Bevor auf das eigentliche Thema dieser Hausarbeit, der Untersuchung der medialen Darstellung der deutsch-russischen Beziehungen eingegangen wird, scheint es angebracht, zunächst folgendes Phänomen näher zu beleuchten: Bei vielen Gelegenheiten hört man heutzutage wieder und wieder, man lebe in einer Mediengesellschaft. Gerhard Schröder etwa wurde als Medienkanzler bezeichnet, weil er den Umgang mit Fernsehen, Hörfunk und Presse meisterhaft beherrschte. Auch noch so renitente Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens beginnen zu erkennen, dass ihre Arbeit ohne Medien nicht mehr funktioniert – ein Merkmal der Mediengesellschaft? Doch was ist es, dass die heutige Gesellschaft in Bezug auf Medien charakterisiert? Eine Antwort auf diese Frage ist natürlich zu komplex, um sie an dieser Stelle in einem kurzen, einleitenden Kapitel abzuhandeln. Dennoch soll versucht werden, auf Probleme hinzuweisen, Denkanstöße zu geben und die ein oder andere These zu wagen. [...] Die Frage ist nun, in wie weit die Ereignisse in der Ukraine für die deutsch-russischen Beziehungen zu Beginn des folgenden Jahres von der ausgewählten Presse immer noch als belastend gesehen werden, oder welche anderen Faktoren als fördernd oder hemmend für die Beziehungen dargestellt werden. Ganz konkret wird dabei neben den Ereignissen in der Ukraine noch auf die Sicht der Presse zum Zustand der Demokratie in Russland und zu der persönlichen Beziehung zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Wladimir Putin eingegangen. Es ist wichtig, folgendes immer im Hinterkopf zu haben: Es geht in dieser Arbeit nicht um die deutsch-russischen Beziehungen, wie sie in besagtem Zeitraum de facto waren, sondern um deren Perzeption und Darstellung durch die Presse. Kapitel 2 dieser Arbeit wird diese wichtige Unterscheidung genauer erläutern.
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Gedanken und Anmerkungen zu Medien als Informationsvermittlern
3) Die deutsch-russischen Beziehungen in medialer Darstellung
3.1 Demokratie in Russland?
3.2 Deutsch-russische Beziehung als Schröder-Putin Freundschaft
3.3 Die Rolle der „Orangenen Revolution“ in der Ukraine
4) Schlussbetrachtung
6) Quellenverzeichnis
7) Literaturverzeichnis
1) Einleitung
Bevor auf das eigentliche Thema dieser Hausarbeit, der Untersuchung der medialen Darstellung der deutsch-russischen Beziehungen eingegangen wird, scheint es angebracht, zunächst folgendes Phänomen näher zu beleuchten:
Bei vielen Gelegenheiten hört man heutzutage wieder und wieder, man lebe in einer Mediengesellschaft. Gerhard Schröder etwa wurde als Medienkanzler bezeichnet, weil er den Umgang mit Fernsehen, Hörfunk und Presse meisterhaft beherrschte. Auch noch so renitente Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens beginnen zu erkennen, dass ihre Arbeit ohne Medien nicht mehr funktioniert – ein Merkmal der Mediengesellschaft?
Doch was ist es, dass die heutige Gesellschaft in Bezug auf Medien charakterisiert? Eine Antwort auf diese Frage ist natürlich zu komplex, um sie an dieser Stelle in einem kurzen, einleitenden Kapitel abzuhandeln. Dennoch soll versucht werden, auf Probleme hinzuweisen, Denkanstöße zu geben und die ein oder andere These zu wagen.
U. a. wird versucht, die komplizierte Rolle der Medien bei der Darstellung von Realität zu erörtern. Dies erleichtert es erheblich, einen distanzierteren und kritischeren Blick auf das zu bekommen, was in den Medien als angebliche Realität verkauft wird.
Als weiterer Punkt des 2. Kapitels wird die Rolle der Medien bei der Erzeugung einer öffentlichen Meinung und allgemeingültiger gesellschaftlicher Grundkonsense thematisiert.
Anschließend, in Kapitel 3 wird dann das konkrete Thema der medialen Darstellung der deutsch-russischen Beziehungen im Zeitraum von Januar bis Mai 2005 anhand folgender Zeitungen und Zeitschriften behandelt: Die Welt, Focus, Der Spiegel und Frankfurter Rundschau.
Warum gerade diese Zeitungen?
Mit der Wahl soll ein sinnvoller Maßstab eingehalten werden in sofern, als einerseits der quantitative Rahmen nicht gesprengt wird, andererseits aber eine Abdeckung von einer politisch verschiedenen Lagern zugehörigen Presse gewährleistet ist. Als Vertreter des konservativen Lagers treten Die Welt und der Focus auf, während Der Spiegel und vor allem die Frankfurter Rundschau eher dem linksliberalen Lager zuzuordnen sind.
Warum gerade dieser Zeitraum?
Im Herbst des Jahres 2004 fand in der Ukraine ein friedlicher Machtwechsel statt, der als „Orangene Revolution“ in die Geschichte eingegangen ist. Russlands Rolle dabei wurde weithin als äußerst unverständlich angesehen und rief viel Kritik im westlichen Ausland hervor. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vorschnell die Ergebnisse einer Stichwahl vom 21. November anerkannt und dem Russland nahe stehenden Wiktor Janukowitsch zum Wahlsieg gegen seinen Mitkonkurrenten um das Amt des ukrainischen Präsidenten, den westlich orientierten Wiktor Juschtschenko, gratuliert. Nach heftigen Protesten der Opposition wurde die auch von der OSZE als undemokratisch bezeichnete Stichwahl am 26. Dezember wiederholt. Wiktor Juschtschenko siegte mit 51,99 % der Stimmen.
Die Frage ist nun, in wie weit die Ereignisse in der Ukraine für die deutsch-russischen Beziehungen zu Beginn des folgenden Jahres von der ausgewählten Presse immer noch als belastend gesehen werden, oder welche anderen Faktoren als fördernd oder hemmend für die Beziehungen dargestellt werden. Ganz konkret wird dabei neben den Ereignissen in der Ukraine noch auf die Sicht der Presse zum Zustand der Demokratie in Russland und zu der persönlichen Beziehung zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Wladimir Putin eingegangen.
Es ist wichtig, folgendes immer im Hinterkopf zu haben: Es geht in dieser Arbeit nicht um die deutsch-russischen Beziehungen, wie sie in besagtem Zeitraum de facto waren, sondern um deren Perzeption und Darstellung durch die Presse. Kapitel 2 dieser Arbeit wird diese wichtige Unterscheidung genauer erläutern.
2) Gedanken und Anmerkungen zu Medien als Informationsvermittlern
Die postindustrielle Gesellschaft[1] als Wissensgesellschaft ist ohne Medien nicht mehr vorstellbar. Deutlich wird dies etwa mit Blick auf das enorme quantitative Wachstum, das klassische Medien, also Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen mit der Entwicklung der Wissensgesellschaft erfahren haben. So ist das Informationsangebot durch besagte klassische Medien von 1960 – 1990 um 3000 % gestiegen.[2] Aufgrund des Erscheinungsdatums des zugrunde liegenden Buches ist hier das Internet als heutzutage nicht mehr weg zu denkendes Medium noch gar nicht berücksichtigt, es hat jedoch eklatanterweise die Informationsmöglichkeiten weiter um ein Vielfaches potenziert.
Während in der Agrargesellschaft Kommunikation fast ausschließlich face-to-face betrieben wurde, so ist schon in der industriellen, spätestens aber in der gegenwärtigen Wissensgesellschaft eine physische Anwesenheit der Kommunikationsteilnehmer nicht mehr zwingend nötig. Medien übernehmen häufig die Informationsüberbringung, die nicht mehr nur auf einen relativ kleinen Kreis von Personen beschränkt ist. Im Gegenteil, der Kreis der durch Medien an öffentlicher Kommunikation beteiligten Menschen ist enorm groß und wächst weiter, auch wenn konzediert werden muss, dass ein überwiegender Teil sich nicht aktiv an der Kommunikation beteiligt, sondern nur Rezipient von Informationen ist. Gedacht sei hier etwa an den „klassischen“ Zeitungsleser, der nicht auf jeden Artikel mit einem Leserbrief antwortet.
In unserer Gesellschaft lässt sich längst, wie in den übrigen westlichen Gesellschaften auch, das Phänomen der Massenkommunikation konstatieren. Jene kann wie folgt definiert werden: „Massenkommunikation umgreift die Institutionen und Techniken, mit deren Hilfe spezialisierte Gruppen technische Mittel (Presse, Rundfunk, Film usw.) benutzen, um symbolische Inhalte an ein großes, heterogenes und weit verstreutes Publikum zu verbreiten.“[3]
In Zeiten der Massenkommunikation käme eine völlige Verweigerung des Gebrauchs moderner Medien gesellschaftlicher Isolierung gleich. In der Tat existieren empirische Zusammenhänge zwischen sehr geringem Medienkonsum und gesellschaftlichen Benachteiligungen, wie etwa: extreme Armut, Obdachlosigkeit, Krankheit oder Nicht-Teilnahme am politischen Geschehen.[4]
Wie schon in der Definition von Massenkommunikation erwähnt, richten sich Massenmedien an ein großes und zumeist heterogenes Publikum. Dies trifft für das Fernsehen in noch größerem Maße zu als für Zeitungen, da letztere sich mit ihren Veröffentlichungen in der Regel auf „speziellere“ Publikumsgruppen eingestellt haben. Diese Publikumsgruppen sind gekennzeichnet durch ein relativ hohes Maß an gemeinsamen Interessen, gemeinschaftlicher kultureller Verständigung und ähnlichen Wertvorstellungen. Es zeigt sich also, dass in der riesigen heterogenen Masse der Medienrezipienten eine Vielzahl kleinerer Gruppierungen existieren, die dann mehr oder weniger homogen bezüglich ihrer Werte und Einstellungen sind. Als Beispiel sei hier etwa auf christlich-konservative Gesellschaftsteile verwiesen, oder, auf der anderen politischen Seite, auf Anhänger linksautonomer Ideologien. Für beide höchst verschiedenen politisch-soziologischen Lager gibt es unterschiedliche Zeitungen, die die jeweiligen Weltbilder und Erwartenshaltungen den Ansprüchen entsprechend bedienen und ihrer Arbeit zu Grunde legen.
Es ist wohl weitgehend unbestritten, dass Medien in der postindustriellen Gesellschaft die öffentliche(n) Meinung(en) bestimmen. Zunächst erscheint es angebracht, den Begriff „öffentliche Meinung“ kurz zu klären. Klaus Mertens definiert ihn folgendermaßen:
„Öffentliche Meinung ist ein „Kommunikationsprozess zur Auswahl von relevanten oder für relevant ausgegebenen Sachverhalten oder Problemen, die als Themen etabliert werden und zu denen vor allem durch die Medien Meinungen erzeugt werden.“[5]
Öffentliche Debatten und Diskurse entstehen also nicht per se, sondern müssen von den Medien ins Blickfeld gerückt und somit lanciert werden. Bliebe jegliche Berichterstattung über ein Thema – und sei es auch noch so relevant – aus, so würde es nicht ins Licht der Öffentlichkeit gedrängt werden und für einen Großteil der Menschen nicht existieren. Oder anders formuliert: Viele Ereignisse wären für viele Menschen nicht existent, wenn sie nicht in den Medien vorkämen. Sie blieben schlicht für immer unbekannt.
Es wird schnell deutlich, dass Medien die Macht haben, Realität zu konstruieren[6] und Schwerpunkte auf einer Themenagenda zu etablieren. Ganz abgesehen davon, dass es eine „wahrheitsgemäße“ Darstellung der Realität nicht geben kann[7], trifft der Sachverhalt der Konstruktion (Niklas Luhmann gebrauch sogar den Begriff der Manipulation) derselben doch gerade auf Medien zu. Luhmann gibt hierzu ein treffendes Beispiel:
Er verweist auf die gängige Praxis der Medien, sich in sich selbst zu spiegeln und diese Spiegelung dann wiederum als Ereignis zu betrachten.[8] Gemeint sind damit konkrete Meinungen, etwa Kommentare, Kritiken oder Initiativen, die dem Publikum präsentiert werden. In der Regel beziehen sich solche Meinungen der Medien immer auch auf Ereignisse fernab des eigentlich zu Berichtenden und bringen diese dann wieder auf die Tagesordnung. Was in der Gesellschaft mit welchen Argumenten diskutiert wird und auf welche Ereignisse dabei Bezug genommen wird, hängt ganz entscheidend von der Berichterstattung und Kommentierung durch die Medien ab. Diskurse können künstlich erzeugt und Dinge zu Ereignissen werden, die eigentlich gar keine sind – auf Kosten der Realitätsvermittlung!
Selbst der scheinbar unverfälschte Realität widerspiegelnde Fall des schlichten „Draufhaltens“ einer Kamera auf ein Ereignis erfüllt dennoch das Kriterium der Realitätsinszenierung.[9] So bleibt es immer noch Sache der vor Ort arbeitenden Journalisten, etwa über die Szenenauswahl, die handelnden Personen, die Länge der jeweiligen Ausschnitte und deren Einkleidung in anderes Bildmaterial, die Perspektive usw. zu entscheiden. All diese Entscheidungen können nicht objektiv getroffen werden und sorgen so doch wieder für eine Konstruktion von Realität.
[...]
[1] Der Begriff “postindustrielle Gesellschaft” wurde geprägt durch Daniel Bell in seinem Werk: The Coming of Post Industrial Society: A Venture in Social Forecasting, New York 1973
[2] Vgl. Merten, K., Westerbarkey, J.: Public Opinion and Public Relations, in: Merten, K., Schmidt, S. J., Weischenberg, S. (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994, S. 191
[3] Zitiert in: McQuail, D.: Soziologie der Massenkommunikation (= Beiträge zur Medientheorie und Kommunikationsforschung), Berlin 1973, S. 7
[4] Vgl. ebd., S. 9 – Dass auch der Überkonsum von Medien, insbesondere von Unterhaltungsmedien, gesellschaftliche Nachteile mit sich bringen kann, ist eine interessante Beobachtung, jedoch ein anderes Thema.
[5] Merten, Klaus: Öffentliche Meinung, in: Görlitz, A., Prätorius, R. (Hrsg.): Handbuch der Politikwissenschaft, Reinbeck 1987, S. 331
[6] Vgl. hierzu auch Merten, K., Westerbarkey, J. (wie Anmerk. 2), S. 191 f.
[7] Man denke hier an die Theorie des Konstruktivismus, der bei der Erkennung der Wahrheit dem Erkennenden eine aktive Rolle im Erkenntnisprozess einräumt. In der radikalsten Auslegung des Konstruktivismus bedeutet dies also, dass die Welt von jeder Person individuell (kognitiv) konstruiert wird und objektiv nicht abgebildet werden kann.
[8] Vgl. Luhmann, N.: Die Realität der Massenmedien, 2. erw. Aufl., Opladen 1996, S. 69 f.
[9] Vgl. Haller, M.: Recherche und Nachrichtenproduktion als Konstruktionsprozesse, in: Merten, K., Schmidt, S. J., Weischenberg, S. (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994, S. 279
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- Joachim von Meien (Author), 2006, Mediale Darstellung der deutsch- russischen Beziehungen nach ausgewählten deutschen Zeitungen von Januar bis Mai 2005, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53029
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