Wandel und Veränderungen sind Grundbedingungen für Menschen, Gesellschaften, Organisationen – und damit auch für Sozialunternehmen. So ist auch die ambulante Behindertenhilfe von vielfältigen gesellschaftlichen, fachlichen und (sozial-)rechtlichen Entwicklungen betroffen. Ansätze wie das Design Thinking können zu einer partizipativen Organisationsentwicklung beitragen.
Welchen inneren und äußeren Veränderungen sieht sich die ambulante Behindertenhilfe derzeit gegenüber? Inwieweit wenden Organisationen in der ambulanten Behindertenhilfe und Sozialen Arbeit Design Thinking bereits an? Und inwiefern ermöglicht und befördert Design Thinking partizipative Strukturen und Kulturen in Organisationen?
Der Autor Marco Ferchland widmet sich der Frage, inwieweit sich Design Thinking als Methode für eine partizipative Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe eignet. Dafür nimmt Ferchland Ideen und Konzepte sowie die Anwendung von Design Thinking in der ambulanten Behindertenhilfe und in der Sozialen Arbeit in den Blick, um die Potenziale und Grenzen von Design Thinking zu bestimmen.
Aus dem Inhalt:
- digitaler Wandel
- Inklusion
- Experimentierfreude
- demografischer Wandel
- Zusammenarbeit
- Optimismus
- Intuition
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemaufriss und Ausgangspunkt der Betrachtungen
1.2 Fragestellung, Vorgehensweise und Anliegen
2 Die ambulante Behindertenhilfe
2.1 Schlaglichter auf historische Entwicklungslinien
2.2 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
2.3 Zwischenfazit
3 Design Thinking
3.1 Thematische Annäherungen
3.2 Anwendung von Design Thinking
3.3 Kritische Auseinandersetzung
3.4 Zwischenfazit
4 Schlussbetrachtungen
4.1 Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe
4.2 Partizipative Organisationsentwicklung mittels Design Thinking
4.3 Fazit und Ausblick
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich für all die Unterstützung und Motivation während der Anfertigung dieser Masterarbeit bedanken. Mein besonderer Dank gilt Jutta Overmann und Prof. Dr. Hans-Dieter Bamberg, die diese Masterarbeit betreut und begutachtet haben. Für die hilfreichen Anregungen sowie die Unterstützung auch in schwierigen Zeiten möchte ich mich herzlich bedanken. Namentlich bedanken möchte ich mich bei Katharina Fischer für die Begleitung und Betreuung durch die Paritätische Akademie Berlin.
Ganz herzlich danke ich Simon und Philine sowie René, Linda, Julia und Kathi für die Unterstützung und Motivation. Mit ihren Ermutigungen, kritischen Anmerkungen und guten Ideen haben sie maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Masterarbeit in dieser Form vorliegt.
Mein ganz besonderer Dank gilt Ireen, die mich mit ihrer Zuversicht und Kraft durch Höhen und Tiefen getragen hat.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Allgemeine Umwelt – Analyseebenen
Abbildung 2: VUCA-Welt
Abbildung 3: Treiber der neuen Arbeitswelt
Abbildung 4: Geschäftsfeld Abgrenzungskriterien
Abbildung 5: Dreidimensionale Geschäftsfeldabgrenzung nach Derek Abell
Abbildung 6: Geschäftsfeld-Umwelt – Analyseebenen
Abbildung 7: Kern-Elemente von Design Thinking
Abbildung 8: Design Thinking – Physischer Raum
Abbildung 9: Design Thinking – Problemraum und Lösungsraum
Abbildung 10: Design Thinking – Divergieren und Konvergieren
Abbildung 11: Design Thinking – Prozessphasen (eigene Darstellung in Anlehnung an das Konzept der HPI D-School)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Fünf Spezifika von Nonprofit Organisationen
Abkürzungsverzeichnis
AAL Ambient Assisted Living
ABW Ambulant betreutes Wohnen, Assistenz beim Wohnen
BEW Betreutes Einzelwohnen
BTHG Bundesteilhabegesetz
BW Betreutes Wohnen
CeBeeF Club Behinderter und ihrer Freunde
HeBIS Hessisches BibliotheksInformationsSystem
HPI D-School Hasso-Plattner-Institut School of Design Thinking
ISB Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung
IT Informationstechnik
KI Künstliche Intelligenz
LWV Landeswohlfahrtsverband Hessen
NPO Nonprofit Organisationen
NSM Neues Steuerungsmodell
PBW Pädagogische Betreuung im eigenen Wohnraum
UW Unterstütztes Wohnen/Unterstützung beim Wohnen
WfbM Werkstatt für behinderte Menschen
1 Einleitung
Nichts ist so stetig wie der Wandel. Diese Erkenntnis ist so banal wie fundamental: Wandel und Veränderungen, Entwicklung und Gestaltung, Lernen und Anpassung sind Grundbedingungen für Menschen, Gesellschaften, Organisationen – und damit auch für Sozialunternehmen. Ob selbst initiiert, einhergehend mit individuellen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen oder ausgehend von Unternehmensumwelten, Veränderungen sind Anlass und Auslöser dafür, dass sich Menschen und Organisationen weiterentwickeln. Ebenso fundamental sind die einhergehenden Spannungsfelder: Bekanntes und Bewährtes kann zum einen Stabilität und Ruhe, Kontrolle und Sicherheit vermitteln, zum anderen zu problematischen Situationen führen, wenn bisheriges Wissen und Können, bisherige Haltungen und Strukturen keinen adäquaten Umgang mit veränderten Bedingungen und Anforderungen ermöglichen. Wandel und Veränderungen wiederum können einerseits Verunsicherung und Ungewissheit, Kontrollverlust und Ängste auslösen, andererseits auch motivieren und inspirieren.
1.1 Problemaufriss und Ausgangspunkt der Betrachtungen
1.1.1 Wandel und Veränderung als Anlass für Organisationsentwicklung
Der Umgang mit Veränderungen außerhalb und innerhalb von Organisationen und den einhergehenden Spannungsfeldern kann als eine Art stetige Entwicklungsaufgabe charakterisiert werden: Organisationale Anpassungsprozesse stellen selbst Veränderungen in einem dynamischen System dar, die wiederum Anlass und Auslöser von neuerlichen Anpassungsprozessen sein können. Organisationen und ihre Mitglieder sind zudem keine passiven ‚Empfänger*innen‘1 von Veränderungen, vielmehr sind Organisationen, ihre Mitglieder sowie das nähere und weitere Umfeld systemisch verbunden, sie beeinflussen sich wechselseitig in komplexer Weise (vgl. Endrejat und Kauffeld 2017, S. 145 f.). Vor diesem Hintergrund stehen Organisationen vor der Aufgabe, den Umgang mit äußeren und inneren Veränderungen zu gestalten. Aus dem Blickwinkel einer Organisation geht es also darum, auf eine Weise mit Wandel, Veränderung und den einhergehenden Spannungsfeldern umzugehen, die es ermöglicht, dass die Organisation weiterhin ihre Aufgaben bewältigen kann, die Ziele der Organisation bestmöglich erreicht werden können2 und die Organisation erhalten bleibt.
Auch Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe3 sind von vielfältigen gesellschaftlichen, fachlichen und (sozial-)rechtlichen Entwicklungen betroffen. Auch ihnen stellt sich die Aufgabe, mit inneren und äußeren Veränderungen umzugehen. Aus einer Sozialmanagement-Perspektive (vgl. Merchel 2015b, S. 11–20) stellt sich daher die Aufgabe der Organisationsentwicklung, das heißt einen intendierten und methodisch gestalteten Prozess zum Umgang mit Wandel und Veränderung zu arrangieren4: Ausgehend von der Analyse und Reflexion von Entwicklungen außerhalb und innerhalb der Organisation Bestehendes zu bewerten und gemäß der analysierten Anforderungen (und vor dem Hintergrund der Zielsetzungen, vgl. Fußnote 2) umzugestalten oder Neues zu gestalten (vgl. Merchel 2015b, S. 238; Müller 2017, S. 98; Schreyögg 2016, S. 210–212).
Organisationsentwicklung zielt also zunächst darauf, dass sich eine Organisation und ihre Mitglieder mit Veränderungen sowie den Handlungsoptionen zum Umgang mit diesen Veränderungen aus-einandersetzen. In Hinblick auf die Vorgehensweise stellt sich die Frage, wie dieser Prozess gestaltet werden kann, welche geeignete Herangehensweise gewählt wird und welche passenden methodischen Ansätze genutzt werden. Bei der Entscheidung über eine konkrete Herangehensweise sind dann vielfältige Aspekte zu berücksichtigen, diese betreffen zum einen die Rahmenbedingungen der Organisationen, zum anderen auch die Perspektiven, Interessen und Anliegen der beteiligten Akteure.
1.1.2 Besonderheiten der ambulanten Behindertenhilfe als Teil der Sozialen Arbeit
So zeichnen sich die Soziale Arbeit und die ambulante Behindertenhilfe als Teil der Sozialen Arbeit grundsätzlich dadurch aus, dass sie stark normativ geprägt sind: Werte und ethische Maßstäbe, die mit Menschenwürde, sozialer Gerechtigkeit, Solidarität und Selbstbestimmung verbunden sind, bilden ein zentrales Fundament für die Tätigkeit von Sozialpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen (vgl. z.B. Eisenmann 2006, S. 245–250; Staub-Bernasconi 2007, S. 6–11). Weiterhin ist Soziale Arbeit von bestimmten Haltungen geprägt: Im Zusammenhang mit organisationalen Rahmenbedingungen weist Merchel (2015a, S. 10–12) darauf hin, dass in Praxisfeldern Sozialer Arbeit oft eine tief verwurzelte Abneigung gegen organisationale Strukturen existiere. Leitorientierung sei vielmehr die professionelle Autonomie, mit der Erwartung, dass sich das fachliche Handeln möglichst frei von als ‚außen‘ empfundenen Eingriffen entfalten solle. Gleichzeitig gebe es eine „Tradition der Hochschätzung des Teams“ (Merchel 2015a, S. 10), die Organisationen der Sozialen Arbeit präge.
Zu berücksichtigen sind ebenfalls die spezifischen Rahmenbedingungen der ambulanten Behindertenhilfe: Dieses Arbeitsfeld hat sich – in bewusster Abgrenzung – zunächst überwiegend abseits der traditionellen Wohlfahrtsstrukturen entwickelt. Zentrale Akteure waren Betroffene, Angehörige, später auch Fachleute. Selbstbestimmung, Emanzipation und Partizipation waren und sind fundamentale Werte sowie fachlich-politischer Anspruch nach außen und innen. Soll Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe wirksam und nachhaltig sein, so muss sie deren Rahmenbedingungen aufgreifen und anschlussfähig an ihren Haltungen, Werten und dem Selbstverständnis sein.
1.1.3 Partizipation als Schlüsselbegriff der ambulanten Behindertenhilfe
Partizipation als Schlüsselbegriff in der ambulanten Behindertenhilfe und Sozialen Arbeit (vgl. Schnurr 2018, S. 1126; vgl. auch Staub-Bernasconi 2007; Müller 2012) ist vor diesem Hintergrund besonders relevant. Denn mit diesem Leitbild und Handlungsansatz verbindet sich der Anspruch, in Hinblick auf Adressat*innen und Kund*innen „anerkennende Beziehungen, demokratische Prinzipien und Formen der Entscheidungsbeteiligung in Institutionen und Handlungskontexten der Pädagogik und der Sozialen Arbeit zu verankern und zu praktizieren“ (Schnurr 2018, S. 1130). Partizipation bedeutet demnach, dass Menschen auf die Gestaltung ihrer individuellen und sozialen Lebensbedingungen Einfluss nehmen und an entsprechenden Entscheidungsprozessen beteiligt sind.5 So auch in der ambulanten Behindertenhilfe, deren Angebote sich nach den Vorstellungen und Wünschen der Adressat*innen ausrichten. Die Nutzer*innen nehmen Einfluss auf die Ausgestaltung der Unterstützungsleistungen, indem sie an entsprechenden Beratungs- und Entscheidungsprozessen mitwirken und sich daran beteiligen.
Partizipation bezieht sich dabei nicht nur auf die fachlich-professionelle Tätigkeit selbst, sondern auch auf die Innenverhältnisse in den Organisationen. Für die Soziale Arbeit liegen inzwischen verschiedene theoretisch und empirisch belegte Hinweise vor, wonach die organisationalen Bedingungen einen erheblichen Einfluss auf das praktische Handeln haben (vgl. Klomann 2015, 2018; Mohr und Ziegler 2012; Mohr 2018; Müller 2012). Demnach sind partizipative Strukturen und Kulturen in Organisationen handlungspraktisch wirksam: Erhöhte Beteiligungsmöglichkeiten von Mitgliedern und Mitarbeiter*innen innerhalb von Organisationen, eine grundlegende Offenheit gegenüber deren Vorschlägen, eine konstruktive Fehler- und Feedbackkultur sowie eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre prägen und beeinflussen Haltungen und professionelles Handeln der Mitarbeiter*innen, das sich an einem ressourcen- und wachstumsorientierten Adressat*innenbild sowie einer beteiligungsorientierten, wertschätzenden und respektvollen Zusammenarbeit mit den Adressat*innen orientiert (vgl. Klomann 2015, S. 97 f.; Klomann 2018, S. 7; vgl. auch Müller 2012; Mohr und Ziegler 2012; Scherr 2018).
1.1.4 Organisationen als komplexe Systeme
Für die Vorgehensweise bei der Gestaltung von Organisationsentwicklung spielen des Weiteren die zugrundeliegenden Vorstellungen, Bilder und Modelle von Organisation eine zentrale Rolle. Versteht man Organisationen als organische und umweltabhängige soziale Gebilde, stellen diese komplexe Systeme dar, die keinen festgelegten, monokausalen Wirkmechanismen folgen (vgl. Endrejat und Kauffeld 2017, S. 145 f.; vgl. auch Merchel 2015a, S. 15–30). In dieser Perspektive kann sich Organisationsentwicklung nicht auf deterministische Regeln beziehen, stattdessen muss sie von unklaren und multiplen Ursache-Wirkungszusammenhängen ausgehen, was die methodischen Ansätze wiederum aufgreifen müssen. Organisationsentwicklung erweist sich somit als eine komplexe Problemstellung, die sich nur unzureichend fragmentieren und mit einer linearen Projekt-Managementlogik bearbeiten lässt. Stattdessen ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig und angemessen, der die verschiedenen Sichtweisen der Akteure in dem System Organisation berücksichtigt und fortlaufend in der Lage ist, neue Erkenntnisse zu integrieren (vgl. Endrejat und Kauffeld 2017, S. 146; vgl. auch Hartmann 2018, S. 138).
1.1.5 Design Thinking als Ansatz zur partizipativen Bearbeitung komplexer Problemstellungen
Eine derartige Herangehensweise verspricht Design Thinking: Ein Ansatz, der den Anspruch erhebt, komplexe Problemstellungen systematisch und in bewusst kooperativer und kreativer Weise zu bearbeiten und dabei zu Ideen und Lösungen zu kommen, die mit konventionellen Ansätzen nicht zu entdecken sind. Design Thinking fokussiert in hohem Maße Bedürfnisse und Motivationen von Menschen, dabei strebt es Lösungen und Ideen an, die aus Sicht der jeweiligen Nutzer*innen und Anwender*innen überzeugen (vgl. Kapitel 3.1). Als „Trendthema“, das „von der Nische in den Mainstream“ drängt (Soares 2016, S. 72), hat Design Thinking inzwischen viel Aufmerksamkeit und Verbreitung erfahren (vgl. Soares 2016; Krohn 2018; Löhr 2017; Hölscher 2017, S. 108; Seitz 2017, S. 12–14). Auch in einigen Bereichen der ambulanten Behindertenhilfe und Sozialen Arbeit wird Design Thinking seit einigen Jahren rezipiert und angewandt (vgl. Abschnitt 3.2.2).
Wenn Design Thinking in der ambulanten Behindertenhilfe und Sozialen Arbeit genutzt wird, dann überwiegend als methodischer Ansatz im Zusammenhang mit Innovationsvorhaben, Sozialunternehmertum und digitalem Wandel. Bislang wenig verbreitet ist Design Thinking als Ansatz für Organisationsentwicklung, dabei erscheint es in vielen Aspekten anschlussfähig an die Werte, Haltungen und Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit und der ambulanten Behindertenhilfe. Design Thinking ist mutmaßlich sehr geeignet, partizipative Aspekte systematisch und zielgerichtet in Veränderungsprozesse zu integrieren und Organisationsentwicklung als Alternative zu top-down Ansätzen zu gestalten: Anstatt dass Leitungs- und Führungskräfte oder externe Berater*innen fertige Experten-Lösungen für Fragen der Organisationsentwicklung verkünden, kommen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Bereichen und Abteilungen als interdisziplinäre Teams zusammen und entwickeln im Rahmen eines Design Thinking-Prozesses Lösungen, welche die Perspektiven und Bedürfnisse aller Beteiligten aufgreifen. Ist Design Thinking also die ‚beste Antwort‘ auf die Frage nach der Herangehensweise für Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe?
1.2 Fragestellung, Vorgehensweise und Anliegen
Diese Arbeit geht der Fragestellung nach, ob und inwieweit sich Design Thinking als Herangehensweise für Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe eignet, das heißt als Ansatz für einen systematischen und partizipativen Umgang mit Wandel und Veränderungen von Organisationen und ihren Mitgliedern. Die Fragestellung richtet also auf die grundsätzliche Gestaltung von Prozessen der Organisationsentwicklung und nicht auf die konkrete Umsetzung und Implementierung von Veränderungsideen.
Im Einzelnen geht es um folgende Fragen: Was genau ist die ambulante Behindertenhilfe? Inwieweit ist Partizipation Teil der ‚Identität‘ der ambulanten Behindertenhilfe? Welche spezifischen Rahmenbedingungen kennzeichnen das Arbeitsfeld sowie das Geschäftsfeld der ambulanten Behindertenhilfe? Welchen inneren und äußeren Veränderungen sieht sich die ambulante Behindertenhilfe derzeit gegenüber? Was ist der ‚richtige‘ oder besser der ‚passende‘ Weg für Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe?
Weiterhin: Was ist Design Thinking? Welche Möglichkeiten bietet der Design Thinking-Ansatz, wo liegen Grenzen? Inwieweit wird Design Thinking in der ambulanten Behindertenhilfe und Sozialen Arbeit bereits angewandt? Inwieweit können mit dem Design Thinking-Ansatz Prozesse der Organisationsentwicklung partizipativ gestaltet werden? Inwieweit ermöglicht und befördert Design Thinking partizipative Strukturen und Kulturen in Organisationen?
Ausgehend vom Problemaufriss (Abschnitt 1.1) unternimmt die vorliegende Arbeit den Versuch, die aufgeworfenen Fragen (Abschnitt 1.2) zu entfalten und zu beantworten.
Dabei werden zunächst die spezifischen Rahmenbedingungen sowie die gegenwärtige Lage der ambulanten Behindertenhilfe umrissen: Zum einen, indem historische Entwicklungslinien beleuchtet werden, welche ihre Leitideen, ihr Selbstverständnis sowie ihre fachlichen Werte verdeutlichen. Zum anderen, indem aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die ambulante Behindertenhilfe erkundet werden, die Anlass für Organisationsentwicklung darstellen. Fachliche und betriebswirtschaftliche Perspektiven werden dabei verschränkt – die ambulante Behindertenhilfe wird als Arbeits- und Geschäftsfeld untersucht, fachlich und betriebswirtschaftlich relevante Entwicklungen und Veränderungen in der allgemeinen Umwelt sowie in der Geschäftsfeld-Umwelt werden eruiert (Kapitel 2).
Im Weiteren wird dem Design Thinking-Ansatz im Zusammenhang mit ambulanter Behindertenhilfe als Teil der Sozialen Arbeit sowie als Herangehensweise für eine partizipative Organisationsentwicklung nachgegangen. Dabei werden zunächst allgemeine Hintergründe, zentrale Ideen und Konzepte, kennzeichnende Prinzipien und Elemente von Design Thinking zusammengetragen. Der Fokus richtet sich dann auf die Anwendung von Design Thinking in der der ambulanten Behindertenhilfe als Teil der Sozialen Arbeit. Im Sinne einer Bestandsaufnahme werden die Ergebnisse einer systematischen Recherche dargelegt, wie Design Thinking in diesen Kontexten genutzt wird. Im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung werden Problemfelder und Grenzen von Design Thinking erörtert (Kapitel 3).
Abschließend werden die Erkenntnisse und Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte zusammengeführt und in Hinblick auf die Bedingungen von Organisationsentwicklung in der ambulanten Behindertenhilfe diskutiert sowie Einsichten für eine partizipative Gestaltung von Organisationsentwicklung mittels Design Thinking abgeleitet. In einem Fazit und Ausblick werden die Erkenntnisse dieser Arbeit resümiert und offene Fragen sowie Anknüpfungspunkte für weitere theoretische und empirische Untersuchungen thematisiert (Kapitel 4).
Diese Arbeit verfolgt mehrere Anliegen: Zum einen geht es darum, einen Überblick über die Verbreitung und Anwendung von Design Thinking in der ambulanten Behindertenhilfe als Teil der Sozialen Arbeit zu gewinnen. Zum anderen wird der Versuch unternommen, eine Bestandsaufnahme zur aktuellen Lage der ambulanten Behindertenhilfe vorzunehmen. Aus einer Sozialmanagement-Perspektive (vgl. Merchel 2015b, S. 11–20) werden aktuelle Entwicklungen überblicksmäßig skizziert, die einen Anlass für intendierte und methodisch gestaltete Prozesse der Organisationsentwicklung darstellen. Vor diesem Hintergrund versteht sich diese Arbeit als praxisbezogener Vorschlag, wie diese Prozesse der Organisationsentwicklung adäquat gestaltet werden können. Eine partizipativ ausgerichtete Organisationsentwicklung kann das partizipative Selbstverständnis der ambulanten Behindertenhilfe nach innen sowie nach außen stärken und im weiteren Sinne auch ein partizipatorisch-demokratisch orientiertes Professionsverständnis fördern (vgl. Klomann 2015, S. 106 f.).6
In Anbetracht des Umfangs und der Komplexität der Materie beschränkt sich diese Arbeit auf den deutschsprachigen Raum, europäische und internationale Perspektiven werden in notwendiger Begrenzung weitgehend ausgeblendet. Die Arbeit versteht sich zudem als fachlich-wissenschaftlicher Beitrag, entsprechend liegt der Schwerpunkt der zugrundliegenden Informationsquellen im wissenschaftlich-fachlichen Bereich, sogenannte ‚Management-Ratgeber‘ und Beiträge aus der Beratungsbranche bleiben weitgehend unberücksichtigt.
Diese Masterarbeit bildet den Abschluss meines Sozialmanagement-Studiums. Sie ist eine Art Resümee der Auseinandersetzung mit Fragestellungen, Überlegungen und Beiträgen, denen ich in diesem Studium begegnet bin. Als Fazit verbindet sich mit dieser Masterarbeit ein Plädoyer für die Relevanz von Impulsen aus dem Bereich des Sozialmanagements für Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe.
2 Die ambulante Behindertenhilfe
Die Frage, was die ambulante Behindertenhilfe ist, lässt sich zunächst anscheinend einfach beantworten: Als Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit (vgl. Holdenrieder 2017a, S. 14–15) handelt es sich um einen Tätigkeitsbereich von Sozialarbeiter*innen mit der Zielgruppe Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungserfahrungen.7 Bei der Zielgruppe handelt es sich also um erwachsene Personen, wobei oftmals zwischen körperlicher, geistiger sowie seelischer Behinderung unterschieden wird. Ambulante Behindertenhilfe im Sinne dieser Arbeit bezieht sich dabei auf den Lebensbereich Wohnen und Alltag (in Abgrenzung zum Lebensbereich Arbeit). Es geht daher um Personen, die selbstbestimmt in ihrer eigenen häuslichen Umgebung außerhalb von ‚besonderen Wohnformen‘ wie Anstalten, Heimen und stationären Wohngruppen leben. Zentrales Kennzeichen aus fachlicher Sicht ist dabei die Trennung von Wohnen/Mietvertrag einerseits sowie Unterstützungsleistungen/Betreuungsvertrag andererseits.8 Art und Umfang der Unterstützungsleistungen richten sich nach den individuellen Wünschen und Bedarfen der nachfragenden Person; die Leistungen werden also personenbezogen in ihrem jeweiligen Lebensumfeld erbracht. Die Adressat*innen müssen hierzu keinen speziellen Ort aufsuchen, an dem die Hilfe und Unterstützung institutionalisiert ist (z.B. ein Wohnheim).
Die ambulante Behindertenhilfe grenzt sich kritisch von traditionellen Wohlfahrtsstrukturen ab und versteht sich als Alternative zu bestehenden institutionellen Hilfen für Behinderte9, als Gegenentwurf zu den Mechanismen von Wohnheimen und Anstalten als totale Institutionen (vgl. Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZPE) 2002, S. 48–51): Anspruch und Ziel ist es, dass Behinderten „unabhängig von Art und Schwere ihrer Behinderung ermöglicht wird, zu wohnen, wo sie wollen, mit wem sie wollen, so lange sie wollen und mit genau der Unterstützung, die sie wollen und benötigen.“ (ebd., S. 49)
Mit diesem Zitat ist das Selbstverständnis der ambulanten Behindertenhilfe angedeutet, in den folgenden Abschnitten wird dieses Selbstverständnis vor dem Hintergrund historischer Entwicklungslinien untersucht (Abschnitt 2.1) sowie aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für das Geschäftsfeld der ambulanten Behindertenhilfe beleuchtet (Abschnitt 2.2). Die gewonnenen Erkenntnisse werden in einem Zwischenfazit zusammengefasst (Abschnitt 2.3).
2.1 Schlaglichter auf historische Entwicklungslinien
Was genau ist die ambulante Behindertenhilfe? Welches Menschenbild, welche Werte, Haltungen, und Ziele, welche Vorstellungen zur gesellschaftlichen Verantwortung für die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigung sowie über Notwendigkeit und Grenzen von Hilfe prägen die ambulante Behindertenhilfe? Inwieweit ist Partizipation Teil der ‚Identität‘ der ambulanten Behindertenhilfe? Um Leitideen, Selbstverständnis sowie fachlichen Werte der ambulanten Behindertenhilfe zu verdeutlichen, erscheint es notwendig und sinnvoll, historische Entwicklungslinien in den Blick zu nehmen. Eine erschöpfende Betrachtung der Geschichte der ambulanten Behindertenhilfe kann dabei angesichts ihrer Komplexität und der Fülle an vorliegenden Untersuchungen, Erörterungen und Reflexionen nicht erfolgen. Im Folgenden werden daher nur einzelne Aspekte aufgezeigt, die in Hinblick auf die Fragestellung bedeutsam erscheinen.10
Mit Rohrmann (2019, S. 6–9) kann die ambulante Behindertenhilfe allgemein als Ausdruck und Wirkung eines grundlegenden Wandels des Behinderungsverständnisses gedeutet werden: „weg von herkömmlichen Konzepten behütender, entmündigender und infantilisierender Fürsorge, Förderung und Erziehung von Behinderten und Sonderbehandlung in speziellen Sondereinrichtungen, hin zu emanzipatorischen [und; M.F.] selbstbemächtigenden Ansätzen“ (ebd., 7). Dieser Wandel ist dabei von Behinderten (sowie ihren Eltern und Angehörigen) initiiert und vorangetrieben worden – gegen den Widerstand zumindest des Mainstreams der Disziplin und Profession der Heil- und Sonderpädagogik. Hier wird die Bedeutung von Selbstbestimmung, Emanzipation und Partizipation deutlich: Ein zentraler Pfad in der Entwicklung der ambulanten Behindertenhilfe ist die Selbstbemächtigung behinderter Menschen im Sinne eines kollektiven Prozesses der Selbst-Aneignung von Macht und Gestaltungskraft durch die von Machtlosigkeit Betroffenen selbst (vgl. Herriger 2014).
So haben sich seit den 1960er Jahren in zahlreichen Ländern Behinderte zusammengeschlossen, die nach dem Vorbild der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und der Studierendenbewegung für Gleichstellung, soziale Teilhabe und gegen paternalistische Entmündigung und pädagogische Sonderbehandlung durch Expert*innen der unterschiedlichsten Disziplinen und Professionen kämpfen (vgl. Rohrmann 2019, S. 16). Ein Beispiel dafür ist die Independent Living-Bewegung (Selbstbestimmt-Leben) in den USA, die auf Initiative behinderter Studierender11 in den 1970er Jahren entstand (vgl. Theunissen 2007, S. 95–104). Die Independent Living-Bewegung hat die Rolle von behinderten Menschen neu bestimmt: „Diejenigen, die die Bedürfnisse behinderter Menschen am besten kennen und wissen, wie diesen Bedürfnissen am besten begegnet werden kann, sind die Behinderten selbst“ (Miles-Paul zit. n. Rock 2001, S. 17). Aus diesem Grundsatz entwickelte sich dann auch die Forderung nach größtmöglicher Kontrolle über die Organisationen und Dienstleistungen durch behinderte Menschen selbst sowie nach Beratung und Unterstützung von Behinderten durch Behinderte (vgl. Rock 2001, S. 12–62). Einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Independent Living-Bewegung bildete entsprechend die „Durchführung weitreichender Protestaktionen gegen diskriminierende Verhältnisse und das Engagement für entsprechende gesetzliche Veränderungen“ (Wetzel zit. n. Bartuschat 2002, 17).
Auch in der BRD entstanden ab den 1960er Jahren neue Bürgerbewegungen. Geprägt von Misstrauen gegenüber staatlichem Handeln entwickelten sich vielfältige alternative Initiativen im politischen, kulturellen sowie im Umwelt- und Sozialbereich. So auch in der Behindertenhilfe: Viele Organisationen wie zum Beispiel die Lebenshilfe-Bewegung, Spastiker-Vereine, die CeBeeF-Gruppierungen und andere Selbsthilfe-Gemeinschaften sind in dieser Zeit ins Leben gerufen worden. Parallel und eng verwoben damit kam es Anfang der 1980er Jahre zum „Aufstand der Betreuten“12 ; es bildete sich eine bundesweit vernetzte „Krüppelbewegung“, die – zunächst nur als politische Bewegung – bald begann, nach dem Vorbild der Independent Living-Bewegung neue Dienstleistungsangebote als Gegenentwurf zur verbreiteten stationären Unterbringung zu gründen (zum Beispiel Zentren für selbstbestimmtes Leben und freie ambulante Dienste wie die Hamburger Assistenzgenossenschaft) (vgl. Urban 2009, S. 7–10). In zahlreichen Städten entstanden Behinderteninitiativen, die – bei unterschiedlicher inhaltlicher und programmatischer Ausrichtung – gegen die Aussonderung Behinderter aus regulären Lebens-, Lern-, Wohn- und Arbeitszusammenhängen kämpften. Anlässlich der nationalen Eröffnungsveranstaltung des UNO-Jahres der Behinderten am 24. Januar 1981 in Dortmund besetzten Aktivist*innen die Hauptbühne, von der wenige Minuten später der damalige Bundespräsident Carl Carstens hätte sprechen sollen und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift „Keine Reden. Keine Aussonderung. Keine Menschenrechtsverletzungen.“ (Maskos 2012, S. 4 f.)
In Teilen der akademischen Behindertenpädagogik sowie der Behindertenhilfe wurde dieser Wandel hin zu emanzipatorischen und selbstbemächtigenden Ansätzen bereits theoretisch begründet (vgl. Rohrmann 2019, S. 8), überwiegend reagierte der Mainstream der Disziplin und Profession Heil- und Sonderpädagogik jedoch „geschockt und verstört“ (ebd., S. 8). Nachdem sich die Sonderpädagogik gerade erst als akademische Disziplin etablieren konnte und zugleich das Sonderschulwesen qualitativ und quantitativ erheblich ausgebaut wurde, „gingen Teile derjenigen, denen all diese Segnungen zugedacht waren, auf die Straße und sagten, das alles wollen wir gar nicht.“ (ebd.) Die Sonder- und Behindertenpädagogik wurde radikal in Frage gestellt: „Löst die Heime auf! Schafft die Sonderschulen ab! Pädagogische Spezialisten: Nein, danke!“ (Otto zit. n. Rohrmann 2019, S. 7)
Zwar ist dieser ‚heilsame Schock‘ Anlass für einen Perspektivwechsel in weiten Teilen der Disziplin und Profession der Behindertenhilfe gewesen – ein ausgerufener Paradigmenwechsel von der Fürsorge zur Selbstbestimmung, von der Einrichtungszentrierung zur Personenorientierung, der dazu beigetragen hat, dass beispielsweise Großanstalten aufgelöst oder umorganisiert wurden (vgl. Urban 2009, S. 9). Dennoch haben sich alternative Unterstützungsformen nur langsam und vergleichsweise wenig verbreitet: Pfadabhängigkeiten (vgl. Schreyögg 2016, S. 206 f.) der langen Tradition wohlfahrtlicher stationärer Hilfen und der Dominanz von Wohnheimen als vorherrschende institutionelle Wohnform für Behinderte haben innovative Hilfeformen entscheidend erschwert. Zudem begünstigen widersprüchliche gesetzliche Vorgaben13 den Ausbau stationärer Angebote: Diese fordern einerseits eine Umorientierung nach dem Prinzip ‚ambulant vor stationär‘, um den Wünschen der Betroffenen und den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden, begrenzen dieses Prinzip jedoch rigide mit Finanzierungsvorbehalten.14 Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überraschend, dass die Fachpositionen und sozialpolitischen Grundsätze einerseits und die faktische Entwicklung des Hilfesystems und seiner Angebote andererseits enorm auseinanderdriften (vgl. Schädler 2002, S. 90; Falk 2016, S. 49–53). Aktuelle statistische Daten bestätigen diesen Befund: Zwar steigt die Zahl der Leistungsberechtigten mit ambulanter Unterstützung seit Jahren, ebenso steigt aber auch die Zahl der Leistungsberechtigten in stationären Einrichtungen (Quelle: Kennzahlenvergleich Eingliederungshilfe der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2017)15.
Seit Ende der 1970er/Anfang der 1980er entwickelten sich ambulante Dienste und Angebote für Behinderte aus unterschiedlichen Impulsen, die Urban (2000, S. 7) in drei Traditionslinien zusammenfasst:
1. Weiterentwicklung gewachsener Hilfestrukturen am Leitgedanken der Normalisierung durch Lebenshilfe-Wohneinrichtungen und Großheime; Ausdifferenzierung traditioneller Strukturen der Behindertenhilfe (Anstalten, Großheime); Etablierung eines Arrangements der „Grenzregulierung“ (Schädler 2002, S. 247), wonach „schwerer behinderte Menschen insbesondere in Anstalten und leicht und mittelgradig behinderte Menschen eher in teilstationären, gemeindenäheren Einrichtungen qualifiziert zu betreuen sind“ (ebd., S. 247); ein bestimmtes Maß an Selbstständigkeit als Voraussetzung für ambulante Unterstützung;
2. Übertragung der ‚Autonom leben-Idee‘ der Selbstbestimmt Leben-Bewegung in Organisationen mit differenzierten Dienstleistungsangeboten; Äußerung von Autonomiewünschen und Einforderung von Rechten als Voraussetzung für ambulante Unterstützung, dadurch tendenziell Ausschluss von Schwerstbehinderten und solchen Menschen, die in der Wahrnehmung ihrer persönlichen Rechte und Freiheit auf Hilfe angewiesen sind;
3. Selbstorganisierte ambulante Dienste, als Gegenbewegung zu traditionellen Heimeinrichtungen; Selbsthilfe im engeren Sinne, dabei oftmals Fokus des Angebots auf körperbehinderte Menschen (z.B. auf Zivildienstleistende gestützte ambulante Dienste zur Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung – ISB).
Im Laufe der Zeit kristallisierten sich im Bereich der ambulanten Angebote und Hilfen verschiedene konzeptionelle Schwerpunkte heraus, die sich in der Vielfalt der Begrifflichkeiten widerspiegelt (vgl. Urban 2000, S. 6–7): Betreutes Wohnen/Betreutes Einzelwohnen (BW/BEW) wurde erstmals 1984 mit einer Richtlinie durch den Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) konzipiert, um Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischer Behinderung die Möglichkeit zu eröffnen, in Krisenzeiten vermittelt durch aufsuchende Hilfen im häuslichen Bereich verbleiben zu können und ohne stationäre Unterbringung auszukommen. Diese Richtlinie wurde später ausgedehnt auf den Personenkreis der Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung. Das BW/BEW ist dabei „in der Sprache der Sozialhilfeträger befangen, Symbol eines reduzierten Hilfekonzeptes“ (Urban 2000, S. 6) und meint nur ergänzende Hilfen für Menschen, die über eine gewisse Mindest-Selbständigkeit verfügen und in der Regel eine etablierte Tagesstruktur haben. Ein zentrales Interesse der Leistungs-/Kostenträger bezog sich dabei darauf, Kostensteigerungen zu dämpfen und Kosten allgemein zu senken.
Mit dem Begriff Ambulant betreutes Wohnen (ABW) haben einige Dienste der ambulanten Behindertenhilfe ihre Angebote in Abgrenzung zum Konzept des BW/BEW ergänzt (u.a. Verein zur Förderung der Integration Behinderter e.V. Marburg): ABW betont die aufsuchende Form der Hilfe und kritisiert ‚Mogelpackungen‘ ambulanter Hilfen, z.B. wenn ehemalige Bewohner*innen eines Wohnheims weiterhin als Gruppe unter dem ‚verlängerten Wohnheimdach‘ leben und unter dem Etikett einer selbständigen und normalen Wohnform lediglich weniger Hilfen erhalten.
In Hamburg wurde das Modell der pädagogischen Betreuung im eigenen Wohnraum (PBW) entwickelt; ein Ansatz, der den pädagogischen Charakter der Hilfe und Unterstützung betont und somit Entwicklungsprozesse der Verselbständigung in den Blick nimmt. Mit der Fokussierung pädagogischer Hilfeformen gehen jedoch auch inhaltliche Beschränkungen einher (z.B. Frage nach pflegerischen und psychosozialen Hilfen), zudem verstärken sich spezifische Spannungsfelder, beispielsweise bei der Frage, ob und inwieweit sich mit der ambulanten Betreuung von erwachsenen Personen ein Erziehungsauftrag verbindet.
In Oldenburg hat die Initiative Selbstbestimmt Leben mit ambulanten Hilfen (SELAM Oldenburg) das Konzept der Assistenz beim Wohnen (ABW) entwickelt. Dieser Ansatz stellt die Autorität der Betroffenen über ihr eigenes Leben nach dem Vorbild der Selbstbestimmt Leben-Bewegung heraus und grenzt sich dezidiert von einem pädagogischen Ansatz ambulanter Hilfen ab. Ein spezifisches Spannungsfeld ergibt sich dabei aus dem potenziellen Machtgefälle zwischen behinderten Nutzer*innen und Unterstützungspersonen: Das Hilfearrangement zwischen helfenden oder assistierenden Personen und Menschen, die (noch) nicht in der Lage sind, ihre Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte nachdrücklich auszuüben, muss sensibel und verantwortungsvoll gestaltet werden.
Das Konzept Unterstütztes Wohnen/Unterstützung beim Wohnen (UW) ist der Versuch, Ziele und Ansprüche des Paradigmenwechsels in der Behindertenhilfe einzulösen und umzusetzen, ohne die bestehenden Spannungsfelder und Probleme auszublenden. UW meint demnach Hilfen, die ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum ermöglichen, unter selbst gewählten, normalen Umweltbedingungen, die sich nicht aufgrund der Behinderung von denen anderer Bürger*innen unterscheiden. In diesem Sinne stellt UW eine tatsächliche Alternative und nicht nur eine Ergänzung zu traditionellen stationären Hilfen dar: UW ist dann nicht an den Nachweis eines bestimmten Maßes an lebenspraktischer Selbständigkeit geknüpft (z.B. Umgang mit Geld, Körperpflege, Selbstversorgung), das entweder bereits vorhanden sein oder durch gezieltes ‚Wohntraining‘ erworben werden muss (vgl. auch Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZPE) 2002, S. 50). Art oder Umfang der Beeinträchtigung einer Person sind somit auch keine Ausschlusskriterien für ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum: Die Unterstützungsleistungen sind nicht auf psychosoziale Hilfen begrenzt, sondern umfassen auch lebenspraktische, pflegerische Hilfen sowie Entlastung und Unterstützung von Angehörigen im Zusammenhang mit Ablöseprozessen (vgl. Urban 2000, S. 9 f.).
2.2 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
Nachdem im vorherigen Abschnitt Leitideen, Selbstverständnis sowie fachliche Werte der ambulanten Behindertenhilfe anhand historischer Entwicklungslinien beleuchtet wurden, richtet sich der Blick nun auf die gegenwärtige Lage. Im Folgenden werden also aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe erkundet, die Anlass für Organisationsentwicklung darstellen. Dabei werden fachliche und betriebswirtschaftliche Perspektiven verschränkt: Die ambulante Behindertenhilfe wird als Geschäftsfeld untersucht, es werden fachlich und betriebswirtschaftlich relevante Entwicklungen und Veränderungen sowohl in der allgemeinen Umwelt als auch in der Geschäftsfeld-Umwelt zusammengetragen und analysiert. Ziel ist, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und Anforderungen zu erhalten, die für die Innen- wie auch für die Außenverhältnisse der Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe von Bedeutung sind und Anlass für Organisationsentwicklung darstellen.
In der Betriebswirtschaftslehre sind verschiedene Instrumente und Verfahren entwickelt worden, um auf systematische Weise Informationen über die inneren Verhältnisse sowie über Entwicklungen in der Umwelt von Unternehmen zu generieren, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Managementfunktion Planung (vgl. Holdenrieder 2017c) oder als Element von strategischem Management (vgl. Merchel 2015b, S. 90–99). In Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit erscheint es sinnvoll und angemessen, den Ansatz der Umweltanalyse (vgl. Holdenrieder 2017c, S. 77–84; Schellberg 2017, S. 101–104) aufzugreifen. Dieser bietet einen geeigneten strukturellen Rahmen, um die für die ambulante Behindertenhilfe relevanten Entwicklungen und Veränderungen systematisch und fokussiert zu analysieren.16 Eine strukturierte Umweltanalyse orientiert sich dann an zwei Analyseebenen: Zum einen Entwicklungen der allgemeinen Umwelt wie beispielsweise allgemeine gesellschaftliche, politische Trends und makroökonomische Entwicklungen; zum anderen Bedingungen und Entwicklungen in der engeren Geschäftsfeld-Umwelt, in denen die Organisation tätig ist.
Umweltanalyse als mehrteiliger Prozess und als Element strategischen Managements umfasst dann zum einen die Erhebung von Information und zum anderen deren Verdichtung: Ausgehend von einer Bestandsaufnahme wesentlicher Entwicklungen werden Weiterentwicklungen und Trends für die nähere Zukunft abgeleitet und prognostiziert. Damit einhergehend werden mögliche Querverbindungen zwischen einzelnen Entwicklungen untersucht und die gewonnenen Erkenntnisse weiter verdichtet z.B. in Form von Szenarien. In einem weiteren Schritt werden schließlich Prämissen und Konsequenzen abgeleitet, die dann Orientierung für weitere Planungs- und Entscheidungsprozesse bilden (vgl. Holdenrieder 2017c, S. 79–80). Ein solch umfangreiches Vorgehen kann in Anbetracht der begrenzten Ressourcen im Rahmen dieser Masterarbeit nicht geleistet werden. Im Folgenden liegt daher der Schwerpunkt auf der Bestandsaufnahme und Bewertung von Entwicklungen der allgemeinen Umwelt sowie der Geschäftsfeld-Umwelt. Diese stellen entweder unmittelbar einen Anlass für intendierte und methodisch gestaltete Prozesse der Organisationsentwicklung dar oder sind mittelbar bedeutsame Einflussfaktoren für die weiter Entwicklung des Arbeits-/Geschäftsfelds der ambulanten Behindertenhilfe.
2.2.1 Allgemeine Umwelt
Aufgrund der hohen Komplexität und Dynamik allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen und Veränderungen erscheint es notwendig und angemessen, den Rahmen für den Analyseprozess zu systematisieren. Holdenrieder (2017c, S. 77–78) schlägt vor, eine „bewährte“ (ebd., S. 77) Einteilung der allgemeinen Umwelt in fünf Kernbereiche aufzugreifen: Makro-ökonomische, technologische, natürliche, sozio-kulturelle sowie politisch-rechtliche Faktoren (vgl. Abbildung 1). Diese fünf Kategorien haben dabei einen systematisierenden Zweck: Davon ausgehend, dass sich gesellschaftliche Prozesse in komplexer und dynamischer Weise wechselseitig beeinflussen, sind diese Kategorien nicht trennscharf, Veränderungen und Entwicklungen haben zumeist in verschiedenen Bereichen Auswirkungen. Beispielweise umfasst das Thema Nachhaltigkeit/Klima-/Umweltschutz sozio-kulturelle, technische und auch politisch-rechtliche Aspekte, die in einem engen wechselseitigen Zusammenhang stehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Allgemeine Umwelt – Analyseebenen
(Quelle: Holdenrieder 2017c, S. 78)
Ohne Anspruch auf eine systematisch-methodische Erhebungsweise17 erscheinen folgende Entwicklungen und Trends der allgemeinen Umwelt aus Sicht des Autors dieser Arbeit als relevant für die ambulante Behindertenhilfe:
2.2.1.1 Makro-ökonomische Faktoren
Grundlegende Bedeutung sowohl für erwerbswirtschaftliche als auch für sozialwirtschaftliche Unternehmen haben Makro-ökonomische Faktoren wie z.B. der Zustand der öffentlichen Haushalte, die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, die Inflationsrate, das Zinsniveau, die Arbeitslosenquote, die Verfügbarkeit und Qualität der Energieversorgung oder Konjunkturprognosen (vgl. Holdenrieder 2017c, S. 78). Für überwiegend aus öffentlichen Zuwendungen und Leistungsentgelten finanzierte sozialwirtschaftliche Unternehmen kann beispielsweise eine wirtschaftliche Rezession gravierende Auswirkungen haben.
Vor allem volkswirtschaftliche und konjunkturelle Entwicklungen beeinflussen sozialpolitische und sozialstaatliche Gestaltungsmöglichkeiten sowie Entscheidungsspielräume – und damit mittelbar die Finanzierungsgrundlage der ambulanten Behindertenhilfe. Nach einer längeren hochkonjunkturellen Phase mit starkem wirtschaftlichen Wachstum und steigendem Steueraufkommen befindet sich die deutsche Wirtschaft seit 2018 im Abschwung (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2019, S. 14–24), wobei Konjunkturprognosen für 2020 wieder ein steigendes Wirtschaftswachstum in Aussicht stellen18 ; ein stärkerer Abschwung oder gar eine ausgeprägte Rezession wird hingegen nicht erwartet (vgl. ebd., S. 14). Zugleich geht die Bundesregierung von steigenden Steuereinnahmen aus, im Zeitraum von 2018 bis 2024 um insgesamt rund 20 Prozent (vgl. Bundesministerium der Finanzen 2019, S. 11). Weiterhin werden auch für die nähere Zukunft günstige Kreditkonditionen prognostiziert (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2019, S. 17). Zusammengefasst können entgelt- und zuschussfinanzierte sozialwirtschaftliche Unternehmen daher auch mittelfristig solide Finanzierungsgrundlagen erwarten. Zudem kann in den nächsten Jahren von guten Bedingungen für die Fremdfinanzierung von Investitionen, Bauvorhaben und Ähnlichem ausgegangen werden.
2.2.1.2 Politisch-rechtliche Faktoren
Weiterhin haben Politisch-rechtliche Faktoren und Entwicklungen einen erheblichen Einfluss auf die Tätigkeit von Organisationen der Sozialen Arbeit, beispielsweise sozialpolitische Grundsätze und Maßnahmen, Entscheidungen in der Sozialgesetzgebung, allgemeine politische Stimmungslagen oder Veränderungen im Wettbewerbsrecht. So haben die Einführung der Pflegeversicherung, die Maßnahmen der Agenda 2010, das Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetz oder auch die Implementierung der Neuen Steuerungsmodelle (NSM) für die Kommunalverwaltung die Rahmenbedingungen für Organisationen der Sozialen Arbeit gravierend verändert und zudem neue Geschäftsfelder entstehen lassen. Auch internationale Entwicklungen wie die EU-Sozialpolitik sowie internationale Trends zur verstärkten Deregulierung und Globalisierung der (Sozial-)Märkte wirken sich mittelbar auf sozialwirtschaftliche Unternehmen aus (vgl. Holdenrieder 2017c, S. 79).
Viele politisch-rechtliche Entwicklungen betreffen unmittelbar die Geschäftsfeld-Umwelt der ambulanten Behindertenhilfe und werden daher im Abschnitt 2.2.2 betrachtet. Von allgemeiner Relevanz sind jedoch unter anderem die arbeitsrechtlichen Entwicklungen, beispielsweise im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Mindestlohn: So hat die SPD auf ihrem Bundesparteitag am 8. Dezember 2019 ein neues Sozialstaatskonzept verabschiedet, dass sie in die weitere Regierungsarbeit einbringen möchte und das eine Steigerung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde vorsieht (vgl. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 2019, S. 4). Veränderungen des Mindestlohns beeinflussen das gesamte Lohngefüge von (sozialwirtschaftlichen) Unternehmen, mit einhergehenden betriebswirtschaftlichen Herausforderungen.
Weiterhin ist zu erwarten, dass sich das allgemeine Sozialstaatsverständnis weiter in Richtung einer investiven Sozialpolitik verschiebt: In den vergangenen Jahren sind zwar verschiedene Sozialleistungen ausgebaut und neue geschaffen worden (z.B. Pflegereform 2017 im Zuge des zweiten Pflegestärkungsgesetzes; Bundesteilhabegesetz in mehreren Stufen 2017 bis 2023). Jedoch können viele dieser sozialpolitischen Maßnahmen als Ausdruck eines veränderten Sozialstaatsverständnisses – einer investiven Sozialpolitik – gedeutet werden (vgl. Burmester und Wohlfahrt 2018, S. 7–9). Sozialstaatliche Ausgaben sind demnach „nicht als bloße Verausgabung bzw. ‚Verbrauch‘ von Ressourcen zu sehen, die einen kollektiven ‚Konsum‘ von Wohlfahrt und anderen öffentlichen Gütern ermöglichen“ (Kehl et al. 2016, S. 10). Ausgaben werden stattdessen als Investitionen umgedeutet, von denen ein Ertrag erwartet wird, verstanden als geringere (fiktive) Sozialausgaben zu späteren Zeitpunkten (und damit vermiedene Kosten) oder höhere Steuereinnahmen beispielsweise durch gelungene Erwerbsintegration sowie positive Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Diese Investitionslogik zeigt sich beispielsweise in der Wirkungsorientierung von sozialpolitischen Maßnahmen. Der Nachweis von Wirkung zielt dann nicht nur darauf, sozialpolitische Leistungen und damit verbundene Ausgaben zu legitimieren, der Wirkungsnachweis soll vielmehr als sozialpolitischer und fiskalischer Steuerungsmechanismus fungieren (vgl. Burmester und Wohlfahrt 2018, S. 57; vgl. auch Abschnitt 2.2.2.3: Wirkungsorientierung des Bundesteilhabegesetzes).
2.2.1.3 Technologische Faktoren
Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe und Sozialen Arbeit sind zwar überwiegend durch eine gewisse Technologie distanz geprägt. Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie den allgemeinen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Transformationsprozessen unter dem Schlagwort digitaler Wandel gewinnen jedoch Technologische Faktoren zunehmend an Bedeutung. Dies betrifft u.a. technische Systeme, Produkte und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Ambient Assisted Living (AAL), aber auch produktionsbezogene Technologien und Materialien für Einrichtungen der Sozialen Arbeit, die in die Produktion von Gütern involviert sind (z.B. Werkstätten für behinderte Menschen und Qualifizierungsprojekte).
Von herausragender Bedeutung auch für die ambulante Behindertenhilfe sind die weiteren Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die damit einhergehenden allgemeinen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Transformationsprozesse unter dem Schlagwort digitaler Wandel. Hier zeigt sich die Vielschichtigkeit von Entwicklungen, die unterschiedliche Auswirkungen in den verschiedenen Bereichen der allgemeinen Umwelt haben: Digitalisierung bedeutet zunächst, dass ursprünglich analoge Formen der Kommunikation (klassische Telefonie), der Informationsverbreitung (Zeitung, Fernsehen) oder der Büroarbeit (Schreibmaschine, Karteien, Akten) nun durch digitale Technologien substituiert werden. Jedoch kann Digitaler Wandel nicht auf diese technologischen Aspekte, auf einen bloßen Austausch von analogen mit digitalen Werkzeugen, auf eine bloße „Softwareunterstützung für Verwaltungsprozesse“ (Hartmann 2018, S. 142), reduziert werden. Digitaler Wandel reicht über technologische Aspekte hinaus, er verändert Wirtschaft und Gesellschaft auf eine tiefgreifende und hoch dynamische Weise, induziert neue und disruptive Geschäftsmodelle (und verdrängt alte). Digitaler Wandel führt zu neuen Formen der Kommunikation und sozialer Interaktion, die nahezu das gesamte Privatleben betreffen und in intimste Bereiche hineinreichen.
Grundlage und Treiber des digitalen Wandels ist dabei „eine Kombination mehrerer Technologien und Klassen von Anwendungssystemen“ (Kreidenweis 2018, S. 13), derzeit: Internet, die Mobilisierung der Informationstechnik (IT) und des Internets, Cloud Computing, softwaregestützte Analysemethoden (Big Data, Advanced Analytics)19, softwaregesteuerte Individualisierung von Inhalten, Social Media, Kommunikationsroboter (Bots), Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik (vgl. Kreidenweis 2018, S. 13–14). Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen – und wechselseitigen Rückwirkungen – zeigen sich beispielsweise in disruptiven Geschäftsmodellen, welche traditionelle Wertschöpfungsketten, Strukturen und Prozesse radikal auf den Kopf gestellt haben.20 Im Zentrum dieser Geschäftsmodelle stehen digitale Prozesse, die von einer vielfach höheren Dynamik und Ausbreitungsgeschwindigkeit geprägt sind als ihre analogen Vorgänger. Geschäftsmodelle, beispielsweise von Google oder Facebook, bewegen sich in der digitalen Welt, es müssen keine physischen Güter produziert, transportiert und selbst wiederum mit Materialien versorgt werden. Marktmacht erwächst dann aus dem Besitz und der intelligenten Nutzung von Daten und Informationen, und das nicht nur im Bereich der reinen Vermittlung von Produkten oder Dienstleistungen, sondern zunehmend auch in größeren Bereichen der jeweiligen Wertschöpfungskette.
Die Entwicklung und Verbreitung neuer technischer Geräte und Geschäftsmodelle hat zu einem radikalen Wandel der Kommunikation und sozialen Interaktion geführt. Medial-vernetzte Kommunikation – vor allem über Social Media – ergänzt oder ersetzt vielfach analoge Kommunikation, mündliche werden durch schriftliche Formen ersetzt21 (für die sich wiederum völlig eigene Sprachstile herausbilden). Kommunikationszeit verschiebt sich immer stärker in den digitalen Raum und prägt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Miteinander (vgl. Kreidenweis 2018, S. 15). Radikalen Veränderungen ist auch die politisch-gesellschaftliche Meinungsbildung unterworfen: Soziale Medien gewinnen gegenüber klassischen Massenmedien zunehmend an Bedeutung als wichtige Informationsquelle; Jobportale oder Geschäftsnetzwerke verändern die Art, sich beruflich zu orientieren und ermöglichen es, sich unabhängig vom eigenen Arbeitgeber mit anderen Akteuren der eigenen Branche zu vernetzen. Über Nachbarschafts- und Ehrenamts-Apps können sich Menschen ad hoc und ohne institutionellen Hintergrund gegenseitig unterstützen oder bürgerschaftlich engagieren. Auch die Wahrnehmung von Realität wird durch Digitalisierung verändert: Beispielsweise kann die physische Realität durch virtuelle Realitäten ergänzt werden, etwa indem auf dem Smartphone, das seine Umgebung filmt, Informationen über die reale Welt angezeigt werden, die dort nicht sichtbar sind (Augmented Reality). Oder es werden reale und virtuelle Welt vermischt, indem digitale Objekte in die reale Welt eingeblendet werden (vgl. Kreidenweis 2018, S. 15–16).
Digitaler Wandel durchdringt alle gesellschaftlichen Systeme und Branchen22 und umfasst zudem alle Unternehmensbereiche und betrieblichen Funktionen. Sowohl für erwerbs- als auch für sozialwirtschaftliche Unternehmen stellt sich daher die Frage, wie Geschäftsmodelle, Personalentwicklung oder auch Führungskultur unter den Bedingungen des digitalen Wandels gestaltet werden können23 (vgl. Hartmann 2018, S. 142). Für die Sozialwirtschaft prophezeit Kreidenweis (2018), dass „die über viele Jahrzehnte gewachsenen Grundfesten der Branche durchaus ins Wanken geraten“ (ebd., S. 16), wenn sich Verhaltensweisen von Menschen grundlegend verändern, wenn neue Technologien Menschen mit Unterstützungsbedarf deutlich mehr Autonomie ermöglichen, wenn neue Geschäftsmodelle entstehen und andere Marktteilnehmer auftauchen. Hilfe und Unterstützung, soziale Angebote und Dienste, die sich an den individuellen Lebenswelten von Zielgruppen, Adressat*innen, Klient*innen und Kund*innen ausrichten, müssen an diese Lebenswelten anknüpfen und dort präsent sein: Zum Beispiel in Hinblick auf Kinder und Jugendliche, die sich in digitalen Lebenswelten aufhalten, hier stellt sich die Frage, wie Kommunikation und „digitale Schnittstellen in der Interaktion“ (Hartmann 2018, S. 142) gestaltet werden können. Oder auch: Wie können Angebote der Sozialen Arbeit entwickelt werden, wenn Menschen, die sich mit schwierigen, existentiellen Problemen konfrontiert sehen, die eigene Situation zu einer sozialen, mit anderen geteilten Erfahrung machen, indem sie diese in Foren, Blogs oder in sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder TikTok veröffentlichen? (vgl. ebd., S. 142)
Allgemeiner technischer Fortschritt und technische (Weiter-)Entwicklungen haben auch dahingehend Relevanz, dass sie unmittelbar das Leben behinderter Menschen beeinflussen: Medizinische Verfahren und technische Produkte können den Alltag erleichtern und Teilhabemöglichkeiten verbessern (z.B. Mobilitätshilfen, orthopädische und prothetische Hilfsmittel, Umgebungssteuerungssysteme). Weiterhin führt medizinisch-technischer Fortschritt einerseits zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung; Erkrankungen und Verletzungen können nachhaltiger behandelt werden. Andererseits steigen auch Überlebenschancen in der Intensivmedizin (z.B. bei Frühgeborenen, Unfallopfern), jedoch vielfach mit der Folge von längerfristigen körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen. Von besonderer Bedeutung für die Behindertenhilfe sind zudem auch technische Entwicklungen im Bereich der Humangenetik und Pränataldiagnostik, wenn z.B. Schwangerschaften aufgrund diagnostizierter Erkrankungen oder Fehlbildungen abgebrochen werden. Technische Entwicklungen stehen hierbei in enger Wechselwirkung mit Veränderungen von gesellschaftlichen Haltungen und Werten bezüglich Behinderung.
2.2.1.4 Sozio-kulturelle Faktoren
Wenn auch eher mittelbar prägen insbesondere Sozio-kulturelle Faktoren die Tätigkeit von Organisationen der Sozialen Arbeit sehr tiefgreifend und nachhaltig: Gesamtdemografische Trends, soziale Wandlungsprozesse, Veränderung gesellschaftlicher Werte sowie des Anspruchs- und Bildungsniveaus wirken sich sowohl auf Inhalt und Umfang der Tätigkeit von sozialwirtschaftlichen Unternehmen als auch auf die inner-organisationalen Strukturen, Prozesse und Kulturen aus. So haben beispielsweise Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit stark an gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen, entsprechend haben sich Geschäftsfelder (weiter-)entwickelt und Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter*innen in Organisationen der Sozialen Arbeit verändert (Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie). Auch in der Pflege und Versorgung älterer Menschen haben sich Werte verschoben: Die Versorgungsform Pflegeheim verliert an Akzeptanz im Gegensatz zu anderen Wohn- und Versorgungsformen (z.B. Mehrgenerationenkonzepte oder ambulant betreute Wohngemeinschaften) (vgl. Holdenrieder 2017c, S. 79).
Auch die Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe sind von solchen gesamtdemografischen Trends, sozialen Wandlungsprozessen sowie der Veränderung von gesellschaftlichen Werten und Ansprüchen betroffen. So werden unter dem Schlagwort ‚Neue Arbeitswelt‘ (vgl. z.B. Ameln und Wimmer 2016) oder ‚New Work‘ (vgl. z.B. Hackl et al. 2017) gegenwärtige Entwicklungen beschrieben und zusammenfassend als VUCA-Welt charakterisiert (vgl. Abbildung 2): Das wirtschaftliche, politische und soziale Umfeld von Organisationen hat demnach vielfach seine stabilisierende, Kontinuität stiftende Funktion eingebüßt. Stattdessen haben in vielen Bereichen Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit zugenommen, Ameln und Wimmer (2016, S. 12) sprechen in diesem Zusammenhang von einer neuen Qualität der Instabilität und Veränderungsdynamik.24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: VUCA-Welt
(Quelle: eigene Darstellung; Symbole www.shutterstock.com ID 1165663975)
In ihrer Analyse der „Neuen Arbeitswelt“ beschrieben Ameln und Wimmer (2016) sechs zentrale „Entwicklungsstränge“ als Treiber dieser „neuen Qualität der Instabilität und Veränderungsdynamik“ (ebd., 12; vgl. Abbildung 3): So üben eine steigende Komplexität und wachsende Dynamik der globalen Märkte massiven Innovationsdruck auf Unternehmen aus, der eine immer höhere Flexibilität zur Anpassung der organisationalen Strukturen und Prozesse erfordert, um mit beschleunigten Veränderungen im Umfeld ‚Schritt halten‘ zu können. Digitalisierung beschränkt sich nicht nur auf eine effizientere Gestaltung ansonsten weitgehend unveränderter Arbeitsprozesse, sondern ermöglicht neue Geschäftsmodelle und neue Formen der Kommunikation (vgl. oben, S. 20–22: Digitaler Wandel als technologischer Faktor). Automatisierungsprozesse führen dazu, dass zum einen der Anteil körperlicher Arbeit mit niedrigen Qualifikationsanforderungen stetig zurückgeht und zum anderen Wissensarbeit kontinuierlich zunimmt, was in der Folge zu einem steigenden Anteil von im Dienstleistungsbereich Beschäftigten führt. Bevölkerungsrückgang, Fachkräftemangel und positive konjunkturelle Entwicklung haben in vielen Bereichen bereits dazu geführt, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt, mit entsprechenden Machtverschiebungen und Notwendigkeiten, sich als attraktiver Arbeitgeber für (potenzielle) Bewerber und Mitarbeiterinnen zu positionieren. Daher – und aufgrund des schwankenden Personalbedarfs sich immer wieder anpassender Organisationen – diversifizieren sich Berufsbiografien. Die ,Erosion des Normalarbeitsverhältnisses‘25 setzt sich fort, der Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse nimmt zu, sowohl bei Mitarbeiter*innen als auch bei Organisationen lässt sich der Trend feststellen, dass weniger langfristige gegenseitige Bindungen eingegangen werden. Sich wandelnde gesellschaftliche Ansprüche und Lebensentwürfe verändern zudem die Erwartungen, die sich an Arbeit richten: Dieser Wertewandel, der von einer zunehmend diverseren und selbstreflexiveren Gesellschaft getragen wird, manifestiert sich in veränderten Ansprüchen an den Sinngehalt von Arbeit und an die Qualität des Zusammenarbeitens, aber auch in steigenden gesellschaftlichen und gesetzgeberischen Forderungen in Hinblick auf eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigere Praxis des unternehmerischen Handelns.
In der Konsequenz stellen Organisationen und Mitarbeiter*innen höhere Anforderungen aneinander. Ameln und Wimmer (2016, S. 19) sprechen davon, dass beide Seiten vor der Aufgabe stehen, den „psychologischen Vertrag“ (ebd., S. 19) neuzugestalten: Wenn die ,neue Arbeitswelt‘ vielfach zu einem Wegfall von Sicherheiten führe, löse dies nicht nur materielle, sondern auch psychologische Unsicherheiten aus, der traditionelle psychologische Vertrag – Sicherheit und Kalkulierbarkeit (in Bezug auf den Arbeitsplatz, die beruflichen Perspektiven oder den zu erwartenden Arbeitsaufwand) im Austausch für Engagement und langfristige Bindung an den Arbeitgeber – verliere seine Bindungskraft. Bei der Neugestaltung des psychologischen Vertrages zwischen Organisation und Mitarbeiter*innen gehe es daher nicht (nur) um neue Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle, vielmehr bestehe die Herausforderung darin, Mitarbeiter*innen trotz wachsender Kontingenzen einen ,emotionalen Halt‘ zu vermitteln. Dies sei für (Ameln und Wimmer 2016, S. 19) nicht mit einem vordergründig verstandenen Employer Branding zu erreichen, stattdessen müssen Organisationen für die Mitarbeitenden sinnstiftend, vertrauenswürdig und trotz aller Veränderungsdynamik emotional verlässlich sein. Zentrale Stützpfeiler eines neuen psychologischen Vertrages wären dann Arbeitszufriedenheit und Verbundenheit mit dem Unternehmen.
[...]
1 Ich strebe in dieser Arbeit eine möglichst diskriminierungsfreie und geschlechtergerechte Sprache an, ich nutze daher Gendersternchen oder geschlechtsneutrale Formulierungen.
2 Für Organisationen der Sozialen Arbeit stehen Sachziele im Vordergrund, die in eigenen Definitionsvorgängen konstruiert werden und einem „machtvollen Aushandlungsprozess der beteiligten Akteure und ihren individuellen Plausibilitätskonstruktionen“ (Boecker 2016, S. 10) unterliegen. Auch die Sachziele sowie die Maßstäbe und Bewertungsverfahren für den Erfolg von Organisationen Sozialer Arbeit sind dann von Wandel und Veränderung betroffen (vgl. Merchel 2015b, S. 76).
3 Organisationen der ambulanten Behindertenhilfe verstanden als Sozialunternehmen, welche durch frei-gemeinnützige Träger betrieben werden (Holdenrieder 2017b, S. 51). Gemeint sind sowohl Organisationen, die aus der Selbsthilfe entstanden sind, als auch Organisationen, die aus fachlich-beruflichen Impulsen hervorgegangen sind.
4 In Abgrenzung zu ‚natürlichen‘ sowie ungeplanten und unbewussten Prozessen der Reaktion, der Anpassung und des Wandels von Organisations-Systemen (z.B. Veränderungen in der Mitarbeiterschaft).
5 Einen Überblick über die vielfältigen weiteren Aspekte, Bedeutungen und Auslegungen von Partizipation geben Schnurr (2018) und Gintzel (2017); kritische Auseinandersetzung: Scheu und Autrata (2013).
6 Diese Arbeit stellt daher am ehesten eine „Konzeptionsentwicklung“ dar, die zur „Begründung oder Überprüfung eines praktischen Arbeitsansatzes oder einer Organisationsentwicklung“ beiträgt (Broschüre Standard für Masterarbeiten im postgradualen Master-Fernstudiengang Sozialmanagement des Studienzentrums der Sozialwirtschaft, S. 1; Stand 2018).
7 Diese Bezeichnung wird in dem Wissen verwendet, dass es keine eindeutige Definition von Behinderung gibt. Bei der Bezeichnung Behinderung handelt es sich um eine Zuschreibung sowie Stigmatisierung von Personen: Behinderung ist „Ausdruck solcher gesellschaftlicher Bedingungen und Verhältnisse, die Menschen mit körperlichen, organischen, sozialen oder sonstigen Beeinträchtigungen bei der subjektiven Aneignung von und der sozialen Teilhabe an relevanten gesellschaftlichen Lebenszusammenhängen behindern. Wenn solcherart Behinderte als Behinderte bezeichnet werden, werden sie nicht dadurch diskriminiert, sondern durch die Verhältnisse, die sie behindern.“ (Rohrmann 2019, S. 3)
8 Mit anderer Akzentuierung sprechen Konrad und Rosemann (2016, S. 6–10) von „mobile[r] Unterstützung zur Teilhabe“, wobei Hilfe und Unterstützung nicht in einer „einheitlichen Räumlichkeit“ (ebd., S. 10), sondern dort erbracht wird, wo sich „die Klientinnen befinden“ (ebd., S. 10). Entscheidend wäre dabei, dass es keine Präsenz der Mitarbeitenden unabhängig von der Hilfeerbringung gibt, was jedoch bei stationären Angeboten in der Regel zutrifft.
9 Bezugnehmend auf Rohrmann (2019, S. 3) verwende ich bisweilen die Bezeichnung ‚Behinderte‘, um die gesellschaftlichen Bedingungen von Behinderung zu betonen (vgl. Fußnote 7).
10 Eine gründliche Untersuchung der Historie der ambulanten Behindertenhilfe müsste beispielsweise auch die Entwicklung der (leistungs-)rechtlichen Rahmenbedingungen mit einbeziehen (vgl. hierzu z.B. Wendt 2008 und Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZPE) 2002, S. 61–68). Ein umfassender Überblick zur Entwicklung der ambulanten Behindertenhilfe findet sich bei Schädler (2002).
11 „In ihrer Arbeit konzentrierten sie sich darauf, einen Helferpool aufzubauen und eine Liste von behindertengerechten Wohnungen zu erstellen, um so jedem behinderten Studenten die Entscheidungsfreiheit zu geben, zu wählen, wie und wo er in der Gemeinde leben wollte“ (Laurie zit.n. Theunissen 2013, S. 86).
12 Adolf Ratzka und Hans-Peter Meier drehten den Film „Aufstand der Betreuten“ Ende der 1980er Jahre in Berkeley in den USA, der Film ist auf YouTube verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=eHUGD5TyMsE; zuletzt geprüft 01.12.2019.
13 Beispielsweise § 104 SGB IX – Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalls.
14 Mit der Frage nach Ursachen und Einflussfaktoren der anhaltenden Dominanz von stationären Betreuungsformen haben sich u.a. Schädler (2002), Urban (2009) und Falk (2016) auseinandergesetzt.
15 Kennzahlenvergleich Eingliederungshilfe der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2017 (veröffentlicht 06.03.2019; abrufbar https://www.lwl.org/spur-download/bag/190306_BAGueS_Bericht_2017_final.pdf; zuletzt geprüft 02.12.2019).
16 Es geht dabei um das Arbeits-/Geschäftsfeld ambulante Behindertenhilfe und nicht um eine einzelne Organisation. Organisationsentwicklung für eine konkrete Organisation muss zwangsläufig auch Entwicklungen und Veränderungen innerhalb der einzelnen Organisation sowie in deren unmittelbarem (z.B. lokalen) Umfeld in den Blick nehmen (z.B. mittels Unternehmensanalyse, vgl. Holdenrieder 2017c, S. 84–86).
17 Beispielsweise Diskurs-Analyse oder Delphi-Befragung.
18 Eine zusammenfassende Übersicht der aktuellen Konjunkturprognosen verschiedener Institutionen findet sich hier: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunkturprognose114.html (Stand 06.11.2019, zuletzt geprüft 11.12.2019).
19 „Daten als Rohöl der digitalen Wirtschaft“ (Kreidenweis 2018, S. 13).
20 Beispielsweise Uber im Taxigewerbe oder Airbnb im Hotelgewerbe.
21 Und diese wieder durch mündliche Kommunikationsformen im Zusammenhang mit Sprachsteuerung.
22 Zum Beispiel individualisierte datenbasierte Tarife der Krankenversicherung, digital vernetzte Mobilität und Verkehrssteuerung.
23 Weitere Handlungsfelder ergeben sich zudem aus der Gestaltung von Datenschutz und IT-Sicherheit.
24 In seiner Analyse der „Sozialpädagogik im Modernisierungsprozess“ spricht Winkler (2018) in Bezug auf die derzeitigen Veränderungen auch von „einer zunehmend fragmentierten und durchaus flüchtig erscheinenden Gesellschaft“ (ebd., S. 282).
25 Kratzer und Sauer (2005) analysieren in diesem Zusammenhang eine „Flexibilisierung und Subjektivierung von Arbeit“, die sich in einer zunehmenden Heterogenität und Ambivalenz zeigt: Beispielsweise weisen empirische Befunde darauf hin, dass eine wachsende Gruppe von Beschäftigten mit steigenden Gestaltungsspielräumen und zunehmenden Freiräumen der Selbstorganisation ausgestattet ist, denen jedoch weiterhin einer große Gruppe an Beschäftigten gegenübersteht, deren Arbeitssituation durch geringe Spielräume und wenig herausfordernde Arbeitsanforderungen gekennzeichnet ist. Die Veränderungen der Arbeitswelt eröffnen für die Organisationen und die Mitarbeitenden Chancen, bergen aber auch Risiken (z.B. Humanisierung der Arbeitswelt durch Partizipation und Selbstbestimmung; negative Folgen einer Verdichtung und Entgrenzung von Arbeit).
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