Ein Schabkunstblatt aus dem Jahr 1738, das die Gestalt des im selben Jahr in Stuttgart hingerichteten Finanzexperten Joseph Süß Oppenheimer gleich doppelt abbildet, fasst dessen Bedeutung für seine Zeit aus christlicher Perspektive zusammen. Gezeigt wird auf der einen Seite der ehemalige Hofjude in Dreispitz, Galanteriedegen und Schoßrock. In Schnallenschuhen und mit Spazierstock repräsentiert er das modische Bild des Hochadels, seine Haltung strahlt Selbstbewusstsein und amtliche Würde aus. Eine Bildüberschrift verziert das Blatt mit einer Aufzählung seiner Titel des Jahres 1736, zeichnet ihn aus als gewesenen „Württembergischen Geheimen Rath, Cabinets-Minister und Financien-Directorie“. Diesem „Glücksstand“ steht auf der anderen Seite der „Unglücksstand“ entgegen, dem fürstlichen Titel des ersten Bildes entspricht hier eine Kurzfassung des Todesurteils. Die Haltung Joseph Oppenheimers drückt Ratlosigkeit aus, seine Kleidung verrät nichts mehr von der vergangenen Würde, ein dunkler Bart wächst an seinem Kinn und die Hände sind ihm als Zeichen der Hilflosigkeit vor der Brust gefesselt. Wo er sich auf der einen Seite noch auf ebenem Palastboden präsentiert, steht er auf der anderen in der Natur, ein verwachsener Baumstumpf drängt sich rechts aus dem Bild, als flöhe dieser vor dem Anblick des durch das Urteil Gezeichneten...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zwischen Mythos und Versachlichung
- Herkunft und Identität
- Oppenheimers esoterisches Judentum (Stern)
- Der ritterliche Jude (Elwenspoek)
- Der Jude als Emporkömmling (Kornfeld)
- Der „,dämonische Charakter❝
- Die Rache des Sündenbocks (Feuchtwanger)
- Von der Schuld des Handelnden (Stern)
- Herkunft und Identität
- Erotik und Exotik
- Maskerade und Attraktion: Die Suche nach dem wahren Gesicht
- Die „verkapselte“ Lichtgestalt (Feuchtwanger)
- Deutungsversuche der Historiographie
- Die „psychologische Phantasie“ (Elwenspoek)
- Entzauberung der Legende (Stern)
- Die „Schönheit des Bösen“
- Begierde und Ambivalenz (Feuchtwanger)
- Eine homoerotische Freundschaft (Kornfeld)
- Oppenheimer als Kind des Barock (Stern)
- ,,Der galante Abenteurer“ (Elwenspoek)
- Orient und Okzident (der Weg des Juden zwischen Ost und West)
- Von der Macht zum Verzicht (Feuchtwanger)
- Der Dualismus der Seele (Stern)
- Maskerade und Attraktion: Die Suche nach dem wahren Gesicht
- Zwischenbemerkung
- Die Darstellung von Fremdheit
- Entfremdung und Annäherung: Oppenheimer und die Juden
- Entfremdung als äußerer Schein (Stern)
- Die Grablegung des „Messias“ (Feuchtwanger)
- Juden als Bittsteller (Kornfeld)
- Die Funktion des „Fremden“ in der christlichen Gesellschaft
- Der höfische Agent (Feuchtwanger)
- Judenhass als Herrschaftsmittel (Kornfeld)
- Oppenheimers unpopuläre Politik (Stern)
- Fremdheit und Bewegung
- Entfremdung und Annäherung: Oppenheimer und die Juden
- Der Kampf um ein Symbol
- Theoretische Überlegungen zum Symbolbegriff
- Der Hofjude im Kontext jüdischer Symbolik
- Ein politischer Mensch als Politikum: Walther Rathenau als Vorbild der Oppenheimer-Literatur
- Ein Exorzismus des Antisemitismus?
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rezeption der historischen Gestalt Joseph Süß Oppenheimers in der Weimarer Republik. Dabei stehen insbesondere die Werke von Selma Stern, Curt Elwenspoek, Lion Feuchtwanger und Paul Kornfeld im Fokus.
- Die Konstruktion von Identität und Fremdheit in den verschiedenen literarischen und historischen Darstellungen Oppenheimers
- Die Rolle von Mythen und Klischees in der Rezeption der Figur
- Die politische Dimension der Oppenheimer-Rezeption im Kontext der Weimarer Republik
- Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Judentum in den Werken der genannten Autoren
- Der Einfluss von historischen und literarischen Quellen auf die Rezeption Oppenheimers
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik und beleuchtet die vielschichtige Rezeption Joseph Süß Oppenheimers, beginnend mit seiner Hinrichtung im Jahr 1738. Die Kapitel 1 und 2 befassen sich mit der Frage nach Oppenheimers Identität und der Konstruktion seines „dämonischen Charakters“. Dabei werden verschiedene Interpretationen, insbesondere die Werke von Selma Stern, Curt Elwenspoek, Lion Feuchtwanger und Paul Kornfeld, analysiert. Kapitel 3 widmet sich der Darstellung von Fremdheit, die in den verschiedenen Texten zum Ausdruck kommt. Insbesondere die Beziehung Oppenheimers zu den Juden und zu der christlichen Gesellschaft wird beleuchtet. Die Arbeit endet mit einer Betrachtung des Kampfes um das Symbol des Hofjuden im Kontext der jüdischen Symbolik und der Weimarer Republik.
Schlüsselwörter
Joseph Süß Oppenheimer, Hofjude, Weimarer Republik, Rezeption, Antisemitismus, Judentum, Mythen, Klischees, Identität, Fremdheit, Symbol, Historiographie, Literatur, Selma Stern, Curt Elwenspoek, Lion Feuchtwanger, Paul Kornfeld.
- Quote paper
- Magister Artium Thorsten Beck (Author), 2004, Politisierte Rezeption des Hofjuden Joseph Süß Oppenheimer in der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52206