Die Relevanz der Frage nach der Gottebenbildlichkeit des Menschen fand in der Vergangenheit insbesondere Berücksichtigung zur Begründung und Verteidigung der unveräußerlichen Würde des Menschen und zieht innerhalb der christlichen Anthropologie eine bis heute unangetastete Rechtfertigung der menschlichen Würde nach sich. Beachtet man den jüdisch-christlichen Kontext zuerst, leitet sich die Gottebenbildlichkeit im Wesentlichen von den theologischen Aussagen der Priesterschrift im hebräischen Testament ab sowie von einer weiteren alttestamentlichen Vergleichsstelle in Ps 8, die die Ähnlichkeit des Menschen mit seinem Schöpfer betont, doch in der Rezeptionsgeschichte meist hinter der Genesis zurücksteht. Dass die Vorstellung, wonach der Mensch Ebenbild Gottes, imago dei, ist, d.h. nach seinem Abbild geschaffen wurde, nicht erst mit Aufzeichnung der priesterlichen Schrift ihren Niederschlag fand, beweisen zahlreiche Überlieferungen aus dem altorientalischen Kontext. Die Umwelt des Alten Testaments verfügte über komplexe Mythologien, die von verschiedenen Theogonien, über die Schöpfung des Kosmos bishin zur Erklärung der menschlichen Schöpfung reichen, wie wir sie in eindrücklicher Darstellung vor allem in Mesopotamien vorfinden. Die Schöpfungsakte sind somit untrennbar mit dem Menschenbild verbunden, weshalb auch diese Überlieferungen, sowohl aus der mesopotamischen wie der ägyptischen Tradition essentiell für ein vertieftes Verstehen dieses Zusammenhanges sind. Sie bilden die Grundlage für ein vollumfängliches Verständnis vom Gott- Mensch-Zusammenhang der altorientalischen Umwelt und deren Motiven, die auch das Alte Testament inspiriert haben (könnten).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gottebenbildlichkeit im Alten Testament
2.1 Der Schöpfungsakt des Menschen in Gen 1
2.2 dominum terrae- Der Herrschaftsauftrag des Menschen in Gen 1,28-29
2.3 Gottebenbildlichkeit in den alttestamentlichen Vergleichsstellen von Gen 5,3; 9,6 und Ps 8
2.4 Sprachliche Besonderheiten
2.4.1 slm und dmwt
3. Vorstellungen der Gottebenbildlichkeit im Alten Ägypten
3.1 Die Menschenschöpfung
3.1.1 Hymnus an Ptah
3.1.2 Der Amon-Hymnus
3.2 Der König als Gottheit- die altägyptische Königsideologie
3.3 Herrschaft und Beauftragung
4. Das Menschenbild in Mesopotamien in Bezug zu Menschenschöpfung und Abbild Gottes-Konzeption
4.1 Der Mensch in den Schöpfungsmythen
4.1.1 Enuma eliš
4.1.2 Atramhasis-Epos
4.1.3 Der Lullu-und der Maliku-Mensch
4.2 Königsideologie und Gottesstatuenmetapher in Mesopotamien
4.2.3 Die Statue des Hadad Yisi in Tel Fekherije
5. Schlussreflexion
6. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die Relevanz der Frage nach der Gottebenbildlichkeit des Menschen fand in der Vergangenheit insbesondere Berücksichtigung zur Begründung und Verteidigung der unveräußerlichen Würde des Menschen1 und zieht innerhalb der christlichen Anthropologie eine bis heute unangetastete Rechtfertigung der menschlichen Würde nach sich2. Beachtet man den jüdisch-christlichen Kontext zuerst, leitet sich die Gottebenbildlichkeit im Wesentlichen von den theologischen Aussagen der Priesterschrift im hebräischen Testament ab (Gen 1,26.27; 5,1; 9,6)3 sowie von einer weiteren alttestamentlichen Vergleichsstelle in Ps 8, die die Ähnlichkeit des Menschen mit seinem Schöpfer betont (Ps 8,6), doch in der Rezeptionsgeschichte meist hinter der Genesis zurücksteht. Dass die Vorstellung, wonach der Mensch Ebenbild Gottes, imago dei, ist , d.h. nach seinem Abbild geschaffen wurde, nicht erst mit Aufzeichnung der priesterlichen Schrift ihren Niederschlag fand, beweisen zahlreiche Überlieferungen aus dem altorientalischen Kontext. Die Umwelt des Alten Testaments verfügte über komplexe Mythologien, die von verschiedenen Theogonien4, über die Schöpfung des Kosmos bishin zur Erklärung der menschlichen Schöpfung reichen, wie wir sie in eindrücklicher Darstellung vor allem in Mesopotamien vorfinden5. Die Schöpfungsakte sind somit untrennbar mit dem Menschenbild verbunden, weshalb auch diese Überlieferungen, sowohl aus der mesopotamischen wie der ägyptischen Tradition Bestandteil der Arbeit sein werden. Sie bilden die Grundlage für ein vollumfängliches Verständnis vom Gott- Mensch-Zusammenhang der altorientalischen Umwelt und deren Motiven, die auch das Alte Testament inspiriert haben (könnten).
In die Darstellung der Gottebenbildlichkeit im Rahmen altorientalischer Kontexte gehören auch die Königsideologien, die einen besonderen Bezug zwischen königlichem Menschen und Gottheit aufmachen, was wiederum Auswirkungen hat auf die göttlich-menschliche Beziehung. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die Königsideologie in besonderem Maß ihren Niederschlag in Ägypten fand, der mesopotamische Raum jedoch auch über die Vorstellung verfügte und sich beide Gebiete auch der Gottesstatuenmetapher bedienten. Hierzu liefert Mesopotamien auch die terminologischen Begrifflichkeiten, auf die in der nachfolgenden Arbeit noch expliziter eingegangen wird. Darüber hinaus offenbart die ägyptische Überlieferung ein komplexes Herrschaftsverständnis, dass es hinsichtlich des dominum terrae der Genesis zu untersuchen gilt.
Bezugnehmend auf den Titel soll das Ziel der Arbeit nicht allein die Darstellung unterschiedlicher oder ähnlicher Vorstellungen der Gottebenbildlichkeit im Alten Testament und seiner Umwelt sein. Vielmehr soll ein Vergleich angestrebt werden, der zwar die Einflussnahme kultureller Vorbilder und Parallelen6 aufzeigen soll, die im AT sichtbar werden, aber abschließend die Besonderheit der biblischen Sichtweise vom Menschen in Gottebenbildlichkeit in den Fokus nimmt.
2. Gottebenbildlichkeit im Alten Testament
2.1 Der Schöpfungsakt des Menschen in Gen 1
26 Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. 27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.
Die Erschaffung des Menschen schließt sich direkt an die der Tiere in Gen 1,25 an und fällt zeitlich betrachtet auf den selben Tag. Die Intension Gottes, wozu die Menschenschöpfung nütze, lässt sich aus der Bedingung entnehmen, die Gott an den Menschen stellt. Er soll an Gottes statt über all das herrschen, was dieser zuvor erschaffen hat. In besonderer Weise fällt ihm diese Aufgabe als Repräsentant auch deshalb zu, da er „als Abbild“ Gottes konzipiert ist. Dieses Abbild liegt ohne Abstufung sowohl für den Mann als auch für die Frau vor. Sie sind als Gottes Abbilder vor ihm und untereinander gleichgestellt7.
2.2 Dominum terrae- Der Herrschaftsauftrag des Menschen in Gen 1,28-29
28 „Gott segnete sie und sprach zu Ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. 29 Dann sprach Gott zu ihnen: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ 8
Betrachtet man den Abschnitt in Gen 1, der an die Gottebenbildlichkeitsaussage anknüpft, drückt sich an dieser Stelle explizit die Bestimmung des Menschen aus, die mit ihm, als dem Ebenbild Gottes, in direkter Verbindung steht. Das Wesen der Gottebenbildlichkeit definiert sich vor allem funktional, indem der Mensch bestimmte Aufgaben und Fähigkeiten verliehen bekommt, die er in Gottes Sinn und an Gottes statt erfüllen soll, d.h.
„insofern er ermächtigt ist […] ist der Mensch Gottes Abbild“ 9. Gottes Segen liegt über den Menschen und die Aufforderung, sich der Erde anzunehmen. Die Menschen sollen es sein, die die Erde bevölkern und Verantwortung zu tragen haben für einander und die ihnen übergebenen Geschöpfe der Welt als die Repräsentanten Gottes10. Da Gott davon spricht, dass er „die Erde übergibt“ (Gen 1,29) ist eine ernstzunehmende Verantwortung inkludiert.
Der Herrschaftsauftrag des Menschen konstituiert sich folglich als „Verantwortungsauftrag“11 Der Terminus „herrschen“ kann unter diesem Aspekt in der Art gelesen werden, als dass der Mensch von Gott zwar herausgehoben ist in seiner Stellung unter den Geschöpfen, ihm in seiner Bestimmung als dominum terrae 12 jedoch keine willkürliche Machtausübung zukommt. In der Weise, wie Gott dem Menschen seine Nahrung zuweist, wird diese Konnotation sichtbar13.
Gott definiert den Menschen an dieser Stelle der Genesis als Vegetarier14, dem Samen und Früchte gegeben sind (Gen 1,29), die Tötung von Tieren jedoch nicht eingeschlossen ist, was wiederum die Betonung der Eingebundenheit des Menschen in die göttliche Schöpfung verdeutlicht. Die legitime Aufnahme auch fleischlicher Kost ergibt sich erst in nachsintflutlicher Ordnung (Gen 9,3).
Dass der Fleischgenuss unvermittelt und unbegründet gewährt wird, könnte ein Anzeichen auf eine Ätiologie sein, um den Verzehr von Fleisch mit der Autorität des göttlichen Wortes zu legitimieren15.
Jedoch muss an dieser Stelle mitgedacht werden, unter welchen Realbedingungen die Menschen des Alten Israels tatsächlich gelebt haben. Eine Bedrohung des eigenen Lebensraumes durch Land- im speziellen Raubtiere war in einer (noch) nicht urbanisierten Umwelt ständig gegeben. Insofern war eine Tötung aus Sicherheitsgründen für die Menschen damals unabkömmlich und die Befähigung zu „herrschen“ ermöglichte ihnen auch eine Legitimation der Tierestötung, um das eigene Leben und den Lebensraum der Menschen zu sichern16. „Herrschen“ erfährt demzufolge immer eine Doppeldeutigkeit, ist von der Gen 1 her aber als „herrschen in Verantwortung“ zu denken.
2.3 Gottebenbildlichkeit in den alttestamentlichen Vergleichsstellen von Gen 5,3 und Ps 8
Neben der priesterschriftlichen Gottebenbildlichkeitsaussage in Gen 1,26ff, die in der biblischen Rezeption die Grundlage für die Rede vom Menschen als Ebenbild Gottes bildet, verweisen auch weitere Bibelstellen sowohl innerhalb der Genesis als auch außerhalb auf die Konzeption der Gottebenbildlichkeit und sprechen andere Aspekte an, die es nun zu beleuchten gilt. In Gen 5,3 heißt es „Adam war hundertdreißig Jahre alt, da zeugte er einen Sohn, der ihm ähnlich war, wie sein Abbild, und nannte ihn Set“. Diese Aussage betont die Gottebenbildlichkeit in Bezug auf das Verhältnis von Gott und Mensch in einer fortlaufenden und verwandtschaftlichen Beziehung. Die Beziehung von Adam und Set, von Vater und Sohn als Abbild voneinander, verweist auf die Vater-Sohn-Beziehung, die auch der Mensch zum himmlischen Vater einnimmt.17 Der Zusatz, dass Set Adam „ähnlich war“ und es auch in Gen 1, 26 heißt: „Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“ zeigt zum einen die bildliche Nähe zwischen Gott und Mensch18, Vater und Sohn, zum anderen beinhaltet „ähnlich“ auch eine Einschränkung, um zu vermeiden, dass Gott und Mensch sowie Vater und Sohn als zu identisch wahrgenommen werden.19 Der Mensch als Ebenbild Gottes beruht somit nicht auf einer bloßen Kopie, die nicht mehr voneinander unterscheidbar macht. Die Gottebenbildlichkeit in Gen 5,3 meint diese als seine Bestimmung, Gott und seinen Mitmenschen nahe zu sein, wie ein Kind seinen Eltern nahesteht.20
Die gesamte menschliche Gemeinschaft befindet sich in göttlicher Nähe zum himmlischen Vater und ist in jeder einzelnen Person Gottes Ebenbild. Die Beziehungskomponente, die Gen 5,3 zu verdeutlichen versucht, schließt alle Menschen in ein aktives Verhältnis zu ihrem Schöpfer ein. Set übernimmt durch Adams Abbild auch das Ebenbild Gottes, da Adam selbst „als Abbild Gottes“ (Gen 1,27) geschaffen wurde. Die gesamte menschliche Nachkommenschaft gründet sich folglich auf die Gottebenbildlichkeit des ersten Menschen und macht neben dem Herrschafts-und Repräsentationsaspekt noch etwas Anderes deutlich: Diese Gott-Mensch-Beziehung ist außergewöhnlich in ihrer Unmittelbarkeit und Intimität mit der sie sich gestaltet. Auf Basis dieser besonderen Verbindung von Schöpfer und Geschöpf lässt sich auch die Vergleichsstelle in Ps 8 verstehen, in der es heißt: „5 Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? 6 Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. 7 Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ Die königliche Terminologie, mit der der Mensch in Psalm 8 beschrieben wird, knüpft nicht nur an die Aussagen in Gen 1,26 an, sondern konkretisiert und verstärkt die herausgehobene Stellung der Menschheit21.
Während in der Genesis die Gottebenbildlichkeit vor allem in der Bestimmung des Menschen zu finden ist, betont Ps 8 die besondere Würde, die durch die Bindung Gottes an den Menschen und umgekehrt erfahrbar wird. Indem der Mensch, gleich einer Inthronisation, von Gott zur Repräsentanz seiner selbst und zur Verwaltung seiner Schöpfung eingesetzt ist, erfährt dieser eine Würde, die die aller Geschöpfe übersteigt. Mit der „Herrlichkeit und Ehre“, die dem Menschen zuteilwird, wendet sich Gott seinem Ebenbild zu, welches von ihm „gekrönt“ (Ps 8,6) seine Macht auf Erden verkörpern soll22 und doch stets rückgebunden ist an seinen Schöpfer23.
2.4 Sprachliche Besonderheiten
2.4.1 slm und dmwt
Das hebräische Wort sælæm kann verschiedene Bedeutungen einnehmen, von denen „Bild“ sowie „Skulptur, Statue“ oder „Relief“ die häufigsten darstellen. Sprachhistorisch verweist das hebräische s ælæm auf den mesopotamischen Kulturraum, in dem z.B. das akkadische salmu zu finden ist, welches auf das „(Ab)Bild“ eines Gottes verweist.24 Hierbei ist anzumerken, dass Mesopotamien über mehrere Ausdrücke für eine bildliche Vorstellung verfügte, von denen z.B. mussulu, das Ebenbild, der Gottebenbildlichkeitsvorstellung der Genesis inhaltlich näherstünde25. Terminologisch hat sich salmu als semitisch sprachverwandt jedoch durchgesetzt. Dies ist dadurch zu erklären, dass salmu vor allem die Statuenhaftigkeit betont, d.h. tatsächlich im Zusammenhang mit einer bildhaften, materiellen Skulptur her gedacht werden muss26.
Aus diesem Grund konnte sich der Terminus der „Gottesstatuenmetapher“27 überhaupt erst entwickeln. Der König als Gottes Statue erlangte in Mesopotamien und Ägypten große Popularität und ist durch materielle (z.B. Amulette) wie inschriftliche Belege bezeugt28, was die Verbreitung im Raum Israel auch sprachlich erklären könnte. Auf diese Weise ist nicht nur der ideelle Hintergrund, sondern auch die sprachliche Verwandtschaft von sælæm und salmu zu erklären.
In Gen 1,26f wird, in der Ergänzung zu sælæm auch der Begriff demut verwendet, der die Ähnlichkeit des Abgebildeten mit dem Original betont, jedoch vorrangig auf die innere Wesensähnlichkeit zwischen Gott und Mensch abzielt.29 In Anlehnung an die altägyptischen und mesopotamischen Vorstellungen ist wahrscheinlich von einer alttestamentlichen Rezeption des Menschen als „lebendes Götterbild“ auszugehen, von dem die Verfasser der Genesis vermutlich Gebrauch machten.30 Inwiefern der Mensch von einer rein bildlichen Vorstellung her als Gottes Ebenbild zu verstehen ist, kann mit Verweis auf sælæm und demut beantwortet werden: Als Abbild Gottes ist der Mensch im Schöpfungsakt von Mann und Frau repräsentiert (Gen 1,27), aber vor allem in seiner Beauftragung (Gen 1,26.28-29) und Repräsentanz an Gottes statt. Er ist ihm demnach wesensähnlich in Bezug auf seine Aufgabe- die Nutzung und Bewahrung der göttlichen Schöpfung, wobei sich der Blick des Menschen immer auf die Geschöpfe unter ihm richtet, für die er Verantwortung zu tragen hat.31
Betrachtet man weiterhin die Gottebenbildlichkeit unter der Bedeutung von demut, so ergeben sich auch für die biblischen Bezugsstellen in Gen 5,3 und Ps 8 Hinweise dieser „inneren“ Ähnlichkeit von Gott und Mensch.
Die Wesensähnlichkeit liegt in der einzigartigen verwandtschaftlichen und unmittelbaren Beziehung zum Schöpfer (Gen 5,3) und zugleich in seiner, mit allen (königlichen) Würden ausgestatteten Regentschaft (Ps 8,6), die ihn zum Repräsentanten Gottes macht (Ps 8,7ff.)32.
3. Vorstellungen der Gottebenbildlichkeit im Alten Ägypten
3.1 Die Menschenschöpfung
Um ein Verständnis für das Menschenbild der alten Ägypter zu entwickeln, ist es notwendig, bereits mit dem Schöpfungsakt zu beginnen. An dieser Stelle bleibt zu erwähnen, dass man in den ägyptischen Quellen kein vergleichbares Pendant zur Genesis findet, die an die Spitze eines umfangreichen Schöpfungsaktes den Menschen als ebenbildliches Geschöpf stellt.
Ebenso verfügt die ägyptische Mythologie über verschiedene Schöpfungshymnen, die die Entstehung der Welt und des Menschen auf vielfältige Weise erklärbar machen33.
3.1.1 Hymnus an Ptah
Der Schöpfergott (Demiurg) ist im ägyptischen Kontext nicht klar herauszustellen, da er unterschiedliche Verkörperungen einnimmt und in seiner jeweiligen Ausprägung auch verschiedene Aspekte bedient. So ist „ptah“ der Ursprung und mächtigste ägyptische Schöpfergott, in dem alle Götter, die an der Schöpfung beteiligt waren, vereint sind. „Ptah“ ist aus sich heraus erschaffen und bedarf daher keiner mythologischen Schöpfung34. Er ist für die Schöpfungsthematik insofern von großem Interesse, da er in seinem Hymnus mehrere Elemente erkennen lässt, die die alttestamentlichen Vorstellungen möglicherweise beeinflusst haben. Einerseits schuf er die Götter „nach seinem Ebenbilde“ und bringt zumindest terminologisch die Abbild-Konzeption hervor. Weiterhin spricht er in den noch nicht vorhandenen Kosmos das „schöpferische Wort“ hinein, das alles entstehen lässt und verbindet dieses mit dem handwerklichen Bau des Menschen35, die die alttestamentliche Vorstellung des Menschen aus Staub und Lehm (Sir 33,10) beeinflusst haben könnte36.
Richtet man an dieser Stelle seinen Blick auf die evangelische Überlieferung, so stößt man unweigerlich auf das Wort, das auch in der christlichen Tradition im Anfang lag37.
3.1.2 Der Amon-Hymnus
Der Gott Amun oder Amon, bekannt als Amun-Re und Sonnengott, entstammt „ptah“, der sowohl Vater als auch Mutter für ihn ist. Amun ist an der Menschenschöpfung mitbeteiligt, wie der „Amon-Hymnus“38 zeigt. In ihm wird die Erschaffung des Menschen als handwerkliches Produkt des Amun beschrieben, der ihn gebaut hat, wie alle anderen Lebewesen der Erde. Dass der Mensch im Aufbau des Hymnus als Erstes im Akt der Lebewesen-Schöpfung genannt wird, könnte auf eine herausgehobene Stellung schließen lassen, bleibt jedoch spekulativ.
[...]
1 Dreier, Horst (Hrsg): Art.1-19 Rn. 2-5, in: Grundgesetzkommentar Bnd.1, Tübingen ²2004; eig. Anm.: Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde inspirierte mehrere Staatsverfassungen und fand neben dem Deutschen Grundgesetz und den Landesverfassungen u.a. auch Einhalt in die italienische und schweizerische Bundesverfassung.
2 Groß, Walter: Die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Kontext der Priesterschrift, in: Professoren der Universität Tübingen (Hgg.): ThQ 161 (1981), S.245.
3 Groß, Walter: Art.Gottebenbildlichkeit (Altes Testament), in: Kaspar, Walter; Baumgartner, Konrad; Bürkle, Horst (Hgg.): LThK 4, Freiburg u.a. 31995, Sp. 871.
4 Entstehung der Götter.
5 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die bekanntesten Mythen wie die sumerische Überlieferung von Enki und Ninmach oder akkadische Epen wie das Enuma Elisch bzw. der babylonische Atramhasis-Epos.
6 Schmidinger, Heinrich: Der Mensch in Gottebenbildlichkeit. Skizzen zur Geschichte einer einflussreichen Definition, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens: Der Mensch-ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.9.
7 Wellmann, Bettina: Die Erzählungen vom Anfang. Hintergründe zur biblischen Schöpfungstheologie, in: WuB 80 (2016), S.27; vgl. auch: Schmidinger, Heinrich: Der Mensch in Gottebenbildlichkeit. Skizzen zur Geschichte einer einflussreichen Definition, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens: Der Mensch-ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.9.
8 Einheitsübersetzung.
9 Groß, Walter: Die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Kontext der Priesterschrift, in: Professoren der Universität Tübingen (Hgg.): ThQ 161 (1981), S.260.
10 Wellmann, Bettina: Die Erzählungen vom Anfang. Hintergründe zur biblischen Schöpfungstheologie, in: WuB 80 (2016), S.27.
11 Kuschel, Karl-Josef: Der Mensch-Abbild oder Statthalter Gottes? Konsequenzen für Juden, Christen und Muslime, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens (Hrsg.): Der Mensch-ein Abbild Gottes. Geschöpf- Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.48.
12 Weipert, Manfred: Tier und Mensch in einer menschenarmen Welt. Zum sog. Dominum terrae in Genesis 1, in: Mathys, Hans-Peter (Hrsg.): Biblisch-Theologische Studien. Ebenbild Gottes-Herrscher über die Welt. Studien zu Würde und Auftrag des Menschen, Neukirchen-Vluyn 1998, S.35.
13 Keel, Ottmar; Schroer, Silvia: Schöpfung. Biblische Theologie im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 2002, S. 183.
14 Ebenda, S. 183 vgl. auch: Groß, Walter: Art. Gottebenbildlichkeit (Altes Testament), in: Kaspar, Walter; Baumgartner, Konrad; Bürkle, Horst (Hgg.): Lexikon für Theologe und Kirche 4: Franca bis Hermenegild, Freiburg u.a. ³1995, Sp.871.
15 Weipert, Manfred: Tier und Mensch in einer menschenarmen Welt. Zum sog. dominum terrae in Genesis 1, in: Mathys, Hans- Peter (Hrsg.): Biblisch-Theologische Studien. Ebenbild Gottes- Herrscher über die Welt. Studien zu Würde und Auftrag des Menschen, Neukirchen-Vluyn 1998, S.54.
16 Ebenda, S.53.
17 Keel, Ottmar; Schroer, Silvia: Schöpfung. Biblische Theologie im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 2002, S. 180.
18 Schmidinger, Heinrich: Der Mensch in Gottebenbildlichkeit. Skizzen zur Geschichte einer einflussreichen Definition, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens: Der Mensch-ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.9.
19 Fischer, Georg: „nach unserem Bilde und unserer Ähnlichkeit“ (Gen 1,26). Die provokante Aussage von der Erschaffung des Menschen im Horizont von Altem Testament und Altem Orient, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens (Hgg.): Der Mensch- ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.163.
20 Wellmann, Bettina: Die Erzählungen vom Anfang. Hintergründe zur biblischen Schöpfungstheologie, in: WuB 80 (2016), S.27 u.29.
21 Fischer, Georg: „nach unserem Bild und unserer Ähnlichkeit“ (Gen 1,26). Die provokante Aussage von der Erschaffung des Menschen im Horizont von Altem Testament und Altem Orient, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens (Hgg.): Der Mensch-ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.173.
22 Keel, Ottmar; Schroer, Silvia: Schöpfung. Biblische Theologie im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 2002, S.180.
23 Neumann-Gorsolke, Ute: Herrschen in den Grenzen der Schöpfung. Ein Beitrag zur alttestamentlichen Anthropologie am Beispiel von Psalm 8, Genesis 1 und verwandten Texten, Neukirchen-Vluyn 2004, S.317.
24 Keel, Ottmar; Schroer, Silvia: Schöpfung. Biblische Theologie im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 2002, S.179.
25 Groß, Walter: Die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Kontext der Priesterschrift, in: Professoren der Universität Tübingen (Hgg.): ThQ 161 (1981), S.248.
26 Schmidinger, Heinrich: Der Mensch in Gottebenbildlichkeit. Skizzen zur Geschichte einer einflussreichen Definition, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens: Der Mensch- ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.9.
27 Groß, Walter: Gen 1,26.27; 9,6: Statue oder Ebenbild Gottes? Aufgabe und Würde des Menschen nach dem hebräischen und dem griechischen Wortlaut, in: Baldermann, Ingo; Dassmann, Ernst; Fuchs, Otto (Hgg.): JBTh 15 (2001), S.12.
28 Fischer, Georg: „nach unserem Bild und unserer Ähnlichkeit“ (Gen 1,26). Die provokante Aussage von der Erschaffung des Menschen im Horizont von Altem Testament und Altem Orient, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens (Hgg.): Der Mensch-ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.155.
29 Keel. Ottmar; Schroer, Silvia: Schöpfung. Biblische Theologie im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 2002, S.179.
30 Ebenda.
31 Groß, Walter: Art. Gottebenbildlichkeit (Altes Testament), in: Kaspar, Walter; Baumgartner, Konrad; Bürkle, Horst (Hgg.): LThK 4, Freiburg u.a. 31995, Sp.872.
32 Fischer, Georg: „nach unserem Bild und unserer Ähnlichkeit“ (Gen 1,26). Die provokante Aussage von der Erschaffung des Menschen im Horizont von Altem Testament und Altem Orient, in: Schmidinger, Heinrich; Sedmak, Clemens (Hgg.): Der Mensch-ein Abbild Gottes? Geschöpf-Krone der Schöpfung-Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S.173.
33 Zivie-Coche, Christiane; Dunand, Franҫoise: Die Religionen des Alten Ägypten, Stuttgart 2013, S.253ff;
34 Zivie-Coche, Christiane; Dunand, Franҫoise: Die Religionen des Alten Ägypten, Stuttgart 2013, S.250.
35 Den dein Mund erzeugte, den deine Hände geschaffen haben, du nahmst ihn heraus aus dem Nun“ (Hymnus an Ptah), in: ebenda, S.250.
36 Für einen Vergleich zu dieser Formulierung lässt sich an dieser Stelle die Lehre des Amenope (vgl. ebd. 250) heranziehen, in der es heißt: „Der Mensch ist Lehm und Stroh“.
37 Vgl. Einheitsübersetzung Joh 1,1: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“
38 Vgl. auch: Keel, Ottmar; Schroer, Silvia: Schöpfung. Biblische Theologie im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 2002, S.178; auch: Groß, Walter: Die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Kontext der Priesterschrift, in: Professoren der Universität Tübingen (Hgg.): ThQ 161 (1981), S.248.
- Arbeit zitieren
- Julia Eydt (Autor:in), 2016, "Als Abbild Gottes schuf er ihn...". Das Besondere der biblischen Rede von der Gottebenbildlichkeit des Menschen in Gen 1 im Vergleich zu deren altorientalischen Bezügen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520588
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