Schon seit längerer Zeit befindet sich die SPD in einem Umfragetief. Auch bei der ersten gesamtdeutschen Wahl seit der Bundestagswahl 2002, der Europawahl im Mai diesen Jahres, kam die Partei auf ein historisch schlechtes Ergebnis: Sie erlangte lediglich 22% der abgegebenen Stimmen, und die CDU/CSU gewann die Wahl deutlich mit 45%. Interessant wird das Ergebnis, wenn man auf das Wahlverhalten der Gewerkschaftszugehörigen schaut. Die Unionsparteien erlangten erstmals bei einer bundesweiten Wahl mit 34% mehr Stimmen von den Gewerkschaftsmitgliedern als die SPD, die auf 32% kam. Wir haben es hier mit einer Entwicklung zu tun, die das historisch gewachsene Bündnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften ins Wanken geraten lässt, denn gerade die Klientel der Gewerkschaftsgebundenen war über Jahrzehnte hinweg die treueste Wählerschicht der Sozialdemokraten. Auch die Anstrengungen des im Juli 2004 neugegründeten Vereins für „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“, sich eventuell im Herbst 2004 als linke Kraft in der deutschen Parteienlandschaft zu etablieren, tut das seinige, um die Diskussionen eines Bündnisbruchs nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Denn schon der Name des Vereins lässt erahnen, dass hier insbesondere enttäuschte Gewerkschaftsgebundene angesprochen werden sollen. Es stellt sich nun die Frage, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Zentral in dieser Hausarbeit untersuche ich ausserdem, was die Konsequenzen eines Bündnisbruchs sowohl für die SPD, als auch für die Gewerkschaften wären.
Im Hauptteil werde ich zuerst auf historische Entwicklungen und die Cleavagetheorie als theoretischen Hintergrund eingehen. Im Anschluss gehe ich näher auf Faktoren ein, die das Bündnis gefährden, wie den sozialstrukturellen Wandel oder tagespolitische Entscheidungen. Abschließend analysiere ich zusammenfassend die Konsequenzen eines Bündnisbruchs.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Geschichtliche und theoretische Hintergründe
2.1 Die Anfänge der deutschen Sozialdemokratie
2.2 Der Aufstieg der Gewerkschaften
2.3 Die Cleavagetheorie
2.4 Verzahnung der SPD mit den Gewerkschaften
3 Entwicklungen, die das Bündnis gefährden
3.1 Sozialstruktureller Wandel
3.2 Veränderte gewerkschaftliche Gebundenheit von Angestellten und Beamten
3.3 Aktuelle tagespolitische Entwicklungen
3.4 Ein Blick in die Wahlstatistik der BTW 1998 und 2002
4 Konsequenzen eines Bündnisbruchs
4.1 Auswirkungen für die SPD
4.2 Auswirkungen für die Gewerkschaften
5 Fazit und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
1 Einleitung
Schon seit längerer Zeit befindet sich die SPD in einem Umfragetief. Auch bei der ersten gesamtdeutschen Wahl seit der Bundestagswahl 2002, der Europawahl im Mai diesen Jahres, kam die Partei auf ein historisch schlechtes Ergebnis: Sie erlangte lediglich 22% der abgegebenen Stimmen, und die CDU/CSU gewann die Wahl deutlich mit 45%. Interessant wird das Ergebnis, wenn man auf das Wahlverhalten der Gewerkschaftszugehörigen schaut. Die Unionsparteien erlangten erstmals bei einer bundesweiten Wahl mit 34% mehr Stimmen von den Gewerkschaftsmitgliedern als die SPD, die auf 32% kam. Wir haben es hier mit einer Entwicklung zu tun, die das historisch gewachsene Bündnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften ins Wanken geraten lässt, denn gerade die Klientel der Gewerkschaftsgebundenen war über Jahrzehnte hinweg die treueste Wählerschicht der Sozialdemokraten. Auch die Anstrengungen des im Juli 2004 neugegründeten Vereins für „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“, sich eventuell im Herbst 2004 als linke Kraft in der deutschen Parteienlandschaft zu etablieren, tut das seinige, um die Diskussionen eines Bündnisbruchs nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Denn schon der Name des Vereins lässt erahnen, dass hier insbesondere enttäuschte Gewerkschaftsgebundene angesprochen werden sollen. Es stellt sich nun die Frage, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Zentral in dieser Hausarbeit untersuche ich ausserdem, was die Konsequenzen eines Bündnisbruchs sowohl für die SPD, als auch für die Gewerkschaften wären.
Im Hauptteil werde ich zuerst auf historische Entwicklungen und die Cleavagetheorie als theoretischen Hintergrund eingehen. Im Anschluss gehe ich näher auf Faktoren ein, die das Bündnis gefährden, wie den sozialstrukturellen Wandel oder tagespolitische Entscheidungen. Abschließend analysiere ich zusammenfassend die Konsequenzen eines Bündnisbruchs.
2 Geschichtliche und theoretische Hintergründe
2.1 Die Anfänge der deutschen Sozialdemokratie
Deutschland war zur Revolutionszeit 1848/49 ein loser Zusammenschluss souveräner Staaten unter der Vorherrschaft Preußens. Die Industrialisierung breitete sich immer gewaltiger aus und brachte eine neue, bis dahin unbekannte Klasse hervor - die des Lohnarbeiters. Es war nur eine Frage der Zeit bis sich Organisationen zusammenfanden,
die die miserablen Lebensbedingungen der unterdrückten Arbeiterklasse zu verbessern suchten. So gründete sich am 23.05.1863 unter der Führung Ferdinand Lassalles der „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“ (ADAV). Die rechtlosen Arbeiter organisierten sich damit erstmals in einer politischen Gruppierung, um ihre Interessen durchsetzen zu können. Am 07./09.08.1869 gründeten August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach die „Sozialdemokratische Arbeiterpartei“ (SDAP). Auf dem Vereinigungsparteitag in Gotha vom 22.05.-27.05.1875 schlossen sich die beiden Gruppierungen zur „Sozialistischen Arbeiterpartei“ (SAP) zusammen. Zentrale Ziele der Partei werden durch einen kurzen Auszug aus dem Gothaer Programm deutlich: Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands proklamiert darin „[…] mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft, die Zerbrechung des ehernen Lohngesetzes durch Abschaffung des Systems der Lohnarbeit, die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit“[1] zu erstreben.
Der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck sah in den Arbeitern und der Sozialdemokratie den größten Feind der von ihm bevorzugten Klassendemokratie. Er nahm zwei Attentatsversuche auf Kaiser Wilhelm I., die den Sozialdemokraten angelastet wurden, zum Anlass, am 21.10.1878 im Reichstag das Sozialistengesetz verabschieden zu lassen. Die Sozialistische Arbeiterpartei wurde aufgelöst, deren Zeitungen verboten, deren Führer - und auch die Gewerkschaften - wurden verfolgt. Lediglich die Reichstagsfraktion konnte ihre Arbeit fortsetzen. Im Untergrund aber wurde weiterhin regionale Parteiarbeit in Tarnorganisationen, wie Turn-, Naturfreunde- oder Radsportvereinen, betrieben. Nach Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 formierte sich die Partei neu zur „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (SPD) und verabschiedete auf dem Parteitag von Erfurt im Oktober 1891 ein neues Programm. Im Mittelpunkt des Programms steht, in Übereinstimmung mit den vorher verabschiedeten Programmen, die Überwindung des Klassenkonflikts und der Unterdrückung der Arbeiter. Bei den Wahlen von 1890 wurde die neu formierte SPD mit einer Verdreifachung ihrer Stimmen seit 1878 auf 19,7% zur stärksten Partei im Deutschen Reich.[2]
2.2 Der Aufstieg der Gewerkschaften
Zeitlich etwas früher beginnt der etwa ein halbes Jahrhundert andauernde beschwerliche Aufstieg der Gewerkschaften, der sich in drei Phasen einteilen lässt. Die Anfänge in den Revolutionsjahren 1848/49, welche durch die Gegenrevolution wieder zerschlagen wurden. Die erfolgreiche Neuformierung in den Jahren vor der Reichsgründung 1871 und das erneute Verbot durch das Sozialistengesetz 1878. Und schließlich die Etablierung der Gewerkschaften, nachdem das Sozialistengesetz 1890 seine Gültigkeit verloren hatte.
Im Zuge der Revolution sicherten die unter Druck geratenen Monarchen die politischen Freiheitsrechte, Presse-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, zu. Erst die Zusicherung des Vereinigungsrechts ermöglichte die Gründung von freien Gewerkschaften. So bildeten sich als erste Gewerkschaften die der Buchdrucker und der Zigarrenmacher, die es sich zur Aufgabe machten, gesellschaftliche Missstände zu beheben und soziale Zusicherungen zu gewährleisten. Kaum waren die aufstrebenden Gewerkschaften gefestigt, gewann die Gegenrevolution der konservativen Obrigkeit die Oberhand, und nach erneutem Verbot der Vereinigungsfreiheit wurden auch die Gewerkschaften wieder zerschlagen. Nach etwa einem Jahrzehnt öffentlicher Abstinenz organisierten sich, katalysiert durch die Gründung der politischen Arbeiterbewegung (1863: ADAV) und auch begünstigt durch die Lockerung des Koalitionsverbots in Sachsen 1861, Weimar 1863 und Preußen 1867, die ersten Gewerkschaften der Revolution erneut. Nach deren anfänglichen Erfolgen gründeten sich ab 1868/69 auch Gewerkschaften anderer Berufsverbände, wie verschiedener Handwerksberufe, Berg-, Manufaktur- und Hüttenarbeiter.
Durch das bereits erwähnte Ende des Koalitionsverbots wurden Zusammenschlüsse von Arbeiterkoalitionen und Gewerkschaften ermöglicht. So schlossen sich die einzelnen Gewerkschaften in Dachverbänden zusammen, da man erkannte, nur über eine mächtige und zentrale Organisation Erfolg haben zu können. Die Gewerkschaftsbewegung war aber zu dieser Zeit noch genauso gespalten wie die politische Bewegung der Sozialdemokratie, zu der man den Kontakt aufzubauen versuchte. Es gründete sich der, den Lassalleanern nahe stehende, Allgemeinen Deutschen Arbeiterschaftsverband und die, den Eisenacher Sozialdemokraten nahe stehende, Gewerksgenossenschaft. Erst nach der Vereinigung der politischen Bewegung 1875 wurden auf einer Gewerkschaftskonferenz am 28./29.05.1875 auch die Gewerkschaftsverbände zusammengeführt. Die Einheit stärkte die Gewerkschaften aber nicht sonderlich, was an der Rezession, dem hartnäckigen Widerstand der Arbeitgeber und den neu einsetzenden staatlichen Verfolgungen, gipfelnd im schon angesprochenen Sozialistengesetz, lag. Erst nach zwölf Jahren illegaler Organisation im Untergrund und dem Ende des Sozialistengesetzes, setzte die Gewerkschaftsbewegung zu einer ungeheuer dynamischen Entwicklung an. Die Zahl der Mitglieder erreichte 1890 die 300.000er Marke und versechsfachte sich in den zwölf Jahren der Verfolgung. Von 1895 bis 1907 steigt die Zahl der Industriearbeiter von 1,6 Millionen auf 5,8 Millionen und somit auch die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder von 300.000 im Jahre 1890 auf 2.525.042 im Jahre 1914. Die Gewerkschaften waren zu einer Massenbewegung geworden.[3]
[...]
[1] Bundessekretariat der Jungsozialisten 1963, S.68ff..
[2] Vgl. inhaltlich mit Bahr 1980.
[3] Vgl. inhaltlich mit Uellenberg-van Dawen 1996.
- Quote paper
- Sebastian Kranz (Author), 2004, Mögliche Konsequenzen eines Bündnisbruchs zwischen SPD und Gewerkschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52280
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