Im Rahmen dieser Arbeit setzen sich die ethischen Konzepte zweier bedeutender philosophischer Schulen, nämlich der Tugendethik der Stoiker und der deontologischen Ethik von Immanuel Kant, miteinander auseinander. Das zentrale Anliegen dieser Untersuchung ist die Frage, inwieweit diese beiden ethischen Ansätze deckungsgleich sind. Hierzu erfolgt eine umfassende Rekonstruktion der Positionen der Stoiker und Immanuel Kants, um darauf aufbauend eine vergleichende Analyse durchzuführen.
Im ersten Schritt wird die Position der Stoiker rekonstruiert. Für die Stoiker ist eine moralisch richtige Handlung eine sogenannte "zukommende Funktion". Dies sind Handlungen, die nicht nur folgerichtig sind und eine plausible Rechtfertigung haben, sondern auch von der Vernunft nahegelegt werden. Im Gegensatz dazu stehen fehlerhafte Handlungen, die im Widerspruch zur Vernunft stehen und daher keinen moralischen Gehalt haben.
Im zweiten Schritt erfolgt die Rekonstruktion der Position Immanuel Kants. Kant definiert eine moralisch richtige Handlung als "pflichtmäßige Handlung". Diese besteht in der moralischen Verpflichtung des Akteurs zu einer bestimmten Handlung in einer bestimmten Situation. Eine Handlung aus Pflicht hingegen ist moralisch lobenswert, wenn der Akteur keinen Eigeninteresse an dieser Handlung hat und sie tatsächlich aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit ausführt.
Im dritten Schritt werden die Positionen der Stoiker und Immanuel Kant miteinander verglichen. Die moralisch richtigen Handlungen der Stoiker, die "zukommenden Funktionen," entsprechen formal den pflichtmäßigen Handlungen Immanuel Kants. In Bezug auf die moralisch lobenswerten Handlungen gibt es jedoch Unterschiede. Die Tugendhandlung der Stoiker erfordert die Ausführung aus Klugheit und ist nicht zwangsläufig mit moralischer Pflicht verbunden, während Kant betont, dass Handlungen aus Pflicht moralisch lobenswert sind, wenn sie ohne Eigeninteresse ausgeführt werden.
Diese Arbeit zielt darauf ab, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den ethischen Konzepten der Stoiker und Immanuel Kant aufzuzeigen und so ein tieferes Verständnis für die ethischen Grundlagen dieser Philosophen zu entwickeln. Sie bietet einen Einblick in die feinen Nuancen und Facetten der Tugendethik und deontologischen Ethik, die in der Geschichte der philosophischen Ethik von großer Bedeutung sind.
Inhaltsverzeichnis
- Rekonstruktion der Position der Stoiker
- Definition der zukommenden Funktion
- Beispiele für zukommende Funktionen
- Abgrenzung von Tugendhandlungen
- Rekonstruktion der Position Immanuel Kants
- Definition der pflichtmäßigen Handlung
- Beispiele für pflichtmäßige Handlungen
- Abgrenzung von Handlungen aus Pflicht
- Vergleich beider Positionen
- Gegenüberstellung der moralisch richtigen Handlungen
- Gegenüberstellung der moralisch lobenswerten Handlungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay befasst sich mit der Frage, ob und inwiefern die Tugendethik der Stoiker mit der deontologischen Ethik Immanuel Kants übereinstimmt. Der Autor rekonstruiert zunächst die Positionen beider Denker, um sie anschließend miteinander zu vergleichen.
- Definition von moralisch richtigen Handlungen bei Stoikern und Kant
- Abgrenzung von moralisch lobenswerten Handlungen bei Stoikern und Kant
- Die Bedeutung der inneren Geisteshaltung des Akteurs für die moralische Bewertung von Handlungen
- Der Einfluss von äußeren Umständen auf die moralische Bewertung von Handlungen
- Formale und inhaltliche Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den Positionen der Stoiker und Immanuel Kants
Zusammenfassung der Kapitel
Rekonstruktion der Position der Stoiker
Die Stoiker bezeichnen moralisch richtige Handlungen als „zukommende Funktion“. Diese Handlungen sind folgerichtig, plausibel rechtfertigbar und von der Vernunft nahegelegt. Sie unterscheiden sich von fehlerhaften Handlungen, die im Gegensatz zur Vernunft stehen. Die Stoiker geben Beispiele für zukommende Funktionen wie die Ehrung von Eltern, Brüdern und dem Vaterland. Sie betonen, dass eine zukommende Funktion zwar das Potential zur Tugendhandlung hat, es aber nicht automatisch ist. Nur wenn die Handlung aus Klugheit ausgeführt wird, ist sie auch eine Tugendhandlung.
Rekonstruktion der Position Immanuel Kants
Immanuel Kant definiert moralisch richtige Handlungen als „pflichtmäßige Handlungen“. Diese bestehen in der moralischen Verpflichtung eines Akteurs zu einer bestimmten Handlung in einer bestimmten Situation. Der Akteur handelt nicht pflichtwidrig, verdient aber noch kein moralisches Lob. Nur wenn die Handlung ohne Eigeninteresse geschieht, ist sie moralisch lobenswert und kann mit dem Prädikat „aus Pflicht“ bezeichnet werden.
Vergleich beider Positionen
Die beiden Positionen lassen sich relativ leicht gegenüberstellen. Moralisch richtige Handlungen werden bei den Stoikern als „zukommende Funktion“, bei Kant als „pflichtmäßige Handlung“ bezeichnet. Moralisch lobenswerte Handlungen werden bei den Stoikern als „Tugendhandlungen“ und bei Kant als „Handlungen aus Pflicht“ bezeichnet. Die beiden Denker unterscheiden auch beide zwischen moralisch falschen und moralisch richtigen Handlungen. Der Autor zeigt aber auch, dass es Unterschiede in der Bewertung von moralisch lobenswerten Handlungen gibt. Die Tugendhandlung ist bei den Stoikern nicht mit einer Handlung aus Pflicht gleichzusetzen. Sie wird von den Stoikern als „aus Klugheit“ klassifiziert und ist eine innere Geisteshaltung des Akteurs, die von den äußeren Umständen unabhängig ist. Die Handlung aus Pflicht bei Kant hingegen kann jeder ausführen, dafür muss er sich aber in eine entsprechende Situation mit passenden Umständen befinden.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Essays sind die Tugendethik der Stoiker, die deontologische Ethik Immanuel Kants, die Definition von moralisch richtigen Handlungen, die Unterscheidung zwischen moralisch richtigen und moralisch lobenswerten Handlungen, die Rolle der inneren Geisteshaltung des Akteurs, der Einfluss von äußeren Umständen auf die moralische Bewertung von Handlungen sowie die formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den beiden Positionen.
- Quote paper
- Jan André Wieland (Author), 2020, Das Verhältnis zwischen Deontologie und Stoizismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/540546