Die vorliegende Arbeit widmet sich dem allseits gegenwärtigen Phänomen der Mikropolitik in Organisationen. Informelle Machthandeln ist in allen Organisationen an der Tagesordnung und prägt das tägliche Miteinander in nicht zu unterschätzender Art und Weise. Da es zum Teil die formalen Strukturen überlagert und den Ablauf innerhalb der Organisationen bedeutend prägt, lohnt es sich, die informellen Mechanismen des Machthandelns näher zu beleuchten und zu analysieren.
Dafür ist es notwendig, sich zunächst den Paradigmenwechsel des Organisationsbegriffes vor Augen zu führen: Organisationen werden nicht länger als zweckrationale Gebilde begriffen, sondern als „lebensweltlich konstruierte Handlungszusammenhänge“. Um die Entwicklung der mikropolitischen Konzeptionen aufzeigen zu können, wird eines der Basismodelle der mikropolitischen Konzeptionen, das Modell der strategischen Organisationsanalyse von Crozier und Friedberg, vorgestellt und näher erläutert. Dieses Modell vereint alle zentralen Elemente der mikropolitischen Ansätze in sich und es lässt sich anhand der von ihm dargestellten Dialektik von Freiheit und Zwang sehr treffend aufzeigen, wo mikropolitisches Handeln möglich und wahrscheinlich wird. Dieses Basimodell verbunden mit Anthony Giddens „Theorie der Strukturierung“ soll helfen, die zentralen Fragestellungen des vorliegenden Werkes zu beantworten: Was ist Mikropolitik? Wie und warum entsteht sie? Wodurch wird mikropolitisches Handeln möglich und wodurch wird es eingegrenzt?
Inhaltsverzeichnis:
0. Einleitung
1. Der Organisationsbegriff mikropolitischer Konzeptionen
2. Basismodelle der mikropolitischen Konzeptionen
2.1. Crozier / Friedbergs Modell der strategischen Organisationsanalyse
2.1.1. Strategie
2.1.2. Macht
2.1.3. Spiel
2.1.4. Kritische Würdigung
2.2. Anthony Giddens Theorie der Strukturierung
2.2.1. Dualität der Struktur
2.3. Kontrolle und Konsens als Dialektik
3. Mikropolitik
3.1. Definition
3.2. Begriffsbestandteile
3.3. Was ist mikropolitisches Handeln?
3.4. Der mikropolitische Akteur und seine spezifische Macht
3.5. Folgen von Mikropolitik
3.5.1. Funktionale Folgen
3.5.2. Dysfunktionale Folgen
4. Theoretische Modelle mikropolitischer Konzeptionen
4.1. Psychologische Modelle
4.2. Soziologische Modelle
5. Kritikansätze an mikropolitischen Konzeptionen
6. Schlußbemerkung
7. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Diese Arbeit wird im Folgenden versuchen, das Phänomen Mikropolitik beziehungsweise das informelle Machthandeln in Organisationen näher zu beleuchten und zu analysieren.
Dafür ist es meines Erachtens nach notwendig, sich zunächst den Paradigmenwechsel des Organisationsbegriffes vor Augen zu führen. Organisationen werden nicht länger als zweckrationale Gebilde begriffen, sondern als „lebensweltlich konstruierte Handlungszusammenhänge“[1].
Um die Entwicklung der mikropolitischen Konzeptionen aufzeigen zu können, wird des weiteren eines der Basismodelle der mikropolitischen Konzeptionen, das Modell der strategischen Organisationsanalyse von Crozier und Friedberg, vorgestellt und näher erläutert. Ich habe mich für dieses Modell entschieden, da es meines Erachtens nach alle zentralen Elemente der mikropolitischen Ansätze in sich vereint und sich anhand der von ihm dargestellten Dialektik von Freiheit und Zwang aufzeigen läßt, wo mikropolitisches Handeln möglich und wahrscheinlich wird.
Anschließend werde ich versuchen, diesen Ansatz mit Anthony Giddens „Theorie der Strukturierung“ zu verbinden, da sie sich dafür eignet, Crozier und Friedbergs Modell zu stützen und teilweise zu erweitern.
Die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit sind: Was ist Mikropolitik? Wie und warum entsteht sie? Wodurch wird mikropolitisches Handeln möglich und wodurch wird es eingegrenzt?
Im Laufe dieser Arbeit soll versucht werden, die gestellten Fragen zu beantworten und mikropolitische Vorgänge in Organisationen transparenter zu machen.
1. Der Organisationsbegriff mikropolitischer Konzeptionen
Gegenüber anderen Ansätzen (wie beispielsweise dem situativen Ansatz) werden bei den mikropolitischen Konzeptionen die Handlungen der Organisationsmitglieder in den Mittelpunkt gestellt. Das hat zur Folge, dass der Organisationsbegriff neu formuliert werden muß. Er kann nicht länger als einer „zweckrationalen Eigenlogik folgend“[2] konstruiert werden. Organisationen müssen als Handlungszusammenhänge mehrerer Individuen begriffen werden, die ihre eigenen Kulturen ausbilden. Somit sind sie nicht länger ahistorische Gebilde, sondern sie werden im Kontext der gesellschaftlichen Situation gesehen.[3]
Nach Türk verfügen Organisationen nicht über eine objektive, allgemein feststehende Struktur, sondern vielmehr über subjektive Strukturbilder der einzelnen Mitglieder („cognitive maps“), aus denen sich Regeln der Interaktion herausbilden, die das organisationale Handeln regulieren. Sie befinden sich beständig im Wandel; das heißt Organisationen verändern sich, da die Zahl ihrer Mitglieder und die Anforderungen (sowohl an die Mitglieder als auch an die Organisation selbst) laufend wechseln, sich die Machtverhältnisse verschieben und stetig neue organisatorische Regeln zu den bereits bestehenden hinzukommen.[4]
Die Organisationsziele werden nicht mehr als Handlungsursache betrachtet sondern als Handlungsprodukt. Das heißt sie werden erst im Handeln hervorgebracht und somit ex post formuliert, was bedeutet, dass sie nicht erklärende Variable für das Handeln sein können, sondern selbst erklärungsbedürftig sind.[5]
Organisationen sind zu verstehen als
„Arenen interessegeleiteter Interventionen (..), Konflikte mit jeweils nur temporären Problemlösungen“[6].
Nicht nur die Ziele werden erst durch das Handeln der Akteure produziert, sondern auch die Strukturen der Organisation entstehen durch die Interaktion ihrer Mitglieder. Strukturen und Regeln werden hier aufgefaßt als Ressourcen und Bedingungen und zwar solche, die die jeweils herrschende Koalition zur Verfügung stellt.[7] Sie werden durch Handlungen hergestellt, reproduziert und auch verändert. Strukturen determinieren das Geschehen in einer Organisation jedoch nicht vollständig, sondern eröffnen lediglich Handlungs- und Entscheidungskorridore, in denen die Akteure entsprechend ihrer eigenen unterschiedlichen Fähigkeiten agieren.
Zusammenfassend kann man sagen, dass
„Organisationen (..) als ein Gebilde aus konkret und strategisch interagierenden Individuen verstanden (werden), welche um Macht, Einfluß, Prestige und die Kontrolle über Ressourcen kämpfen“[8].
Um diese Kämpfe zu gewinnen, müssen die einzelnen Akteure zu mikropolitischen Strategien greifen.
2. Basismodelle mikropolitischer Konzeptionen
Über die im folgenden zu behandelnden mikropolitischen Konzeptionen läßt sich allgemein vorab bereits sagen, dass bei allen der Akteur und sein Handeln im Mittelpunkt stehen, die Organisation als, wie oben bereits erläutert, „Arena“ angesehen wird und der eigentliche Konflikt zwischen den Mitgliedern auf der Ausübung und Anhäufung von Macht basiert.
Ein sehr wichtiges Basismodell zur Entwicklung der mikropolitischen Ansätze ist die strategische Organisationsanalyse von Crozier/Friedberg. Dies ist ein spieltheoretischer Ansatz, der die wichtigsten Grundgedanken der mikropolitischen Konzeptionen in sich vereint. Deshalb wird im Folgenden bezüglich der Basismodelle fast ausschließlich auf diese Ausarbeitung eingegangen, obwohl daneben auch noch andere Einflußfaktoren zur Entwicklung der mikropolitischen Ansätze beigetragen haben.
Die „Theorie der Strukturierung“ von Anthony Giddens eignet sich zur theoretischen Unterfütterung der strategischen Organisationsanalyse[9], dort, wo diese an ihre Grenzen stößt, weshalb dieser Ansatz ebenfalls als Basismodell aufgenommen wurde. Gerade durch die Verknüpfung der beiden Modelle wird deutlich, in welchem Rahmen Mikropolitik in Organisationen stattfindet.
2.1. Crozier/Friedbergs Modell der strategischen Organisationsanalyse
Crozier und Friedberg definieren kollektives, d.h. organisiertes Handeln als ein nicht natürliches, sondern als ein gesellschaftlich herausgebildetes Konstrukt. Das bedeutet, dass kollektive Handlungsweisen weder natürliche Gegebenheiten darstellen, noch dass sie als automatisches Ergebnis menschlicher Interaktion anzusehen sind. Sie sind vielmehr die immer speziellen Lösungsmöglichkeiten, die relativ autonome Akteure durch ihre spezifischen Fähigkeiten gefunden haben, um die für den Erhalt des sozialen Konstruktes notwendige Zusammenarbeit zu gewährleisten, ohne dabei ihre eigenen Interessen und Ziele aus den Augen zu verlieren.
Sie richten eine Strukturierung ein, an der sich die folgenden Handlungen ausrichten.[10] Demzufolge kann man sagen, dass Organisationen konstruierte, künstliche Lösungen der Probleme kollektiven Handelns sind.[11]
[...]
[1] Türk, Klaus: Neuere Entwicklungen in der Organisationsforschung. Ein Trend Report. Stuttgart 1989, S. 23.
[2] Marwehe, Frauke: Informatisierung von Organisationen. Dortmund 1996, S. 38.
[3] vgl. Türk, Klaus: Neuere Entwicklungen in der Organisationsforschung, S. 122.
[4] vgl. ebenda, S. 24.
[5] vgl. ebenda, S. 25.
[6] ebenda, S.122.
[7] vgl. ebenda.
[8] Marwehe, Frauke: Informatisierung von Organisationen, S. 39.
[9] vgl. Ortmann, Günther et al.: Computer und Macht in Organisationen. Mikropolitische Analysen. Opladen 1990, S.7.
[10] vgl. Crozier, Michel und Erhard Friedberg: Die Zwänge kollektiven Handelns. Über Macht und Organisation. Frankfurt, Hain 1993, S.7.
[11] vgl. ebenda, S. 8.
- Quote paper
- Dipl.-Soz. Susanne Dera (Author), 1999, Mikropolitik in Organisationen. Informelles Machthandeln auf der Basis der strategischen Organisationsanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52255
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