Da die Steuerrechtsysteme der einzelnen Staaten nicht aufeinander abgestimmt sind, kommt es bei zunehmender Internationalisierung der Unternehmen immer häufiger zu Doppelbesteuerungen. Dies erfordert immer detailliertere nationale Regelungen insbeson-dere aber auch abkommensrechtliche Vereinbarungen zwischen den Staaten in so genann-ten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Hauptziel derartiger Abkommen ist, eine Dop-pelbesteuerung des Steuerpflichtigen zu vermeiden. Jedoch haben DBA, wie jedes nationa-le Steuerrecht auch, Gesetzeslücken bzw. Ausnahmen durch die in manchen Fällen statt der eigentlich erwünschten Vermeidung der Doppelbesteuerung das Phänomen einer dop-pelten Nichtbesteuerung auftreten kann. Von einer doppelten Nichtbesteuerung spricht man immer dann, wenn bestimmte Einkünfte oder Vermögenswerte aufgrund des Ab-kommens bzw. innerstaatlichen Rechts in beiden Staaten nicht besteuert werden und folg-lich gänzlich unbesteuert bleiben. In diesem Fall spricht man von sog. „weißen Einkünf-ten“. Diese für die betroffenen Staaten meistens unerwünschte Wirkung tritt vor allem dann auf, wenn in einem oder beiden der Vertragsstaaten - wie auch in Deutschland üblich – die Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der Freistellungsmethode erfolgt. Da diese Steuerarbitragen immer öfter von Steuerpflichtigen systematisch ausgenutzt werden, ent-halten bereits zahlreiche deutsche DBA, aber auch nationale Gesetzestexte Regelungen, die darauf abzielen, keine zusätzlichen Steuerlücken entstehen zu lassen.
Im Rahmen dieser Arbeit werden zunächst die Entstehung und Ursachen der doppelten Nichtbesteuerung erläutert, anschließend die Methoden zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung kurz vorgestellt, um dann im Kernbereich der Arbeit deren Umsetzung und Bedeutung in der deutschen Abkommenspolitik anhand aktueller Fälle und Urteile darzustellen und kritisch zu hinterfragen. Abschließend beschäftigt sich die Arbeit mit der Bedeutung der o.g. Klauseln für die Steuerplanung und gibt im Rahmen einer kritischen Würdigung einen Ausblick auf zukünftige Probleme.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis:
1. Das Phänomen der doppelten Nichtbesteuerung
2. Entstehung und Ursachen der doppelten Nichtbesteuerung
3. Methoden zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung
3.1. Subject-to-tax-Klausel
3.2. Switch-over-Klausel
4. Umsetzung im Rahmen der deutschen Abkommenspolitik
4.1. Abkommensrechtliche Quellendefinition als Rückfallklausel
4.1.1. Umsetzung und Auswirkung in deutschen Doppelbesteuerungs- abkommen
4.1.2. Neue Rechtsauffassung des BFH zur Auslegung der Quellendefinition ..
4.1.2.1. Ursprung und bisherige deutsche Auslegung der Quellenregel
4.1.2.2. Geänderte Rechtsauffassung - BFH vom 17.12.2003
4.1.2.3. Verbleibender Anwendungsbereich der Quellenregel als Rückfallklausel
4.2. Subject-to-tax-Klauseln in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen
4.2.1. Quellen- und Ansässigkeitsstaat begünstigende Subject-to-tax-Klauseln
4.2.2. Die Remittance-Base-Klausel
4.3. Switch-over-Klauseln in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen
4.3.1. Weiße Einkünfte als Folge von Qualifikations- bzw. Einordnungs- konflikten
4.3.2. Anwendung der Switch-Over-Klausel und Verständigungsverfahren
4.3.3. Switch-Over bei Minderbesteuerung
4.3.4. Aktueller Stellenwert der Switch-Over-Klausel in der deutschen Praxis
4.4. Zusammenhang, Grenzen und Rechtfertigung der Switch-Over- bzw. Subject-to-tax-Klauseln
5. Einfluss der Einführung des § 50d Abs. 8 EStG auf die abkommensrechtlichen Rückfallklauseln
6. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis:
Rechtsquellenverzeichnis:
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Das Phänomen der doppelten Nichtbesteuerung
Da die Steuerrechtsysteme der einzelnen Staaten nicht aufeinander abgestimmt sind, kommt es bei zunehmender Internationalisierung der Unternehmen immer häufiger zu Doppelbesteuerungen. Dies erfordert immer detailliertere nationale Regelungen insbeson- dere aber auch abkommensrechtliche Vereinbarungen zwischen den Staaten in so genann- ten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Hauptziel derartiger Abkommen ist, eine Dop- pelbesteuerung des Steuerpflichtigen zu vermeiden. Jedoch haben DBA, wie jedes nationa- le Steuerrecht auch, Gesetzeslücken bzw. Ausnahmen durch die in manchen Fällen statt der eigentlich erwünschten Vermeidung der Doppelbesteuerung das Phänomen einer dop- pelten Nichtbesteuerung auftreten kann. Von einer doppelten Nichtbesteuerung spricht man immer dann, wenn bestimmte Einkünfte oder Vermögenswerte aufgrund des Ab- kommens bzw. innerstaatlichen Rechts in beiden Staaten nicht besteuert werden und folg- lich gänzlich unbesteuert bleiben. In diesem Fall spricht man von sog. „weißen Einkünf- ten“. Diese für die betroffenen Staaten meistens unerwünschte Wirkung tritt vor allem dann auf, wenn in einem oder beiden der Vertragsstaaten - wie auch in Deutschland üblich - die Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der Freistellungsmethode erfolgt.1 Da diese Steuerarbitragen immer öfter von Steuerpflichtigen systematisch ausgenutzt werden, ent- halten bereits zahlreiche deutsche DBA, aber auch nationale Gesetzestexte Regelungen, die darauf abzielen, keine zusätzlichen Steuerlücken entstehen zu lassen. Im Rahmen dieser Arbeit werden zunächst die Entstehung und Ursachen der doppelten Nichtbesteuerung erläutert, anschließend die Methoden zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung kurz vorgestellt, um dann im Kernbereich der Arbeit deren Umsetzung und Bedeutung in der deutschen Abkommenspolitik anhand aktueller Fälle und Urteile darzustellen und kritisch zu hinterfragen. Abschließend beschäftigt sich die Arbeit mit der Bedeutung der o.g. Klauseln für die Steuerplanung und gibt im Rahmen einer kritischen Würdigung einen Ausblick auf zukünftige Probleme.
2. Entstehung und Ursachen der doppelten Nichtbesteuerung
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, teilt ein DBA grundsätzlich entweder dem Quellenstaat, also das Land aus dem die Einkünfte stammen, oder dem Ansässigkeitsstaat, also das Land in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat, das Recht zur Ausübung seiner nationalen Steuergesetze zu.2 Das OECD-MA stellt dem zum Verzicht auf das Besteuerungsrecht verpflichteten Staat zur Wahl, diese Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen (Freistellungsmethode), oder die im anderen Vertragsstaat angefallene Steuer auf die eigene Steuer anzurechnen (Anrechungsmethode).3 Ebenfalls ist eine Kombination beider möglich. DBA sind jedoch normalerweise nicht da- hingehend auslegbar, dass sie auch der Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung die- nen sollen.4 Eine doppelte Nichtbesteuerung kann prinzipiell nur bei Anwendung der Frei- stellungsmethode auftreten. Diese setzt gedanklich voraus, dass die betreffenden Einkünfte auch in beiden Staaten steuerlich erfasst werden. Jedoch ist die Anwendung der Freistel- lungsmethode regelmäßig nicht davon abhängig, dass im anderen Vertragsstaat auch de facto besteuert wird. Das DBA verhindert demnach nicht nur die tatsächliche, sondern auch eine nur eventuelle virtuelle Doppelbesteuerung. Übt der zur Besteuerung berechtigte Staat sein Besteuerungsrecht nicht aus und ist der andere nach dem DBA zur Freistellung verpflichtet, bleiben die Einkünfte endgültig unbesteuert.5 Dies kann der Fall sein, wenn die Einkünfte vom zur Besteuerung berechtigten Staat aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht besteuert werden. Insbesondere dann, wenn sie nach innerstaat- lichem Recht als nicht steuerbare Bezüge behandelt werden bzw. steuerbefreit sind, einer Person zugerechnet werden, die nicht seiner Besteuerungshoheit unterliegt oder wegen eines Versehens oder aufgrund der Unkenntnis vom Bezug der Einkünfte des Steuerpflich- tigen nicht besteuert werden. Ein anderer Grund für das Auftreten einer doppelten Nichtbe- steuerung kann das Vorliegen eines Einkünftequalifikations- bzw. Einkünftezuord- nungskonflikt sein.6 Diese entstehen durch unterschiedliche Abkommensauslegung der beiden Vertragsstaaten und werden in Kap. 4.3.1. noch ausführlich behandelt.
3. Methoden zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung
Prinzipiell kann eine doppelte Nichtbesteuerung einseitig durch innerstaatliche gesetzliche Regelungen, durch Aufnahme entsprechender Vorschriften bzw. Klauseln in das jeweilige DBA oder durch Regelungen für den Abkommensvollzug vermieden werden.
3.1. Subject-to-tax-Klausel
Eine Möglichkeit zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung ist die Anwendung der sog. „Subject-to-tax-Klausel“ oder „Rückfallklausel“. Subject-to-tax-Klauseln sind entwe- der im nationalen Steuerrecht verankerte oder bilateral im DBA vereinbarte Besteuerungs- vorbehalte. Unter Subject-to-tax-Klauseln versteht man Regelungen, die besagen, dass das Besteuerungsrecht des auf die Besteuerung verzichtenden Staates dann wieder auflebt, wenn der nach DBA zur Besteuerung berechtigte Staat die Einkünfte nach seinem innerstaatlichen Recht nicht besteuert. Unterscheiden lassen sich einerseits Subject-to-tax- Klauseln im eigentlichen Sinne, die konkret formuliert direkt in den einzelnen Verteilungs- artikeln der DBA enthalten sind und nur für bestimmte Einkunftsquellen anwendbar sind, und andererseits abstrakt formulierte Quellendefinitionen im Methodenartikel, die als all- gemeine Rückfallklausel interpretiert werden können und für alle Einkunftsquellen An- wendung finden.7 Gewissermaßen lassen sich Subject-to-tax-Klauseln als Beschränkung der Anwendung der Freistellungsmethode interpretieren. Eine Subject-to-tax-Klausel wur- de noch nicht in das OECD-MA eingeführt, wird aber im OECD-Kommentar genannt.8
3.2. Switch-over-Klausel
Eine andere, von der Subject-to-tax-Klausel abzugrenzende Methode zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung ist die sog. Switch-over-Klausel. Aufgrund einer derartigen Klausel darf der unter normalen Umständen zur Freistellung verpflichtete Staat von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode überwechseln. Vorraussetzung hierfür ist das Bestehen einer Doppelfreistellung aufgrund eines durch unterschiedliche Abkom- mensauslegung entstandenen Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes, der sich auch nicht durch ein Verständigungsverfahren hat lösen lassen.9 Bisher existiert zwar keine Switch-over-Klausel im OECD-MA, jedoch ist auch diese im Kommentar erwähnt.10
Festzuhalten bleibt damit, dass die beiden Klauseln unterschiedliche Entstehungsgründe der doppelten Steuerbefreiung abdecken, im Endeffekt jedoch quasi die gleichen steuerlichen Rechtsfolgen, nämlich eine effektive Besteuerung im eigentlich auf das Besteuerungsrecht verzichtenden Staat, nach sich ziehen.
4. Umsetzung im Rahmen der deutschen Abkommenspolitik
Die 88 DBA (Stand: 01.01.2005) orientieren sich im Inhalt und Aufbau größtenteils am OECD-MA.11 Hinsichtlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung wendet Deutschland sowohl die Anrechnungs- als auch die Freistellungsmethode an, tendiert jedoch grundsätzlich eher zur Freistellungsmethode. Rückfall- bzw. Subject-to-tax-Klauseln, Switch-over- Klauseln und Quellendefinitionen zur Bekämpfung von Missbräuchen und Steueroasen sind deswegen in vielen deutschen DBA gegenwärtig.12
4.1. Abkommensrechtliche Quellendefinition als Rückfallklausel
Für die Anwendung der Quellendefiniton als Rückfallklausel spielt es in der Regel keine Rolle, ob das nationale Steuerrecht des anderen Staates eine Besteuerung überhaupt nicht vorsieht, oder eine Besteuerung aus rein tatsächlichen Gründen nicht erfolgt ist. Kontrovers diskutiert wird jedoch derzeit in Deutschland, ob derartige Klauseln überhaupt als Subject-to-tax-Klauseln ausgelegt werden dürfen.13
4.1.1. Umsetzung und Auswirkung in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen
Derzeit sind in einigen deutschen DBA Quellendefinitionen zur Vermeidung weißer Ein- künfte vorhanden. Dies ist der Fall in den DBA: Dänemark (Art. 24 Abs. 3), Finnland (Art. 23 Abs. 5), Neuseeland (Art. 23 Abs. 3), Norwegen (Art. 23 Abs. 3), Schweden (Art. 23 Abs. 1, letzter Satz), USA (Art. 23 Abs.2 letzter Satz) und Italien (Art. 16d des Schlussprotokolls zum DBA - Italien 1989). Die Formulierung der Quellenregel bzw. Rückfallklausel lautet i.d.R. wie folgt (gem. DBA-USA in Art. 23 Abs. 2 v. 29.08.1989):
„Im Sinne dieses Absatzes gelten Gewinne oder Einkünfte einer in der BRD ansässigen Person als aus Quellen in den Vereinigten Staaten stammend, wenn sie in Übereinstimmung mit diesem Abkommen in den Vereinigten Staaten besteuert werden.“
Diese so oder in leicht abgeänderter Form formulierten Klauseln gelten zumeist nur für Deutschland als Ansässigkeitsstaat; in Ausnahmefällen aber auch für beide Vertragspartei- en. Deutschland als Ansässigkeitsstaat interpretiert diese Klausel regelmäßig als Rückfall- klausel in dem Sinne, dass im Umkehrschluss Einkünfte nicht aus Quellen in den USA stammen, wenn sie dort nicht tatsächlich besteuert werden. Weist der in Deutschland an- sässige Steuerpflichtige demnach auf Verlangen des Finanzamtes nicht spätestens bis zum Veranlagungsverfahren nach, dass seine Einkünfte auch tatsächlich in den USA besteuert wurden, fällt das Besteuerungsrecht an Deutschland zurück.14 Bezüglich der Konsequen- zen der Anwendung der Quellendefinition als Rückfallklausel für das nationale Anrech- nungsverfahren nach §34c EStG besteht Uneinigkeit. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass es sich um inländische Einkünfte handelt, da nach der Fiktion des Abkommens, auf das § 34c Abs. 6 Satz 2, 3 EStG Bezug nimmt, keine Einkünfte aus Quellen des ande- ren Vertragsstaats vorliegen.15 Eine gegensätzliche Meinung vertritt hingegen Grotherr. Er ist der Auffassung, dass auch hier zu prüfen ist, ob es sich um ausländische Einkünfte i. S. d. §34d EStG handelt, da die Rückfallklausel nur für das Abkommen Gültigkeit besitze.16
Meines Erachtens ist der Meinung der Finanzverwaltung zu folgen, da das DBA eine Spezialregelung darstellt, die den allgemeinen Regelungen des Steuergesetze vorgeht („lex specialis derogat legi generali“).
4.1.2. Neue Rechtsauffassung des BFH zur Auslegung der Quellendefinition
Mit seinem Urteil vom 17.12.2003 hat der BFH seine bisherige Meinung zur Auslegung der Quellendefinition als Rückfallklausel revidiert und grundsätzlich geändert.17
4.1.2.1. Ursprung und bisherige deutsche Auslegung der Quellenregel
Der bereits erwähnte und ursprünglich mit der Vereinbarung der Abkommensklausel beab- sichtigte Zweck erschließt sich am besten anhand des DBA-Neuseeland v. 20.10.1978, da sie hier erstmals vorkommt. In der Denkschrift zu Art. 23 Abs. 3 des Abkommens heißt es:
„Absatz 3 stellt sicher, dass die Anrechnung einer Steuer, die in einem Vertragsstaat nach dem Abkommen erhoben werden darf, im Wohnsitzstaat nicht deshalb verweigert werden kann, weil nach dessen Recht diese Einkünfte nicht aus dem ersten Staat stammen.“18
Damit handelt es sich nach der ursprünglichen Interpretation der Quellenregel also gerade nicht um eine Klausel zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung, sondern um eine Regel, die bei Anwendung der Anrechnungsmethode die Anrechnung in Deutschland auch dann sicherstellt, wenn die Einkünfte nach §34d EStG des innerstaatlichem Rechts als nicht aus dem anderen Staat gelten und somit nicht angerechnet werden würden. Die Quel- lenregel enthält insofern aus deutscher Sicht wichtige Aussagen für die Anwendung der Anrechnungsmethode, da in den DBA (vgl. Art. 23 Abs. 2b DBA Neuseeland) regelmäßig auf die Anwendung innerstaatlicher Vorschriften zur Anrechungsmethode, respektive auf die §§ 34c und 34d EStG verwiesen wird.19 Dies kommt ebenfalls in der Denkschrift zum DBA-Kanada v. 17.7.1981 zu Art. 23 Abs. 3 zum Ausdruck. Allerdings wird hier bereits gleichzeitig eine zweite zusätzliche Zwecksetzung beschrieben:
„(…), andererseits wird vermieden, dass Einkünfte im Quellenstaat nicht zur Besteuerung gestellt, im Wohnsitzstaat aber steuerbefreit werden und somit jeder Besteuerung entge- hen.“20
Hieraus ist zu entnehmen, dass die Quellenregel bzw. Rückfallklausel nach deutscher Auf- fassung sowohl der Sicherstellung der Anrechnung in Deutschland als auch der Vermei- dung einer Keinmalbesteuerung dienen soll. Die deutsche Finanzverwaltung hat in der
Vergangenheit stets die zweite Funktion hervorgehoben und die Quellendefinition als Auffangklausel bzw. Subject-to-tax-Klausel ausgelegt. Für den Tatbestand der Besteuerung im Quellenstaat ist es dabei unbeachtlich, in welchem Umfang dort besteuert wird und ob es überhaupt zu einer konkreten Steuerzahlung kommt21. Konkret wird demnach die Besteue- rung im Quellenstaat auch dann als gegeben angesehen, wenn es lediglich aufgrund sachli- cher bzw. persönlicher Steuerbefreiungen oder aufgrund eines steuerlichen Verlustaus- gleichs bzw. -abzugs nicht zu einer Steuerzahlungspflicht für die Einkünfte gekommen ist, selbige aber erfasst worden sind.22 Der Steuerpflichtige hat die Pflicht, die tatsächliche Besteuerung der in Deutschland freizustellenden Einkünfte mit geeigneten Nachweisen zu dokumentieren.23 Der BFH hat sich bisher bereits in mehreren Fällen mit dem Thema der Auslegung der Quellenregel als Subject-to-tax-Klausel befasst und sich in seinen Urteilen bisweilen uneinheitlich geäußert. Während er im Urteil vom 5.2.199224 die Regelung über die Quellenbestimmung im Sinne einer Subject-to-tax-Klausel verstand, ließ er die Einord- nung dieser Klausel im Urteil vom 27.8.199725 dahinstehen.
4.1.2.2. Geänderte Rechtsauffassung - BFH vom 17.12.2003
Art. 23 Abs. 3 des ehemaligen DBA-Kanada vom 17.07.1981, das jedoch ab dem Jahre 2001 durch das neue Abkommen vom 19.04.2001 ersetzt wurde, enthielt ebenfalls die be- reits erwähnte Quellenregel. Im BFH-Urteil vom 17.12.2003 ging es um die Besteuerung der Einkünfte einer in Deutschland ansässigen kanadischen Staatsbürgerin, die in der BRD bei der kanadischen Botschaft angestellt war und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog. Ihre Bezüge in den Jahren 1996 und 1997 erhielt sie aus einer öffentlichen Kasse in Kanada. Diese wurden in Kanada nicht besteuert. Das deutsche Finanzamt war der Auffas- sung, dass durch besagten Art. 23 Abs. 3 das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfie- le.26 Nachdem die Klage der Kanadierin zunächst in Vorinstanz des Finanzgerichts Köln abgelehnt wurde,27 hatte die beim BFH eingelegt Revision Erfolg schließlich Erfolg.
„Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981 enthält keine Rückfallklausel in dem Sinne, dass das Besteuerungsrecht für Einkünfte, die einem ausschließlichen Besteuerungsrecht des Quel- lenstaats unterfallen, bei Nichtausübung desselben an den Ansässigkeitsstaat zurückfiele. (Aufgabe der Rechtsauffassung im Senatsurteil v. 05.02.1992(…), BStBl II 1992, 660).“28
[...]
1 Vgl. Wolf, IStR 2004, 542.
2 Vgl. Frotscher, Steuerrecht, 101.
3 Vgl. Brähler/Djanani, Steuerrecht, 174-180.
4 Vgl. Schmitt, Rückfallklauseln, http://www.stb-web.de/suche/article.php/id/260 (17.07.2005)
5 Vgl. Frotscher, Steuerrecht, 112.
6 Vgl. Bächle/Rupp, Steuerrecht, 144-149.
7 Vgl. OFD Frankfurt/Main, Vfg. v. 18.12.1998, RIW 1999, 639.
8 Vgl. Grotherr, in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA, Art. 23 OECD-MA Rn. 69.
9 Vgl. Petereit, IStR 2003, 577.
10 Vgl. Grotherr, in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA, Art. 23 OECD-MA Rn. 166.
11 Vgl. BMF-Schreiben v. 05.01.2005, BStBl. 2005 I, 298.
12 Vgl. Brähler/Djanani, Steuerrecht, 79-80.
13 Vgl. Bodenloher/Koch/Valová, IStR 2002, 405.
14 Vgl. Fritz, Rückfallklauseln, http://www.heuser-collegen.de/presse/pics/rueckfallklauseln.doc (31.07.2005)
15 Vgl. OFD München v. 10.5.1995, FR 1995, 487.
16 Vgl. Grotherr, IWB 2004 F. 3 Gr. 2, 689.
17 Vgl. BFH, Urt. v. 17.12.2003, BStBl. II 2004, 260.
18 BT-Drucks. 8/3918, 28.
19 Vgl. Grotherr, IWB 2004 Fach 3 Gr. 2, 1146.
20 BT-Drucks. 9/1620, 43-44.
21 Vgl. BFH v. 27.08.1997, BStBl. II 1998, 58.
22 Vgl. OFD Frankfurt/Main, Vfg. v. 18.12.1998, RIW 1999, 639.
23 Vgl. Grotherr, in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA, Art. 23 DBA Neuseeland Rn. 31.
24 Vgl. BFH, Urt. v. 05.02.1992, BStBl. II 1992, 660.
25 Vgl. BFH, Urt. v. 27.08.1997, BStBl. II 1998, 58.
26 Vgl. Hensel, PISTB 2004, 112.
27 Vgl. FG Köln, Urt. v. 19.12.2001, DStRE 2002, 521.
28 BFH, Urt. v. 17.12.2003, BStBl. II 2004, 260 (260).
- Quote paper
- Diplomkaufmann Dominic Sinzger (Author), 2005, "Switch-over"- und "Subject-to-tax-Klauseln" in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53425
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