Lehm und Kalk ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheit - und zählt deshalb zu jenen, die bis heute lange und gründlich erprobt wurden. Schon vor Jahrtausenden hat man die Technik erfunden, mit mineralischen Bindemitteln und damals verfügbaren Zuschlägen das Aussehen von Fassaden und Innenräumen zu verschönern. Unter historischen Putzarten werden im Allgemeinen solche Putzmischungen verstanden, die etwa bis zur Entwicklung und Anwendung von Kunstharz- und Siliconharzputz verwendet wurden. Zeitlich eingegrenzt bedeutet dies etwa bis zum Anfang der 50er Jahre. Lehm, Ton und Flussschlamm sind die ältesten Baustoffe zur Putzherstellung. Durch die Zubereitung z.B. durch Wasserzusatz und Schlämmen, die leichte Verarbeitbarkeit mit den Händen und mit Holzwerkzeug war die Herstellung von Putz einfach. Aufgrund ihrer arbeitstechnischen Eigenschaften wurde dieser Naturputz zum Glätten von Wänden verwendet.
Noch vor wenigen Jahren interessierten sich neben Denkmalpflegern nur äußerst ökologisch überzeugte Bauherren für Lehm- und Kalkputz. Inzwischen sind feuchtigkeitsregulierende Innenputzarten längst aus der „Ökonische“ hervorgetreten. Immer häufiger trifft man nicht nur in historischen Gebäuden auf Lehmputz, sondern auch im modernen Neubau auf Wände, welche mit Lehm- und Kalkputz verputzt sind. Worauf ist diese „Renaissance“ zurückzuführen?
Während Lehmputz von unseren Vorfahren wegen der leichten Verfügbarkeit und seiner geringen Kosten angewandt wurde, beeinflussen heute raumklimatische und immer öfter auch ästhetische Argumente die Entscheidung für diese natürliche Wandbeschichtung. Lehm wird mit verhältnismäßig wenig Energieeinsatz gewonnen, ist vielerorts regional vorhanden und löst keine Allergien aus. Seine herausragende Eigenschaft als Feuchtepuffer macht ihn für moderne Wohn- und Bürobauten interessant. Fassaden aus Glas und Wellaluminium sind heute im Gewerbebau häufig anzutreffen. Im Wohnungsbau werden Innenräume immer häufiger mit Trockenbauelementen ausgebildet. Sind keine massiven Wände vorhanden, so entsteht für die Nutzer ein problematisches Raumklima. Beim Heizen im Winter fehlt der natürliche Wärmespeicher und die Luftfeuchtigkeit ist zu niedrig. Hier liegt die Chance für konstruktive Lehmuntergründe und Lehmputz bzw. neben Kalk- putz als dekoratives und funktionelles Element. Lehm und Kalk nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab. Vom traditionellen Fachwerkbau sind diese Erfahrungen bekannt. [...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Lehmputz
1.1 Allgemeine Zusammenhänge und Eigenschaften
1.1.1 Zur allgemeinen Beschreibung und Zusammensetzung früher und heute
1.1.2 Zu den Besonderheiten durch Zusatzmittel und Zuschlagstoffe
1.1.2.1 Zu den Zuschlagstoffen
1.1.2.2 Zu den Zusatzmitteln
1.1.3 Physikalische und chemische Eigenschaften eines Lehmputzes
1.1.3.1 zur chemischen Beschaffenheit der Grundbestandteile eines Lehmputzes
1.1.3.2 Zum Trockenschwund
1.1.3.3 Zur Abriebfestigkeit
1.1.3.4 Zur Druckfestigkeit
1.1.3.5 Zur Biegezugfestigkeit
1.1.3.6 Zur Diffusion von Luftfeuchtigkeit / Raumklima
1.1.3.7 Zum Brandverhalten
1.1.4 Konstruktive Schlussfolgerung aus den Eigenschaften
1.1.4.1 Plastisches Gestalten mit Lehmputz
1.1.4.2 Kantenschutz
1.2 Unterscheidung der Lehmputzarten
1.2.1 Unterscheidung der Lehmputzarten nach der Rohdichte
1.2.2 Unterscheidung nach Zuschlagstoffen früher und heute
1.2.3 Eingruppierung des Lehmputzes nach der Verarbeitungsweise früher und heute
1.2.4 Eingruppierung des Lehmputzes nach dem Bearbeitungsverfahrer früher und heute
1.2.5 Eingruppierung des Lehmputzes nach der Anwendung
1.2.5.1 Zu Lehmaußenputz
1.2.5.2 Zu Lehminnenputz
1.3 Vorbehandlung der zu verputzenden Lehmoberflächen
1.3.1 Zu den Voraussetzungen
1.3.2 Vorbehandlung von konstruktiven Lehmuntergründen
1.3.3 Allgemeine Regeln zum Aufbringen des Putzes auf Lehmwände
1.3.3.1 Zur Armierung
1.3.3.2 Praxisbewährte Putzaufbauten im Neubau
1.4 Lehmputz auf Trägerschicht in Abhängigkeit von der Schichtdicke
1.4.1 Putzträgerarten
1.4.2 Zur Ausführung
1.5 Zu Schäden an Lehmputz
1.6 Arbeitstechniken früher und heute
1.6.1 Vergleich historischer und moderner Lehmputz
1.6.2 Einsatzmöglichkeiten im Hinblick auf die Besonderheiten des Standortes
1.6.2.1 Zum Außenraumklima / Regionale Abhängigkeit
1.6.2.2 Zum Innenraumklima
2 Kalkputz
2.1 Allgemeine Zusammenhänge und Eigenschaften
2.1.1 Zur allgemeinen Beschreibung und Zusammensetzung früher und heute
2.1.2 Zu den Besonderheiten durch Zusatzmittel und Zusatzstoffe
2.1.3 Physikalische und chemische Eigenschaften
2.2 Einteilung des Kalkputzes
2.2.1 Einteilung nach Mörtelgruppen
2.2.2 Einteilung nach Bindemittel
2.2.3 Einteilung nach Zuschlagstoffen
2.2.4 Einteilung nach den Bearbeitungsverfahren früher und heute
2.2.5 Einteilung nach der Anwendung innen/außen
2.2.6 Einteilung nach der Erhärtung und der Trocknung
2.3 Kalkputz auf Trägerschicht in Abhängigkeit von der Schichtdicke
2.3.1 Putzträgerarten
2.3.2 Zur Ausführung
2.4 Schäden an Kalkputz
2.4.1 Zu Rissbildungen
2.4.1.1 Haarrisse
2.4.1.2 Netzrisse
2.4.1.3 Fugenrisse
2.4.2 Zu sonstigen Schäden
2.5 Arbeitstechniken früher und heute
2.5.1 Vergleich historischer und moderner Kalkputzmischungen
2.5.2 Einsatzmöglichkeiten im Hinblick auf die Besonderheiten des Standortes
2.5.2.1 Zum Außenraumklima
2.5.2.2 Zum Innenraumklima
3. Anstriche
3.1 Faktoren vor einer Beschichtung allgemein
3.1.1 Grundanstrichstoffe und Eindringtiefe
3.1.2 Abstimmung Grundanstrich und Beschichtungsstoff
3.1.3 Beanspruchungsgruppen
3.2 Untergrundprüfungen eines unbeschichteten Lehmputzes vor einer Beschichtung mit geeigneten Anstrichstoffen
3.3 Untergrundprüfungen eines unbeschichteten Kalkputzes vor einer Beschichtung mit geeigneten Anstrichstoffen
3.4 Beschichtungen auf Lehm- und Kalkputz
3.4.1 Putzvorbehandlung
3.4.1.2 Reinigung
3.4.1.3 chemische Vorbereitung (Kalkputz)
3.5 Geeignete Beschichtungssysteme für Lehm, -und Kalkputz (Auswahl)
3.5.1 anorganische Bindemittel
3.5.1.1 Zu Kalkfarben
3.5.1.2 Zu Silikatfarben
3.5.2 organische Bindemittel
3.5.2.1 Kasein
3.5.2.2 Leimfarbe
3.5.2.3 Dispersionsfarbe
3.5.2.4 Bitumen
3.5.2.5 Hydrophobierungsmittel
3.5.3 Zusammenfassung
4. Zu historischen und modernen Anstrichrezepturen
4.1 Kalkanstriche
4.2 Kalkkaseinanstriche
4.3 Moderne Kaseinwandfarbe
4.4 Lehmfarbe
5. Zur Ausführung
6. Zu den Instandhaltungsintervallen
7. Resümee
7.1 Grenzen und Möglichkeiten unserer heutigen Zeit
8. Literaturverzeichnis
9. Tabellen, - Abbildungs, - Formel, - und Bildverzeichnis
10. DIN-Normen und Vorschriften
11. Anlagen
Zu Schäden an Lehmputz im Außenbereich
Zu Rissen im Lehmputz (Innenbereich)
Einleitung
Lehm und Kalk ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheit – und zählt deshalb zu jenen, die bis heute lange und gründlich erprobt wurden. Schon vor Jahrtausenden hat man die Technik erfunden, mit mineralischen Bindemitteln und damals verfügbaren Zuschlägen das Aussehen von Fassaden und Innenräumen zu verschönern. Unter historischen Putzarten werden im Allgemeinen solche Putzmischungen verstanden, die etwa bis zur Entwicklung und Anwendung von Kunstharz- und Siliconharzputz verwendet wurden. Zeitlich eingegrenzt bedeutet dies etwa bis zum Anfang der 50er Jahre.
Lehm, Ton und Flussschlamm sind die ältesten Baustoffe zur Putzherstellung. Durch die Zubereitung z.B. durch Wasserzusatz und Schlämmen, die leichte Verarbeitbarkeit mit den Händen und mit Holzwerkzeug war die Herstellung von Putz einfach. Aufgrund ihrer arbeitstechnischen Eigenschaften wurde dieser Naturputz zum Glätten von Wänden verwendet.
Noch vor wenigen Jahren interessierten sich neben Denkmalpflegern nur äußerst ökologisch überzeugte Bauherren für Lehm- und Kalkputz. Inzwischen sind feuchtigkeits-regulierende Innenputzarten längst aus der „Ökonische“ hervorgetreten. Immer häufiger trifft man nicht nur in historischen Gebäuden auf Lehmputz, sondern auch im modernen Neubau auf Wände, welche mit Lehm- und Kalkputz verputzt sind.
Worauf ist diese „Renaissance“ zurückzuführen?
Während Lehmputz von unseren Vorfahren wegen der leichten Verfügbarkeit und seiner geringen Kosten angewandt wurde, beeinflussen heute raumklimatische und immer öfter auch ästhetische Argumente die Entscheidung für diese natürliche Wandbeschichtung.
Lehm wird mit verhältnismäßig wenig Energieeinsatz gewonnen, ist vielerorts regional vorhanden und löst keine Allergien aus. Seine herausragende Eigenschaft als Feuchtepuffer macht ihn für moderne Wohn- und Bürobauten interessant. Fassaden aus Glas und Wellaluminium sind heute im Gewerbebau häufig anzutreffen. Im Wohnungsbau werden Innenräume immer häufiger mit Trockenbauelementen ausgebildet. Sind keine massiven Wände vorhanden, so entsteht für die Nutzer ein problematisches Raumklima. Beim Heizen im Winter fehlt der natürliche Wärmespeicher und die Luftfeuchtigkeit ist zu niedrig. Hier liegt die Chance für konstruktive Lehmuntergründe und Lehmputz bzw. neben Kalkputz als dekoratives und funktionelles Element.
Lehm und Kalk nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab. Vom traditionellen Fachwerkbau sind diese Erfahrungen bekannt. Lehm zieht hier die Feuchtigkeit aus dem Holz und schützt so die Balken vor Fäulnis, insbesondere in Verbindung mit Kalkanstrichen. Neben den hervorragenden bauphysikalischen Eigenschaften ist Lehm auch baubiologisch besonders wertvoll, da er sich je nach seiner Nutzung unproblematisch recyceln lässt oder der Natur zurückgeführt werden kann und sich somit deutlich von anderen Baustoffen abhebt.
Ob Stampflehm, Lehmstein-Mauerwerk, Strohlehm und Geflecht, Lehmtrockenputzplatten, Lehmsteine oder Lehmputz – Lehm ist in unserer heutigen Zeit aus den „Kinderschuhen längst herausgewachsen“ und eröffnet nicht nur dem interessierten Nutzer, sondern auch dem Verarbeiter neue Möglichkeiten, in die ökologische Wohngestaltung vorzudringen.[1] Zurzeit gibt es jedoch noch keine einheitliche Normung der Lehmbaustoffe.
Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die Beschichtung von Lehm- und Kalkputz zu legen. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften dieser Untergründe sind nur geeignete Beschichtungssysteme auszuwählen, die die Funktion dieser Putzarten nicht stören und negativ beeinträchtigen. „Anstrichtechnisch gesehen, kann jede Beschichtung nur so gut sein, wie der Untergrund.“ Bereits mangelhaft ausgeführte Vorarbeiten oder falsch ausgewählte Anstrich- und Beschichtungsstoffe werden unabdingbar zu Beschichtungsschäden führen.
Wie auch andere Baustoffe haben Lehm- und Kalkputz neben ihren positiven Eigenschaften auch ihre Schwächen, für die es gilt, deren Einsatz unter besonderer Beachtung zu berücksichtigen.
In den folgenden Kapiteln wird der Einsatz von Lehm- und Kalkputz auf konstruktiven Lehmuntergründen im Neubau und in der Bausanierung, sowie geeignete Anstrichstoffe zur dessen Beschichtung beschrieben.
1. Lehmputz
Ein großer Teil der Sichtflächen in Räumen und an Fassaden sind mit Putz beschichtet. Solch ein Putz nimmt für die Funktionsfähigkeit von Bauwerken einen sehr hohen Stellenwert ein. Als Putz wird der Belag aus Putzmörtel bezeichnet, der an Wänden und Decken pastös aufgetragen wird, dort erhärtet und eine Verbindung mit dem Untergrund eingeht. Nicht nur in der Bausanierung, sondern auch im Neubau wird gefordert, dass ein Putz den Charakter eines Gebäudes widerspiegelt und einen entsprechend langfristigen Schutz dem Untergrund bietet.
In unserer heutigen Zeit stehen uns einige Lehm- oder Kalkputzarten zur Verfügung, die nach bestimmten Rezepturen oder nach Einsatzgebieten ausgewählt werden können. Jedoch gibt es oft Unsicherheiten, wie z.B. die korrekte Ausführung des konstruktiven Lehmuntergrundes oder eventuelle Materialunverträglichkeiten, die das Verhalten des Putzes beeinflussen können.
Putz ergibt eine Oberflächenstruktur, schützt vor chemischen, biologischen und physikalischen Einwirkungen und beeinflusst die Wärme, -und Schlalldämmfähigkeit bis hin zum Schutz der Bausubstanz. Zudem bildet er einen Untergrund für Anstriche und Wandbekleidungen. Ein Putzsystem ergibt sich nicht nur aus einem einzelnen Putz, sondern bildet eine Reihe von aufeinander abgestimmten Materialien[2].
Lehmputz wird nicht nur in der Bausanierung und Denkmalpflege, sondern auch im modernen Wohnungsbau eingesetzt und überall dort, wo wohnbauähnliche Anforderungen an den Innenputz gestellt werden. Er ist auch für alle Flächen in häuslichen Küchen und Bädern geeignet, die nicht dem Spritzwasser ausgesetzt sind.
Keller, in denen Lehmputz verarbeitet wurde, müssen trocken sein. Eine Kondensation von Wasser aus warmen Luftströmen an ggf. zu kalten Kellerwänden muss ausgeschlossen sein[3], da Lehmputz nicht wasserbeständig ist. Verputzte Decken und Wände können in vielfältiger Art und Weise gestaltet werden und somit ein Gefühl des Wohlbefindens vermitteln[4]. Lehmputz hat in der Regel schöne und lebendig strukturierte Oberflächen. Er ist offenporig, hygienisch und wirkt angenehm warm. Naturbelassen oder mit natürlichen Farben behandelt sind sie dauerhaft schön. Ob Lehm Gase, Gifte und Schadstoffe aufnehmen und neutralisieren kann, wie es in Produktinformationen der Fa. Claytec beschrieben wird, ist allerdings fragwürdig, da er sonst bei der Wiederaufbereitung als Sondermüll eingestuft werden könnte.[5]
1.1 Allgemeine Zusammenhänge und Eigenschaften
Von praktischen Erfahrungen her sind die Zusammensetzung und damit auch die Eigenschaften eines selbst hergestellten Lehmputzes oft nicht genau beschreibbar, da es sich hier um einen nicht definierten oder genormten Baustoff handelt. Das Mengenverhältnis von Ton, Sand und Schluff, die Korngrößenverteilung, der Wassergehalt, die Aufbereitung, die Art der Zuschläge, wie z.B. Fasern, Fäkalstoffe, usw., sowie die Verarbeitung sind ausschlaggebend für die Eigenschaften und Beständigkeit eines Lehmputzes.
Lehmputz ist nicht nur für konstruktive Lehmuntergründe geeignet, sondern auch für alle anderen unterschiedlichen Untergründe, wo er zur Verbesserung der raumklimatischen Verhältnisse, wenn eine Putzstärke von ca. 1,5 cm erreicht wird, beiträgt.[6]
Darüber hinaus kann Lehm als Wärmespeicher dienen und löst keine Allergien aus. Lehmputz hat selbst in seinen relativ dünnen Schichtdicken im Vergleich zum Mauerwerk die enorme Fähigkeit, hochfrequente Strahlung und Elektrosmog abzuschirmen. Leider hat Lehmputz auch Nachteile und Einsatzgrenzen, auf die im folgenden Kapitel noch eingegangen wird. Die wichtigsten Eigenschaften von Lehmputz sind:
- gute Bindekraft (Zugfestigkeit im plastischen Bereich)
- niedrige Biegezug- und Druckfestigkeiten
- hohes Trockenschwindmaß
- hohe Wasserdampfdiffusion
- hohe Sorptionsfähigkeit
- hohe kapillare Leitfähigkeit[7]
Lehmputz haftet nur „mechanisch“ und erhärtet allein durch verdunsten des Anmachwassers. Da keine chemische Kornbindung statt findet, ist Lehmputz im Wasser leicht dispergierbar. Dennoch verfügt historischer und moderner Lehmputz z.B. an Außenwänden über eine relativ lange Haltbarkeit, wenn er am Objekt einen ausreichend großen Dachüberstand und entsprechenden Feuchtigkeitsschutz im Sockelbereich erhalten hat.
Nach alter mundartlicher Überlieferung der Lehmbauer wurde ein Lehmhaus deshalb oft als Objekt mit „großem Hut und hohen Gummistiefeln“ beschrieben, was für den Lehmneubau immer noch gültig ist.
Es gibt einfache Versuche, um die Eigenschaften eines Lehmputzes zu testen. Dazu wird der Lehmputz ca. 2 cm dick auf einen trockenen, gebrannten, relativ glatten Ziegelstein aufgetragen. Nun muss der Putz bis zum völligen Austrocknen 2-3 Tage auf dem hochkant gestellten Ziegel haften bleiben. Löst sich der Putz plattenförmig, ist der Tonanteil zu hoch und muss mit Sand abgemagert werden. Löst er sich nach kräftigem Aufstoßen des Ziegels, so ist der Tonanteil zu niedrig. Feine Risse sind für einen zu „fetten“ Lehmputz charakteristisch - er kann aber als Unterputz verwendet werden. Man erkennt die Brauchbarkeit einer Lehmputzmischung an einer guten Haftung und einer rissfreien Putzoberfläche[8].
Besonders geeignet ist der Einsatz von Lehmputz auf konstruktiven Lehmuntergründen, da artgleiches Material vorliegt und entsprechende Eigenschaften wie z.B. Temperaturausdehnungskoeffizienten oder Elastizität des Untergrundes und Putzes, je nach Zubereitung annähernd übereinstimmen. In der Praxis sollten vor der Verarbeitung eines Lehmputzes mehrere Putzproben angefertigt werden, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Auch bei industriell gefertigten Lehmputzen empfiehlt sich die Anfertigung solcher Putzproben.
Zusammenhängend sind die Eigenschaften, das Einsatzgebiet, die Art des konstruktiven Lehmuntergrundes, die Beanspruchung und Nutzung sowie die eventuell darauf folgende Beschichtung mit Anstrichstoffen auf Lehmputz zu berücksichtigen, um die volle Funktionsfähigkeit dieses Putzes zu gewährleisten.
1.1.1 Zur allgemeinen Beschreibung und Zusammensetzung früher und heute
Früher wurden im Allgemeinen ausschließlich anorganisch natürliche Bestandteile im typischen Verhältnis von 1:3 Raumteilen wie Ton, Sand, Schluff, organisch biologische Zusatzstoffe und Zusätze wie Strohhäcksel zur Armierung, Dung, ölige Substanzen usw. zur Herstellung von Lehmputz bis heute erfolgreich verwendet.
Im Rahmen eines Forschungsauftrages von BASF versuchte man Ende der 90er Jahre Polymere als Zusatzmittel für Lehmbaustoffe zu testen und zu propagieren. Es gab Versuche mit Formaldehydharzen, z.B. Harnstoff-Formaldehyd oder Phenol-Formaldehydharze, Acrylaten und etlichen Kunstharzen, die aber sehr teuer sind und oft nur der Wetterbeständigkeit dienen. Meist wurden durch die Kunststoffzugabe die positiven Eigenschaften wie z.B. die Diffusionsfähigkeit von Lehm und damit dem Lehmputz vermindert[9].
Ein anderer Hersteller von Lehmputz fügte Zement als Zusatzmittel bei, die zum Teil negative und positive Ergebnisse lieferten. Beide Varianten sind aber nach einschlägiger Befragung die große Ausnahme und sollten lediglich die Wasserempfindlichkeit von Lehmputz verringern. Hinzu kommt noch, dass durch die Zugabe von synthetischen Stoffen die hervorragende Recyclingfähikeit des Lehms stark eingeschränkt wird. Alternativ gesehen, kann man konstruktive Lehmuntergründe im Außenbereich auch mit einem Kalkputz versehen, der eine ausreichende Wetterbeständigkeit aufweist. Daher ist die Sinnfälligkeit über die Versuche, einen Lehmputz durch Zugabe von Kunststoffzusätzen wetterbeständig zu machen, kritisch zu hinterfragen. Dennoch sind nach Aussagen von Herrn Joachim Weise, Baubiologe, negative Tendenzen bei der Zugabe von synthetischen Substanzen bei modern industriell gefertigtem Lehmputz erkennbar.
Lehmputz ist in Deutschland in der Regel ein baubiologisch reiner Baustoff, jedoch sind erhebliche Unterschiede (s. Abbildung 5: n. Minke Sorptions- und Desorptionswerte), bei dem Sorptionsvermögen festgestellt wurden. Aus diesem Grund gehen heute die ersten Hersteller zur Zertifizierung ihrer Lehmputzarten, mit dem Qualitätsmerkmal „Natureplus“ (s. Abbildung 1), über.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Qualitätszeichen "natureplus
Um sicher zu gehen, einen frei von synthetischen Materialien enthaltenen Lehmputz zu verarbeiten, kann man diesen relativ einfach selbst nach alten Rezepturen herstellen und aufbereiten. Es sind einige wichtige Regeln zu beachten, wenn man einen schwindrissfreien, gut haftenden Lehmputz erhalten möchte:
- Im Lehm sollten große Mengen Grobsand enthalten sein.
- Dem Putz sollen tierische oder menschliche Haare, Kokos- oder Sisalfasern, Stroh oder Heuhäcksel zugefügt werden.
- Bei Innenputz kann zur Magerung auch Getreidespreu, Sägespäne, Sägemehl oder Zellulosefasern zugesetzt werden.
- Um eine befriedigende Bindekraft zu erreichen, sollte die Mischung durch Aufrühren gleichmäßig verteilten Ton enthalten.
- Bei richtiger Zusammensetzung muss der Putz an der senkrecht gehaltenen Kelle kleben bleiben, beim Anwerfen aber gut von der Kelle gleiten und an der zu verputzenden Fläche haften bleiben. Ein zu hoher Haar- oder Faserzusatz reduziert das Haftvermögen.[10]
1.1.2 Zu den Besonderheiten durch Zusatzmittel und Zuschlagstoffe
Eine Unterscheidung zwischen Zusatzmittel und Zuschlagstoffen ist bei Lehm nicht immer möglich, da einige Zusatzmittel auch chemische Auswirkungen im Lehm haben können.
Im Allgemeinen ist eine Zugabe von Zusätzen zur Verbesserung der Materialeigenschaften nicht unbedingt notwendig. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, durch das Verändern der Grundrezeptur oder bei der mechanischen Aufbereitung eines selbst hergestellten Lehmputzes die späteren Eigenschaften des Lehmputzes positiv zu beeinflussen. Eine einfache physikalische Methode (mineralische und faserige Zuschläge) dafür ist das so genannte mauken[11] oder die Optimierung der Kornzusammensetzung welche sich in der Praxis nach derzeitigem Stand als am Wirksamsten erwiesen hat. Zudem kann noch durch die Zugabe der Faserzuschläge ein Lehmputz für Putzmaschinen spritzfähig eingestellt werden.
Zusätze, die den Lehmputz verbessern, können andere Eigenschaften negativ beeinflussen. In Bezug auf die wichtigsten Kriterien wie Druckfestigkeit, Biegezugfestigkeit, Bindekraft und das Trockenschwindmaß wird durch Zugabe von Zellulose die Biegezug, - und Druckfestigkeit erhöht. Dies ist vorteilhaft, vermindert jedoch die Bindekraft und erhöht das Trockenschwindmaß, welches nachteilig ist. Die Zugabe von Gelatine, Stärke und Molke können zu einer Schimmelpilzentwicklung führen[12]. Nach Schneider kann man den Lehm und damit auch den Lehmputz durch geeignete Zusätze und Zuschlagstoffe bzw. durch entsprechende Arbeitsprozesse verbessern:
- den Lehmputz widerstandsfähiger gegen kapillar eindringendes Wasser machen, die Absorptionsfähigkeit behindern, damit Feuchtigkeit weniger leicht in den Lehmputz eindringen kann,
- die einzelnen Lehmteilchen dichter und fester zusammenkleben, so dass höhere Druck- und Zugfestigkeiten erzielt werden,
- den Wasserhaushalt der Tonteilchen verändern, damit der Lehmputz nicht mehr so stark schrumpfen oder quellen kann,
- Lehmputz plastischer, gleitfähiger machen, damit er mit geringerer Wasser- zugabe verarbeitbar ist,
- die Teilchen abriebfester miteinander verbinden, so dass die Oberfläche des
Lehmputzes beständiger gegen Witterungseinflüsse und gegen mechanische
Beanspruchung wird.[13]
Um dieses zu realisieren, sind mechanische Aufbereitung und Verdichtung, sowie physikalische Methoden durch Zugabe von mineralischen und faserigen Zuschlägen am wirksamsten.
Chemische Zusatzmittel können die Wasserbeständigkeit erheblich verbessern, sind aber schwieriger zu handhaben. Zusatzmittel richten sich nach spezifischen Anwendungs -und Einsatzbereichen, in dem sie wirksam sind. Bei falscher Anwendung oder Dosierung an einer ungeeigneten Lehmart, können sich unangenehme Folgen einstellen. Ein typisches Beispiel ist die Zugabe von Kalk, die zwar die Wasserfestigkeit eines Lehmputzes erhöht, jedoch später aber zu Schäden führt, z.B. Festigkeitsminderung.
Nach den Hinweisen der alt überlieferten Lehmputzrezepturen lassen sich nur schwer Aussagen über die Richtigkeit der allgemeinen Aufbereitung und Einsatzgebiete der Lehmputzarten treffen, da Lehm regional sehr unterschiedlich in seiner natürlichen Zusammensetzung ist.
Ein weiterer kritisch zu betrachtender Aspekt ist die praktische Erfahrung der Lehmbauer früher und heute. Nicht zuletzt ist dies ein wichtiger, ausschlaggebender Grund für die erfolgreiche Verarbeitung des Lehmputzes. Im Vergleich zu anderen mineralischen Bindemitteln z. B. Zement gibt es leider zurzeit nur wenig wissenschaftliche Forschung, um die Eigenschaften des Lehms für Lehmputz entscheidend zu verbessern.
Die nachfolgende Tabelle 1-0-1 soll einen Überblick über einige übliche, von vielen Zusatzmitteln und Zuschlagstoffen, unter Hilfe von:
- Hinweisen aus der Lehmbauliteratur
- praktische Erfahrungen von Verarbeitern
- theoretischen Erläuterungen von Vertretern ausgewählter Hersteller
- Erläuterungen von Bauherren, die Erfahrungen im privaten Wohnungsbau sammeln konnten
verschaffen.
1.1.2.1 Zu den Zuschlagstoffen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[14]
Tabelle 1-0-2: Zusatzmittel n. Schneider
1.1.3 Physikalische und chemische Eigenschaften eines Lehmputzes
1.1.3.1 zur chemischen Beschaffenheit der Grundbestandteile eines Lehmputzes
Lehm ist ein „verunreinigter Ton“ der Eisenoxidhydroxide, Kalk, Sand, u.a. enthalten kann. Ton entsteht durch die hydrothermale Verwitterung von Feldspäten[16], wobei sich Alkalikarbonate bilden, welche ausgewaschen werden.
Im lufttrockenen Zustand sind Ton und Lehm infolge der Feinkörnigkeit der Einzelteilchen
( Ø ≤ 0,002 mm ) ziemlich hart. Der Ton liegt dann als Alumosilicathydrat der Formel Al2O3 · 2SiO2 · 2H2O vor.
Bei Wassereinwirkung wird weiteres Hydratwasser gebunden, wodurch der Ton bildsam wird.
Al2O3 · 2 SiO2 · 2 H2O + n H2O ↔ Al2O3 · 2 SiO2 · ( H2O)n+2
fester Ton bildsamer Ton
Formel 1: Bildsamkeit des Tones
Dieser Vorgang ist reversibel[17], d. h. an trockener Luft wird das zusätzlich aufgenommene Hydratwasser aus dem weichen, bildsamen Ton wieder abgespalten, worauf die Verfestigung von trockenem Lehm und Ton beruht. Lehmputz, der fest bleiben soll, ist vor Wassereinwirkung unbedingt zu schützen![18] Sand bzw. Schluff besteht häufig aus Siliziumdioxid und hat dann die chemische Formel SiO2.
Quarzmoleküle bestehen aus vier Sauerstoffatomen, die das Siliziumatom tetraedrisch umgeben. Dabei teilen sich immer zwei Siliziumatome jedes Sauerstoffatom in den Ecken. Die Tetraeder sind also über die Ecken miteinander verbunden und es entstehen auf diese Weise schraubenförmige Ketten. Wenn die Ladung durch Kationen ausgeglichen ist, ziehen sich diese Ketten nicht untereinander an. Im Gegenteil, die außen liegenden, negativ polarisierten Sauerstoffmoleküle bewirken, dass zwei Ketten sich untereinander abstoßen können.
Wasser dagegen hat eine gewinkelte Struktur, in der die Wasserstoffatome positiv polarisiert sind. Vereinfacht ausgedrückt hat das Wassermolekül außen liegende Pluspole (Wasserstoffatome) und Minuspole (Sauerstoffatome), während beim Quarz das als Pluspol wirkende Silizium im Inneren der Tetraeder versteckt ist.
Die positiven Enden des Wassermoleküls sind nun in der Lage, mit den negativen Enden der Sandketten eine anziehende Wechselwirkung einzugehen, man spricht von Adsorption oder auch von Wasserstoffbrückenbindungen.[19]
Die kleinen Wassermoleküle, die in den Sand leicht eindringen können, verkleben also die Sandketten miteinander.
Die Verdunstungsgeschwindigkeit des Wassers ist von der inneren Oberfläche und Porosität abhängig. Da Lehm eine sehr hohe innere Oberfläche besitzt, kann er deshalb adsorptiv viel Wasser binden. Sand hingegen besitzt aufgrund der größeren Korngröße kein Wasserbindevermögen.
Wie groß die Adhäsionskräfte[20] zusätzlich mit Ton sein können, kann man anhand einer Probe leicht feststellen.[21] Je nach Zusatzstoff oder Zusatzmittel können sich die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Lehmputzes verändern.
1.1.3.2 Zum Trockenschwund
Lehmputz schwindet beim Austrocknen weitaus mehr als andere mineralische Bindemittel. Unter Zugabe des Anmachwassers quillt der Lehm und wird plastisch formbar, da das Wasser in das blättrige Kristallgefüge der Tonminerale eindringt und die Kristallblättchen umhüllt. Zusätzlich dringt das Wasser durch die Kapillarkraft[22] in die luftgefüllten Poren, die durch die festen Zuschläge, Sand und Schluff, entstanden sind.
Das zugegebene Wasser bewirkt, ähnlich wie bei Holz, im Lehm Quellvorgänge, die das Volumen des Lehms vergrößern. Nach Austrocknung schwindet der Lehm wieder und das Volumen nimmt ab. Diese Quellvorgänge finden aber nur bei direkter Wassereinwirkung statt, ein Quellen bei Absorption von Wasserdampf ist nicht möglich, wenn die Feuchtigkeit in Form von Dampf einwirkt.
Die Quell- und Schwindmaße sind von Art und Menge der Tonminerale abhängig. Montmorillonite[23] bilden kleine dünne Kristalle, die wie unregelmäßig begrenzte, verbogene, manchmal gefaltete und an den Rändern eingerollte Folienstückchen erscheinen. Diese quellen und schwinden im Vergleich zu Kaolinit und Illit[24] sehr stark. Kaolinite bilden mehr oder weniger gut ausgebildete sechseckige Plättchen, die buch- oder geldrollenartig zusammengelagert sind. Illite sind meistens leistenförmig ausgebildet.[25]
Da bei Lehmputz ein Tonanteil von 5 – 10% für Bindekraft und Haftfähigkeit ausreichend ist, sind die Menge des Tones und die Zusammensetzung der nichttonigen Partikel einflussreicher auf das Quellen und Schwinden als die Art des Tons.[26]
Das Trockenschwindverhalten muss vor der Verarbeitung des Lehmputzes berücksichtigt und überprüft werden, da häufig Schwindrisse entstehen, die unwirtschaftliche Nachbesserungen erfordern. Einige Tests am Forschungslabor für Experimentelles Bauen (FEB) der Universität Kassel zeigten, dass die handelsüblichen Lehmputzmörtel in der Regel im Vergleich zu anderen mineralisch gebundenen Putzarten ein sehr hohes Trockenschwindmaß von 1% - 3,6% aufweisen. Kalk- und Gipsputz weisen Werte von 0,1% und weniger auf. (siehe Abbildung 2)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: n. Minke – Vergleich Lehm- und andere Putzarten bei einem Ausbreitmaß von 160 mm
Nach Minke soll Lehmputz bei einem Ausbreitmaß von 160 mm bei der Trocknung nur um 1% schwinden. Ein Wert von 2% gemessen bei einem Ausbreitmaß von 140 mm nach DIN 1060 Teil 3, sollte bei Lehmmörteln nicht überschritten werden.[27]
Das Trockenschwindmaß ist eines der wichtigsten Kriterien zur Beurteilung von Lehmoberputz. Die Abmagerung von Lehmputz durch Strohhäcksel minimiert die Rissbildung nur indirekt, da eine Reduzierung des Tonanteils erfolgt. Dies führt zu einer veränderten Art der Rissbildung – anstatt großer Risse, entstehen mehrere Kleinere.
Bei der Verarbeitung bedeutet dies, dass z.B. Oberputz nur in dünnen Lagen aufgebracht werden kann, relativ kräftig mit einer Aufziehkelle aufgezogen und mit nicht zu nassem Reibebrett gerieben wird.[28]
1.1.3.3 Zur Abriebfestigkeit
Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Oberflächenqualität von Lehmputz ist die Abriebfestigkeit. Wie oben schon beschrieben, wird Lehmputz stark abgemagert, um eine Rissbildung bei dem Austrocknen zu minimieren. Wenig Tonanteil und ein hoher Anteil an groben Zuschlagstoffen bewirken folglich eine geringe Abriebfestigkeit und Kratzbeständigkeit, sodass die Oberfläche zum „absanden“ neigt und bei mechanischer Beanspruchung leicht beschädigt werden kann. Zur Lösung dieses Problems können Zusätze der Rezeptur beigegeben werden oder die Oberfläche mit geeigneten Anstrichen beschichtet werden. (siehe Abbildung 3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: n. Minke – Abriebmengen bei handelsüblichen Lehmputzen
Nach Minke zeigt die Abbildung die ermittelten Abriebmengen bei einem Bürstendurchmesser von 7 cm und einen Bürstendruck von 2 kg bei 20 Umdrehungen. Dazu wurde eigens ein Prüfgerät am Forschungslabor für experimentelles Bauen (FEB) der Universität Kassel entwickelt, mit dem man die Abriebfestigkeit bestimmen kann. Ein wesentlicher Faktor für die Abriebfestigkeit ist die Kornzusammensetzung, Tonart, Tongehalt und Verarbeitung.
Bei Abriebmengen über 1 g aus 2 kg Bürstendruck (Ø 7cm) und nach 20 Umdrehungen muss die Oberfläche mit einer weichen Bürste leicht abgebürstet werden und einen geeigneten organischen oder mineralischen Anstrich versehen werden.[29]
1.1.3.4 Zur Druckfestigkeit
Die Druckfestigkeit ist der Quotient aus einer maximalen Druckkraft und einem belasteten Ausgangsquerschnitt. Die Maßeinheit wird in [N/mm²] angegeben.[30]
βD = max. F / A0
Formel 2: Druckfestigkeit
mit: βD - größte Druckspannung
max. F - höchste Druckkraft
A0 - Ausgangsquerschnitt
Wird auf einen Putz eine wachsende Druckspannung ausgeübt, kommt es zu einem Punkt, bei dem die Spannung den Putz zerstört. Bei Lehmputz wird die Druckfestigkeit im Prüflabor üblicherweise an 16 cm x 4 cm x 4 cm großen Prüfkörpern gemessen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1-0-3: n. Minke – Druckfestigkeitswerte von Lehmmörtel
Bei Lehmmauerwerk wird die Druckfestigkeit nach DIN 18953 Blatt 2 an Probekörpern, die aus zwei aufeinander gemauerten Steinen bestehen, geprüft. So lässt sich auch die Festigkeit des Lehmmauermörtels feststellen.
Bei sehr magerem Lehmputz beträgt die Trockendruckfestigkeit bei etwa 1 N/mm² und bei optimaler Zusammensetzung im Extremfall bis zu 10 N/mm².
Am Objekt können sich jedoch die mechanischen Eigenschaften z.B. aufgrund zu stark saugender Untergründe, intensive Sonneneinstrahlung oder falsche Verarbeitung usw. verändern.[31]
1.1.3.5 Zur Biegezugfestigkeit
Die Biegezugfestigkeit gibt an, bei welcher Last ein Baustoff beim Durchbiegen bricht. Je höher die Biegezugfestigkeit, desto geringer besteht die Gefahr, dass Putzteile bei entsprechender Beanspruchung brechen oder reißen. Als Maßeinheit gilt [N/mm²]. Bei Lehmputz ist die Biegezugfestigkeit von geringerer Bedeutung, da konstruktive Lehmbauteile nicht biegebeansprucht werden sollten. Wichtiger ist hierbei die Beurteilung der Kantenfestigkeit des Lehmputzes. Dies ist wiederum von der enthaltenen Tonart abhängig. Montmorrillonit weist eine höhere Biegezugfestigkeit als Kaolinit auf. Zur Erhöhung der Biegezugfestigkeit kann man als Zusatz zum Lehm Bentonit einsetzen, da dieser einen hohen Anteil an Montmorrillonit besitzt. Als Bentonit bezeichnet man Tone, deren Eigenschaften überwiegend von quellfähigen Dreischichtsilikaten der Smektit - Gruppe bestimmt wird.
Smektit ist ein Synonym für Montmorrillonit.[32]
Nachteilig wirkt sich die Zugabe von Bentonit auf die Erhöhung der Trockenschwindmaße aus. Einen Überblick über die unterschiedlichen Biegezugfestigkeiten getesteter Lehmputzarten zeigt Tabelle 1-0-4.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1-0-4: n. Minke, Biegezugfestigkeiten von handelsüblichen Lehmmörteln[33]
1.1.3.6 Zur Diffusion von Luftfeuchtigkeit / Raumklima
Das Gegenseitige Durchdringen und Vermischen von Gasen und Flüssigkeiten bezeichnet man als Diffusion. Die Diffusion erfolgt auch ohne Druck- und Temperaturgefälle, nimmt aber mit dem Druck- und Temperaturunterschied zu. Besonders Gase sind bestrebt, sich auszubreiten und sich mit anderen Gasen zu vermischen.
Dazu durchdringen sie auch poröse Körper. So durchwandert wasserdampfgesättigte Luft Baustoffe, um sich mit Luft geringerer Wasserdampfkonzentration zu vermischen. Wasserdampfdiffusion und Wärmestrom verlaufen in gleicher Richtung, das bei beheizten Räumen in der Regel von innen nach außen verläuft. Sie folgen damit dem Temperaturgefälle von der höheren Raumtemperatur zur niedrigeren Außentemperatur. Es entsteht ein Dampfdruckgefälle, das sich durch Diffusion auszugleichen versucht.
Der Dampfdruck des Wassers ist der Druck, der sich einstellt, wenn sich in einem geschlossenen Gefäß ein fester oder flüssiger Stoff im Gleichgewicht befindet. Außerdem hängt der Wasserdampfdruck von der bezogenen Temperatur ab und ist stoffcharakteristisch.[34]
Zur Kennzeichnung der Wasserdampfdurchlässigkeit dient die Wasserdampfdiffusions-widerstandszahl (μ). Sie gibt an, um wie viel der Diffusionswiderstand gegen Wasserdampf in der Stoffschicht größer ist als in einer Luftschicht gleicher Dicke. Die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl von Luft beträgt 1 und je höher diese Zahl ist, umso mehr nimmt die Wasserdampfdurchlässigkeit zu. Die wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke (sd - Wert) eines Stoffes ist das Produkt aus der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl und der Stoffdicke (sd = d * μ) und bezeichnet die gleiche Dicke der Luftschicht in m.[35] Genaue Ausführungen dazu sind in der DIN 52615 angegeben. In der nachfolgenden
Abbildung 4 sind einige Wasserdampfdiffusionswiderstandszahlen von Lehmputzarten aufgeführt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: n. Minke Wasserdampfdiffusionswiderstandszahlen μ
Lehm wird bei Wassereinwirkung wieder weich und plastisch, jedoch nicht bei Wasserdampfeinwirkung. Er nimmt Feuchtigkeit gasförmig auf ohne weich zu werden und quillt nicht auf. Trocknet die umgebende Luft, wird die Feuchtigkeit wieder abgegeben. Somit trägt Lehm zu einer Regulierung der Raumluftfeuchte bei und sorgt deshalb für ein gesundes Raumklima. Der Ausgleich zwischen Luftfeuchte und Stofffeuchte erfolgt durch Sorptionsvorgänge.
Nach Untersuchungen von Minke an der Universität Kassel ist die Sorptionsfähigkeit von Lehmputzmörteln gering, da diese Mörtel einen relativ geringen Tonanteil haben. Die gemessenen Werte liegen etwa zwischen 56,9 und 133,5g/m². Die Wirkung der Sorption bei Putz ist nur relevant, wenn es sich um dickere Putzschichten und kurzfristige Feuchteänderungen handelt. Folgende Abbildung 5 zeigt die Sorptions- und Desorptionswerte, Wasserabgabe bei Abnahme der relativen Luftfeuchte, welche im Vergleich zu Lehmstein bei einer Erhöhung der Raumluftfeuchte von 50 auf 80% und anschließender Absenkung auf wieder 50% gemessen wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: n. Minke Sorptions- und Desorptionswerte
Die getesteten Lehmmörtel erreichen nur 19 - 68% der Werte des Lehmsteins. Hier weist Minke darauf hin, dass die Lehmmörtel mit den höchsten Sorptionswerten, diese dem Zusatz von feinen Fasern verdanken.[36]
1.1.3.7 Zum Brandverhalten
„Lehm und mineralische Zuschläge sind nach DIN 4102 T4 als Baustoffklasse A1 (nicht brennbar) klassifiziert. Lehmbaustoffe im Einzelnen nicht klassifiziert sind.“[37] In Hamburg-Othmarschen wurde ein Reetdach von innen mit einem dreilagigen 2,5 – 3 cm dicken Lehmputz überzogen. Nach Forderungen des Brandschutzes wurde eine Widerstandsdauer von F30 erreicht, die an der TU Braunschweig nachgewiesen wurde. An der Brandversuchsanstalt MA 39 in Wien wurde festgestellt, dass ein allseitig mit Lehmputz beschichtetes Bauteil aus Stroh die Feuerwiderstandsklasse F90 erreicht.[38]
1.1.4 Konstruktive Schlussfolgerung aus den Eigenschaften
1.1.4.1 Plastisches Gestalten mit Lehmputz
Lehmputz lässt sich lange verarbeiten, d.h. eine Verfestigung tritt erst nach längerer Zeit ein. Deshalb eignet er sich gut für Gestaltungsarbeiten, z.B. zum Formen eines Reliefs mit den Händen oder kleinen Stukkateureisen. Bild 1 zeigt ein von Hand hergestelltes Relief an einer ehemaligen Scheune, die zurzeit zu einem Lehmbauzentrum in Lindig / Thüringen umgebaut wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1: Plastisches Gestalten mit Lehmputz (Praktikum Lindig)
1.1.4.2 Kantenschutz
Da Lehmputz empfindlich gegen mechanische Einwirkungen ist, sollten Außenecken durch Holzprofile o. ä. geschützt werden. (s. Abbildung 6)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: n. Minke: Kantenschutz
Der Einbau von Eckschutzschienen wie bei Kalk- und Gipsputz üblich, empfiehlt sich nach Minke weniger, da diese nicht ausreichend wirksam sind.[39] Nach Herstellerangaben (Fa. Claytec) ist der Einsatz von Eckschutzschienen an Neubauten problemlos einsetzbar. Die Schienen werden wie bei anderen Putzarten mit schnell abbindendem Ansetzgips befestigt. Es ist hierbei darauf zu achten, das die Befestigungspunkte dichter als üblich gesetzt werden, da der Lehmputz die Profile weniger fixiert als Gips- oder Kalkputz.[40] Bei Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen innerhalb des Denkmalschutzes ist auf den Einsatz moderner Eckschutzprofile unbedingt zu verzichten! In der Praxis empfiehlt sich ein gleichmäßiges Abrunden der Außenecken, das dem Gesamteindruck eines Raumes einen positiven, warmen Charakter vermittelt.
1.2 Unterscheidung der Lehmputzarten
1.2.1 Unterscheidung der Lehmputzarten nach der Rohdichte
Lehmputz kann nach verschiedenen Gruppen eingeteilt werden. So kann man diese nicht nur nach dem Bindemittel Lehm benennen oder nach der Rohdichte einteilen (s. Tabelle 1-0-5), sondern auch nach dem Zuschlagstoff, nach der Verarbeitungsweise, nach dem Bearbeitungsverfahren oder nach der Anwendung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1-0-5: Rohdichte unterschiedlicher Lehmputzarten
1.2.2 Unterscheidung nach Zuschlagstoffen früher und heute
Mineralische Zuschläge hatten früher und haben auch heute noch hauptsächlich die Aufgabe, den Lehmputz abzumagern. In den letzten Jahren werden aber vermehrt geblähte mineralische Zuschläge dem Lehmputz zugegeben, um die dämmenden Eigenschaften des Lehmputzes zu verbessern. Ein Vergleich anhand der verwendeten Zuschlagstoffe früher und heute ist auch nach umfassender Recherche in Literatur, Befragungen von Verarbeitern und verschiedenen Herstellern nur bedingt möglich. Nach Aussagen dieser, werden die üblichen Zuschläge die früher eingesetzt wurden, auch heute noch verwendet, da man wie oben schon beschrieben, Zertifizierungen anstrebt, die den ökologischen Lehmputz mit den geforderten Eigenschaften garantieren. Dies bezieht sich auch auf die Zusammenstellungen der Rezepturen, die in Mengenverhältnissen oder Art des Zuschlagstoffes nicht immer gleich sind und nach Einsatzgebiet oder verarbeitungstechnisch unterschieden werden. Selbstverständlich beeinflusst die Art und Menge der Zuschläge die Eigenschaften des Lehmputzes.
Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass man versucht, die Zuschläge nach einem möglichst hohen und gleich bleibenden Qualitätsstandart herzustellen und aufzubereiten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1-0-7: Verarbeitungsweise
[...]
[1] vgl. [23]; S. 52 ff
[2] vgl. [8]; S.25
[3] vgl. [6]; S. 2
[4] vgl. [28]; S. 20
[5] vgl. [6]; S. 1
[6] vgl. [18]; S. 187
[7] vgl. [8]; S. 133
[8] vgl. [18]; S. 188
[9] vgl. [25]; S. 141 ff
[10] vgl. [18]; S. 188
[11] mauken = Zeit zum Feuchtigkeitsausgleich und zum aufschließen des Tons
[12] vgl. [18]; S. 75
[13] vgl. [25]; S. 138
[14] vgl. [25]; S. 163 ff
[15] vgl. [25]; S. 143 ff
[16] Feldspat = Gruppe häufiger Mineralien, die hauptsächlich in Tiefengesteinen, aber auch in Vulkaniten vorkommen
[17] reversibel= Umkehrbarkeit eines Stoffes durch physikalische Einwirkung
[18] vgl. [15]; S. 159
[19] Wasserstoffbrückenbindung = Zwischen Dipolmolekülen herrschen zwischenmolekulare Kräfte, die besonders stark ausgeprägt sind, wenn ein Wasserstoffatom an ein stark elektronegatives Atom, z.B. Sauerstoff gebunden ist. Es tritt eine Wechselwirkung zwischen dem positiv und negativ polarisierten Atom ein. Wenn aufgrund der Größe und der räumlichen Struktur der Moleküle ein geeigneter Bindungsabstand möglich ist, entstehen relativ stabile Verbindungen.
[20] Adhäsionskräfte = Zusammenhangskraft der Moleküle eines Stoffes
[21] aus: [21]
[22] Kapillarkraft = Die Poren wirken dabei wie enge Röhren. In diesen Haarröhrchen (Kapillaren) steigen Flüssigkeiten hoch. Die Kapillarität ist eine Auswirkung der Adhäsionskraft an den Kapillarwänden.
[23] Montmorillonit = Dreischichtmineral → Struktur nimmt viel Wasser auf
[24] Kaolinit, Illit = Zweischichtminerale → Struktur nimmt wenig Wasser auf
[25] vgl. [13]; S. 11
[26] vgl. [18]; S. 39
[27] vgl. [18]; S. 195
[28] vgl. Praktikumsbericht: Lehmbauzentrum Lindig (siehe Anlage); S.
[29] vgl. [18]; S. 64
[30] vgl. [30]; S. 76
[31] vgl. [18]; S. 60/200
[32] aus: [3];
[33] vgl. [18]; S. 200
[34] Mitschrift aus Vorlesung 7, Bauchemie, Dr. rer. nat. L. Goretzki
[35] Mitschrift aus Vorlesung Bauphysik, Prof. Kornath
[36] vgl. [18]; S. 201
[37] [31]; S. 93
[38] vgl. [18]; S. 197
[39] vgl. [18]; S. 198
[40] vgl. [6]; S. 7
- Quote paper
- Romeo Nürnberg (Author), 2005, Putzarten und deren farbliche Fassungen auf konstruktiven Lehmuntergruenden in der Bausanierung und im Neubau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53111
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