Faust – ein Name, der in deutschsprachigen Gefilden durchaus vielen Menschen bekannt sein dürfte, wenngleich die meisten wohl vorrangig den Faust Goethes damit assoziieren und die reale Person, auf der dieser basiert, gar nicht kennen. Der historische Doktor Faust entspringt der Zeit um 1480 und schaffte es schon zu Lebzeiten, Legenden um sich zu bilden. So munkelte man etwa darüber, dass er dem Teufel sein Seelenheil verkauft habe, um sein Dasein auf der Erde voll auskosten zu können. Diese Mythen um die Faustfigur hielten von da an Einzug in die Literatur und wurden Bestandteil tausender Werke unterschiedlichster Kunstgattungen, deren Anzahl bis zum heutigen Tage noch immer stetig wächst.
Wenig verwunderlich also, dass die Faustfigur auch im Nationalsozialismus wieder für reichlich Gesprächsstoff sorgte, unter anderem deswegen, weil man Goethe mit seiner wohl erfolgreichsten Adaption des Fauststoffs nicht recht einzuschätzen wusste und sich daher zwei Lager mit Anhängerinnen beziehungsweise Anhängern und Gegnerinnen beziehungsweise Gegnern bildeten. Doch auch in der NS-Zeit selbst entstanden Werke, die sich mit dieser Thematik befassten, so auch das für diese Arbeit wesentliche mit dem Titel "Faust. Ein Buch von deutschem Geist" von Ernst Kratzmann. Der darin vorkommende – und ganz nach damaligen Vorstellungen sehr „arisch“ anmutende – Faust tritt als nahezu unbezwingbarer Held auf, der im 14. Jahrhundert von Abenteuer zu Abenteuer in einem mittelalterlichen deutschen Reich reist. Nach offiziellem Gutachten gilt der österreichische Autor als Minderbelasteter und sein Roman wurde als nicht ideologisch geprägt bewertet.
Diese Arbeit setzt es sich nun zum Ziel, zu untersuchen, ob dieses Urteil einer genaueren Untersuchung standhalten kann. Zu diesem Zweck wird daher zuerst ein Blick auf die Person des Autors geworfen und ein Überblick über die allgemeine Behandlung beziehungsweise die Kaperung der Faustfigur im Nationalsozialismus gegeben, um in weiterer Folge das Werk selbst auf Stellen mit „nationalsozialistischer Tendenz“ zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ernst Kratzmann – nur ein Mitläufer?
- Faust im Nationalsozialismus
- Der Kratzmann'sche Faust – ein ideologisches Werk?
- Schwerfälliger Lesestoff
- Blut und Boden
- Faust, der,,Herrenmensch"
- ,,Der römische Glaube ist tot!"
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Roman „Faust. Ein Buch von deutschem Geist“ von Ernst Kratzmann, der im Nationalsozialismus entstand, auf seine ideologische Prägung. Ziel ist es, zu analysieren, ob Kratzmanns Werk von nationalsozialistischer Tendenz geprägt ist und ob das Urteil als „nicht ideologisch geprägt“ Bestand hat.
- Kratzmanns politische und ideologische Haltung im Kontext des Nationalsozialismus
- Die „Kaperung“ der Faustfigur im Nationalsozialismus und die Interpretation des Stoffes durch Kratzmann
- Analyse von Kratzmanns Roman „Faust“ hinsichtlich nationalsozialistischer Elemente
- Die Rolle von Literatur und Kultur im Nationalsozialismus
- Die Rezeption von Kratzmanns Werk im Kontext der Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Faustfigur ein und skizziert ihre historische Entwicklung bis hin zum Nationalsozialismus. Sie beleuchtet die unterschiedliche Rezeption Goethes „Faust“ in der NS-Zeit und stellt Kratzmanns Roman „Faust. Ein Buch von deutschem Geist“ vor.
Das Kapitel „Ernst Kratzmann – nur ein Mitläufer?“ befasst sich mit der Person des Autors und dessen politischer und ideologischer Einordnung im Kontext des Nationalsozialismus. Es werden Kratzmanns Mitgliedschaft in der NSDAP, seine Veröffentlichungen in NS-Publikationen und seine Nähe zur NS-Ideologie beleuchtet.
Das Kapitel „Faust im Nationalsozialismus“ analysiert die allgemeine Behandlung und „Kaperung“ der Faustfigur im Nationalsozialismus. Es werden verschiedene Interpretationen des Stoffes und die ideologische Verwertung durch das NS-Regime erörtert.
Schlüsselwörter
Faustfigur, Nationalsozialismus, Ernst Kratzmann, „Faust. Ein Buch von deutschem Geist“, Ideologiekritik, Literatur im Nationalsozialismus, Blut und Boden, Herrenmensch, „arische“ Kultur, Literaturrezeption
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- Gregor Gruber (Author), 2019, Die Kaperung der literarischen Faustfigur im Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520968