Die Prostitution Minderjähriger in Tschechien oder Südostasien wird in der Öffentlichkeit viel diskutiert. Darum soll es in dieser Arbeit auch nicht gehen, sondern vielmehr darum, dass es minderjährige Mädchen und Jungen, die sich prostituieren, auch in fast jeder großen Stadt in Deutschland gibt.
Der Sextourismus im Ausland wird zwar mehr und mehr geächtet und strafrechtlich verfolgt und darüber findet man auch viele Informationen in Büchern, Zeitungsberichten und Internetseiten. Verschiedenste Organisationen, Kirchen, die Touristikbranche und der Deutsche Bundestag haben das Thema Sextourismus auf der Tagesordnung, doch zum Thema Minderjährigenprostitution innerhalb Deutschlands findet man fast nichts. Dabei sind die Zahlen (insofern man welche findet) erschreckend hoch. Genauere Angaben zum Umfang der
Minderjährigenprostitution in Deutschland zu machen ist aber schon deshalb schwierig, weil es sich um eine Grauzone im Schnittstellenbereich verschiedener Szenen handelt wie der Prostitutions-, der Drogen-, der Bahnhofs- und der Treberszene. Mit Ausnahme der Drogenprostitution findet die Prostitution Minderjähriger auch meist im Verborgenen statt, was den Zugang zu den Betroffenen durch Unterstützungs- und Hilfsprojekte natürlich auch erschwert. Allein in Dortmund zum Beispiel zählte die „Mitternachtsmission Dortmund“ im Jahr 2002 Kontakte zu 747 Prostituierten, wovon 66 Kinder und Jugendliche waren, was fast jeder elfte Kontakt ist. Die tatsächliche Zahl an Minderjährigen Prostituierten dürfte aber für Dortmund noch größer sein.
Im folgenden möchte ich versuchen, Gründe und auslösende Faktoren für die Prostitution Minderjähriger zusammenzutragen, die Problemlagen mit denen diese jungen Menschen konfrontiert sind darzustellen und einige Beispiele von Sozialarbeit mit diesen Menschen anzuführen. [...]
Gliederung
1. Einleitung
2. Ursachen und auslösende Faktoren für die Prostitution Minderjähriger
3. Problemlagen minderjähriger Prostituierter
4. Sozialarbeit mit und für minderjährige Prostituierte
4.1. Mitternachtsmission Dortmund
4.1.1. Die Situation in Dortmund
4.1.2. Streetwork
4.1.3. Psychosoziale Beratung und Betreuung
4.1.4. Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit
4.2. Basis e.V. Hamburg
4.2.1. Die Situation in Hamburg
4.2.2. Streetwork
4.2.3. Die Anlaufstelle
4.2.4. Übernachtungsstellen
4.2.5. Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit
5. Literatur
1. Einleitung
Die Prostitution Minderjähriger in Tschechien oder Südostasien wird in der Öffentlichkeit viel diskutiert. Darum soll es in dieser Arbeit auch nicht gehen, sondern vielmehr darum, daß es minderjährige Mädchen und Jungen, die sich prostituieren auch in fast jeder großen Stadt in Deutschland gibt.
Der Sextourismus im Ausland wird zwar mehr und mehr geächtet und strafrechtlich verfolgt und darüber findet man auch viele Informationen in Büchern, Zeitungsberichten und Internetseiten. Verschiedenste Organisationen, Kirchen, die Touristikbranche und der Deutsche Bundestag haben das Thema Sextourismus auf der Tagesordnung, doch zum Thema Minderjährigenprostitution innerhalb Deutschlands findet man fast nichts.1 Dabei sind die Zahlen (insofern man welche findet) erschreckend hoch. Genauere Angaben zum Umfang der Minderjährigenprostitution in Deutschland zu machen ist aber schon deshalb schwierig, weil es sich um eine Grauzone im Schnittstellenbereich verschiedener Szenen handelt wie der Prostitutions-, der Drogen-, der Bahnhofs- und der Treberszene. Mit Ausnahme der Drogenprostitution findet die Prostitution Minderjähriger auch meist im Verborgenen statt, was den Zugang zu den Betroffenen durch Unterstützungs- und Hilfsprojekte natürlich auch erschwert.2
Allein in Dortmund zum Beispiel zählte die „Mitternachtsmission Dortmund“ im Jahr 2002 Kontakte zu 747 Prostituierten, wovon 66 Kinder und Jugendliche waren, was fast jeder elfte Kontakt ist. Die tatsächliche Zahl an Minderjährigen Prostituierten dürfte aber für Dortmund noch größer sein.3
Im folgenden möchte ich versuchen, Gründe und auslösende Faktoren für die Prostitution Minderjähriger zusammenzutragen, die Problemlagen mit denen diese jungen Menschen konfrontiert sind darzustellen und einige Beispiele von Sozialarbeit mit diesen Menschen anzuführen.
2. Ursachen und auslösende Faktoren für die Prostitution Minderjähriger
Es sind individuell sehr verschiedene Gründe weswegen junge Mädchen und Frauen in die Prostitution gehen. Chancen- und Perspektivlosigkeit bei der Arbeitssuche, aber auch die schlechte Bezahlung in typischen Mädchen- und Frauenberufen können Gründe sein. Aber auch mangelnde Lebenserfahrung, fehlende Vorbilder, Gutgläubigkeit und Lenkbarkeit durch Männer, die Hoffnung auf ein besseres Leben und die Doppelmoral im sozialen Umfeld können dazu führen, den Schritt in die Prostitution zu gehen.4
Eine häufige Ursache für die Prostitution bei Minderjährigen ist die Finanzierung des Konsums harter Drogen wie Heroin, Kokain und auch Ecstasy. Der Einstieg in die Drogenabhängigkeit oder Alkoholsucht erfolgt aufgrund der verzweifelten Situation und der Perspektivlosigkeit der Mädchen, die das Suchtmittel brauchen, um ihre Probleme vorübergehend zu vergessen und die Prostitutionstätigkeit ertragen zu können.5 Die Beschaffungsprostitution findet häufig in unmittelbarer Nähe der Drogenszene statt, wobei sich der „Drogenstrich“ meist innerhalb von Sperrbezirken, also öffentlichen Bereichen in denen die Prostitution verboten ist, befindet. Diese Minderjährigen, die der Beschaffungsprostitution nachgehen definieren sich in der Regel selbst nicht als Prostituierte und sind daher durch Unterstützungsangebote für professionelle Prostituierte auch nicht erreichbar.6
Minderjährige werden oftmals durch massive oder versteckte Gewalt in die Prostitution getrieben und können sich dieser nicht widersetzen oder entziehen, weil sie keine Person ihres Vertrauens haben, die ihnen helfen könnte. Sie sind besonders den gewalttätigen Übergriffen durch Männer im Bereich der Prostitution ausgeliefert. Ausreißerinnen aus Heimen und Familien scheuen den Kontakt zu Mitarbeitern von Institutionen, da sie befürchten, wieder zurückgebracht zu werden. Sie sehen sich gezwungen, unterzutauchen, müssen aber gleichzeitig ihren Lebensunterhalt sichern. So kann ein auslösender Grund für Minderjährige sich zu prostituieren auch die Situation des Lebens „auf der Straße“ sein. Für junge Menschen, die von zu Hause oder aus Heimen weggelaufen sind, ist die Prostitution oft eine Möglichkeit um zu überleben. Die Prostitution erfolgt in diesem Kontext oft nur gegen eine Übernachtungsmöglichkeit oder als Austausch für tatsächliche oder empfundene Zuwendungen.7 Die Minderjährigen definieren sich daher wiederum auch nicht als Prostituierte. Sie wohnen oft bei Prostitutionskunden oder Bekannten, die sie auch sexuell ausbeuten oder sogar in Abhängigkeit halten. In den Treffpunkten und Angeboten für Jugendliche auf der Straße ist das Thema Prostitution oft Tabu, obwohl einige Straßen und Plätze, die Treffpunkte von auf der Straße lebenden Jugendlichen sind, als Brennpunkte gelten.8
Es gibt auch Mädchen und junge Frauen aus scheinbar intakten Familien und ohne leicht erkennbare Probleme, die sich prostituieren um sich Dinge zu finanzieren, die sie benötigen um Anerkennung in der Gleichaltrigengruppe zu erhalten und die sie sich von ihrem Taschengeld oder von Schülerjobs nicht ermöglichen können. Dies können z.B. Markenkleidung oder ausreichend Geld für Discobesuche sein. Die Hoffnung in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, führt für manche dieser Mädchen dazu, sich fest im Prostitutionsmilieu einzurichten. Der Schulbesuch wird vernachlässigt, die Notwendigkeit einer Berufsausbildung nicht mehr gesehen und es werden Beziehungen zu Männern eingegangen, die ebenfalls im Prostitutionsmilieu verwurzelt sind (Zuhälter oder Stricher). Kontakte zu Bekannten außerhalb des Milieus brechen nach und nach ab.9
Weitere Beweggründe für Minderjährige sich zu prostituieren können sein, daß Freunde und Freundinnen mitversorgt werden oder daß einfach Schulden aller Art bezahlt werden müssen.10 Minderjährige können auch als Opfer von Menschenhandel in die Prostitution geraden. So wurden 2004 von der Dortmunder Mitternachtsmission 13 minderjährige Opfer von Menschenhandel, die sich prostituierten, betreut.11
Oft spielen emotionale Defizite eine große Rolle als Ursachen für den Gang in die Prostitution.12 Viele Prostituierte haben auch schon als Kinder sexuelle Gewalt erfahren, wobei manche Schätzungen dabei von einem Anteil von 90% ausgehen13, andere von ca. 50%.14 Überbehütung, negative Erfahrungen mit Sexualität, Streitigkeiten in der Familie und im Umfeld, mangelnde Liebe und fehlende Anerkennung können junge Menschen dazu veranlassen sich einer Gruppe oder einer Person (z.B. Zuhälter) anzuschließen, zu deren Lebensunterhalt sie durch den Prostitutionslohn beitragen. Dadurch erhoffen sie sich eine enge Bindung, Liebe und Wertschätzung von diesen Personen. Häufig werden junge Menschen in die Prostitution hineingeredet und empfinden die Situation zunächst durchaus als positiv, da sie verhältnismäßig viel Geld zur Verfügung haben, sich aufgrund ihrer Erfahrungen erwachsen fühlen und zu einer Gruppe oder Person gehören, zu der sie emotionale Bindungen aufgebaut haben.15
3. Problemlagen minderjähriger Prostituierter
Probleme von Prostituierten allgemein (also Minderjähriger und Erwachsener), wie sie z.B. an die Beratungsstelle der Mitternachtsmission in Dortmund herangetragen werden, sind finanzielle Sorgen, Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit offiziellen Stellen, Isolation und fehlende Kontakte zu Personen außerhalb des Milieus, Verlust der Achtung und Zuneigung anderer Menschen aufgrund der Tätigkeit als Prostituierte, Schuldgefühle, Verlassenheitsgefühle, Probleme mit nahe stehenden Menschen (Partner, Eltern, Kinder, ehemalige Zuhälter), finanzielle und emotionale Abhängigkeiten, Abhängigkeiten von Suchtmitteln, Angst vor Krankheit, Angst vor dem Alter, Angst vor Arbeitslosigkeit, die Furcht unfähig zu sein sich aus dem Milieu zu lösen, Schulden und Angst vor der Vorgehensweise von Gläubigern und Todesängste aufgrund von Bedrohungen durch Kriminelle aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität oder durch Lebenspartner und Zuhälter.16
Die Probleme minderjähriger Prostituierter unterscheiden sich erheblich von denen älterer Prostituierter. Zusätzlich zu den Problemen wie Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit, eventuell nicht mehr stattfindendem Schulbesuch, finanziellen Problemen und Schulden, denen sie sowieso schon ausgesetzt sein können, treffen minderjährige Prostituierte besonders häufig Gewalterfahrungen und die physischen und psychischen Folgen davon im Zusammenhang mit der Prostitution.17
Vor allem sich prostituierende Drogenabhängige sind einem erhöhten Maß an Gewalt durch ihre Kunden ausgesetzt. Vergewaltigungen, Raub, Freiheitsberaubung und Forderungen nach extremen, mit gesundheitlichen Risiken verbundenen Sexualpraktiken kommen häufig vor.18
In einer bundesweiten Studie zur Lebenssituation von Postituierten wurde festgestellt, daß das Risiko in der Prostitution Gewalt ausgesetzt zu sein sehr hoch ist. Je jünger die Frauen waren als sie mit der Prostitutionstätigkeit begannen, desto öfter wurden sie Opfer gewalttätiger Zuhälter oder Kunden.19
4. Sozialarbeit mit und für minderjährige Prostituierte
4.1. Mitternachtsmission Dortmund
4.1.1. Die Situation in Dortmund
Von den Mitarbeitern der Mitternachtsmission, die Streetwork in den Bereichen Straßenprostitution und Beschaffungsprostitution durchführen, wurde erkannt, daß immer mehr sehr junge Frauen und Mädchen, z.T. noch minderjährig sich prostituieren. Die genaue Größenordnung der Minderjährigenprostitution ist dabei schwer ermittelbar, da viele Betroffene oft falsche Angaben über ihr Alter machen. Außerdem werden minderjährige Prostituierte oft von Zuhältern stark abgeschirmt. Um angemessen auf die Problematik zu reagieren, wurde ein besonderer Arbeitsbereich für minderjährige und junge erwachsene Prostituierte und sich in diesem Bereich aufhaltende gefährdete Mädchen eingerichtet. Vor dieser Initiative der Mitternachtsmission gab es in Dortmund keine Institution, die gezielt sozialarbeiterisch mit Minderjährigen, die der Prostitution nachgehen, gearbeitet hätte.20 Bis jetzt ist die Mitternachtsmission Dortmund auch das einzige Projekt in Deutschland, daß sich zielgerichtet mit Sozialarbeit für minderjährige Prostituierte beschäftigt.21
Minderjährigenprostitution gibt es in Dortmund hauptsächlich im Bereich des Hauptbahnhofs, in Kneipen, Cafés, in Discotheken und im Bereich der nördlichen Innenstadt. Es gibt auch Kontaktmagazine, aus denen potentielle Kunden erfahren, wo sie junge Prostituierte finden können und über die sich auch Zuhälter, besonders sogenannte „Nachwuchsloddels“, über zukünftige Erwerbsquellen informieren. Auf der Straße, in Kneipen und Diskotheken haben Minderjährige also die Möglichkeit der Prostitution unauffällig nachzugehen während in bordellartigen Betrieben und in der Linienstraße (die Dortmunder Bordellstraße) schon eher darauf geachtet wird, daß keine Minderjährigen sexuelle Dienstleistungen anbieten.22
Von den Zuhältern werden die betroffenen Mädchen stark kontrolliert und reglementiert und einige sehr junge Frauen berichteten gegenüber der Mitternachtsmission auch von einzelnen bordellartigen Betrieben, in die sie verkauft werden sollten oder in denen sie bereits gearbeitet haben.23
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Prostitution Min
[...]
1 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,2087951,00.html
2 Http://www.bpb.de/publikationen/FA6VLK,0,0,Gewaltpr%E4vention_durch_Arbeit_mit_ Minderj%E4hrigen_in_der_Prostitution.html
3 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,2087951,00.html
4 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 52
5 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 54
6 Http://www.bpb.de/publikationen/FA6VLK,0,0,Gewaltpr%E4vention_durch_Arbeit_mit_ Minderj%E4hrigen_in_der_Prostitution.html
7 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 54
8 Http://www.bpb.de/publikationen/FA6VLK,0,0,Gewaltpr%E4vention_durch_Arbeit_mit_ Minderj%E4hrigen_in_der_Prostitution.html
9 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 54
10 Basis e.V.: Jahresberichte 2004, S. 47
11 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S.25
12 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 53
13 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,2087951,00.html
14 Http://www.bpb.de/publikationen/FA6VLK,0,0,Gewaltpr%E4vention_durch_Arbeit_mit_ Minderj%E4hrigen_in_der_Prostitution.html
15 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 53
16 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 9/10
17 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 54
18 Http://www.bpb.de/publikationen/FA6VLK,0,0,Gewaltpr%E4vention_durch_Arbeit_mit_ Minderj%E4hrigen_in_der_Prostitution.html
19 ebd.
20 Mitternachtsmission e.V.: Jahresbericht 2004, S. 52
21 Laut Auskunft in einer E-mail der Mitternachtsmission an mich vom 07.02.2006
22 http://www.d1a.de/mitternachtsmission/
23 ebd.
- Quote paper
- Jasmin Becker (Author), 2006, Minderjährige Prostituierte in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53070