Allgemein betrachtet, basiert jede Datenerhebungsmethode auf einem Beobachtungsvorgang, der das Wahrnehmen unserer Umwelt durch Sinnesorgane beinhaltet. Somit stellt die Beobachtung sowohl in der empirischen Sozialforschung als auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen, beispielsweise der Recherche von literarischen und journalistischen Sozialreportagen oder der Psychologie eines der ursprünglichsten Verfahren dar. Was verstehen wir unter Beobachtung?
Die wissenschaftliche Beobachtung ist„das systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens“ (Atteslander 2003, S. 79).Den Unterschied zur alltäglichen Beobachtung erklärt Atteslander folgendermaßen:„Während alltägliches Beobachten der Orientierung der Akteure in der Welt dient, ist das Ziel der wissenschaftlichen Beobachtung die Beschreibung bzw. Rekonstruktion sozialer Wirklichkeit vor dem Hintergrund einer leitenden Forschungsfrage.“
Weitere Unterschiede sind die Anwendung systematischer Verhaltensweisen und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den erlangten Ergebnissen bei der Beobachtung als Datenerhebungsmethode. Durch die Beobachtung kann gegenwärtiges Geschehen festgehalten und somit ein real existierendes Verhalten registriert werden. Im Gegensatz zur Befragung, bei der der Befragte nur eine Antwort bezüglich eines möglichen Verhaltens gibt, die zudem subjektiv verarbeitet und interpretiert ist, befasst sich die Beobachtung mit effektiv sozialem Verhalten. Jürgen Friedrichs weist allerdings auf die verhältnismäßig seltene Anwendung der Beobachtung in der Soziologie hin. Grund hierfür ist,„dass die Beobachtung Hypothesen über das Verhalten von Individuen verlangt, zu denen dann Analysen und Prognosen nötig sind. In den Hypothesen sind Variablen enthalten, deren Messung anhand der Kategorien des Forschers erfolgt; er interpretiert Bewegung, räumliche Distanz und Interaktionen“ (Friedrichs 1980, S. 269).Folglich steht die Interpretation des Betroffenen der des Akteurs gegenüber.
Ziel meiner Ausarbeitung ist es zunächst, einen Überblick über die wissenschaftliche Beobachtung und deren Bestandteile zu geben, bevor ich die einzelnen Formen der Beobachtung näher erläutere. In einem weiteren Schritt werde ich die Datenerhebungsmethode „Beobachtung“ anhand der „Marienthal-Studie“, die als berühmteste teilnehmende Beobachtung gilt, vorstellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Beobachtung
- Quantitative und qualitative Sozialforschung
- Bestandteile der Beobachtung
- Das Beobachtungsfeld
- Die Beobachtungseinheiten
- Der Beobachter
- Die Beobachteten
- Beobachtungsformen
- Naive und wissenschaftliche Beobachtung
- Strukturierte und unstrukturierte Beobachtung
- Offene und verdeckte Beobachtung
- Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung
- Aktiv und passiv teilnehmende Beobachtung
- Direkte und indirekte Beobachtung
- Feld- und Laborbeobachtung
- Marienthalstudie
- Hintergrund der Studie
- Vorgehensweise und Forschungsziele
- Angewandte Methode und Ergebnis
- Teilnehmende Beobachtung
- Überblick über die teilnehmende Beobachtung
- Beobachter als Teilnehmer („observer-as-participant“)
- Teilnehmer als Beobachter („participant-as-observer“)
- Völlige Identifikation mit dem Feld („complete participant“)
- Reiner Beobachter ohne Interaktion mit dem Feld („complete observer“)
- Beobachterschulung
- Grenzen der Beobachtung
- Überblick über die teilnehmende Beobachtung
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit bietet einen Überblick über die wissenschaftliche Beobachtung als Methode der empirischen Sozialforschung. Ziel ist es, die verschiedenen Formen der Beobachtung zu erläutern und deren Bestandteile zu analysieren. Die Marienthal-Studie dient als Beispiel für teilnehmende Beobachtung.
- Wissenschaftliche Beobachtung im Vergleich zur alltäglichen Beobachtung
- Quantitative und qualitative Ansätze in der Beobachtung
- Bestandteile der Beobachtung: Beobachtungsfeld, Beobachtungseinheiten, Beobachter und Beobachtete
- Verschiedene Formen der Beobachtung (z.B. teilnehmende, nicht-teilnehmende, offene, verdeckte Beobachtung)
- Die Marienthal-Studie als Beispiel für teilnehmende Beobachtung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema wissenschaftliche Beobachtung ein und differenziert sie von der alltäglichen Beobachtung. Sie betont die Bedeutung der Beobachtung in verschiedenen Disziplinen und erläutert den Unterschied zwischen subjektiver und objektiver Beobachtung, wobei die wissenschaftliche Beobachtung als systematisches Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens definiert wird. Die Arbeit skizziert ihren weiteren Aufbau und die Forschungsziele.
Die Beobachtung: Dieses Kapitel behandelt die Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung im Kontext der Beobachtung. Quantitative Ansätze betonen Objektivität und die Überprüfung von Hypothesen, während qualitative Ansätze die Interpretation sozialer Prozesse in den Vordergrund stellen. Der Abschnitt beschreibt die vier Bestandteile der Beobachtung: das Beobachtungsfeld, die Beobachtungseinheiten, den Beobachter und die Beobachteten, wobei die Wechselwirkungen zwischen diesen Komponenten hervorgehoben werden. Es wird die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung und Reflexion der Rolle des Beobachters betont.
Beobachtungsformen: Dieses Kapitel beschreibt verschiedene Formen der wissenschaftlichen Beobachtung. Es werden die Unterschiede zwischen naiver und wissenschaftlicher Beobachtung, strukturierter und unstrukturierter Beobachtung, offener und verdeckter Beobachtung, teilnehmender und nicht-teilnehmender Beobachtung, aktiv und passiv teilnehmender Beobachtung, sowie direkter und indirekter Beobachtung und Feld- und Laborbeobachtung erklärt. Die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden werden implizit oder explizit angesprochen.
Marienthalstudie: Das Kapitel widmet sich der Marienthal-Studie als einflussreiches Beispiel für teilnehmende Beobachtung. Es beleuchtet den Hintergrund der Studie, die angewandte Methode und die gewonnenen Ergebnisse. Die Zusammenfassung betont die Bedeutung der Studie für die Entwicklung der teilnehmenden Beobachtungsmethodik und ihre methodischen Herausforderungen.
Teilnehmende Beobachtung: Dieses Kapitel bietet einen detaillierten Überblick über die teilnehmende Beobachtung. Es beschreibt verschiedene Rollen des Beobachters (observer-as-participant, participant-as-observer, complete participant, complete observer) und diskutiert die Notwendigkeit der Beobachterschulung sowie die Grenzen der Methode, einschließlich der Herausforderungen der Objektivität und der potenziellen Beeinflussung des Beobachtungsprozesses durch den Beobachter selbst.
Schlüsselwörter
Wissenschaftliche Beobachtung, Qualitative Sozialforschung, Quantitative Sozialforschung, Teilnehmende Beobachtung, Marienthalstudie, Beobachterrolle, Beobachtungsfeld, Beobachtungseinheiten, Objektivität, Validität, Reliabilität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur wissenschaftlichen Beobachtung
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über die wissenschaftliche Beobachtung als Methode der empirischen Sozialforschung. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Beschreibung der Zielsetzung und der Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und eine Liste der Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf den verschiedenen Formen der Beobachtung, deren Bestandteile und deren Anwendung, veranschaulicht am Beispiel der Marienthal-Studie.
Welche Arten der Beobachtung werden behandelt?
Das Dokument behandelt zahlreiche Arten der wissenschaftlichen Beobachtung, darunter: naive vs. wissenschaftliche Beobachtung, strukturierte vs. unstrukturierte Beobachtung, offene vs. verdeckte Beobachtung, teilnehmende vs. nicht-teilnehmende Beobachtung, aktiv vs. passiv teilnehmende Beobachtung, direkte vs. indirekte Beobachtung sowie Feld- vs. Laborbeobachtung. Die jeweiligen Vor- und Nachteile werden diskutiert.
Was sind die Bestandteile der wissenschaftlichen Beobachtung?
Die vier Hauptbestandteile der wissenschaftlichen Beobachtung sind: das Beobachtungsfeld (der Kontext), die Beobachtungseinheiten (die Personen oder Ereignisse, die beobachtet werden), der Beobachter (die Person, die die Beobachtung durchführt) und die Beobachteten (die Personen oder Ereignisse, die Gegenstand der Beobachtung sind). Die Wechselwirkungen zwischen diesen Komponenten werden betont.
Welche Rolle spielt die Marienthal-Studie?
Die Marienthal-Studie dient als ein wichtiges Beispiel für teilnehmende Beobachtung. Das Dokument beschreibt den Hintergrund, die Vorgehensweise, die angewandte Methode und die Ergebnisse der Studie und hebt deren Bedeutung für die Entwicklung der teilnehmenden Beobachtungsmethodik hervor.
Was sind die verschiedenen Rollen des Beobachters in der teilnehmenden Beobachtung?
Das Dokument unterscheidet verschiedene Rollen des Beobachters in der teilnehmenden Beobachtung: „observer-as-participant“ (Beobachter als Teilnehmer), „participant-as-observer“ (Teilnehmer als Beobachter), „complete participant“ (völlige Identifikation mit dem Feld) und „complete observer“ (reiner Beobachter ohne Interaktion). Die jeweiligen Unterschiede und Herausforderungen werden erläutert.
Welche Zielsetzung verfolgt das Dokument?
Das Dokument zielt darauf ab, einen umfassenden Überblick über die wissenschaftliche Beobachtung zu geben, die verschiedenen Formen der Beobachtung zu erläutern und deren Bestandteile zu analysieren. Es soll ein Verständnis für die methodischen Herausforderungen und Möglichkeiten der wissenschaftlichen Beobachtung geschaffen werden.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Wissenschaftliche Beobachtung, Qualitative Sozialforschung, Quantitative Sozialforschung, Teilnehmende Beobachtung, Marienthalstudie, Beobachterrolle, Beobachtungsfeld, Beobachtungseinheiten, Objektivität, Validität, Reliabilität.
Wie unterscheidet sich quantitative von qualitativer Sozialforschung im Kontext der Beobachtung?
Quantitative Ansätze in der Beobachtung betonen Objektivität und die Überprüfung von Hypothesen, während qualitative Ansätze die Interpretation sozialer Prozesse in den Vordergrund stellen. Das Dokument erklärt diesen Unterschied im Detail.
Welche Grenzen der Beobachtung werden angesprochen?
Das Dokument thematisiert die Herausforderungen der Objektivität und die potenzielle Beeinflussung des Beobachtungsprozesses durch den Beobachter selbst als Grenzen der Beobachtungsmethode.
- Quote paper
- Heike Homburger (Author), 2004, Wissenschaftliche und teilnehmende Beobachtung, Bestandteile, Formen und die "Marienthal-Studie", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54359