Henry James’ Erzählung Das Durchdrehen der Schraube gilt als eine der meistdiskutierten, umstrittensten Novellen der Literatur des 19. Jahrhunderts. Schon die kategoriale Einordnung erweist sich als schwierig; sicher handelt es sich einerseits um eine Geistergeschichte – aber ist es nicht auch eine psychologische Tiefenstudie einer möglicherweise sexuell hysterischen, einer von viktorianischer Moral besessenen Gouvernante? Es stellt sich die Frage, ob die Geister wirklich sind, oder ob es sich um Wahnvorstellungen der Gouvernante handelt – und gerade dass dies zu entscheiden unmöglich erscheint, macht James’ Novelle zu einem Meisterstück psychologischer Erzählkunst.
Das Durchdrehen der Schraube vereint die drei wesentlichen Themengebiete des Autors, nämlich Parapsychologie, individuelle Psyche und soziale Aspekte. "Eine höchst wunderbare, grausige, giftgetränkte kleine Geschichte" nannte Oscar Wilde die Erzählung und wies mit dem Wort "giftgetränkt" treffend auf den subtilen psychischen Horror hin, der sich gerade in dem verbirgt, was vage und unausgesprochen bleibt.
Diese Arbeit wird sich, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interpretationsansätze, mit der Ambiguität der Erzählung auseinandersetzen, sowie mit der zugrundeliegenden Erzählstruktur und der exakten Psychologisierung, wobei deutlich werden wird, dass Psychologie des Erzählens und Psyche der Charaktere in ,Das Durchdrehen der Schraube' eng miteinander verknüpft sind. Es wird die Frage nach der Realität gestellt werden und die ebenfalls umstrittene Frage nach der Beschaffenheit des Horrors innerhalb der Erzählung.
Henry James war Agnostiker. Seine Überzeugung von der Unerkennbarkeit des wahren Seins, der Wahrheit und der Wirklichkeit spiegelt sich in der Unlösbarkeit der Geschichte wider. Ebenso zeigt sie sich in der Ambivalenz der Symbolik, in den ambivalenten Empfindungen der Charaktere und in den diese Empfindungen symbolisch widerspiegelnden dämmrigen Lichtverhältnissen innerhalb der Erzählung. Eine endgültige Interpretation, eine Auflösung des Rätsels, dürfte so unwahrscheinlich sein, wie eine absolute Erkenntnis über die spirituellen, gnostischen oder religiösen Fragen der Welt.
Psychologie und Metapsychologie verflechten sich zu einem Knoten, den nur der Tod zu lösen vermag - ,Das Durchdrehen der Schraube' wird zu einem Spiegel des Mysteriums Welt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1) Quint und Jessel als reale Geister
- 2) Viktorianischer Zwiespalt und sexuelle Hysterie
- 3) Die Falle des Subjektiven
- 4) Die Geister als Projektionen des Selbst
- 5) Psychologische Erzählkunst – Erzähltechnik, Ambivalenz und
moralische Aspekte - Zusammenfassung und Schlussgedanken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Henry James' Erzählung "Das Durchdrehen der Schraube" und setzt sich mit der Ambiguität der Erzählung, der zugrundeliegenden Erzählstruktur und der exakten Psychologisierung auseinander. Im Zentrum steht die Frage nach der Realität der Geister und die Beschaffenheit des Horrors in der Erzählung.
- Die Rolle des Spiritismus in der viktorianischen Gesellschaft
- Die Ambiguität der Erzählung und die Frage nach der Realität der Geister
- Die psychologische Tiefenstudie der Gouvernante und ihre mögliche sexuelle Hysterie
- Die Verbindung zwischen psychologischer Erzählkunst und Psyche der Charaktere
- Die Bedeutung der Erzähltechnik und die Manipulation des Lesers
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Erzählung "Das Durchdrehen der Schraube" als eine der meistdiskutierten Novellen des 19. Jahrhunderts vor und beleuchtet die schwierige kategoriale Einordnung: Geistergeschichte oder psychologische Tiefenstudie? Sie führt in die zentrale Frage ein, ob die Geister real sind oder ob es sich um Wahnvorstellungen der Gouvernante handelt.
1) Quint und Jessel als reale Geister
Dieses Kapitel befasst sich mit der Möglichkeit, dass Quint und Jessel tatsächlich reale Geister sind und ihre Anwesenheit in Bly House eine reale Bedrohung für die Kinder darstellt. Die Kapitel analysiert die Hinweise und Beweise, die diese These unterstützen.
2) Viktorianischer Zwiespalt und sexuelle Hysterie
Dieses Kapitel beleuchtet den viktorianischen Zwiespalt und die Rolle der sexuellen Hysterie in der Gesellschaft. Es wird untersucht, inwieweit die Gouvernantes eigene psychische Verfassung und ihre unterdrückten sexuellen Bedürfnisse die Wahrnehmung der Geister beeinflussen könnten.
3) Die Falle des Subjektiven
Dieses Kapitel widmet sich dem Konzept der "Falle des Subjektiven" und zeigt auf, wie die Erzählung die Grenzen zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiver Realität verschwimmen lässt. Die Kapitel analysiert die Rolle der Erzählperspektive und wie sie die Interpretation der Ereignisse beeinflusst.
4) Die Geister als Projektionen des Selbst
Dieses Kapitel untersucht die Möglichkeit, dass die Geister Projektionen der Gouvernantes eigenen Ängste und Wünsche sind. Die Kapitel analysiert die psychologische Verfassung der Gouvernante und ihre Beziehung zu den Kindern, um zu verstehen, wie ihre inneren Konflikte die Wahrnehmung der Geister beeinflussen könnten.
5) Psychologische Erzählkunst – Erzähltechnik, Ambivalenz und moralische Aspekte
Dieses Kapitel befasst sich mit den psychologischen Aspekten der Erzählkunst in "Das Durchdrehen der Schraube". Es untersucht die Rolle der Erzähltechnik, die Ambivalenz der Erzählung und die moralischen Aspekte der Geschichte.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: Spiritismus, Okkultismus, Viktorianische Gesellschaft, sexuelle Hysterie, Psychologie, Erzähltechnik, Ambivalenz, Projektion, Realitätswahrnehmung, Interpretation, Horror.
- Quote paper
- Marcel Schaefer (Author), 2003, Die Falle des Subjektiven - Psychologisches Erzählen in Henry James' "Das Durchdrehen der Schraube", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54459