Diese Arbeit behandelt das Werk der amerikanischen Maler Franz Kline, Clyfford Still und Philip Guston. Dabei zeichnet die Abhandlung die malerische Entwicklung im Werk dieser Maler nach. Die leitende Frage bildet hierbei, wie sich in den Arbeiten die Abstraktion zur Gegenständlichkeit verhält.
Das Bedürfnis der Kunstgeschichte ist groß, ein Werk in eine bestimmte Stilrichtung einzuordnen. Die Malerei Klines wird zum "action painting" gezählt. Bei Clyfford Still fällt dies schwer. Er gilt als abstrakter Expressionist. Guston hat man ein wenig abseits des Abstrakten Expressionismus gestellt. Seine Bilder erscheinen weniger entschieden, lyrischer als die beispielsweise eines Jackson Pollock.
Inhaltsverzeichnis
1. Franz Kline
2. Clyfford Still
3. Philip Guston
1. Franz Kline
Lebensdaten (zitiert nach dem Katalog Kunsthalle Basel, 1964)
1910 in Wilkes-Barres, Pennsylvania, geboren
1940 Wandbilder für die Bleeker Street Tavern. Verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Malen von Landschaften und Porträts im Auftrag
1949 Beginnt die Serie seiner Schwarzweißbilder
1950 Erste Einzelausstellung, Egan Gallery, New York
1952 Während des Sommers Lehrer am Black Mountain College, North Carolina
1955/56 Teilnahme an der Ausstellung „The New Decade“
1958/59 Teilnahme an der Ausstellung „The New American Painting“, Museum of Modern Art in New York
1960 Einzelausstellung im Amerikanischen Pavillon an der XXX. Biennale in Venedig
1962 stirbt im Mai 1962
Die Malerei von Franz Kline durchläuft eine erstaunliche Entwicklung. Kline beginnt mit traditionell gegenständlicher Malerei und wird diese bis 1951 beibehalten, sogar noch, nachdem er ab 1946 zunehmend jeglichen gegenständlichen Bezug fallenlässt. Mit Porträt- und Landschaftsmalerei als Auftragsarbeiten hatte er sich seinen Lebensunterhalt verdient und erhält sich diese Einnahmequelle auch noch nach Beginn seiner abstrakten Gemälde. Die Ausrichtung auf gegenständliche Malerei ist jedoch nicht nur das Ergebnis einer finanziellen Zwangslage. Sondern Kline hat ein sehr enges Verhältnis zur Tradition der Malerei: „But then, I don’t have the kind of fuck-the-past attitude. I have very strong feeling about individual paintings and painters past and present” (siehe O’Hara).
Nach einer sehr langen Phase ausschließlich gegenständlicher Malerei erscheint die abstrakte Malerei als ein Bruch mit seinem bisherigen Schaffen. Dieser schlagartige Wandel hin zur Abstraktion, der ein Teil des Mythos von Franz Kline ist, wird gewöhnlicherweise im Beginn seines „black-and-white style“ 1949 gesehen. Diese Entstehung seines abstrakten Stiles aus heiterem Himmel entspricht aber nicht der tatsächlichen Entwicklung. Vielmehr ist es eine stufenweise Hinwendung, die schließlich in die Abstraktion mündet. Ein wesentliches Entwicklungsmoment kann dabei in der Tuschezeichnung gesehen werden, so wie auch später die Zeichnung für seine Abstraktionen eine bedeutsame Rolle spielen wird. In der Zeichnung hatte er die Möglichkeit zu experimentieren, was ihm mit den teuren Ölfarben nicht möglich war. Die Zeichnung hatte nicht nur den Vorteil der geringen Kosten. Sie erfüllte ihm auch sein konstant bestehendes Interesse am schnellen Skizzieren (Gaugh, 1974). In der Tuschfederzeichnung lässt sich ab 1945 beobachten, dass die Linienführung breiter wird, Kline sein Motiv eher selektiv behandelt (ebenda), als mit der Linie Details festzuhalten. Die Entstehung des Gemäldes „Elizabeth“ (1958) veranschaulicht dies. Kline selbst hat einen Hinweis auf die Anfänge seiner Abstraktion gegeben. Er bezeichnet „The Dancer“ aus dem Jahr 1946 als sein „earliest abstract painting“. Hier sind allerdings noch geringe gegenständliche Referenzen auszumachen.
Ein Freund Klines muss als wichtiger Wegbegleiter und Anreger auf seinem Weg zur Abstraktion erwähnt werden: Willem de Kooning (ebenda). Gaugh bezeichnet ihn als „the chief catalyst“. Er spricht davon, dass Kline stark beeindruckt war von de Koonings „black paintings“ aus den Jahren 1946 – 49. Ihr Einfluss auf seine frühe Abstraktion sei eindeutig (ebenda). Ich habe oben schon erwähnt, dass Klines abstrakte Malerei als oftmals unvermittelte Neuerung ohne Zusammenhang mit seinem bisherigen Werk beurteilt wird. Zu dieser Einschätzung hat ein Experiment beigetragen, das Kline 1948/49 mit de Kooning bewerkstelligt hat: Mit einem Projektor projiziert Kline kleine Zeichnungen an die Wand. Hieraus soll ihm, wie es einige Kritiker sehen wollen, die Anregung zur Abstraktion erwachsen sein. Es kann darin aber nur eine Bekräftigung und Forcierung seiner schon vorhandenen abstrakten Tendenzen gesehen werden. Die Projektion der Zeichnung führt ihm nämlich prägnant vor Augen, wohin ihn sein Schaffensprozess zuvor schon auf den Weg brachte: Nämlich, dass Schwarz und Weiß sich genauso gut im Gemälde- wie im Zeichnungsformat behaupten können (ebenda).
1947 beginnt Klines entscheidende Veränderung hin zur Abstraktion. Es entstehen seine „white drawings“, die so benannt sind, weil sie in offenen Kompositionen relativ große Bereiche auf dem Papier freilassen und ausgiebige Übermalungen aufweisen (ebenda). Das Entscheidende hieran ist, dass Schwarz und Weiß beginnen, gleichberechtigt zu werden. Sowohl Schwarz als auch Weiß können positiv und negativ wahrgenommen werden. Mit Beginn der „white paintings“ werden sie zu den tragenden Elementen von Klines Kunst. In der weiteren Entwicklung befreit Kline die Abstraktion von allen noch verbliebenen figurativen Anklängen. Darüber hinaus verliert die Linie ihre Funktion als Linie, sondern wird zur Masse: „[…] line has been assimalated by mass“ (Gaugh, 1974). Nicht mehr länger beansprucht von den Konturen der Formen, kann Kline sich nun auf deren Masse konzentrieren: „Not longer preoccupied with edges of form, he is just as committed to their bulk“ (ebenda). Ein dies begleitendes Interesse gilt dem Raum zwischen den Farbschichten oder -collagen und ebenso auch dem Raum, der die primären Formen umgibt. Leerer Raum an sich existiert für ihn nicht, was soviel bedeutet: Raum hat immer auch eine positive Funktion.
Die nächste Stufe in Klines bildnerischer Entwicklung war, die Farbe vollständig zu eliminieren. Ein Prozess, den Kline 1961 in einem Interview beschreibt: „I painted originally in color und finally arrived at black und white by painting the color out.“ Kline ist nun in der Phase seines „black and white style“ angelangt, die 1949 beginnt und bis 1958 andauert.
Soweit die Darstellung von Klines Entwicklung hin zu seinem „reifen Stil“. Das Wissen hierüber ist zwar nicht notwendig, um seinen Schwarz-Weiß-Stil zu verstehen. Denn jedes Bild spricht für sich. Es erleichtert jedoch dessen Verständnis und beugt Missverständnissen vor. Unter diesen tauchen zwei wesentliche immer wieder auf, die inhaltlich zusammenhängen: 1. Klines Malerei sei Kalligraphie und 2. Seine Werke würden unmittelbar, spontan entstehen. Ein Punkt des oben Dargestellten war, dass die Linie als Linie abgelöst und sich die Farbe nun primär als Masse darstellt. Kline umschreibt nicht, sondern er baut sein Bild als Architekt. Dies geschieht – wie bereits dargestellt – nicht, indem er Schwarz in einen von Weiß suggerierten leeren Raum einbindet. Dieses Vorgehen würde der japanischen Kalligraphie entsprechen. Sondern eben in einer Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß. Auf diesen Punkt geht Kline in einem Interview ein: „Ich halte meine Arbeit nicht für Kalligraphie. Kritiken beschreiben genauso Pollock und de Kooning als kalligraphische Künstler, aber Kalligraphie hat nichts zu tun mit uns. Es ist interessant, dass die Kritiken aus dem Orient dies nie behauptet haben. Die orientalische Idee von Raum ist die eines unbegrenzten Raumes; es ist nicht gemalter Raum, und unserer ist dies. An erster Stelle ist Kalligraphie Schreiben, und ich schreibe nicht. Leute denken manchmal, ich nehme eine weiße Leinwand und male schwarze Zeichen darauf, aber das ist nicht wahr. Ich male das Weiß genauso wie das Schwarz, und Weiß ist genauso wichtig. Zum Beispiel können wir auf der Leinwand, die wir hier betrachten, sehen, wie ich schwarze Bereiche mit weißen übermalt hab e.“ (Gaugh „Franz Kline: The Abstractions with Color“,1975). Genauso wie der vom Weiß erfüllte Raum leicht als inexistent angesehen wird, so auch die Begrenzung durch das Bildformat, der Rahmen des Bildes. Er bildet ein antagonistisches Element zur Form innerhalb des Bildfeldes (Gaugh: „Romantic Abstraction“).
Das andere wesentliche Missverständnis besteht in der Auffassung von Spontaneität in Klines Bildern. Dies ist allerdings ein Missverständnis, eine Täuschung, die Kline selbst evoziert: „Some of the pictures I work on a long time und they look as if I’d knocked them out.“ (Goldwater) Und weiter heißt es: „The immediacy can be accomplished in a picture that’s been worked on for a long time just as well as if it’s been rapidly. (ebenda) Das Resümee aus dieser Wahrnehmung lautet dann möglicherweise: Die Stimmigkeit des Beziehungssystems und dennoch der Eindruck von Unmittelbarkeit sind das Herausragende von Klines Werken. Er erreicht dies, indem er oftmals für seine großen Gemälde kleine Zeichnungen, angefertigt auf Telefonbuchseiten, als Vorlagen verwendet. Dabei kann es auch sein, dass er mehrere Vorlagen für ein Gemälde kombiniert.
Die Malerei Klines wird zum 'action painting' gezählt. Woraus entsteht nun die Betonung auf den Akt des Malens, wenn Kline so intensiv mit Vorlagen arbeitet? Nach meinem Verständnis aus der spontanen Reaktion, die nötig ist, um die Vorlage oder die Vorlagen im Bild so zu arrangieren, mit Pinselstrichen ihren Niederschlag finden zu lassen, dass daraus eine bewegte Statik oder eine statische Bewegtheit entsteht. Niemals setzt Kline eine Vorlage unverändert in ein Gemälde um. Kline beschreibt seine Vorgehensweise in einem Zitat, aus dem auch deutlich wird, dass 'action painting' dem Symbolismus gegenläufig ist: „Es gibt so etwas wie eine Bildsprache. Symbolismus ist eine schwierige Idee. Ich bin kein Symbolist. In anderen Worten: diese Gemälde sind Experimente. Ich entscheide nicht im Voraus, daß ich jetzt ein bestimmtes Experiment male, aber im 'act of painting' wird es ein bestimmtes Experiment für mich. Es ist genauso wenig Symbolismus wie es Kalligraphie ist.“ (Katharine Kuh, The artist’s Voice, New York: 1962. Zitiert aus Gaugh: „The abstractions of color“) Weiter sagt er: „Ich male keine Brücken, Wolkenkratzer usw.“ Aus diesen Aussagen wird deutlich: Genauso wenig wie Kline eine gegenständliche Referenz beabsichtigt, so auch nicht das Malen eines Zeichens mit einem bestimmten, vorher festgelegten Ausdruck oder Symbol.
In der auf die ‚Black and White‘-Phase folgende holt Kline wieder verstärkt die Farbe ins Bild, die in seinen frühen Abstraktionen schon ein wichtiges Moment war. Die neuen Experimente mit Farbe stellen allerdings keinen Bruch zu den Schwarz-Weiß-Gemälden dar, sondern führen diese fort. Die ‚Black and White-Phase dürfte in Hinsicht auf Klines künstlerischen Prozess eine besondere Funktion übernommen haben. Und zwar könnte diese Phase als eine Form der Askese verstanden werden, in der die früheren Abstraktionen einer ordnenden Klärung unterworfen werden. In der weitestgehenden Reduktion auf Schwarz und Weiß liegt nicht nur der Vorteil einer größeren Konzentration auf das Zusammenwirken der Bildelemente. Vielmehr lässt sich in der Reduktion auf Schwarz und Weiß auch die Dimension des erfüllten Raumes besser ermessen als mit hinzukommender Farbe. Farbe kompliziert die Konzeption des Bildes. Aus diesem Grund reduziert Kline schon in seinen früheren Gemälden die Farbe in beträchtlicher Weise. Sie verschwindet aber auch hier nicht völlig. Allerdings setzt Kline nur Spuren von Farben ein, die dem Gemälde eine besondere Energie und Dynamik verleihen. Jetzt nun, nach der Phase der Reduktion, bezieht Kline wieder uneingeschränkt die Farbe mit ein. Ob er damit seiner strengen Bildkonzeption gerecht wurde, müsste in einer gesonderten Untersuchung beurteilt werden. Sein früher Tod hat weitere Experimente nicht mehr möglich gemacht.
Bibliographie zu Franz Kline
Goldwater, Robert. „Franz Kline, Darkness Visible“. Art News, LXVI (März, 1967), p. 38 – 43.
Gaugh, Harry F. „Transitional Abstractions, 1946 – 50“. Art in America (USA), vol. 62, pt. 4 (July – Aug. 1974), p 43-47.
Derselbe. „Franz Kline: The Abstraction with Color. The Phillips Collection, Washington D. C. Washington: 1979.
O’Hara, Frank. Interview mit Franz Kline. Zitiert aus: Kunsthalle Basel 31. Januar bis 1. März 1964.
2. Clyfford Still
Am 30. November 1904 in Grandin, ND., USA geboren
1933-41 im Anschluss an das Studium Lehrtätigkeit amWashington State College
1941 Übersiedlung nach San Francisco
1946-50 Lehrtätigkeit an der California School of Fine Arts, San Francisco 1952 am Brooklyn College, New York
Am 23. Juni 1980 in New York gestorben
Franz Kline sieht sich eingebunden in eine typisch amerikanische Auffassung von Malerei, nämlich in die des Primats der Aktion im Bild. Dennoch möchte er sich nicht ausschließen aus der Tradition der Malerei der alten Welt. Mit Clyfford Still hingegen findet sich ein Exponent, der sich in radikaler Weise von jeglichen Wurzeln, insbesondere derjenigen der europäischen Malerei losgelöst sehen will. Für Still ist von größter Bedeutung „to paint my way of the classical European heritage“. Er lehnt es ab, „the combined and sterile conclusions von Western European decadence“ zu übernehmen. „The whole literary myth called art history“ ist für ihn überholt. (Marmer, Nancy)
Aus dieser Position lässt sich die Radikalität von Clyffords Künstlerpersönlichkeit oder überhaupt seiner Person herauslesen. Diese Haltung wirkt sich auch aus auf seinen Umgang mit der Kunstwelt und dem Kunstmarkt. Still bewertet den Kunstmarkt prinzipiell als käuflich. Museen hält er für „comfort stations“ für Leute, die sich nicht ernsthaft für Kunst interessieren. (Marmer) Ein Resultat aus dieser Aversion gegen den Kunstmarkt und die Kunstöffentlichkeit ist Stills Ablehnung in den Jahren 1951-1958, seine Werke ausstellen zu lassen.
Still hat den Charakter eines Alleingängers, der typisch ist für den romantischen Helden des 19. Jahrhunderts. So bewundert er auch das Werk Nietzsches, in dessen Gestalt Zarathustra sich Radikalität mit Moralität verbindet. In diesem Unabhängigkeitsstreben, das sich auch bei anderen amerikanischen Künstlern der 40er- und 50er-Jahre findet, weist Still den Einfluss europäischer moderner Kunst und sogar jeglicher Kunst zurück. Er schafft sozusagen ‚ex nihilo‘. Das ist sicherlich ein übersteigerter Anspruch. Sandler führt entgegen dieser Eigenperspektive von Still den Einfluss von „Turner’s atmospheric fields und Gaugin‘s und Matisse’s simple planes of color an (S. 161).
Nichtsdestotrotz weht in den Werken Stills amerikanischer Geist. Still beschreibt in Anklang an den Mythos des amerikanischen Pioniers die atmosphärische Welt, aus der seine Kunst entsteht: „[…] a journey one must make, walking straight und alone […] Until one had crossed the darkened and wasted valleys and come at last into clear air und could stand alone on a high and limitless plain.“ (Marmer) Der amerikanische Geist ist aber nicht deshalb ein Element seiner Bilder, weil er eine amerikanische Szenerie festhält, wenngleich auch Motive amerikanischer Landschaften wie Felsen, Klippen, Spalten naheliegende Assoziationen sind. Es ist vielmehr eine Beschwörung des amerikanischen Westens nicht als Erscheinung, sondern im Gefühl, in einer Atmosphäre, die seine Bilder bewirken.
[...]
- Quote paper
- Bernhard Paha (Author), 1991, Die amerikanischen Maler Franz Kline, Clyfford Still und Philip Guston, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/534866
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