In einer sich stets ändernden Umwelt müssen sich Unternehmen an die neuen Marktgegebenheiten anpassen und ihre Wettbewerbsfähigkeit beweisen. In Zeiten der weltweiten Globalisierung gilt diese Maxime mehr denn je. Unternehmen, die diesen Herausforderungen nicht gewachsen sind, spüren schnell die ersten Symptome einer Unternehmenskrise. Um diese zu bekämpfen ist eine neue Konzeption, bzw. eine Umstrukturierung des Unternehmens notwendig, die mit einem erheblichen Finanzierungsaufwand verbunden ist. Falls dies dem Unternehmen allein nicht gelingt, könnte der Staat mittels wirtschaftspolitischer Instrumente eingreifen.
In EU wird die Beihilfengewährung, als ein sehr umstrittener Teil der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik, von der Europäischen Kommission1geregelt und kontrolliert. Die Kommission hat in den letzten Jahren eine grundlegende Reform der Wettbewerbspolitik verkündet. Die Reform betrifft auch die Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Am 1. Oktober 2004 wurde eine neue Fassung der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen (R&U) veröffentlicht, die die geänderte Entscheidungspraxis der Kommission in diesem Gebiet widerspiegelt. Die Kommission stellt einen gegenüber den alten Leitlinien deutlich strengeren Ansatz vor.
Zweck dieser Arbeit ist die Reform der Leitlinien für R&U im Detail zu diskutieren und zu würdigen. Kapitel 2. stellt die Grundsätze des europäischen Beihilfenrechts dar. Im Kapitel 3. wird die Notwendigkeit einer Beihilfenreform erläutert. Weiterhin werden die einzelnen Regelungen der Leitlinien analysiert und aus ökonomischer Sicht beurteilt.
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Überblick EG- Beihilfenrecht
2.1. Der Grundsatz des Art. 87 Abs. 1 EGV
2.2. Die Ausnahmen des Art. 87, Abs. 3 EGV
2.3. Der Begriff der Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen
3. Die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien der EG5
3.1. Sinn und Zweck der Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung
3.1.1. Notwendigkeit der Beihilfenkontrolle
3.1.2. Die Rolle der Leitlinien zu Rettung und Umstrukturierung als Instrument der Beihilfenkontrolle
3.2. Die Reform der Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen
3.2.1. Notwendigkeit der Reform der Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen. Aktionsplan „Staatliche Beihilfen“
3.2.2. Analyse der Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung
3.2.2.1. Anwendungsbereich
3.2.2.2. Grundsätze der Leitlinien für Rettung und Umstrukturierung
3.2.2.3. Genehmigungsvoraussetzungen
Zusammenfassende ökonomische Würdigung
4. Fazit
Literaturverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
In einer sich stets ändernden Umwelt müssen sich Unternehmen an die neuen Marktgegebenheiten anpassen und ihre Wettbewerbsfähigkeit beweisen. In Zeiten der weltweiten Globalisierung gilt diese Maxime mehr denn je. Unternehmen, die diesen Herausforderungen nicht gewachsen sind, spüren schnell die ersten Symptome einer Unternehmenskrise. Um diese zu bekämpfen ist eine neue Konzeption, bzw. eine Umstrukturierung des Unternehmens notwendig, die mit einem erheblichen Finanzierungsaufwand verbunden ist. Falls dies dem Unternehmen allein nicht gelingt, könnte der Staat mittels wirtschaftspolitischer Instrumente eingreifen.
In EU wird die Beihilfengewährung, als ein sehr umstrittener Teil der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik, von der Europäischen Kommission[1] geregelt und kontrolliert. Die Kommission hat in den letzten Jahren eine grundlegende Reform der Wettbewerbspolitik verkündet. Die Reform betrifft auch die Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Am 1. Oktober 2004 wurde eine neue Fassung der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen (R&U) veröffentlicht, die die geänderte Entscheidungspraxis der Kommission in diesem Gebiet widerspiegelt. Die Kommission stellt einen gegenüber den alten Leitlinien deutlich strengeren Ansatz vor.
Zweck dieser Arbeit ist die Reform der Leitlinien für R&U im Detail zu diskutieren und zu würdigen. Kapitel 2. stellt die Grundsätze des europäischen Beihilfenrechts dar. Im Kapitel 3. wird die Notwendigkeit einer Beihilfenreform erläutert. Weiterhin werden die einzelnen Regelungen der Leitlinien analysiert und aus ökonomischer Sicht beurteilt.
2. Überblick EG - Beihilfenrecht
2.1. Der Grundsatz des Art. 87 Abs. 1 EGV
Beihilfen sind wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates in das wirtschaftliche Geschehen eines Landes. Solche staatliche Maßnahmen werden generell als problematisch beurteilt, weil dadurch eine Verfälschung des Wettbewerbs hervorgerufen wird.[2] Die Beeinträchtigung der Marktprozesse durch Beihilfengewährung bringt die Gefahr mit sich, dass den unterstützten Unternehmen Vorteile verschafft werden, die von den anderen Marktteilnehmer, und sogar vom ganzen Markt im Kauf genommen werden müssen.
Staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb beeinflussen, und deren Durchführung vom Staat mit der Erreichung ökonomischer und sozialpolitischer Ziele, wie Vermeidung von Arbeitslosigkeit oder Entwicklung bestimmter Regionen begründet werden, sind grundsätzlich mit dem EG-Vertrag unvereinbar.[3] Art.87 Abs.1 EGV enthält ein generelles Verbot von Beihilfen. Gemäß dem Wortlaut des Artikels gilt es:
„So weit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichem Mittel gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
Der Begriff der Beihilfe wird von der EG nicht explizit definiert.[4] Er umfasst jede Art von Vergünstigung für die keine Gegenleistung erbracht wird.[5] Unter Beihilfen werden allgemein finanzielle Zuschüsse, Steuerbefreiungen, Zinsermäßigungen, Bürgschaften, Verlustübernahmen oder andere Aktivitäten der öffentlichen Hand, die ähnliche Wirkungen haben, verstanden.[6] Die fehlende Definition des Begriffes könnte dazu führen, dass eine staatliche Maßnahme, je nach Interessenlage, als Beihilfe oder als keine solche dargestellt wird. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der einheitlichen Auslegung des Beihilfenbegriffs. Um Missbräuche zu vermeiden wurden von der Kommission und von der europäischen Rechtssprechung Kriterien entwickelt, anhand deren geprüft wird, ob eine Beihilfe vorliegt. Die Kriterien basieren auf Art.87 Abs.1 EGV und müssen kumulativ erfüllt werden.[7] So normiert Art.87 Abs.1 EGV unter welchen Voraussetzungen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar sind:[8]
- Staatliche Mittel. Eine Beihilfe beinhaltet eine staatliche Beteiligung bzw. einen Transfer öffentlicher Mittel.[9] Dabei ist es unerheblich ob es sich um direkte monetäre Hilfe handelt, oder um Maßnahmen, mit denen der Staat eine lenkende Funktion erfüllt.
- Ökonomischer Vorteil, bzw. Gewährung einer Vergünstigung. Die Begünstigung eines Beihilfenempfängers findet in einem wirtschaftlichen Vorteil Ausdruck, welchen er nicht im Laufe der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erlangen könnte.[10]
- Selektivität. Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind solche Beihilfen, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen.[11] Auf dieser Art und Weise werden einige Unternehmen stärker begünstigt als andere.
- Auswirkung auf den Wettbewerb und auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten. Maßgeblich hierfür ist eine Veränderung der Konkurrenzsituation aller miteinander in Wettbewerb stehenden Unternehmen. Es ist zu beachten, dass für neue Konkurrenten den Marktzugang nicht erschwert werden darf.[12] Im Falle, dass sich das begünstigte Unternehmen in einem Markt befindet, in dem Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten aktiv sind, ist eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten festzustellen, was den Zielen eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts zuwiderläuft. Um dieses Kriterium zu erfüllen ist es keine tatsächliche Beeinträchtigung erforderlich, sondern bereits die Eignung einer Maßnahme dafür.[13]
2.2. Die Ausnahmen des Art. 87 Abs. 3 EGV
Mit einem absoluten Verbot von Beihilfen könnte es zu einem grundlegenden Konflikt mit den Interessen der Mitgliedstaaten an der Durchsetzung ihrer wirtschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen kommen.[14] Dieses Dilemma versucht Art.87 Abs.3 EGV zu lösen, indem anerkannt wird, dass Beihilfen ein unentbehrliches Mittel der Wirtschaftspolitik sind, „das zur Verwirklichung politischer, sozialer und wirtschaftlicher Zwecke angesetzt werden kann“.[15] Art.87 Abs.3 EGV nennt einzelne Förderzwecke, zu deren Erfüllung, Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.[16] Die Entscheidung hierfür obliegt der Kommission. Hierbei kommt ihr ein erheblicher Ermessenspielraum zu.[17] Bei der Beurteilung der Kommission ist einerseits das Vertragsziel des Art.3 Abs.1 lit. g EGV maßgeblich, wonach der EG-Vertrag ein System aufbauen soll, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschung schützt. Andererseits ist die Bestimmung des Art.2 EGV zu beachten, durch eine Annäherung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten, eine Harmonisierung des gemeinschaftlichen Wirtschaftsraumes zu fördern.[18] Staatliche Beihilfen erweisen sich somit als wirksame Instrumente, um Ziele von gemeinsamen Interessen zu erreichen.[19] Ein Staatseingriff in Form einer Beihilfe i.S.v. Art.87 Abs.3 EGV wird mit einer Abweichung vom gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht durch Marktversagen oder durch externe Effekte begründet.[20] Da Art.87 Abs.3 EGV genau definierte Ausnahmen des Beihilfeverbots gem. Art.87 Abs.1 EGV beinhaltet, liegt es einzig im Ermessenspielraum der Kommission, Entscheidungen nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertung zu treffen, die das Interesse der Gemeinschaft als Ganzes betreffen.[21]
2.3. Der Begriff der Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen
Art.87 Abs.3 lit. c EGV ist die Rechtsgrundlage für Vereinbarkeit der R&U mit dem Gemeinsamen Markt. Er umfasst Ausnahmefälle, die notwendigerweise zur Förderung gewisser Unternehmen führen.[22] In der Wirtschaftspolitik herrscht die Meinung, dass der Markt für optimale Ressourcenallokation sorgt. Deshalb werden die R&U als kritisch betrachtet, da sie jedenfalls eine Wettbewerbsverfälschung darstellen. Im Falle, dass ein Unternehmen die Krise nicht aus eigener Kraft überwinden kann, muss der Staat dann eingreifen, wenn die Gefahr besteht, dass bei einer Insolvenz mit erheblichen wirtschaftlichen Kosten zu rechnen ist.[23] Daraus wird ersichtlich, dass es sich bei den R&U um ein besonders sensibles Instrument der Wirtschaftspolitik handelt.[24] Die R&U sind eine Sammelkategorie für zwei verschiedene Arten von Beihilfen. Dennoch fällt die Abgrenzung in der Praxis schwierig und erfolgt spezifisch für jedes Unternehmen.
Die Rettungsbeihilfen haben rein vorübergehenden Charakter und dienen dazu, Krisenunternehmen für eine gewisse Zeit bis höchstens sechs Monate am Leben zu erhalten. Das Unternehmen gewinnt dadurch genug Zeit, die Situation zu analysieren und ein Umstrukturierungskonzept zu erstellen. Dabei kommt es zu keinen finanziellen Zuschüsse. Die Rettungsbeihilfe besteht entweder in Übernahme von Bürgschaften oder in Darlehengewährung seitens des zugehörigen Mitgliedstaates. Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens wird mit möglichst wenig sozialen Kosten aufrechterhalten, bis eine Lösung in Form eines Umstrukturierungsplans gefunden wird. Falls nach der sechsmonatigen Frist kein Umstrukturierungsplan vorgelegt wird, soll das Unternehmen die Kreditrückzahlung, bzw. die Bürgschaftsbeendigung nachweisen. Damit gilt die Unternehmenskrise als bekämpft. Sobald ein Umstrukturierungsplan erstellt wird gilt jede weitere Beihilfe an dieses Unternehmen als Umstrukturierungsbeihilfe.[25]
[...]
[1] Im Folgenden die Kommission.
[2] Vgl. EHRICKE, Staatliche Beihilfen , S. 179-180.
[3] Vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION, Aktionsplan, S. 9; HARTWICH/HAUCAP, Beihilfenkontrolle der Europäischen Union, S. 3; EHRICKE, Staatliche Beihilfen S.180; HOISCHEN, Beihilfenregelung, S. 41.
[4] Vgl. HESKAMP, Vereinbarkeit mit Art. 87 EGV, S. 115.
[5] Vgl. KOENIG, Weichenstellungen in EG, S. 10.
[6] Vgl. BÖRNER, Recht und Praxis der Beihilfen, S. 27.
[7] Vgl. HARTWICH/HAUCAP, Beihilfenkontrolle der Europäischen Union, S.3.
[8] Vgl. KOENIG, Weichenstellungen in EG, S. 10.
[9] Vgl. HESKAMP, Vereinbarkeit mit Art. 87 EGV, S.124.
[10] Vgl. HARTWICH/HAUCAP, Beihilfenkontrolle der Europäischen Union, S.4.
[11] Vgl. KOENIG, Weichenstellungen in EG, S. 16.
[12] Vgl. BÖRNER, Recht und Praxis der Beihilfen, S. 30.
[13] Vgl. VON DONAT / QUARDT, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 44.
[14] Vgl. EHRICKE, Grundprobleme, S. 4.
[15] MAAG, Wettbewerbsverfälschende Beihilfen, S. 150.
[16] Vgl. HESKAMP, Vereinbarkeit mit Art. 87 EGV, S.210.
[17] Vgl. BÖRNER, Recht und Praxis der Beihilfen, S. 35.
[18] Vgl. RYDELSKI, Antisubventionsrecht, S. 126.
[19] Vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION, Aktionsplan, S. 4.
[20] Vgl. RUDOLPH, Praktische Fragen, S. 172.
[21] Vgl. HESKAMP, Vereinbarkeit mit Art. 87 EGV, S.211.
[22] Vgl. ERLBACHER / HAKENBERG, Die Rechtsprechung, S.207.
[23] Vgl. EHRICKE, EG – Kommission, S. 71.
[24] Vgl. KILB, Reform, S. 56.
[25] Vgl. HOCHMUTH / ZIEGLER, Hilfe für Krisenunternehmen, S. 61; FEHR, Die neuen Leitlinien S. 2125.
- Quote paper
- Petinka Ivanova (Author), 2006, Die Reform der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien im Rahmen der Europäischen Beihilfenkontrolle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52781
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