Die vorliegende Arbeit soll den Einfluss von Foam-Rolling auf die Leistungsfähigkeit des M. Quadrizeps femoris nach belastungsinduziertem Muskelschaden anhand einer empirisch-quantitativen Datenerhebung beschreiben und bewerten. Hierbei sollen zunächst Einblicke in den aktuellen Kenntnisstand inklusive anatomischer und physiologischer Hintergründe gewährt werden. Dabei werden Eigenschaften des M. Quadrizeps femoris, sowie des Fasziengewebes erläutert. In diesem Zusammenhang werden die an der Entstehung muskulärer und faszialer Schädigung beteiligten Prozesse und Mechanismen beleuchtet. Unter Einbezug der formulierten Forschungshypothese (vgl. Kapitel 3) bietet der nachfolgende Teil zu Methodik und Studienablauf (vgl. Kapitel 4) detaillierte Einblicke in die Vorgehensweise der Datenerhebung. Daraufhin werden die ermittelten Ergebnisse in Kapitel 5 dargestellt und mittels statistischer Tests auf Signifikanz überprüft. Weiterhin erfolgt ein Ausblick über mögliche zukünftige Forschungsgegenstände durch explorative Datenanalyse. In Kapitel 6 werden die erhaltenen Ergebnisse in den Kontext der aktuellen Studienlage gebracht und unter Einbezug der methodischen Stärken und Limitationen diskutiert. Es erfolgt eine kritische Bewertung der Ergebnisse, sowie deren Interpretation und eine Bewertung der praktischen Relevanz. Das Fazit in Kapitel 8 liefert einen Überblick über die gesamte Arbeit.
Inhalt
Tabellen-und Abbildungsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Begrundung der Arbeit
1.2 Vorgehen
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Faszien
2.1.1 Definition
2.1.2 Anatomisch-Physiologischer Hintergrund
2.1.3 Myofasziale Leitbahnen
2.1.4 Funktionen der Faszien
2.1.4 Pathophysiologie der Faszien
2.1.5 Training der Faszien
2.1.6 Mogliche Wirkmechanismen
2.2 DOMS
2.3 Quadrizeps femoris
2.4Eingrenzung des Themas
2.5 Aktueller Forschungsstand
2.5.1 Effekte von Foam-Rolling auf die Leistungsfahigkeit
2.5.2 Effekte von Foam-Rolling auf DOMS
2.6 Zusammenfassung des theoretischen Hintergrunds
3. Untersuchungsziele
3.1 Forschungshypothesen
4. Material und Methode
4.1 Probanden
4.2 Studiendesign
4.3 Erhebungsinstrumente
4.3.1 Gutekriterien der Methoden
4.4 Studienablauf
4.4.1 Erster Messzeitpunkt
4.4.2 Zweiter und dritter Messzeitpunkt
4.4.3 Vierter Messzeitpunkt
4.5 Statistische Auswertung
5. Ergebnisse
5.1 Deskriptive Statistik
5.2 Interferenzstatistik
5.2.1 Voraussetzungsprufung
5.2.2 Teststatistik
5.3 Explorative Datenanalyse
5.3.1 Drucksensitivitat
5.3.2 Belastungsschmerz
6. Diskussion
6.1 Ergebnisdiskussion
6.2 Methodische Starken
6.3 Limitationen
7. Ausblick
8. Fazit
Abstract
Literaturverzeichnis
Anhang
Danksagung
Ich mochte allen danke, die mich bei der Anfertigung dieser Arbeit unterstutzt ha- ben. Vor allem danke ich Dr.Christian Pilat fur seine konstruktiven Ideen zur Pla- nung und Umsetzung, sowie fur seine konstante Betreuung im Verlauf der Master- arbeit. Weiterhin danke ich Dr. Heiko Maurer und Dr. Christofer Segieth fur ihre fachliche Unterstutzung und fur die Bereitstellung und Erklarung des Fasziengera- tes. Danke an meine Kommilitonin Christiane Schellhorn, mit der ich diese Studie planen und durchfuhren durfte. Dank geht weiterhin an alle Probanden, die uns durch ihre Teilnahme an unserer Studie deren Durchfuhrung ermoglicht haben. Zu- dem danke ich meiner Partnerin und meiner Familie, die mir in der Zeit wahrend der Anfertigung dieser Arbeit und des gesamten Studiums den notigen Ruckhalt boten.
Tabellen-und Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Biotensegritatsmodel nach Bordoni et al. (2018)
Abbildung 2: Vergleich von physiologischem und pathologischem Bindegewebe mit Crosslinks in Ruhe-und Dehnungszustand nach Schleip (2014)
Abbildung 3: Umstrukturierung der Kollagenarchitektur durch Training (Schleip und Muller 2013)
Abbildung 4: Muskelkopfe des Quadrizeps femoris -http://wiki.ifs-tud.de/_media/adp_laufrobotik/adp_2013/humanmotion/image6.jpg
Abbildung 5: Einbeinige Knieextension an der Schnell m3 Multi-Muscle-Machine.
Abbildung 6: Foam Rolling am Oberschenkel mit dem Fasziengerat durch den Untersucher
Abbildung 7: Verlauf der Erhebungszeitpunkte
Abbildung 8: Verlauf der Mittelwerte der isometrischen Maximalkraft an Interventions-und Kontrollbein mit Standardabweichung
Abbildung 9: Verteilung der Daten von T0-T3
Abbildung 10: Area under the curve: Maximalkraft
Abbildung 11: Verlauf des verwendeten FR-Gewichts von T0-T2
Abbildung 12: Verlauf des Belastungsschmerzes von T0-T3
Abbildung 13: Area under the curve: Belastungsschmerz
Tabelle 1 Empfohlene Begriffsabgrenzung nach Langevin und Huijing (2009)
Tabelle 2: Mittelwerte und prozentuale Veranderungen der isometrischen Maximalkraft
Tabelle 3:Vergleich AUCi (FR) und AUCi (nFR)
Abkurzungsverzechnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hinweis
In dieser Arbeit wird aus Grunden der besseren Lesbarkeit das generische Masku- linum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitaten werden da- bei ausdrucklich mitgemeint.
1. Einleitung
„Beim Studium der Faszien werden sich mehr reichhaltige und goldene Einsichten auftun als bei irgendeinem anderen Aspekt des Korpers"
(Andrew Taylor Still 1899, zitiert nach Slomka 2015)
Obwohl die Arbeiten des Begrunders der Osteopathie Andrew Taylor Still aus heu- tiger Sicht klar der Komplementarmedizin zuzuschreiben sind, so ist doch ersicht- lich, dass bereits im 19. Jahrhundert die Relevanz der Faszien im menschlichen Korper erahnt wurde. Unser heutiges Verstandnis von Faszien und deren Bedeu- tung stutzt sich jedoch hauptsachlich auf Arbeiten von Thomas Myers oder Robert Schleip seit den fruhen 2000er Jahren (Schleip et al. 2005; Myers 2004). Das Inte- resse der Wissenschaft am Fachgebiet der Faszienforschung hat seitdem stark zu- genommen. Die Schlagwortsuche „Fascia“ in der wissenschaftlichen Datenbank Pubmed erzielt dabei 46705 Treffer, der Suchbegriff, “ myofascial release“ 2304 und „Foam Rolling“ noch immerhin 1397 (Stand: 30.06.2019). Die Interessensge- biete erstrecken sich dabei uber Trainingswissenschaft, Therapie, Pravention und Asthetik. Daher vereinen auch die bisher funf von 2007-2018 stattgefundenen in- ternationalen Faszienkongresse dabei Vertreter der Medizin, Sport-und Naturwis- senschaften, sowie Trainer und Physiotherapeuten und sind Teil der kontroversen Diskussion uber das Thema Faszien.
Seit Ende 2012 ist das Interesse daran auch in der deutschen Popularwissen- schaft, sowie samtlichen Medien vertreten und erfreut sich auch wirtschaftlich einer steigenden Nachfrage (Schleip und Bayer 2019). Doch auch im Fitness-und Ge- sundheitsbereich konnte ein deutlicher Zuwachs an Popularitat der Faszienthema- tik gezeigt werden. So fand sich das Faszientraining in einer Umfrage der Fitness & Gesundheit 2017 auf Platz 9 der beliebtesten Fitnesstrends (F&G 2017). Die postu- lierten Wirkungen reichen hierbei von Leistungssteigerung uber verletzungspraven- tive Wirkungen bis hin zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und Regeneration (Schleip & Bayer 2019).
Jedoch stehen viele der bisherigen Publikationen zur Effektivitat des Faszientrai- nings im Widerspruch zueinander. So konnten Pearcey et al. (2015) und Macdonald et al. (2014) zeigen, dass sich Foam-Rolling positiv auf die Entstehung von Muskelkater auswirkt, die Druckschmerzschwelle senken und die EinbuBen der Leistungsfahigkeit nach Muskelschaden abmildern kann. Der forderliche Effekt auf die Regeneration konnte durch nachfolgende Studien wiederholt werden, jedoch nicht immer mit statistischer Signifikanz (Fleckenstein 2017). Demgegenuber ste- hen Forschungsarbeiten, die zwar positive Effekte auf Gelenkmobilitat und Leis- tungsfahigkeit feststellen konnten, jedoch gleichzeitig eine Abnahme kontraktiler Eigenschaften des Muskels durch Foam-Rolling beobachteten. Die Effekte von Fo am Rolling seien daher fur Muskeln und Bindegewebe differenziert zu betrachten (Macdonald et al. 2013). Daruber hinaus ist die Langfristigkeit der Ergebnisse unklar. Jay et al. (2014) konnten zeigen, dass Foam-Rolling mit einem Roller- Massager kurzfristig signifikante Vorteile bezuglich der Muskelschmerzen und der Schmerzschwelle zeigt, diese jedoch mit zunehmender Dauer nach der Behand- lung abnehmen. Andere Untersucher fanden keinen messbaren Effekt von FoamRolling auf die individuelle Schmerzschwelle, die kontraktilen Eigenschaften, die Sprunghohe oder die Beweglichkeit (Hodgson et al. 2018). Weitere Autoren kritisie- ren die geringe vorhandene Evidenz und bezweifeln die praktische Relevanz . Schadhafte Effekte durch die hohen Kompressionskrafte von Foam-Rolling auf das Bindegewebe, BlutgefaBe, Nervengewebe und Muskeln konnen ebenfalls nicht ausgeschlossen werden (Freiwald et al. 2016). Die so entstandenen Widerspruche bezuglich der Effektivitat des Faszientrainings sind bis heute Grundlage einer an- haltenden Diskussion.
1.1 Begrundung der Arbeit
Die Uneinheitlichkeit der aktuellen Studienlage macht weitere Forschung notwen- dig. Fur die Wirksamkeit von Foam-Rolling auf die Symptome belastungsinduzier- ten Muskelschadens gibt es bereits erste Hinweise. Allerdings ist die vorliegende Evidenz diesbezuglich noch immer maBig. Diese Arbeit soll daher uberprufen, ob eine Steigerung der muskularen Regenerationsfahigkeit kausal auf das Training der Faszien zuruckzufuhren ist und somit einen Teil zum Erkenntnisgewinn beitragen. Weiterhin ist die Aussagekraft und Vergleichbarkeit vieler vorausgehender Studien zum Thema Foam-Rolling sowohl durch die Heterogenitat der Methoden, als auch durch die individuelle Handhabung der Faszienrolle limitiert. Auch bei standardisier- ter Dauer und Geschwindigkeit der Faszienmassage stellt die Druckbelastung auf das Gewebe oft eine unbekannte Variable dar (Jay et al. 2014). Selbst Untersu- chungen, die auf Kraftmessplatten durchgefuhrt wurden, konnen individuelle Schwankungen in der Handhabung nicht ausschlieBen (Macdonald et al. 2014). Autoren fruherer Studien empfehlen daher unter anderem die Druckintensitat, so- wie die Behandlungsdauer -und Frequenz zu kontrollieren, um die interne Validitat zu erhohen (Pearcey et al. 2015). Diese Einflussfaktoren sollen in der vorliegenden Arbeit durch den Einsatz eines speziellen Fasziengerates mit variabler Gewichtsbe- lastung unter der Einhaltung standardisierter Rolldauer -und Haufigkeit beherrscht werden (vgl. Kapitel 4). Unter der Berucksichtigung bekannter Limitationen versucht diese Arbeit daher an den bisherigen Wissensstand anzuknupfen und die Aussa- gekraft der Evidenz bezuglich des Faszientrainings weiter zu verbessern. Die Re- duktion von Muskelkatersymptomen und eine Erhohung der Regeneration bedeutet fur die sportliche Praxis einen erheblichen Wettbewerbsvorteil durch langere, inten- sivere und oder haufigere mogliche Trainingseinheiten und bietet daruber hinaus mogliche Therapieansatze zur Behandlung belastungsinduzierter Schmerzen. Die Forschung zum Thema Faszientraining und dessen genaue Wirkmechanismen stellt demnach einen wichtigen Baustein in der Entwicklung moderner Trainings - und Therapieansatze dar.
1.2 Vorgehen
Die vorliegende Arbeit soll den Einfluss von Foam-Rolling auf die Leistungsfahigkeit des M. Quadrizeps femoris nach belastungsinduziertem Muskelschaden anhand einer empirisch-quantitativen Datenerhebung beschreiben und bewerten. Hierbei sollen zunachst Einblicke in den aktuellen Kenntnisstand inklusive anatomischer und physiologischer Hintergrunde gewahrt werden. Dabei werden Eigenschaften des M. Quadrizeps femoris, sowie des Fasziengewebes erlautert. In diesem Zu- sammenhang werden die an der Entstehung muskularer und faszialer Schadigung beteiligten Prozesse und Mechanismen beleuchtet. Unter Einbezug der formulier- ten Forschungshypothese (vgl. Kapitel 3) bietet der nachfolgende Teil zu Methodik und Studienablauf (vgl. Kapitel 4) detaillierte Einblicke in die Vorgehensweise der Datenerhebung. Daraufhin werden die ermittelten Ergebnisse in Kapitel 5 darge- stellt und mittels statistischer Tests auf Signifikanz uberpruft. Weiterhin erfolgt ein Ausblick uber mogliche zukunftige Forschungsgegenstande durch explorative Da- tenanalyse. In Kapitel 6 werden die erhaltenen Ergebnisse in den Kontext der aktu- ellen Studienlage gebracht und unter Einbezug der methodischen Starken und Li- mitationen diskutiert. Es erfolgt eine kritische Bewertung der Ergebnisse, sowie deren Interpretation und eine Bewertung der praktischen Relevanz. Das Fazit in Kapi- tel8 liefert einen Uberblick uber die gesamte Arbeit.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Faszien
2.1.1 Definition
Eine einheitliche Definition von Faszien zu finden unterliegt der Problematik, dass verschiedene Autoren den Begriff uneinheitlich verwenden. So beschreibt der weit- gefasste, haufig synonym verwendete Begriff des Bindegewebes aus histologischer Sicht faseriges Bindegewebe als lockeres, straffes und retikulares Bindegewebe, sowie ferner Fettgewebe und modifiziertes Bindegewebe als Knorpel und Knochen (Sobotta und Welsch 2009). Beim ersten internationalen Faszienforschungskon- gress in Boston 2007 einigten sich die Forscher dagegen auf eine engere, funktio- nellere Definition.
Definition laut erstem Faszienforschungskongress 2007 in Boston, Zitiert nach Dennenmoser (2016)
Die Faszie ist der weiche Gewebsbestandteil des Bindegewebes, das den menschlichen Korper durchdringt. Sie bildet eine kontinuierliche, den ganzen Korper durchdringende dreidimensiona- le Matrix der Strukturunterstutzung. Die Faszie durchdringt und umgibt alle Organe, Muskeln, Knochen und Nervenfasern und schafft eine einzigartige Verbindung des Zusammenwirkens der Korpersysteme. Der Blickwinkel unserer Definition und unseres Interesses an der Faszie erstreckt sich uber alle faserigen Bindegewebe, einschlieBlich Aponeurosen, Bander, Sehnen, Retinakuli, Gelenkkapseln, Organe und GefaBhullen, dem Epineurium, den Meningen und des Periosts bis hin zum gesamten endo,-peri,-und epimysialen Fasernetz der Myofaszien.
2.1.2 Anatomisch-Physiologischer Hintergrund
Anhand dieser Betrachtungsweise zahlen zum Fasziengewebe einerseits die Mus- kelfaszie, andererseits auch interstrukturelle und netzartige Bindegewebe. Zur Muskelfaszie gehoren wiederum das Endomysium, das die Muskelfaser um- schlieBt, das Perimysium, das ein Muskelfaserbundel umgibt und das Epimysium, welches den gesamten Muskel einschlieBt. Endo, -Peri, und Epimysium gehen am Ende des Muskelstranges in die Sehne, beziehungsweise Gelenkkapsel und Kno- chenhaut uber (Palastanga et al. 2015). Weiterhin bilden Faszien jedoch flachige- und dreidimensionale Strukturen, welche samtliche Korperstrukturen vernetzen. Dadurch erklart sich die Wortherkunft „fascia“ (lat. = Band) Einige Autoren bevorzu- gen daher den Singular „Faszie“ und lehnen eine strenge Abgrenzung einzelner Faszien aus funktioneller Sicht ab (Dennenmoser 2016). Eine Einteilung in Ober- flachliche Faszien, tiefe Faszien und viszerale Faszien ist dennoch sowohl aus his- tologischer, als auch aus funktioneller Sicht sinnvoll und findet in der Literatur weit- gehendenden Konsens (Palastanga et al. 2015; Skandalakis 2000; Dennenmoser 2016). Die oberflachliche Faszie (fascia superficialis) befindet sich im Unterhaut- gewebe und verbindet und umhullt Gewebe wie Nerven und BlutgefaBe. Die tiefe Faszie (fascia profunda) bildet mit der viszeralen Faszie dreidimensionale Struktu- ren im gesamten Korper und beinhaltet auch die Muskelfaszie. Die einzelnen Fas- zienschichten sind durch Fettgewebe voneinander abgegrenzt. Die viszerale Faszie umhullt zudem Organe und sorgt fur deren Schutz und raumliche Fixation (Langevin und Huijing 2009). Die Faszien werden daher auch Organ der Haltung genannt (Rolf 1990).
Fur eine spezifische Terminologie empfehlen Langevin und Huijing (2009) die Ver- wendung folgender Begriffe und spezifizieren damit die oben genannte Definition:
Tabelle 1 Empfohlene Begriffsabgrenzung nach Langevin und Huijing (2009)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In dieser Arbeit werden globale Effekte des Foam-Rollings auf die Regeneration nach belastungsinduziertem Muskelschaden untersucht (vgl. Kapitel 5). Zwar wer- den theoretische Wirkmechanismen in diesem Kapitel aufgezeigt, in der prakti- schen Datenerhebung jedoch nicht zwischen Subkategorien der Faszien differen- ziert.
Das Fasziengewebe besteht aus einem Faseranteil und zu einem Teil aus Grundsubstanz. Die Grundsubstanz setzt sich aus Proteoglykanen und Glucosami- noglykanen, zusammen, die ihrerseits Wasser binden. Weitere Bestandteile der Grundsubstanz sind die Glykoproteine Fibronektin und Laminin. Diese bilden Ver- bindungen in der extrazellularen Matrix. Der Faseranteil besteht hauptsachlich aus Kollagen und je nach Anforderungsprofil aus mehr oder weniger Elastin und retiku- laren Fasern. Elastinfasern sind aufgrund ihrer alternierenden alpha-Helixstruktur dehnbarer als Kollagenfasern und konnen einwirkende Krafte besser abpuffern (Dennenmoser 2016). Kollagenfasern sind dagegen zugfester und befinden sich parallel oder netzartig angeordnet unter anderem in Sehnen bzw. Aponeurosen. Diese bestehen hauptsachlich aus zugfestem Typ-1-Kollagen, wahrend retikulare Fasern zum groBten Anteil aus weniger reiBfestem Typ-3-Kollagen bestehen (Kumka und Bonar 2012)
Kollagenfasern machen den groBten Anteil der Fasern aus und sind im Ruhezu- stand wellenformig angeordnet (Jarvinen et al. 2002). Sie werden von Fibroblasten gebildet und bestehen aus mehreren Kollagenfibrillen, die wiederum aus Kollagen- mikrofibrillen aus Triple-Helices bestehen. Fur die Zugfestigkeit der Faszie spielen neben dem Kollagentyp, die Kollagendichte und die Ausrichtung der Fasern eine Rolle. Die Kollagendichte und damit die Zugfestigkeit, nimmt von der viszeralen zur oberflachlichen Faszie ab (Kumka und Bonar 2012).
Weiterhin scheinen piezoelektrische Effekte einen Effekt auf die Struktur des Kolla- gens zu haben (vgl. Kapitel 2.1.6, Fukada und Yasuda 1964; Schleip 2003). Letzt- lich zeugt eine parallele Ausrichtung der Fasern von einer funktionell gesehen ein- dimensionalen Kraftrichtung. Die Festigkeit der Faser zeigt sich im Gegensatz zu komplex ausgerichteten Faserstrukturen dort nur in die Langsrichtung des Faser- verlaufes (Dennenmoser 2016).
2.1.3 Myofasziale Leitbahnen
Im Zusammenhang mit der dreidimensionalen, komplexen Struktur postulierte Myers (2004) das Modell der Myofaszialen Leitbahnen (engl. „Anatomy trains“). Diese Spannungszuge untergliedern das Fasziennetz in verschiedene Bewegungs- systeme und betonen die globale Funktion der Faszien im Korper. Diese sogenann- ten Meridiane sind Verkettungen mehrerer Verbindungen aus Muskel und Faszie und vermitteln Bewegung entlang ihres Verlaufs.
Die Leitbahnen lassen sich in 11 verschiedene Meridiane unterteilen, die in der Li- teratur teilweise funktionell zusammengefasst werden:
- Die oberflachliche Ruckenlinie
- Die funktionelle Ruckenlinie
- Die oberflachliche Frontallinie
- Die funktionelle Frontallinie
- Die Spirallinien
- Die Laterallinien
Einige der myofaszialen Leitbahnen finden in anderen Konzepten wie PNF- Schlingen oder Funktionsketten ihre Entsprechung. Allerdings konnte die Theorie der Leitbahnen bisher nur fur die oberflachliche Ruckenlinie, die funktionelle Ru- ckenlinie, die auch die Faszie des Musculus (M.) vastus lateralis enthalt, und die funktionelle Frontallinie bewiesen werden. Fur die Existenz der Spirallinien und der Laterallinien liegt maBige, fur die Existenz der oberflachlichen Frontallinie, die auch die Faszien des M. rectus femoris miteinbezieht, keine Evidenz vor (Wilke et al. 2016). Dies bedeutet jedoch nur, dass die Existenz einer funktionellen Faszienein- heit entlang einer bestimmten Zugrichtung nicht in allen Fallen wissenschaftlich be- legt werden konnte. Die anatomischen und physiologischen Gegebenheiten des Fasziengewebes, sowie dessen globale Funktionsstruktur sind jedoch in der Litera- tur valide beschrieben (Dennenmoser 2016).
2.1.4 Funktionen der Faszien
Anhand der unterschiedlichen anatomischen Strukturen ergeben sich differenzierte Funktionen des Fasziengewebes. So sind Faszien sowohl als strukturbildendes Netz, als auch mechanisches Verbindungsstuck als Sehnen, Bander und Myofas- zien anzusehen. Obwohl Faszien auch einzelne Muskeln strukturell voneinander abgrenzen, erfolgt ein komplexes Zusammenspiel aus Muskel und Faszie. Insge- samt lassen sich die vier Hauptfunktionen Wasserspeicher, Energiespeicher, Aus- bildung dreidimensionaler Netze und Propriozeption identifizieren (Dennenmoser 2016; Schleip und Muller 2013).
Durch die komplexe Vernetzung und die Elastizitat spielt das Fasziengewebe eine wichtige Rolle bei der Kraftubertragung. Diese als Katapulteffekt bekannte Aufnah- me und Abgabe von Bewegungsenergie ermoglicht okonomisierte Bewegungen und bildet im komplexen Zusammenspiel mit der beteiligten Muskulatur serienelas- tische Komponenten (Fukunaga et al. 2002; Huijing. 1999). Die sogenannte „Stiff- ness“ (engl. = Steifheit) ist in gewissem MaBe, vor allem in Bezug auf sportliche Leistungsfahigkeit und Bewegungsokonomie, erwunscht und beschreibt die Fahig- keit Krafte aufzunehmen ohne dauerhaft zu verformen. Dies wird auch als Plastizi- tat bezeichnet (Schleip 2003).
In diesem Zusammenhang findet das sogenannte „Tensegrity-Modell“ („tension“ engl. = Spannung und „integrity“ engl. = Integritat) Anwendung (Chen und Ingber 1999). Das Modell beschreibt die dreidimensionale Interaktion von festen Bestand- teilen mit elastischen Komponenten, welches den funktionellen Kompromiss aus Festigkeit und Beweglichkeit beschreiben soll. Die festen Elemente beruhren sich dabei nicht, sondern sind nur uber die elastischen Komponenten miteinander ver- bunden. Der aus der Architektur entlehnte Begriff findet in der medizinischen An- wendung unter der Bezeichnung Biotensegrity sein Korrelat (Levin und Martin 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Biotensegritatsmodel nach Bordoni et al. (2018)
Der Begriff der Ruckstellkraft erfasst die Fahigkeit der Faszie, oder allgemein eines elastischen Mediums, nach einer Dehnung wieder in die ursprungliche Form zu- ruckzukehren. Unter physiologischen Bedingungen ist die Kraft-Dehnungskurve bei Belastung ahnlich der Kraft-Dehnungskurve bei Entlastung. Dieses Verhaltnis wird durch zu hohe Viskositat des Gewebes verschlechtert und setzt die Energie, die zur Dehnung notig ist und die Ruckstellkraft in ein Missverhaltnis. Dies wird durch den Begriff der Hysterese beschrieben. Je geringer die Hysterese, desto effizienter kann Energie aufgenommen und abgegeben werden. Die Hysterese nimmt durch Immobilisation und Alterung zu. (Schleip und Muller 2013; Reeves et al. 2006; Findley 2009).
Neben der passiven Kraftubertragung konnten Schleip et al. (2005) die aktive Kon- traktilitat von Faszien durch Myofibroblasten nachweisen, die der Kontraktion von glatten Muskelzellen ahnelt. Somit sind kontrahierende Faszien in ihrer Spannung teilweise differenziert von der Muskelspannung zu betrachten, stehen aber durch die gemeinsame Funktion in direktem Zusammenhang. Die kontraktilen Anteile der Faszien kommen haufiger bei jungen Personen vor und zeigen Korrelationen mit der Ausbildung des sogenannten „Crimp“ (vgl. Kapitel 2.1.5).
Durch die Verschiebbarkeit einzelner Faszienschichten ergeben sich bewegliche Gleitlager. Sind diese Gleitlager durch erhohte Faszienspannung in ihrer Funktion eingeschrankt, so vermindert sich auch die die Fahigkeit der Faszien zur Erfassung der Tiefensensibilitat. Die Propriozeption erfolgt vor allem in tiefen Faszien durch das Golgi-Sehnenorgan in Sehnen, freie Nervenendigungen und durch Mechano- rezeptoren. Zu den relevanten Mechanorezeptoren gehoren die Pacini-Korperchen, welche Vibrationen erfassen und die drucksensitiven Ruffini-Korperchen. Weiterhin werden Temperaturanderungen und Veranderungen des pH-Wertes durch Thermo und -Chemorezeptoren erfasst. Freie Nervenendigungen in der Faszie vermitteln sowohl Propriozeption, als auch Nozizeption (Schleip 2003). Somit sind diese Re- zeptoren auch verantwortlich fur die Wahrnehmung des Belastungsschmerzes nach muskularer Schadigung (vgl. Kapitel 5.3.2).
Durch die elektrostatische Wasserbindung an Glucosaminoglykane fungiert die Grundsubstanz der Faszien daruber hinaus als Wasserspeicher. Der Wasseranteil der Grundsubstanz korreliert dabei negativ mit der Viskositat des Gewebes. Ein hoher Wasseranteil erhoht demnach die Kraftaufnahmekapazitat der Faszien. So konnte gezeigt werden, dass gut hydriertes Fasziengewebe bessere Kraftkurven ermoglicht (Schleip und Muller 2013). Des Weiteren sind Faszien durch ihre Elasti- zitat auch fur hamodynamische Prozesse, wie der Venenpumpe und der Wundhei- lung, sowie fur den physiologischen Lymphabfluss essenziell (Tomasek et al. 2002). Dadurch, sowie durch den Gehalt an Makrophagen tragen die Faszien auch zur Funktion des Immunsystems bei und spielen eine Rolle bei Entzundungen (Bordoni et al. 2018). In dieser Arbeit werden jedoch lediglich die Funktion der Fas- zien im Rahmen muskularer Bewegung und die Auswirkungen von Faszientraining auf die Regeneration betrachtet.
2.1.4 Pathophysiologie der Faszien
Abgesehen von traumatischen Einflussen konnen sich auch durch Immobilisation oder fortschreitendes Alter Querverbindungen zwischen den Kollagenfasern der Faszien ausbilden. Die sogenannten Crosslinks stehen der optimalen Tensegritat der Struktur entgegen. Quer verbundene Kollagenfasern vermindern die genannten Funktionen und die mechanische Belastbarkeit der Faszien. Durch die veranderten Spannungsverhaltnisse ergibt sich weiterhin eine suboptimale Kraftubertragung und verminderte Beweglichkeit (Zugel et al. 2018).
Abbildung 2 zeigt schematisch die kollagenen Querverbindungen der Faszien als Crosslinks. Damit einhergehend ist haufig eine Storung der physiologischen Crimp- Wellenform der Faszien zu beobachten. Ein kleiner Crimp-Winkel ist hierbei ein In- dikator fur herabgesetzte Faszienintegritat und -Funktion (Jarvinen, Jozsa, Kannus, Jarvinen & Jarvinen, 2002). Weiterhin steht die aktive Kontraktilitat der Faszien wahrscheinlich im Zusammenhang mit den faszialen Spannungsverhaltnissen und der Ausbildung der Crosslinks (Schleip et al. 2019; Zugel et al. 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Vergleich von physiologischem (A+B) und pathologischem (C+D) Bindegewebe mit Crosslinks in Ruhe-und Dehnungszustand nach Schleip (2014)
Wie bereits erwahnt vergroBert sich die Hysterese durch verminderte Ruckstellkraft, was sich funktionell in einem Energieverlust der Bewegung und durch in verminder- ter Bewegungsokonomie auBert. Auch der Stofftransport uber die Lymphe und da- mit die Immunfunktion kann durch verandertes Fasziengewebe beeintrachtigt sein und vermindert wiederum die FlieBeigenschaften und den Stoffwechsel der Matrix (Bordoni et al. 2018). Die Komplexitat des Fasziengewebes erschwert somit die Identifikation der Zusammenhange aus Ursache und Wirkung.
Weiterhin reagiert auch die Grundsubstanz auf Immobilisation mit einem geringeren Wasserbindungsvermogen und damit erhohter Viskositat. Der Verlust von Wasser aus der Grundsubstanz ist jedoch auch unter physiologischen Bedingungen als Folge von Belastung als „Creep-Effekt“ bekannt und reversibel (Findley 2009). Die Immobilisation, aber auch Alterung und chronische Uberlastung wie im Leistungs- sport sind daher hauptursachlich fur eine pathologische Veranderung des Faszien- gewebes durch Verlust an Grundsubstanz und Fibroblasten (Dennenmoser 2016; Zugel et al. 2018). Die Auswirkungen einer muskularen Ausbelastung auf Muskel und Faszie wird in Kapitel (2.2) erlautert.
Einen weiteren Einflussfaktor auf die Faszienspannung stellt metabolischer Stress dar. Hinz et al. (2012) konnten zeigen, dass Stress den Tonus des Sympathikus und damit die Kontraktilitat der Myofibroblasten uber den Transforming Growth Factor beta 1 (TGF-p1) erhohen kann. Hohe Konzentrationen an Cortisol korrelieren weiterhin mit erhohter Kollagenproduktion und Bindegewebsdegeneration. (Kream et al. 1990). Allerdings erhoht muskularer Aktivitat auch den Kollagenumbau und den Turnover der Grundsubstanz (Schleip und Muller 2013). Letztlich steht unphy- siologisch veranderte Faszienstruktur uber veranderte Propriozeption und Nozizep- tion auch in Zusammenhang mit Schmerzen und Bewegungseinschrankungen (Bednar et al. 1995).
2.1.5 Training der Faszien
Die durch Immobilisation oder Uberbelastung verursachten Funktionseinschran- kungen der Faszien lassen sich durch TrainingsmaBnahmen wieder verbessern. Ziel des Faszientrainings ist es dabei die optimale Tensegritat des Gewebes wie- derherzustellen, eine Neuausrichtung der Kollagenstruktur zu bewirken, sowie Propriozeption und Hydration zu verbessern. Schleip (2014) unterscheidet anhand dessen vier Trainingsbereiche:
- „Rebound Elasticity" (Federn)
- „Myofascial-Release" (Foam-Rolling)
- „Fascia-Stretch" (Dehnen)
- „Senosory refinement (Propriozeption)
Durch die aktive Beanspruchung der Faszien sollen Fibroblasten dazu angeregt werden, neue Kollagenfaser zu synthetisieren, die Faszienspannung zu reduzieren und die Wasserbindungsfahigkeit der Grundsubstanz zu erhohen. Bezuglich des Kollagenturnovers aus standigem Auf- und Abbau der Fasern, wird ein wellenfor- miger Verlauf nach einer Trainingsbelastung analog zum muskularen Superkom- pensationsmodell angenommen. Eine akute Trainingsbelastung erhoht zunachst den Kollagenabbau, erreicht aber zwischen 24h und 48h einen Kompensations- punkt, der anschlieBend in einer Netto-Zunahme der Kollagenproduktion resultiert (Schleip und Muller 2013). Ahnlich verhalt es sich mit dem Wassergehalt der Grundsubstanz. Weiterhin konnten Gewebeuntersuchungen aus Tierversuchen na- helegen, dass die wellenformige Struktur der Kollagenfasern durch Bewegung er- halten wird. Der Crimp wird durch Immobilisation reduziert und senkt damit die Elastizitat. Muskulare Aktivitat wiederum konnte in Tierversuchen den Crimp wie- derherstellen (Abb.3, Jarvinen et al. 2002; Franchi et al. 2013). Die Wirksamkeit der einzelnen Trainingsbereiche konnte schon in verschiedenen Studien gezeigt wer- den, wobei hinsichtlich der Zielsetzung differenziert werden muss.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Umstrukturierung der Kollagenarchitektur durch Training (Schleip und Muller 2013)
So konnten unter anderem Su et al. (2017) zeigen, dass Foam Rolling, einen akuten Effekt auf die Beweglichkeit der Hufte hat, der mit Effekt durch dynamisches Dehnen vergleichbar war. Daruber hinaus fanden Peacock et al. (2014) auch einen positiven Effekt auf Kraft, Schnelligkeit und Koordination durch Foam-Rolling. Wei- terhin belegten Hoffren-Mikkola et al. (2015) die Effektivitat eines federnden Hupftrainings auf die Beweglichkeit des Sprunggelenks und die Steifheit und funkti- onelle Lange der Achillessehne. Der Beweis fur einen etwaigen synergistischen Ef- fekt der einzelnen Methoden steht allerdings noch aus. Weiterhin konnte bezuglich der in dieser Arbeit untersuchten Leistungsfahigkeit noch nicht jede Methode des Faszientrainings als effektiv nachgewiesen werden. Die Evidenz fur positive Wir- kungen von Foam-Rolling wird in Kapitel 2.5 dargestellt.
2.1.6 Mogliche Wirkmechanismen
Im Grundprinzip ahnelt das Foam-Rolling einer manuell durchgefuhrten Massage und konnte dementsprechend auch auf vergleichbaren Wirkmechanismen beruhen. Laut Weerapong et al. (2005) lassen sich biomechanische, physiologische, neuro- logische und psychologische Wirkmechanismen einer Massage unterscheiden. An- dere Untersucher differenzieren dagegen nur zwischen mechanischen und neuro- physiologischen Wirkungen (Schleip 2003). Zu den mechanischen Wirkungstheo- rien gehoren:
- Der Piezoelektrische Effekt
- Die Thixotropie
- Die Hydration der Grundsubstanz
- Zellulare Reaktionen
- Wirkung auf fasziale Adhasionen
- Losung myofaszialer Triggerpunkte
Der piezoelektrische Effekt beschreibt eine Ladungsanderung durch die mechanische Verformung eines Korpers in Abhangigkeit zur Einwirkzeit. Kollagenfasern reagieren auf Druck, Zug und Verdrehung mit einer Polarisation und regen so die Aktivitat von Fibroblasten und Fibroklasten an, die fur den Umbau des Fasziengewebes verantwortlich sind (Heine 2015; O'Connell 2003). Allerdings lassen sich daher durch den piezoelektrischen Effekt kurzfristige Wirkungen nicht erklaren (Schleip 2003).
Die Thixotropie erklart eine Abnahme der Viskositat durch auBere Einflusse in Ab- hangigkeit zur Einwirkungszeit Dies wird in der Literatur auch als „Gel-to-Sol- Modell“ bezeichnet. Mechanische Belastung fuhrt zu einer Erhohung der Thixotro- pie und damit zu einer verbesserten Elastizitat des Gewebes. Die Thixotropie steht damit in Zusammenhang mit der Hydration der Grundsubstanz, kann aber alleine keine ausreichende Erklarung fur langfristige Wirkungen liefern (Schleip 2003; Cowman et al. 2015).
Daraus resultierend ergibt sich durch den Abtransport von Gewebeflussigkeit ein weiterer moglicher Effekt mechanischer Belastung (Schleip und Muller 2013). So- wohl Foam-Rolling, als auch Federn und Dehnen drucken kurzfristig Wasser aus der Grundsubstanz. Nach einer Erholungszeit lasst sich ein Superkompensations- effekt beobachten, sodass die Faszie nach der Belastung mehr Wasser binden kann als zuvor (Schleip und Muller 2013). Dies ist wahrscheinlich auf die vermehrte Produktion von Hyaluron durch Fibrozyten, sowie weiterer Glucosaminoglykane zu- ruckzufuhren. (Cowman et al. 2015).
Weiterhin reagieren Zellen auf mechanische Belastung mit veranderter Stoffwech- selaktivitat und der Umstrukturierung des Zytoskeletts So konnen neben der Neu- bildung von Kollagenfasern (und Hyaluron s.o.) auch Filamente des Zytoskeletts positiv beeinflusst werden und somit die Tensegritat der Struktur erhalten (Chen und Ingber 1999). Somit unterstutzt mechanische Kompression den Umbau des Fasziengewebes und den Abbau pathologischer Crosslinks zwischen den Kol- lagenfasern welche wiederum wahrscheinlich auf den Mangel an Grundsubstanz zuruckzufuhren sind (Schleip und Muller 2013).
Die Theorie der faszialen Adhasionen beschreibt die eingeschrankte Verschiebbar- keit einzelner Bindegewebsschichten untereinander. Die Adhasionen sollen durch Dehnung oder Kompressionen losbar gemacht werden (Hedley 2010). Eine weitere diskutierte mechanische Wirkung ist die mechanisch induzierte Hyperamie im Ge- webe durch Foam Rolling. Okamoto et al. (2014) konnten in diesem Zusammen- hang zeigen, dass Foam Rolling die Konzentration von Stickstoff-Monoxid (NO) im Plasma erhohen und damit die Durchblutung, sowie die Elastizitat des Endothels verbessern konnte.
Weiterhin werden positive Effekte einer Durchblutungssteigerung auf das Losen myofaszialer Triggerpunkte diskutiert. Diese entstehen wiederum wahrscheinlich durch die vermehrte Ausschuttung von Acetylcholin an der motorischen Endplatte einer motorischen Einheit, verkurzte Sarkomeren und lokale Entzundungen (Hong und Simons 1998; Bron und Dommerholt 2012).
Allerdings kritisieren manche Autoren die angesprochenen Wirkmechanismen und betonen, dass die mechanischen Krafte, welche notig waren, um die genannten Ef- fekte zu erzielen auBerhalb der physiologischen Realitat liegen (Threlkeld 1992).
Mit den genannten Theorien lassen sich die bisher empirisch beobachteten Effekte mechanischer Belastung demnach noch nicht restlos erklaren. Neben den mecha- nischen Effekten werden allerdings auch Wirkungen auf das Nervengewebe disku- tiert.
Als mogliche neurophysiologische Effekte finden sich in der Literatur Wirkungen auf:
- Die Golgi-Rezeptoren
- Die Ruffini-und Pacini-Korperchen
Die Golgi-Rezeptoren befinden sich in jeder Art des Bindegewebes. Am Ubergang von Sehne zu Muskel werden sie Golgi-Sehnenorgan genannt. Diese registrieren Spannungszustande im Muskel und leiten die Signale uber 1b-Neurone ins Ru- ckenmark, wo diese hemmend auf die Motorneurone wirken. Somit schutzt das Golgi-Sehnenorgan den Muskel uber Interneurone durch eine Feedbackhemmung vor Uberlastung. Es wird diskutiert, ob Foam-Rolling die Golgi-Rezeptoren stimu- liert und somit den Muskeltonus reduzieren kann (Tozzi 2012).
Die druck- und zugsensitiven Ruffini-Korperchen, sowie die Pacini-Korperchen, die auf Druck und Vibration reagieren, tragen moglicherweise zur Senkung der sympa- thischen Aktivitat des Nervensystems bei. Dadurch kann der Muskeltonus gesenkt werden (van den Berg und Cabri 1999). Weiterhin konnte durch Massagen eine verringerte Erregbarkeit von alpha-Motorneuronen nachgewiesen werden, die al- lerdings nur kurzfristig anhielt (Morelli et al. 1991). Zu diesem Ergebnis kamen auch Bradbury-Squires et al. (2015), die eine geringere EMG-Aktivitat wahrend einer Bewegung feststellten, nachdem ein Roller-Massager verwendet wurde.
Bezogen auf das Schmerzempfinden bietet die Gate-control-Theorie eine mogliche Erklarung fur positive Effekte. Diese besagt, dass Neurone im Hinterhorn des Ru- ckenmarks hemmend auf nozizeptive Reize wirken konnen und somit die Schmerzwahrnehmung verandern (Melzack, R. und Wall 1965; Gallacchi und Pilger 2005).
Weiterhin scheint auch das Hormon Oxytocin im Rahmen der Gate-control-Theorie eine Rolle bei der Schmerzwahrnehmung zu spielen. Druckbelastungen durch Massagen oder Foam-Rolling ermoglichen womoglich eine akute Verminderung der Nozizeption (Lund et al. 2002). Moglicherweise hat mechanischer Druck auch Ein- fluss auf die parasympathische Aktivitat durch die Reduktion von Cortisol und damit positive Effekte auf belastungsinduzierte Fatigue (Best et al. 2008). Dementspre- chend grundet der Effekt der Faszienmanipulation auf einer multifaktoriell beding- ten Reaktion, die bisher nur unzureichend evidenzbasiert ist.
Ein Konsens bezuglich des genauen Wirkmechanismus und der Einflusse und Wechselwirkungen der einzelnen Wirktheorien besteht derzeit nicht.
Allerdings gelten die angesprochenen Wirkmechanismen ebenso fur manuell durchgefuhrte Massagetechniken. Im Gegensatz zu klassischen Massagen konnte jedoch durch Foam Rolling bereits ein positiver Effekt auf verminderte Muskelfunktion nach Muskelkater gezeigt werden (vgl. Kapitel 2.5.2). Daher ist es wahrscheinlich, dass die Wirkungen von manuellen Massagetechniken und Foam-Rolling nicht uneingeschrankt aufeinander ubertragbar sind. Auf dieser Grundlage konnen weite- re, beziehungsweise abweichende Wirkmechanismen fur Foam-Rolling angenom- men werden.
2.2 DOMS
Der Begriff „delayed onset muscle soreness“(=DOMS engl. = verzogerter Eintritt von Muskelschmerzen“) ist ein medizinischer Ausdruck fur belastungsinduzierten Muskelschaden beziehungsweise Muskelkater (Armstrong et al. 1991). Die Entste- hung von DOMS ist hauptsachlich auf mechanische Schaden an der Muskelfaser zuruckzufuhren. Durch intensive, vor allem ungewohnte Belastungsreize entstehen Mikrotraumata in der Muskulatur, speziell in den Z-Scheiben der Sarkomere und dem Sarkolemm, aber auch den Aktinfilamenten und dem Desmin des Zytoskeletts (Friden und Lieber 1992). Diese entstehen bei rein konzentrischen Bewegungen minimal, bei konzentrisch-exzentrischem Wechsel, sowie isometrischer Belastung starker und bei rein exzentrischer Arbeitsweise der Muskulatur am starksten (Komi und Viitasalo 1977).
Dies ist unter anderem darauf zuruckzufuhren, dass wahrend der exzentrischen Phase einer Bewegung bis zu 20% mehr Last bewaltigt werden kann. Weiterhin werden wahrend einer exzentrischen Bewegung weniger Muskelfasern rekrutiert, welche dafur aber starker belastet werden (Enoka 1996). Die sogenannte Mikrotraumatisierungshypothese gilt mittlerweile als eine gesicherte Ursache, wo- bei weitere Faktoren eine Rolle spielen.
Die Stoffwechselhypothese, oder Enzym-Efflux-Theorie besagt, dass Calcium (Ca2+)-Ionen durch die Mikrotraumata aus dem Sarkolemm in das Cytosol Muskel- zelle eindringen. Dadurch muss das Calcium unter ATP (Adenosintriphosphat)- Verbrauch zuruck in das Sarkolemm transportiert werden. Die Atmungskette und damit die Energiebereitstellung uber die ATP-Resynthese ist verlangsamt. Weiter- hin aktivieren die Calciumionen moglicherweise proteolytische Proteasen und Phospholipasen und fordern die Bildung proinflammatorischer Leukotriene uber Phospholipase A2 (Armstrong et al. 1991). Zusatzlich kommt es entzundungsbe- dingt zu einem Einstrom von neutrophilen Granulozyten, der mit dem AusmaB der Schadigung an den Z-Scheiben ansteigt (Peake et al. 2005; Fielding et al. 1993).
Das AusmaB der Schadigung steigt wiederum mit der Trainingsintensitat und korre- liert negativ mit dem Trainingszustand (Peake et al. 2005). Die mechanisch indu- zierten Mikrotraumata sind daher ursachlich fur den synergistischen metabolischen Effekt, sowie die Entzundung.
Eine weitere Theorie zur Muskelkaterentstehung ist die Odembildung. Akkumulati- onen von Histamin und Kalium fuhren zu Wassereinlagerungen und vermindern die Durchblutung der Muskelzelle (Cheung et al. 2003). Diese Theorie erklart auch die Verzogerung der auftretenden Schmerzen (Kuhnemann et al. 2016).
Andere Untersuchungen legen zudem mikroskopische Schadigungen des Faszien- gewebes analog zu den Mikrotraumata der Sarkomere nahe. Dafur spricht unter anderem die erhohte Blutkonzentration der Aminosauren Hydroxyprolin und Hydroxyserin nach intensiver Belastung, die Bestandteil von Kollagen sind und bei Kol- lagenauf- und Abbau vermehrt nachweisbar sind (Sydney-Smith und Quigley 1992 zitiert nach Cheung et al. 2003).
Weiterhin weist das Fasziengewebe eine hohere Neuronendichte und damit groBe- re Schmerzsensitivitat als die Muskulatur auf. Eine Studie von Gibson et al. (2009) konnte durch Injektionen von Kochsalzlosungen in verschiedene Gewebeschichten nach intensivem exzentrischen Training den groBten Schmerz im Epimysium nachweisen, was ebenso fur die Beteiligung der Faszie an der Muskelkaterentste- hung spricht. Die Autoren um Gibson et al. (2009) identifizieren die Schadigung des Fasziengewebes sogar als hauptursachlich in der Entstehung von Muskelkater. Doch auch bei chronischen Schmerzen scheinen Faszien beteiligt zu sein. So fan- den Bednar et al. (1995) im Fasziengewebe von Ruckenschmerzpatienten erhohte Konzentrationen von Entzundungsparametern.
Symptome von DOMS sind Kraftverlust, Schmerz und oder Steifheit, wobei der Schmerz nicht ursachlich fur den Verlust an Kraft ist (Cheung et al. 2003). Ebenso reprasentiert der empfundene Muskelkater nicht das tatsachliche AusmaB der muskularen Schadigung (Nosaka und Kazunori 2008). Validierte Marker fur Mus- kelschaden wie die Serumkonzentration der Kreatinkinase verlaufen leicht asyn- chron mit der Entwicklung des Muskelkaters. Die Konzentration der Keatinkinase korreliert mit dem empfundenen Schmerz und dem Kraftverlust, erreicht aber im Vergleich verzogert sein Maximum (Eltze et al. 1983). Der Schmerz steigt in der Regel 24 bis 48 Stunden nach der Belastung an und reduziert sich anschlieBend wieder (Cheung et al. 2003).
Fur die Schmerzentstehung werden verschiedene Mechanismen diskutiert. Einer- seits reizen die angesprochenen Entzundungsmediatoren Phospholipase A2 und das von Makrophagen produzierte Prostaglandin 2 Schmerzrezeptoren. Anderer- seits vermindert die Odembildung die Durchblutung und Versorgung der Muskelzel- le mit Nahrstoffen und den Abtransport von Stoffwechselendprodukten (Marees 2003).
Fruhere Entstehungstheorien zu Muskelkater wie die Muskelkrampftheorie und die Laktattheorie gelten allerdings als wiederlegt und werden daher nicht weiter be- sprochen (Armstrong, Warren & Warren, 1991). Die Methode des Muskelkater- Protokolls in dieser Untersuchung wird in Kapitel 4.4.1 erlautert.
2.3 Quadrizeps femoris
Der Musculus (M.) Quadrizeps femoris (kurz: „Quadrizeps“) besteht aus den vier Muskelkopfen M. rectus femoris, M. vastus medialis, M. vastus intermedius und M. vastus lateralis und wird in dieser Studie durch ein Ausbelastungstraining am Knie- strecker ermudet (vgl. Kapitel 4.4.1). Manche Autoren zahlen auch den M. tensor fascia latae zu den Extensoren im Kniegelenk, worauf allerdings nicht weiter einge- gangen wird (Palastanga et al. 2015).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Muskelkopfe des Quadrizeps femoris -http://wiki.ifs-tud.de/_media/adp_laufrobotik/adp_2013/humanmotion/image6.jpg
Durch ihren Ursprung im oberen Drittel des Femurs und gemeinsamen Ansatz im Ligamentum patellae fungieren die Musculi vasti als Kniestrecker. Teilweise wird der M. vastus medialis in die Anteile M.vastus medialis longus und M. vastus medi- alis obliquus unterteilt, obwohl diese nicht durch eine Sehne getrennt sind. Der M. vastus medialis obliquus verfugt allerdings anteilig uber mehr schnell kontrahieren- de Typ-2-Muskelfasern (Travnik et al. 1995). Der M. rectus femoris setzt ebenso uber die gemeinsame Sehne im Ligamentum patellae an, die dann in die Tuberositas Tibia mundet, entspringt allerdings an der Spina iliaca anterior inferior und beugt daher zudem im Huftgelenk.
[...]
- Quote paper
- Alexander Seifried (Author), 2019, Effekte von Foam-Rolling auf belastungsinduzierten Muskelschaden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520390
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.