In Anbetracht der in den vergangenen Wochen in gewisser Regelmäßigkeit erscheinenden Zeitungsmeldungen und Magazinbeiträgen, die den zur Zeit steigenden Ölpreis zum Anlass nehmen, um daraus fatale volkswirtschaftliche Konsequenzen abzuleiten, fühlt man sich nicht mehr weit entfernt von autofreien Sonntagen und staatlich rationiertem Treibstoff, wie man es aus den siebziger Jahren kennt. Eine weitere, dritte Ölkrise scheint in greifbarer Nähe. Als für den Ölpreis verantwortlich wird dabei oftmals die Abhängigkeit des Westens vom Erdöl des OPEC-Kartells genannt. Mit einem Anteil an der Rohölweltförderung von nahezu 30% wird in der OPEC mehr Erdöl gefördert, als in allen anderen Staaten der Welt. Dass hieraus eine gewisse Markt- und Preismacht resultiert scheint evident. Nicht zuletzt lässt sich die Abhängigkeit der westlichen Industrienationen auch historisch an den, bereits oben angeklungenen, Ölkrisen von 1973/74 und 1979-1981 zeigen, führte doch hier eine Reduzierung der Ölfördermengen seitens der OPEC zu erheblichen Versorgungsproblemen in den westlichen Industrieländern und machte auch politische Gegenmaßnahmen notwendig. Dennoch stellt sich aber die Frage, warum die Ölpreisentwicklung diese offenkundige Marktdominanz nicht stringent widerspiegelt, kam es doch in den Folgejahren der zweiten Ölkrise – entgegen der eigentlichen Intensionen der OPEC – zu einem dramatischen, längerfristigen Einbruch der Rohölpreise. Wie kam es zu diesem starken Einbruch während der 80er Jahre trotz des Fortbestehens des OPEC-Kartells? Da es, meines Erachtens, wenig Sinn macht, den relativ niedrigen Ölpreis der 80er Jahre durch eine Art „Good-Will-Price-Policy“ zu erklären, in deren Rahmen die Mitglieder der OPEC aus freien Stücken auf Einnahmen in Höhe mehrstelliger Millionenbeträge verzichteten, müssen andere Faktoren herangezogen werden, um obengenanntes Phänomen zu erklären. Einer dieser Faktoren, nämlich eine mögliche Veränderung der politisch-ökonomischen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den westlichen Industrienationen und der OPEC, soll in der hier vorliegenden Arbeit auf Basis der Interdependenztheorie von Robert O. Keohane und Joseph S. Nye näher beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Robert O. Keohane & Joseph S. Nye: Power and Interdependence
- 2.1. Komplexe Interdependenz als Gegenpol zu Realismus
- 2.1.1. Hierarchy of Agenda Issues
- 2.1.2. Interstate and Transnational Channels
- 2.1.3. Military force as wielding power
- 2.2. Interdependenz und Macht
- 2.2.1. Sensitivität
- 2.2.2. Vulnerabilität
- 2.2.3. Militärische Gewalt
- 2.3. Zusammenfassung
- 2.1. Komplexe Interdependenz als Gegenpol zu Realismus
- 3. Die Ölkrisen und Interdependenzen zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen
- 3.1. Ölkrisen – mehr als ein Problem der nationalen Sicherheit?
- 3.2. Die Ölkrisen von 1973/74 und 1979-1981 und ihre Folgen für die Interdependenzen.
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Interdependenzen zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen, insbesondere die Frage, ob Veränderungen in diesen Beziehungen die Ölpreisentwicklung nach der zweiten Ölkrise erklären können. Die Analyse basiert auf der Interdependenztheorie von Keohane und Nye.
- Analyse der Interdependenztheorie von Keohane und Nye im Vergleich zum Realismus.
- Untersuchung der Konzepte Sensitivität und Vulnerabilität im Kontext der OPEC-West-Beziehungen.
- Bewertung der Rolle militärischer Gewalt als Machtressource.
- Analyse der Ölkrisen von 1973/74 und 1979-1981 und deren Auswirkungen auf die Interdependenzen.
- Bewertung der Nachhaltigkeit der Veränderungen in den Machtverhältnissen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein, indem sie den aktuell steigenden Ölpreis und die daraus resultierende Diskussion um eine mögliche dritte Ölkrise beschreibt. Sie verortet die Abhängigkeit des Westens vom OPEC-Erdöl als zentralen Faktor und stellt die Forschungsfrage nach den Ursachen für den Ölpreiseinbruch der 80er Jahre, trotz des bestehenden OPEC-Kartells. Die Arbeit nutzt die Interdependenztheorie von Keohane und Nye als theoretisches Fundament und skizziert den Aufbau der Arbeit.
2. Robert O. Keohane & Joseph S. Nye: Power and Interdependence: Dieses Kapitel präsentiert die Interdependenztheorie von Keohane und Nye als Gegenpol zum Realismus. Es vergleicht beide Theorien anhand dreier Strukturdeterminanten des internationalen Systems: der Hierarchie von Agenda-Themen, inter- und transnationaler Kanäle und der Bedeutung militärischer Gewalt. Die Theorie der Komplexen Interdependenz betont die Vielfalt der Ziele und die komplexen Verflechtungen von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, wodurch alternative Machtressourcen neben militärischer Gewalt entstehen, die als Sensitivität und Vulnerabilität definiert werden.
3. Die Ölkrisen und Interdependenzen zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen: Dieses Kapitel analysiert die Ölkrisen von 1973/74 und 1979-1981 unter Anwendung der Theorie von Keohane und Nye. Es untersucht die asymmetrische Interdependenz zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen, die sich in der hohen Sensitivität und Vulnerabilität der letzteren bezüglich OPEC-Öls zeigt. Die Kapitel beleuchtet, wie die westlichen Industrienationen nach der ersten Ölkrise ihre Abhängigkeit von OPEC-Öl durch Diversifizierung und Entwicklung alternativer Energiequellen reduzierten, was zu einer Veränderung der Machtverhältnisse führte. Die Analyse zeigt, dass die Verringerung der Vulnerabilität und die geringere Asymmetrie in den Transaktionsbeziehungen zu dem Ölpreiseinbruch der 80er Jahre beitrugen.
Schlüsselwörter
OPEC, westliche Industrienationen, Interdependenztheorie, Keohane & Nye, Realismus, Ölkrisen, Sensitivität, Vulnerabilität, militärische Gewalt, Machtressourcen, Abhängigkeitsverhältnisse, Energiepolitik, Marktmacht, Ölpreisentwicklung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Interdependenz zwischen OPEC und westlichen Industrienationen
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Interdependenzen zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen, insbesondere die Frage, ob Veränderungen in diesen Beziehungen die Ölpreisentwicklung nach der zweiten Ölkrise erklären können. Die Analyse basiert auf der Interdependenztheorie von Keohane und Nye.
Welche Theorien werden verwendet?
Die Arbeit verwendet die Interdependenztheorie von Keohane und Nye als Haupttheoretisches Fundament und vergleicht diese mit dem Realismus. Die Konzepte Sensitivität und Vulnerabilität spielen eine zentrale Rolle in der Analyse.
Welche Aspekte der Interdependenztheorie von Keohane & Nye werden behandelt?
Die Arbeit analysiert die Interdependenztheorie anhand von drei Strukturdeterminanten des internationalen Systems: Die Hierarchie von Agenda-Themen, inter- und transnationale Kanäle sowie die Bedeutung militärischer Gewalt. Besonderes Augenmerk liegt auf den Konzepten Sensitivität und Vulnerabilität als alternative Machtressourcen neben militärischer Gewalt.
Welche Ölkrisen werden untersucht?
Die Arbeit analysiert die Ölkrisen von 1973/74 und 1979-1981 und deren Auswirkungen auf die Interdependenzen zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen.
Wie wird die Asymmetrie der Interdependenz dargestellt?
Die Analyse zeigt die asymmetrische Interdependenz zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen auf, wobei letztere eine hohe Sensitivität und Vulnerabilität in Bezug auf OPEC-Öl aufweisen.
Welche Rolle spielt die Reaktion der westlichen Industrienationen auf die Ölkrisen?
Die Arbeit untersucht, wie die westlichen Industrienationen nach der ersten Ölkrise ihre Abhängigkeit von OPEC-Öl durch Diversifizierung und Entwicklung alternativer Energiequellen reduzierten und wie diese Maßnahmen die Machtverhältnisse veränderten.
Welche Schlussfolgerung wird gezogen bezüglich des Ölpreiseinbruchs der 80er Jahre?
Die Analyse deutet darauf hin, dass die Verringerung der Vulnerabilität der westlichen Industrienationen und die geringere Asymmetrie in den Transaktionsbeziehungen zum Ölpreiseinbruch der 80er Jahre beitrugen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
OPEC, westliche Industrienationen, Interdependenztheorie, Keohane & Nye, Realismus, Ölkrisen, Sensitivität, Vulnerabilität, militärische Gewalt, Machtressourcen, Abhängigkeitsverhältnisse, Energiepolitik, Marktmacht, Ölpreisentwicklung.
Welche Kapitel beinhaltet die Arbeit?
Die Arbeit umfasst eine Einleitung, ein Kapitel über die Interdependenztheorie von Keohane & Nye, ein Kapitel über die Ölkrisen und ihre Auswirkungen auf die Interdependenzen und ein Fazit.
Wo finde ich eine detaillierte Übersicht der Kapitel?
Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit Kapitelüberschriften und Unterkapiteln ist im Dokument enthalten.
- Quote paper
- Steffen Kroggel (Author), 2006, Interdependenzen zwischen der OPEC und den westlichen Industrienationen - Eine Untersuchung auf Basis der Interdependenztheorie von Robert O. Keohane und Joseph S. Nye , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54144