Ein sonniger Fleck Erde ganz im Süden Spaniens, welcher milde Winter und heiße Sommer verspricht, dazu noch eine vielfältige Kultur zu bieten hat: Andalusien. Die andalusische Kultur ist unter anderem von den Griechen, den Römern, den Arabern, aber wohl am meisten von der Zeit geprägt. Denn "die Andalusier sind vielleicht das älteste Mittelmeervolk, älter als Griechen und Römer". Wodurch zeichnet sich die andalusische Kultur aus?
Unter anderem dieser Frage nahm sich bereits Jose Ortega y Gasset (1883 – 1955) an und verfasste die ‚Theorie Andalusiens‘ (1927). Auch ein Vergleich zu anderen Kulturen ist in Ortegas Werk zu finden, denn Ortega vergleicht die andalusische Kultur mit der chinesischen und der kastilischen. Auf diese beiden Aspekte gehe ich also im Folgenden ein. Zusätzlich beschäftige ich mich mit den Problemen des Lebens, denn auf manche dieser Fragen vermag die andalusische Kultur zu antworten. Um dies möglichst anschaulich darzustellen und um den Sinn der spanischen Philosophie verständlich zu machen, nehme ich einen Vergleich zu Arnold Gehlens ‚Über kulturelle Kristallisation‘ vor.
Inhalt
Einleitung
Das Tier
Der Mensch
Ein Vergleich zwischen Menschen und Tieren
Die Kulturumwelt
Literaturverzeichnis
Einleitung
Menschen und Tiere teilen seit Menschen gedenken diese Welt. Aber was unterscheidet die Menschen von den Tieren? Tiere leben in einer Umwelt, an welche sie von Natur aus organisch angepasst sind. Menschen hingegen sind unspezialisierte Wesen, die von Natur aus keine Anpassung haben und daher nicht in einer Umwelt, sondern der Welt im Allgemeinen leben. Deshalb werden sie auch als weltoffen bezeichnet. Soweit eine erste Unterscheidung zwischen Menschen und Tieren. Was bedeutet überhaupt weltoffen ? Wie leben Tier und Mensch in Umwelt und Welt? Diese Fragen stellte sich auch Arnold Gehlen (1904-1976) und veröffentlichte im Jahre 1940 sein Werk Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt.
Im Folgenden werde ich in Anlehnung an Arnold Gehlen und an Jakob Johann Baron von Uexküll das Tier und die Umwelt behandeln, gefolgt von einer Einführung nach Gehlen über den Menschen, seine Weltoffenheit und die daraus entstehende Kultur. Anschließend unternehme ich einen zusammenfassenden Vergleich zwischen dem Menschen und dem Tier in Welt und Umwelt. Nachdem diese Grundlage, basierend auf Gehlen, geschaffen ist, werde ich den Menschen und seine Kultur in der Gegenwart thematisieren und überprüfen, ob der Mensch gegenwärtig tatsächlich weltoffen ist, oder ob der Mensch, genau wie das Tier, inzwischen in einer Umwelt lebt; der Kulturumwelt.
Das Tier
Das Tier hat, im Gegensatz zum Menschen, eine Einpassung in die Umwelt. Dies zeigt sich beispielsweise am spezialisierten Organ-Bau, an den Sinnesorganen, der Einnischung in der jeweiligen Umwelt oder spezifischen Instinktbewegungen. Das Tier ist nach diesen Gegebenheiten an seine Umwelt gebunden und kann dieses „Milieu“ nicht ohne weiteres wechseln:
„Spezialisierter Organbau und Umwelt sind also Begriffe, die sich gegenseitig voraussetzen.“1.
Das Tier ist, in seiner Gebundenheit an bestimmte Reflexe und Instinkte, auch mit eben diesen an Situationen und Reaktionen auf Situationen gebunden. Gehlen spricht hier von einem „Bannkreis der Unmittelbarkeit“2, den das Tier nicht zu verlassen mag. Diese Gebundenheit wird ebenfalls ausgelöst durch Signale, welche ein aktives sich-richten zufolge haben. Dies bezeichnet Gehlen als den „bedingten Reflex“3.
In freier Wildbahn und auch als domestiziertes Haustier hat das Tier keine Auswahl über das, was auf das Tier zukommt, es reagiert lediglich auf die jeweiligen Situationen. Es handelt nach den Instinkten seiner Organe und nach den Rhythmen der Natur. Ob dies nun die Futtersuche, die Paarungszeit, den Winterschlaf oder schlichtweg Panik und eine daraus folgende Flucht oder Angriff bedeutet. Die Domestizierung schränkt unsere Haustiere zusätzlich in weiteren Bereichen ein. Durch Kastrierung der männlichen Tiere, beispielsweise häufig vorkommend bei Pferden, verspüren die kastrierten Tiere den Paarungstrieb so gut wie gar nicht mehr und können keine Nachkommen mehr erzeugen. Auch durch Züchtung können bestimmte Eigenschaften, ob charakteristisch oder physisch, beeinflusst werden, wie beispielsweise die Schnauze bestimmter Hunderassen.
Gehlen stellt über tierische Leistungen und Leistungsgrenzen im Allgemeinen drei Gesetze auf. Das erste Gesetz besagt, dass Tiere lernen. Dies wird begründet durch den eben eingeführten „bedingten Reflex“4 ; durch wiederholt erlebte Erfolgserfahrungen unter Einwirkung und Berücksichtigung von lebenswichtigen Reiz- oder Schockwirkungen in bestimmten Situationen, welcher zu instinktiven Reaktionen führt. Das zweite Gesetz baut auf dem ersten Gesetz auf: Wenn eine bestimmte Situation eintritt, handelt das Tier instinktiv, situativ. Dieses intelligente Verhalten kann auch genutzt werden, um Tiere bewusst zu dressieren. Im dritten Gesetz führt Gehlen die „Neugiertiere“5 nach Konrad Lorenz auf. Als Beispiel werden an dieser Stelle Raben aufgeführt, die „aktiv Lernsituationen aufsuchen“6. Jedoch grenzt sich Gehlen, im Gegensatz zu Konrad Lorenz, davon ab, dass der Begriff der Neugier wie auch dessen Bedeutung den Menschen und das Tier gleichstellen.
Gehlen führt in seinem Werk unterstützend Jakob Johann Baron von Uexküll (1864-1944) auf. In dessen Werk ‚Umwelt und Innenwelt der Tiere‘ (1904) wird der Zusammenhang von Organausstattung, Innenwelt und Umwelt des Tieres untersucht, welche untergeordnet dem Bauplan des Tieres stehen. Uexküll möchte in seinem Werk folgende Erkenntnis beweisen:
„Jedes variierende Individuum ist entsprechend seinem verändertem Bauplan anders, aber gleich vollkommen seiner Umgebung angepaßt [sic!]. Denn der Bauplan schafft in weiten Grenzen selbsttätig die Umwelt des Tieres.“7.
Das wohl bekannteste Beispiel Uexkülls ist das der Zecke. Die Zecke nimmt lediglich Licht, Wärme und den Geruch von Buttersäure wahr. So ist sie in der Lage, vorbeilaufende Säugetiere zu riechen, da diese den Geruch von Buttersäure absondern, sich auf ihren warmen Körpern mit Hilfe der Lichtempfindung zu orientieren und sich schließlich an der richtigen Stelle in die Haut des Trägers zu bohren und mit Blut vollzusaugen.
Uexküll unterscheidet die Welt der Tiere in Wirkwelt und Merkwelt, wobei die Wirkwelt das beschreibt, was ein Lebewesen tut (= motorisch), und die Merkwelt das, was ein Lebewesen wahrnimmt (= sensorisch). Die Wirkwelt und die Merkwelt ergeben zusammen den Funktionskreis eines Tieres.
Im Fall der Zecke wäre die Wirkwelt also das Blutsaugen, einzig und allein um die Nachkommenschaft zu sichern. Die Merkwelt besteht aus riechen (Buttersäure), orientieren (oben und unten) und Wärme wahrnehmen. Die Umwelt der Zecke ist also im Vergleich zu der Lebenswelt des Menschen eine relativ kleine Welt, jedoch hoch spezialisiert.
Es werden noch zahlreiche andere wirbellose Tiere vorgestellt, wie beispielsweise der Regenwurm, der Blutegel und mehrere Arten von Seeigeln. Aus jedem Beispiel geht deutlich hervor, wie der Bauplan des jeweiligen Tieres aussieht und wie das Tier durch seinen Körperbau und dessen Funktionen in die Umwelt eingenischt ist.
Bei dem Regenwurm beispielsweise wird nach einer groben Beschreibung des „wurmförmig[en]“8 Körpers auf die Muskulatur eingegangen, um daraus gehend die Fortbewegungsart des Regenwurmes zu erklären (welche typischer Weise eine laterale Undulation ist, es sei denn der Regenwurm flieht vor einem hungrigen Maulwurf, dann liegt gelegentlich auch eine vertikale Undulation vor). Es wird also nicht nur das jeweilige Tier in seiner Umwelt beschrieben, sondern auch seine Umwelt selbst und andere in der Umwelt lebende Tiere, wie in diesem Beispiel der Maulwurf.
Gehlen kritisiert jedoch an Uexküll, dass dieser den Instinktbegriff nicht eingeführt hat. Die Instinkte sind Gehlen zufolge den Organen gleichzustellen und bieten, ebenso wie die Organe, Klassifizierungsmaterial. Des Weiteren kritisiert Gehlen, dass die Verhaltensforschung durch Uexkülls Theorie stark in den Hintergrund getreten ist und sich sehr stark an der Merk- und Wirkwelt orientiert wird. Die größte Problematik ist jedoch die, dass Uexküll „seinen so fruchtbaren Ansatz sofort auf den Menschen übertrug.“9: Aus Merkwelt und Wirkwelt werden „Merklinge“ und „Wirklinge“. Jedoch sind die Menschen und Tiere sich nicht so ähnlich, als dass solche Begrifflichkeiten einfach aufeinander übertragen werden könnten, wie im noch folgenden Vergleich ausgiebig erläutert wird.
Der Mensch
Der Mensch ist ein handelndes Wesen. Wenn der Mensch nicht handelt, kann er nicht existieren. Er muss also Stellung beziehen, was nach außen hin als Handlung bezeichnet wird und nach innen, für sich selbst, als sich-zu-etwas-machen. Hier wird auch von „Selbstzucht, Erziehung, Züchtung als In-Form-Kommen und In-Form-Bleiben“10 gesprochen.
Gehlen spricht von einer „physisch-morphologischen Sonderstellung des Menschen“11. Denn auch wenn der Mensch sich durch sein Handeln zu etwas macht, bleibt er morphologisch gesehen ein unentwickeltes, unspezialisiertes Wesen, ein Mängelwesen (daher auch der Begriff der Mängelwesentheorie). Physisch ist der Mensch insofern ein Mängelwesen, als dass ihm jeglicher Schutz für seinen Körper erst einmal fehlt. Es gibt kein schützendes Fell, keine Verteidigungsanlagen wie Klauen oder Reißzähne und keine gut ausgeprägten Sinne und Instinkte. Somit kann der Mensch in keine bestimmte Umwelt, kein bestimmtes Milieu eingeordnet werden, wie es etwa bei den Tieren der Fall ist. Wie kann der Mensch nun trotz aller Mängel überleben? Die Mängel werden durch die Handlungen des Menschen, gekoppelt mit Intelligenz und Vernunft, kompensiert. So kann über den Menschen gesagt werden, dass er, um zu überleben, aktiv handeln muss, aus sich selbst heraus handeln muss. Denn die Natur gab dem Menschen statt der physischen und morphologischen Ausstattung die Anlage, alles was er benötigt aus sich selbst herauszuholen.
„Die physische Unspezialisiertheit des Menschen, seine organische Mittellosigkeit sowie der erstaunliche Mangel an echten Instinkten bilden also unter sich einen Zusammenhang, zu dem die Weltoffenheit […] den Gegenbegriff bilden.“12.
Wie geht der Mensch mit der Weltoffenheit um, um sich in der Welt zurecht zu finden?
Zuerst einmal ist die Weltoffenheit, genau wie die Unspezialisiertheit, ein Problem, denn aus beiden entsteht eine enorme Reizüberflutung. Doch auch hier findet der Mensch die Lösung in sich selbst: Durch Entlastung. In jeder Handlung des Menschen steckt „ein Doppeltes“13. Die den Menschen umgebende Wirklichkeit wird ins Lebensdienliche umgeformt, und während der Mensch dies tut, stellt er eine Hierarchie eigenen Könnens, eigener Leistung auf.
Den Vorgang des Umformens der Natur ins Lebensdienliche wird als Kultur bezeichnet, und die Kultur stellt somit die Lebenswelt des Menschen dar. Gehlen bezeichnet die Kultur auch als „die zweite Natur“14, sagt über diese folgendes aus:
„Kultur soll uns sein: der Inbegriff der vom Menschen tätig, arbeitend bewältigten, veränderten und verwerteten Naturbedingungen, einschließlich der bedingteren, entlasteten Fertigkeiten und Künste, die auf jener Basis erst möglich werden.“15.
Der Vorgang der Kultur, entstanden aus der anfänglich negativ behafteten Weltoffenheit, entwickelt sich also zu etwas Positivem. Es entstehen unendlich viele Möglichkeiten, welche der Mensch sich jedoch aktiv zu eigen machen muss. Um die eigene Leistung weiter zu erhöhen und sich selbst mehr von der Reiz- und Wahrnehmungsflut zu entlasten, kann der Mensch die Wahrnehmungswelt symbolisch wahrnehmen. Aus einer Menge von Eindrücken können bestimmte Dinge durch einen Blick herausgefiltert und Eigenschaften erfasst werden, vorausgesetzt diese Dinge wurden bereits haptisch wahrgenommen. Dieser Vorgang ist dank ausgezeichneter Augen- und Handkoordination möglich und kann stetig mit wachsender Erfahrung erhöht und präzisiert werden. Letzt endlich ist der erfahrene Mensch also in der Lage, seine Sinne, kombiniert mit Kommunikation, Wahrnehmung und Wahrnehmungsreduzierung durch Eigentätigkeit so zu bündeln, dass er die anfänglichen Mängel zu Möglichkeiten umarbeitet. Dies bezieht sich auch auf die Lebenswelt des Menschen; da sich der Mensch oftmals nicht anpassen kann, passt er seine Lebenswelt an sich an. Dank der Fähigkeiten des weltoffenen Menschen kann dieser sich Situationen zu eigen machen, sich in Situationen hineinbegeben oder sich bewusst von Situationen distanzieren.
Ebenso entwickelt sich der Körper des Menschen und dessen Bewegungsskala. Der Grund für die enorme Bewegungsskala ist die Unspezialisiertheit derselben. Auch hier wurde die anfänglich negativ behaftete Weltoffenheit zu etwas Positivem umgewandelt. Jedoch ist bezüglich des menschlichen Körpers und dessen Bewegungsskala zu beachten, dass die Entwicklung sehr viel Zeit und auch Übung beansprucht. Je mehr Zeit und Übung wiederum in diverse Übungen gesteckt wird, desto größer wird die Bewegungsskala.
Der Mensch ist nach der Geburt extrem lange nicht eigenständig überlebensfähig und somit auf intensive Fürsorge angewiesen.
Ein Vergleich zwischen Menschen und Tieren
Halten wir also vergleichend folgendes fest: Das Tier hat als Lebensraum seine Umwelt, der Mensch formt sich als seinen Lebensraum aus der Natur die Kultur, auch genannt zweite Natur. Da das Tier spezialisiert und organisch angepasst ist an seine Umwelt, kann es fast nur in dieser Umwelt leben, wobei der Mensch sich seine zweite Natur so gut wie überall schaffen kann. Das Tier hat dank seiner Spezialisiertheit von Natur aus Schutzmechanismen wie beispielsweise Fell, Fangzähne oder Klauen, hat gut ausgeprägte Instinkte, die es leiten, wohingegen der Mensch in seiner vollkommenen Unspezialisiertheit von Natur aus lediglich die Anlage besitzt, alles überlebenswichtige aus sich selbst heraus zu holen, zu handeln.
[...]
1 Arnold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, in: Gesamtausgabe Bd. 3.1, Vittorio Klostermann, Frankfurt/M. 1993, Seite 34
2 Ebd., Seite 47
3 Ebd., Seite 48
4 Ebd., Seite 26
5 Ebd., Seite 28
6 Ebd., Seite 28
7 J. von Uexküll, Umwelt und Innenwelt der Tiere, Classic Reprint Series, Forgotten Books, Seite 5
8 Ebd., Seite 155
9 Arnold Gehlen, Der Mensch Seine Natur und seine Stellung in der Welt, Seite 86
10 Ebd., Seite 30
11 Ebd., Seite 31
12 Ebd., Seite 34
13 Ebd, Seite 36
14 Ebd., Seite 37
15 Ebd., Seite 38
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- Carolyn Heidinger (Author), 2019, Welche Lösungsansätze bietet 'Theorie Andalusiens' als Antwort auf die Probleme des Lebens?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/517318
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