Als Helmut Schmidt 1974 zum Bundeskanzler gewählt wurde, stand die Bundesrepublik Deutschland vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die auf Grund des Jom-Kippur Krieges1 weltweit ausgelöste erste Ölkrise, die in der plötzlichen Vervierfachung der Rohölpreise auf dem Weltmarkt gipfelte, hatte für die deutsche Wirtschaft insgesamt ernsthafte Konsequenzen. Hier zeigte sich zum ersten Mal die Abhängigkeit Deutschlands sowie aller westlichen Industriestaaten von einigen wenigen erdölproduzierenden Ländern, die diesen Rohstoff erstmals als Mittel der Politik einsetzten. Die unmittelbaren Folgen waren ein Einbruch der ohnehin schon gebeutelten Konjunktur und das Einsetzen einer weltweiten Rezession, verbunden mit einer Steigerung der Arbeitslosenzahlen. Es wurde deutlich, dass die Bundesrepublik den nötigen Strukturwandel von einer Industrie- hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft noch nicht, oder nur in unzureichendem Maße, vollzogen hatte. Die Auswirkungen dieses Schocks bekam das Land nun zu spüren. Symbolisch für den sich abzeichnende Epochenwechsel waren die Sonntagsfahrverbote die Ende 1973 eingeführt wurden, um so der Verknappung des Rohöls entgegen zu wirken. „Die Zeit der billigen Energie war zu Ende gegangen, und die „Grenzen des Wachstums […]“ schienen erreicht zu sein.“2 Weiterhin standen in der Ära Schmidt konzeptionelle Überlegungen zur Aus- und Neugestaltung der sozialen Marktwirtschaft zur Debatte. Im ersten Teil dieser Seminararbeit soll im Rahmen des historischen Kontextes vertieft auf die wirtschaftliche Gesamtlage zu Beginn der Kanzlerschaft Helmut Schmidts eingegangen werden. Ferner werden die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die eingeleitet wurden, auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die einzelnen Arten der Wirtschafts- und Strukturpolitik einer Analyse unterzogen und anhand von Beispielen verdeutlicht. Ziel ist es herauszuarbeiten ob die Regierung Schmidt in der Zeit von 1974 bis 1982 in der Lage war mit den von ihr initiierten Maßnahmen die Wirtschaftskrise zu überwinden und den „Tanker“ Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Historischer Kontext
2.1 Motive für die Modifikation der Wirtschaftspolitik
2.1.1 wirtschaftspolitische Ausgangssituation 1974
2.1.2 Ölkrise 1973
2.2 Ziele der wirtschaftspolitischen Maßnahmen
2.2.1 Strukturwandel
2.2.2 Senkung der Arbeitslosigkeit
2.2.3 Phänomen der „Stagflation“
3. Struktur- und Technologiepolitik
3.1 regionale Strukturpolitik
3.2 sektorale Strukturpolitik
3.2.1 staatliche Lenkungsmöglichkeiten
3.2.2 Technologiepolitik
3.3 betriebsgrößenbezogene Strukturpolitik
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als Helmut Schmidt 1974 zum Bundeskanzler gewählt wurde, stand die Bundesrepublik Deutschland vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die auf Grund des Jom-Kippur Krieges[1] weltweit ausgelöste erste Ölkrise, die in der plötzlichen Vervierfachung der Rohölpreise auf dem Weltmarkt gipfelte, hatte für die deutsche Wirtschaft insgesamt ernsthafte Konsequenzen. Hier zeigte sich zum ersten Mal die Abhängigkeit Deutschlands sowie aller westlichen Industriestaaten von einigen wenigen erdölproduzierenden Ländern, die diesen Rohstoff erstmals als Mittel der Politik einsetzten. Die unmittelbaren Folgen waren ein Einbruch der ohnehin schon gebeutelten Konjunktur und das Einsetzen einer weltweiten Rezession, verbunden mit einer Steigerung der Arbeitslosenzahlen. Es wurde deutlich, dass die Bundesrepublik den nötigen Strukturwandel von einer Industrie- hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft noch nicht, oder nur in unzureichendem Maße, vollzogen hatte. Die Auswirkungen dieses Schocks bekam das Land nun zu spüren. Symbolisch für den sich abzeichnende Epochenwechsel waren die Sonntagsfahrverbote die Ende 1973 eingeführt wurden, um so der Verknappung des Rohöls entgegen zu wirken. „Die Zeit der billigen Energie war zu Ende gegangen, und die „Grenzen des Wachstums“ […] schienen erreicht zu sein.“[2] Weiterhin standen in der Ära Schmidt konzeptionelle Überlegungen zur Aus- und Neugestaltung der sozialen Marktwirtschaft zur Debatte. Im ersten Teil dieser Seminararbeit soll im Rahmen des historischen Kontextes vertieft auf die wirtschaftliche Gesamtlage zu Beginn der Kanzlerschaft Helmut Schmidts eingegangen werden. Ferner werden die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die eingeleitet wurden, auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die einzelnen Arten der Wirtschafts- und Strukturpolitik einer Analyse unterzogen und anhand von Beispielen verdeutlicht. Ziel ist es herauszuarbeiten ob die Regierung Schmidt in der Zeit von 1974 bis 1982 in der Lage war mit den von ihr initiierten Maßnahmen die Wirtschaftskrise zu überwinden und den „Tanker“ Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.
2. Historischer Kontext
Im Folgenden werden die Hintergründe für die veränderte Wirtschaftspolitik Helmut Schmidts im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Willy Brandt dargestellt. Außerdem wird die Ausgangslage analysiert, mit der sich die Regierung Schmidt ab 1974 konfrontiert sah. Weiterhin lässt sich unter der sozial-liberalen Regierung Helmut Schmidts ein Wechsel in der Marktordnungspolitik feststellen. Die Globalsteuerungstheorie[3] Karl Schillers wurde sukzessive durch Krisenmanagement und Strukturpolitik ersetzt.[4] Allgemein kann festgehalten werden, dass gegen Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts die keynesianische (nachfrageorientiert) von einer monetaristischen[5] (angebotsorientiert) Wirtschaftspolitik abgelöst wurde, da erstere nicht mehr im Stande war auf die auftretenden Probleme im geeigneten Maße zu reagieren. Trotz der durch das Stabilitätsgesetz verankerten wirtschaftspolitischen Prozesspolitik der Globalsteuerung wurde diese Art der Wirtschaftssteuerung im Laufe der 70er Jahre zunehmend ignoriert. Besondere Beachtung finden im Folgenden die wirtschaftspolitischen Maßnahmen von denen man sich versprach die Konjunktur wieder zu beleben.
2.1 Motive für die Modifikation der Wirtschaftspolitik
Die Motive für ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik sind vielfältig. Die entscheidende Zäsur in der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland stellt die, ab 1973 einsetzende Ölkrise dar, durch die die gesamte weltwirtschaftliche Konjunktur in eine Rezession geriet. Dadurch wurde es nötig sich über andere staatliche Lenkungsmöglichkeiten Gedanken zu machen. Die Strukturkrise der westdeutschen Wirtschaft, die sich immer deutlicher abzuzeichnen begann, stellte die Politik vor neue Aufgaben. So war die SPD der Auffassung, dass „für die Wiederherstellung der Konkurrenzfähigkeit der westdeutschen Wirtschaft […] eine „aktive Strukturpolitik“ erforderlich“ sei, „die die Konjunkturpolitik ergänzen solle.“[6] Manifestiert wurde dieser Anspruch von Helmut Schmidt in seiner Regierungserklärung vom 17.05.1974, die die Modernisierung der Volkswirtschaft zur Regierungsaufgabe machte.
2.1.1 wirtschaftspolitische Ausgangssituation 1974
Seit dem Jahr 1973 sah sich die Bundesrepublik Deutschland mit dem Problem der steigenden Arbeitslosigkeit konfrontiert. Die Jahre der Vollbeschäftigung, die praktisch seit 1959 existierte, waren vorbei. Mit mehreren staatlichen Programmen zur Wiederbelebung der Konjunktur versuchte die Regierung Schmidt aus dieser Krise heraus zu kommen, was in einigen Fällen sogar von Erfolg gekrönt war. Finanziert werden konnten diese Programme jedoch nur durch Kreditaufnahme des Staates, was wiederum eine erhöhte Verschuldung der öffentlichen Hand zur Folge hatte. Anfang 1976 waren 1,35 Mio. Menschen (Arbeitslosenquote: 5,9 %) ohne Arbeit, was zu diesem Zeitpunkt einen Negativrekord darstellte. Bis zum Regierungswechsel 1982 sollte sich diese Zahl jedoch noch auf 1,8 Mio. erhöhen.[7] Man spricht in diesem Zusammenhang von Sockelarbeitslosigkeit, da auch während wirtschaftlicher Aufschwungphasen kein markantes Abnehmen der Arbeitslosenzahlen fest zu stellen war und somit das Vor-Rezessionsniveau nicht mehr erreicht wurde. Mit Beginn der Amtszeit Helmut Schmidts wurde die deutsche Wirtschaft auch mit dem Problem der „Stagflation“ konfrontiert, dessen Lösung sich nicht mehr mit dem Strategie der Globalsteuerung finden ließ. „Was Globalsteuerung nicht vermochte, war, den Prozess der wirtschaftlichen Umstrukturierung voranzutreiben, der die internationale Konkurrenzfähigkeit verbessert hätte.“[8] Ein weiteres Problem stellten die Ziele, die im Stabilität- und Wachstumsgesetz von 1967 festgelegt wurden (Preisstabilität, wirtschaftliches Wachstum, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Vollbeschäftigung) dar. Das ranggleiche Nebeneinanderstellen dieser Ziele verkannte die Wechselwirkungen denen diese unterworfen waren. Es können nie alle Ziele auf einmal verwirklicht werden, sondern das Erreichen eines Ziels hat immer eine negative Beeinflussung eines Anderen zur Folge.
[...]
[1] israelisch-arabischer Krieg vom 06.10 - 25.10.1973
[2] Weber, Jürgen: Jahre der Krisen – Politische Belastungsproben und ihre Bewältigung während der Regierung Schmidt/Genscher 1974 bis 1982, In: Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.): Deutsche Geschichte 1945-1990, München 2004, 3. erweiterte Auflage, S.169.
[3] Die Idee der von Karl Schiller entwickelten Theorie der Globalsteuerung geht davon aus, dass der Staat im nationalen Rahmen die Konjunkturzyklen auspendeln kann und damit die Prosperität der Wirtschaft garantiert
[4] Sturm, Roland: Politische Wirtschaftslehre, Opladen 1995, Tabelle 1: Marktwirtschaft in Deutschland, S.76.
[5] Monetarismus: geldtheoretisches und –politisches Konzept und gleichzeitig Vorläufer der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, entstand auf kritische Reaktion auf den Keynesianismus. Monetaristen halten staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsablauf zur wirtschaftspolitischen Gestaltung für ungeeignet. Stattdessen wird die längerfristig konzipierte und praktizierte Geldmengenpolitik empfohlen, da in erster Linie monetäre Impulse geeignet sind, realwirtschaftliche Effekte auszulösen. In: Rürup, Bert: Fischer Wirtschafts-Lexikon, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt a.M. 1995, S.186.
[6] Sturm, Roland: Politische Wirtschaftslehre, Opladen 1995, S.104.
[7] Vgl.: Weber, Jürgen: Jahre der Krisen – Politische Belastungsproben und ihre Bewältigung während der Regierung Schmidt/Genscher 1974 bis 1982, in: Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.): Deutsche Geschichte 1945-1990, München 2004, 3. erweiterte Auflage, S.169.
[8] Sturm, Roland: Politische Wirtschaftslehre, Opladen 1995, S.100.
- Arbeit zitieren
- Oliver Ziesemer (Autor:in), 2006, Versuche der Modernisierung der Wirtschaft durch Struktur- und Technologiepolitik in der Kanzlerschaft Helmut Schmidts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52778
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