und als sehr viel herzbewegender als fiktive und surrealistische Werke.
Mit Hilfe des Films bzw. der Kamera war es Gardner nun also möglich, seine eigenen Empfindungen, bezüglich eines Teils der äußeren realen Welt, wiederzugeben, wenn es auch ihm gelingen würde, sie mit der Kamera einzufangen.
Gliederung
1. Robert Gardner - Der Weg zum nicht-fiktiven Film
2. Gardners Intention
3. "Rivers of Sand"
3.1 Das Leitmotiv des Films
3.2 Die ersten Bilder
3.3 Das Anfangbild wird relativiert
3.4 Die Thematik des Schlagens
4. Kritik an Gardners "Rivers of Sand"
1. Robert Gardner - Der Weg zum nicht-fiktiven Film
Robert Gardner, der 1925 in Massachusetts geboren wurde, interessierte sich bereits in frühester Kindheit für damalige Filme, wie etwa die von Charlie Chaplin. Zunächst fasziniert von der 16mm-Kamera seines Vaters, bekam er irgendwann eine eigene Kamera, und es begann für ihn die Überlegung, was es denn mit dieser einzufangen galt.
Da Gardner sich selbst ein Verständnis von Film und Filmemachen aneignen musste – es gab kaum derartige Ausbildungsmöglichkeiten – verschlang er zunächst die Filme, die in den damaligen Kinos gespielt wurden. Gardner sah das Filmemachen als eine Art Kunstform an und umso kunstvoller erschien es ihm, wenn es Filmemachern gelang, Emotionen und Stimmungen der realen Welt in Form eines Films zu konservieren. Diese reale Welt zu bewahren, liegt – so zitiert Gardner den englischen Dichter Philip Larkin – "aller Kunst zugrunde."[1]
Es kristallisierte sich also schnell ein Interesse an nicht-fiktiven Filmen heraus. Gardner schreibt in dem Text "Der Impuls zu bewahren", dass er Filme, wie "The private life of a cat" – von Maya Derens – noch immer am meisten liebt, denn es gelang ihr in diesem Film, Aktualität statt Phantasie in den Vordergrund zu stellen, was Gardner nachhaltig beeindruckte. Er beschreibt Filme wie diesen als visuell eindrucksvoller und als sehr viel herzbewegender als fiktive und surrealistische Werke.
Mit Hilfe des Films bzw. der Kamera war es Gardner nun also möglich, seine eigenen Empfindungen, bezüglich eines Teils der äußeren realen Welt, wiederzugeben, wenn es auch ihm gelingen würde, sie mit der Kamera einzufangen.
2. Gardners Intention
Es sind nun heute bereits mehr als fünfzig Jahre, in denen Robert Gardner mit der Kamera durch die Welt reist. Seine Filme erzählen unter anderem vom Leben der Dani, der Hamar, der Fulani oder der Ika. Der Film "Rivers of Sand", den Robert Gardner 1970 zu drehen begann, handelt von der Hamar-Gesellschaft, die im trockenen Buschland Südwest-Äthiopiens lebt.
Gardner hatte es sich von Beginn an zum Ziel gesetzt, seine Filme so zu gestalten, dass sie den Zuschauer zum Nachdenken anregen. Die menschliche Realität sollte zwar in all ihrer Bedeutung vermittelt werden, aber es sollten eher Fragen aufgeworfen werden, als dass Gardner als Filmemacher belehrend auf den Zuschauer einwirkt. Die fremde Kultur soll in all ihrer Schönheit, in all ihren Facetten sowie in all ihrer Andersartigkeit gezeigt werden.
Es ist für Gardner also durchaus ein grundlegendes Interesse, dem Zuschauer einen Einblick in die Kultur der Hamar zu geben, indem er ihren Tagesablauf, ihre Gewohnheiten oder ihre Rituale filmisch wiedergibt. Jedoch, wie in den meisten Filmen Gardners, ist auch "Rivers of Sand" hauptsächlich ein visueller Eindruck für den Zuschauer. Die mündlichen oder schriftlichen Kommentare des Filmemachers beschränken sich auf ein Minimum. Für den Zuschauer ist es beinah so, als würde er, während er den Film schaut, selbst in die fremde Kultur eintauchen und sie allein für sich erleben. Er muss somit auch eigenständig eine Auswertung sowie Bewertung des Gesehenen vornehmen.
Ein besonders wichtiger Punkt für Robert Gardner ist es demnach, den Zuschauer mit in den Erkenntnisprozess einzubeziehen. Er soll nicht nur passiv vom Film berieselt werden, sondern aktiv mitdenken und sich somit ein eigenes Bild von der fremden Kultur machen können. Das funktioniert selbstverständlich nur, wenn der Zuschauer auch dazu bereit ist, also die nötige Zeit und Lust hat, sich intensiver mit dem Film zu beschäftigen. Dafür ist es notwenig, das Interesse des Zuschauers zu wecken.
Nun ist ein gewisses Interesse an fremden Kulturen, die augenscheinlich Gegensätze zur eigenen Kultur aufweisen, sicher von vornherein gegeben. Gardners Filme jedoch enthalten zusätzlich meist noch eine elementare moralische Ebene. In seinem Film "Dead Birds", in dem sehr detailliert das Kriegführen der Dani beschrieben wird, geht es so zum Beispiel um die moralische Dimension von Leben und Tot. Nun spielen Krieg, Gewalt oder Tot aber natürlich nicht nur in fernen, fremden Kulturen eine elementare Rolle, sondern dies sind Bestandteile aller Kulturen. Der Zuschauer kennt also diese Thematik und kann sich, wenn auch gewiss oft nur teilweise, mit ihr identifizieren.
Durch eine solche moralische Ebene im Film, ist dem Zuschauer nicht alles fremd und unbekannt, was er sieht. Es wird ihm somit ermöglicht eigene Gedanken zu entwickeln und folglich am Film aktiv teilzuhaben. Der Zuschauer kann einerseits die Vorgänge im Film durch sein eigenes Vorwissen eher nachvollziehen und er kann andererseits Parallelen zur eigenen Kultur entdecken, Vergleiche anstellen und sein bisheriges Wissen und Empfinden bezüglich der vorgegeben Thematik erweitern oder überdenken.
In "Rivers of Sand" findet sich ebenfalls eine solche moralische Ebene wieder. Es handelt sich hierbei um die Geschlechterbeziehungen der Hamar, um die Machtposition des Mannes und die Unterdrückung der Frau. Zu der Zeit, als Gardner den Film drehte, war die Frauenbewegung in einem fortgeschrittenen Stadium. Frauen in vielen Teilen der Welt kämpften um Gleichberechtigung auf politischer, sozialer, beruflicher und auf privater Ebene. Gerade durch die 68er-Bewegung, in der gegen Unrecht, Diskriminierung und Benachteiligung vorgegangen wurde, trat auch das immer noch vorherrschende Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen wieder in den Mittelpunkt vieler Diskussionen. Auch wenn die Vormachtstellung des Mannes in vielen Bereichen bereits überwunden war und Frauen an Rechten gewonnen hatten, war die Thematik der mangelnden Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern längst nicht aus den Köpfen der Menschen verschwunden.
3. "Rivers of Sand"
3.1 Das Leitmotiv des Films
"Rivers of Sand" beginnt mit einer Art Ansprache der Hamar-Frau Omalleinda. Sie berichtet davon, dass jede Hamar-Frau irgendwann das Haus ihres Vaters verlässt, um bei ihrem Ehemann zu leben. Sie erzählt, dass sie dann läuft, um Wasser und Tabak zu holen und sie kocht Kaffee und das Essen. Der Mann, so sagt Omalleinda, sitzt während dessen nur herum. Der zweite Punkt, den sie anspricht, ist das Geschlagen-Werden. Sie spricht von Angst und davon, dass sie sich fragt, wann sie wieder geschlagen wird und wenn sie nicht geschlagen wird, fragt sie sich, warum nicht.
Dieser Einstieg in den Film hat einen beinahe provozierenden Charakter. Der Zuschauer sieht sich einer Frau gegenüber, die davon erzählt, dass in ihrer Kultur die Frauen unterdrückt werden. Es scheint alltäglich zu sein, dass die Frauen geschlagen werden und es scheint, als würden die Männer Angst verbreiten und als wären sie in einer Machtposition, die sie ohne Rücksicht ausnutzen. Der aufmerksame Zuschauer ist nun zunächst geschockt oder entsetzt. Vielleicht ist er auch ungläubig oder fühlt sich einseitig beeinflusst. Wie auch immer der Zuschauer diese einführenden Worte Omalleindas für sich aufnimmt, es ist jedenfalls sehr wahrscheinlich, dass sein Interesse geweckt ist. Die Thematik der Unterdrückung der Frau und der Gewalt gegen Frauen ist nahezu jedem Zuschauer bekannt. Er möchte nun erfahren, wie sich die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen im Einzelnen darstellt, wie die Geschlechter zueinander stehen, wie sich die Männer verhalten und wie die Frauen mit dieser Situation umgehen. Es ist Robert Gardner also gelungen, bereits zu Beginn des Films Fragen auf Seiten des Zuschauers zu erzeugen.
Nachdem der Titel des Films "Rivers of Sand – a film by Robert Gardner" genannt wird, spricht der Filmemacher den Zuschauer direkt an. Ein kurzer Kommentar Gardners gibt an dieser Stelle darüber Auskunft, dass es sich im Folgenden um die Hamar-Kultur handelt, die in den Sandflüssen der Dornbuschsavanne Südwest-Äthiopiens lebt. Weiter sagt er: "Dieser Film zeigt, wie sie mit den Begrenzungen ihres speziellen Lebensraums zurecht kommen und wie sie die Auseinandersetzungen und Konflikte durchstehen, die Männern und Frauen auf der ganzen Welt vertraut sind."[2]
Gardner berichtet dem Zuschauer also zunächst, um welche Kultur es sich in dem Film handelt. Bis auf die oben genannten Fakten, erhält der Zuschauer allerdings keine weiteren Informationen über die Hamar. Gardner verweist sofort auf das Wesentliche - auf die moralische Ebene. Es scheint so, als wolle Gardner dem Zuschauer, durch den letzten Teil seines Kommentars, verdeutlichen, dass die grundlegende Thematik des Films jedem Menschen ein Interesse sein sollte. Die Konflikte zwischen den Geschlechtern sind allen Menschen weltweit vertraut und somit auch jedem Zuschauer im Einzelnen. Der Film wird nun also einen neuen Blickwinkel auf diese Thematik geben. Der Zuschauer kann, wenn er interessiert ist, neue Informationen zur gegebenen Thematik erhalten und sein bisheriges Wissen erweitern. Der Film wird dem Zuschauer darüber berichten, wie die Hamar ihr Leben bewältigen und wie Männer und Frauen dort miteinander umgehen.
Durch seine eigene direkte Ansprache an den Zuschauer, fasst Gardner den anfänglichen Kommentar Omalleindas noch einmal in einen kompakten, stark verallgemeinerten Rahmen. Der Zuschauer ist sensibilisiert durch die Vorgabe einer elementaren, moralischen Thematik und sein Interesse ist geweckt.
3.2 Die ersten Bilder
Die nun folgenden ersten Bilder des Films scheinen die Eingangskommentare von Omalleinda und Gardner selbst zu bestätigen und sogar noch zu verstärken. Es werden vor allem die Frauen bei der harten, körperlichen Arbeit gezeigt, während die Männer sich ausruhen bzw. einfach nichts tun. Den Großteil ihrer Zeit scheinen die Frauen mit dem Holen von Wasser zu verbringen. In mehreren langen Szenen sieht der Zuschauer, wie sie den Weg zu den Wasserstellen bestreiten, wie sie mühsam das Wasser aus fast versickerten Wasserlöchern herausholen und es in Gefäße umfüllen. Diese Gefäße hängen sie sich anschließend um ihren Körper und treten den Rückweg an. Dem Zuschauer wird hierbei deutlich, dass diese mit Wasser gefüllten Behältnisse ein beachtliches Gewicht haben und diese Arbeit aufgrund dessen viel körperliche Kraft benötigt. Des Weiteren sieht man die Frauen immer wieder beim Mahlen der Hirse und auf den Feldern, wo sie die Hirse ernten und die unliebsamen Vögel von dort vertreiben. Fast immer an ihrer Seite sind auch die Kinder der Hamar, auf die die Frauen neben ihrer Arbeit zusätzlich acht geben.
Ingesamt sind jedoch alle Szenen nicht besonders lang und durch viele Schnitte unterbrochen. Die Szenen wechseln schnell zwischen den unterschiedlichen Tätigkeiten und verschiedenen Gegebenheiten hin und her. Wie zum Beispiel die Frauen das Wasser holen wird nicht etwa einmalig im Film, in einer langen Szene oder in mehreren aufeinander folgenden Szenen gezeigt, sondern es werden immer wieder einzelne Bilder dieser Tätigkeit gezeigt. Diese Einspielungen erfolgen in unterschiedlichen Zeitabständen, aus verschiedenen Blickwinkeln, in verschiedenen Längen und scheinbar unabhängig voneinander. Diese Machart zieht sich durch den gesamten Film. Die verschiedenen Bilder bzw. Szenen im Film wirken wie zufällig angeordnet oder wie durcheinander geraten und wahrscheinlich gerade wegen eben dieser Wirkung, bezeichnet Asen Balikci diese Art der Bildabfolge in "Rivers of Sand" als "mosaikhaft."[3]
Der Titel "Rivers of Sand", den Robert Gardner für diesen Film über die Hamar-Kultur gewählt hat, wirkt nahezu poetisch. In einem kurzen Kommentar gibt der Filmemacher darüber Auskunft, dass die Flüsse im Lebensraum der Hamar ausgetrocknet sind und die Frauen daher das Wasser, wie bereits beschrieben, aus fast versickerten Wasserlöchern bergen und zum Dorf transportieren müssen. Diese Tätigkeit scheinen sie mehrmals täglich zu verrichten, denn Wasser ist für die Hamar in der trockenen Savanne überlebenswichtig. Unter diesem Aspekt betrachtet enthält der Titel "Flüsse aus Sand" eine eher negative Komponente. Für den Zuschauer und wohl auch für Gardner ist es ein gravierender Fakt, dass etwas so existentielles wie Wasser, in einem solch kargen und heißen Lebensraum, so spärlich vorhanden ist und auf so mühsame Art und Weise geborgen werden muss.
[...]
[1] Robert Gardner: Der Impuls zu bewahren
[2] Aus dem Film "Rivers of Sand" von Robert Gardner
[3] Asen Balikci: Kurze Anmerkungen zu Robert Gardners Filmen
- Arbeit zitieren
- Anne Weber (Autor:in), 2006, Robert Gardner: "Rivers of sand", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54992
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