„HeidisLehr- und Wanderjahre“ - heute meist der Sparte der wenig anspruchsvollen Kinderliteratur zugerechnet - reiht sich durch die Wahl des Titels ausdrücklich in die Kategorie der Bildungsromane ein. Er beinhaltet weit mehr als die rührselige Kindergeschichte des Schweizer Bergkindes, die dem heutigen Rezipienten hauptsächlich durch Zeichentrickfilme oder verkürzte Bearbeitungen bekannt ist. „Heidi“ ist auch nicht im herkömmlichen Sinne ein „Mädchenbuch“, denn es erzählt zwar die Geschichte eines Mädchens zwischen ihrem sechstem und zehntem Lebensjahr, aber dient nicht in erster Linie der Erziehung „höherer Töchter“ oder heranwachsender Mädchen, denn der Augenmerk wird hier auf andere Dinge gelenkt. Den wichtigsten Entwicklungsprozess macht nicht Heidi durch, obwohl auch sie gebildet wird - das natürliche, gutherzige und lebensfrohe Waisenkind, das beim Großvater in freier Natur weder geistige noch religiöse Bildung erhält, lernt erst während dem erzwungenen Aufenthalt in der Großstadt Frankfurt lesen, wird im christlichen Glauben unterwiesen, setzt ihre neuen Kenntnisse nach der Rückkehr in die Heimat erfolgreich zum Nutzen ihrer Mitmenschen ein und das Gottvertrauen, das Großmama Sesemann in ihr geweckt hat, hilft ihr bei weiterer Lebensbewältigung. Die tiefgreifendste Veränderung im Laufe der Erzählung erlebt aber der Alm-Öhi. Es ist eher ungewöhnlich, dass ein alter Mann, dessen Leben sich dem Ende zuneigt, noch eine Entwicklung durchmacht und doch ist er am Ende der Erzählung die Figur, die sich wirklich um hundertachtzig Grad gewendet hat. Seine äußeren Lebensumstände ändern sich kaum, beruflich schlägt er keinen neuen Weg mehr ein, was sich aber völlig gewandelt hat, ist sein Verhältnis zu Gott, den Menschen, dem Leben und damit seine ganze Lebensqualität. Diese Wandlung findet auf dem Hintergrund des biblischen Gleichnisses „Vom verlorenen Sohn“ statt, mit dem er sich identifiziert und woraufhin er sich wieder Gott zuwendet, dem er vor vielen Jahren den Rücken gekehrt hat. Inwiefern setzt die Autorin nun den Alm-Öhi mit dem biblischen „verlorenen Sohn“ in Verbindung und kann man deshalb neben allen anderen vielfach in der Forschung behandelten Intention in der Geschichte einen Aufruf zur Umkehr zu Gott sehen?
Inhaltsverzeichnis
- I. DAS GLEICHNIS „VOM VERLORENEN SOHN“.
- 1. ERZÄHLSITUATION
- 2. JESU BEWERTUNG DES EINZELNEN MENSCHEN
- 3. STRUKTUR UND INHALT DER PARABEL „VOM VERLORENEN SOHN“..
- 4. SÜNDER UND GERECHTE
- II. DIE FIGUR DES ALM-ÖHI..
- 1. ALM-ÖHIS VORGESCHICHTE
- 2. DER ALM-ÖHI UND SEINE MITMENSCHEN
- 3. HEIDIS EINFLUSS AUF DEN ALM-ÖHI
- 4. DIE HEIMKEHR.
- SCHLUSS..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die religiöse Aussage in Johanna Spyris „Heidis Lehr und Wanderjahre“ und untersucht, inwiefern die Figur des Alm-Öhi mit dem biblischen Gleichnis „Vom verlorenen Sohn“ in Verbindung gebracht werden kann. Dabei wird beleuchtet, wie die Autorin den Prozess der Umkehr zu Gott in der Geschichte des Alm-Öhi darstellt.
- Das biblische Gleichnis „Vom verlorenen Sohn“ und seine zentralen Aussagen
- Die Entwicklung des Alm-Öhi in der Geschichte
- Die Rolle des christlichen Glaubens in Spyris Roman
- Der Einfluss von Heidis Verhalten auf den Alm-Öhi
- Der Vergleich zwischen dem Gleichnis und der Geschichte des Alm-Öhi
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Analyse des Gleichnisses „Vom verlorenen Sohn“, wobei die Erzählsituation, Jesu Bewertung des einzelnen Menschen und die Struktur der Parabel beleuchtet werden. Anschließend wird die Figur des Alm-Öhi in den Mittelpunkt gerückt, wobei die Entwicklung seiner Persönlichkeit und die Bedeutung des christlichen Glaubens in seiner Lebensgeschichte untersucht werden. Dabei wird auch der Einfluss von Heidi auf den Alm-Öhi analysiert.
Schlüsselwörter
Johanna Spyri, Heidi, Alm-Öhi, Gleichnis vom verlorenen Sohn, Umkehr, christlicher Glaube, Entwicklung, Lebensgeschichte, religiöse Aussage, Kinderliteratur, Bildungsroman.
- Quote paper
- Naemi Fast (Author), 2005, Der verlorene Sohn als Prototyp des Alm-Öhi? Die evangelistische Aussage von Johanna Spyris 'Heidis Lehr- und Wanderjahre', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53407