Das deutsche Recht gewährt den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, ihre vertraglichen Beziehungen in eigener Regie und Verantwortung - und weitestgehend ohne staatliche Beeinflussung zu regeln. Diese Tarifautonomie leitet sich aus dem in Art. 9 Abs. 3 GG gewährten Recht der Koalitionsfreiheit und der sich daraus ergebenden Betätigungsgarantie der Koalitionsmitglieder ab. Teil dieser Betätigungsgarantie zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist das Abschließen von Tarifverträgen zwischen den Tarifparteien.
I. Inhaltsverzeichnis
II. Abkürzungsverzeichnis
1. Arbeitskampf und Arbeitskampfrecht
1.1. Rechtliche Grundlage des Arbeitskampfes
1.2. Praktische Notwendigkeit
1.3. Begriffliche Klärung und historische Einordnung
1.4. Rechtliche Einordnung und Voraussetzungen für den Arbeitskampf
1.5. Zulässige Arbeitskampfmittel, insbesondere die Aussperrung
2. Die Aussperrung
2.1. Die Aussperrung als Arbeitskampfmittel
2.2. Formen der Aussperrung
2.3. Die Abwehraussperrung gegen einen rechtmäßigen Streik
2.4. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Abwehraussperrung
2.4.1. Vorliegen eines Angriffsstreiks
2.4.2. Satzungsmäßiges Verfahren
2.4.3. Auszusperrende Arbeitnehmer
2.4.4. Umfang und Verhältnismäßigkeit
2.5. Verteilung des Arbeitskampfrisikos und „kalte Aussperrung“
2.5.1. Wirtschafts- und Betriebsrisiko
2.5.2. Arbeitskampfrisiko
2.5.3. Die „Kalte Aussperrung“
3. Die Aussperrung im Arbeitsrecht, ein überholtes Kampfinstrument?
3.1. Die Aussperrung in der öffentlichen Diskussion
3.2. Die Aussperrung nach der Aussperrungsarithmetik
3.3. Rechtsfolgen der rechtswidrigen Aussperrung
3.4. Betriebs- und verbandsinterne Probleme der Aussperrung
4. Fazit
III. Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Internetquellen
II. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Arbeitskampf und Arbeitskampfrecht
1.1. Rechtliche Grundlage des Arbeitskampfes
Das deutsche Recht gewährt den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, ihre vertraglichen Beziehungen in eigener Regie und Verantwortung - und weitestgehend - ohne staatliche Beeinflussung zu regeln. Diese Tarifautonomie leitet sich aus dem in Art. 9 Abs. 3 GG gewährten Recht der Koalitionsfreiheit und der sich daraus ergebenden Betätigungsgarantie der Koalitionsmitglieder[1] ab. Teil dieser Betätigungsgarantie[2] zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist das Abschließen von Tarifverträgen zwischen den Tarifparteien.
1.2. Praktische Notwendigkeit
Die in der Tarifautonomie garantierte Vertragsfreiheit hat zur Folge, dass die fehlende Zustimmungsbereitschaft einer Vertragspartei Vertragsabschlüsse verhindern könnte. Dies muss sich aber durch die ökonomische Realität verbieten, da das wirtschaftliche Leben stillstehen[3] bzw. sich der Status quo für beide Seiten nicht ändern würde. Eine Anpassung an die wirtschaftliche Aktualität wäre so nicht möglich. Es wäre nicht gerecht,[4] eine Erhöhung der Löhne und die Anpassung der Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer ausschließlich vom Willen der Arbeitgeber abhängig zu machen. Den Arbeitnehmer muss demnach ein Mittel in die Hand gegeben werden, mit dem sie aussichtsreicher als über den Weg der individualarbeitsrechtlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber kollektiv zwingen können, über die bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen zu verhandeln.
Aus diesem Grund dürfen in Deutschland Arbeitskämpfe zur Durchsetzung tariflicher Regelungen eingesetzt werden. In der Gesetzgebung wird der Begriff des Arbeitskampfes an zahlreichen Stellen erwähnt (z.B. Art. 9 Abs. 3 Satz 3 GG, § 74 Abs. 2 BetrVG). Eine Definition an sich ist daraus aber nicht abzuleiten. Auch ist festzustellen, dass es keine gesetzliche Regelung des Arbeitskampfrechts gibt.[5] Vielmehr sind „Definitionsmacht“[6] und Auslegung auf Literatur und Rechtsprechung der Arbeitsgerichte übergegangen.
1.3. Begriffliche Klärung und historische Einordnung
Der Begriff „Arbeitskampf“ geht über die einfache Aushandlung eines neuen Tarifvertrages weit hinaus. Der Arbeitskampf ist vielmehr ein historisch gewachsenes soziales Phänomen der Konfliktregelung,[7] orientiert an den unterschiedlichen Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Aus der Geschichte der Arbeitsbeziehungen erklärt sich das heutzutage sehr martialisch anmutende Wort „Kampf“ in Arbeitskampf. So beschreibt dies aber genau die Verhältnisse bis Mitte des 19. Jahrhundert. Sklavenaufstände der Antike, Aufstände von Leibeigenen im Mittelalter und Maschinenstürme in der Industriellen Revolution sind Beispiele aus einer Zeit, in der die Forderung nach höheren Löhnen oder Verbesserung der oft menschenunwürdigen Arbeitsbeziehungen meist ein gewaltsamer Kampf auf Leben und Tod war.
1.4. Rechtliche Einordnung und Voraussetzungen für den Arbeitskampf
Das soziale Phänomen und der Begriff des „Arbeitskampf“ sind geblieben und auch heute fester Bestandteil des Arbeitslebens.[8] Rechtstellung, Mittel und Ablauf sind heute klar geregelt. Arbeitskämpfe finden nicht in einem rechtslosen Raum sondern innerhalb der für alle geltenden Rechtsordnung statt.[9]
Da der Arbeitskampf die primären Hauptpflichten der Arbeitsbeziehung verletzt und durch die Störung der Arbeitswelt ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden entsteht, hat das deutsche Recht an die Aufnahme eines Arbeitskampfes strenge Voraussetzung geknüpft.
Arbeitskämpfe sollen nach Möglichkeit vermieden werden und dürfen nur ultima ratio eingesetzt werden. Ihr Ziel muss tariflich regelbar sein und darf keine politischen Inhalte haben oder Sympathiebekundung bezwecken.
Da sie nicht außerhalb der bestehenden Rechtsordnung stehen, müssen sich die Vertragsparteien an die geltenden Tarifverträge und die darin enthaltene Friedenspflicht halten.
Um die Öffentliche Ordnung nicht zu gefährden und da Arbeitskämpfe lediglich eine Hilfsfunktion zu einem Tarifvertrag darstellen,[10] können sie nur von einer tariffähigen Partei ausgehen. „Wilde“ Arbeitskämpfe, die nicht von den zuständigen Verbänden getragen werden, sind unzulässig. Dazu muss der Arbeitskampfbeschluss ordnungsgemäß nach dem jeweiligen satzungsmäßigen Verfahren der Tarifpartei erfolgen.
Da Arbeitskämpfe lediglich zur Erreichung eines Vertragsabschlusses herangezogen werden dürfen, muss der Arbeitskampf verhältnismäßig geführt werden und darf nicht auf die Existenzvernichtung des Gegners abzielen oder das Gemeinwohl offensichtlich verletzten.[11]
1.5. Zulässige Arbeitskampfmittel, insbesondere die Aussperrung
Das Wesen des Arbeitskampfes ist, dass er eine bewusste Störung der vertraglichen Durchführung des Arbeitsverhältnisses[12] zur Folge hat. Dabei werden primär die Hauptpflichten der Arbeitsbeziehung verletzt. So stellt ein Streik eine kollektive Verletzung der im Arbeitsvertrag festgeschriebenen Arbeitspflicht durch die Arbeitnehmer dar.
[...]
[1] Vgl.: Kissel, O.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 1061
[2] Vgl.: Kissel O.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 1061
[3] Vgl.: Marschollek G.: „Kollektives Arbeitsrecht“, 2004, S. 54
[4] Vgl.: Haunau P., Adomeit K.: „Arbeitsrecht“, 2005, S.81
[5] Vgl.: Marschollek G.: „Kollektives Arbeitsrecht“, 2004, S. 55
[6] Vgl.: Däubler W.: „Arbeitskampfrecht“, 1987, S. 62
[7] Vgl.: Kissel O.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 1 und S. 139
[8] Vgl.: Kissel O.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 159
[9] Vgl.: Kissel O.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 155
[10] Vgl.: Kissel O.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 1062
[11] Vgl.: Marschollek G.: „Kollektives Arbeitsrecht“, 2004, S. 65
[12] Vgl.: Kissel G.: „Arbeitskampfrecht“, 2002, S. 847
- Arbeit zitieren
- Thomas Graf (Autor:in), 2005, Die Aussperrung im Arbeitsrecht, ein überholtes Kampfinstrument?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54545
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