Die Arbeit befasst sich mit Art. 1 der Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften. Art. 1 sieht mehrere Änderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGP-RL) vor. Neben Änderungen der materiell-rechtlichen Vorschriften sieht Art. 1 auch Änderungen im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzungsvorschriften vor. Die Arbeit konzentriert sich auf Letztere und erläutert, welche Änderungen Art. 1 für die UGP-RL mit sich bringt und welche Vorgaben hieraus für den deutschen Gesetzgeber resultieren. Die Änderungen der Rechtsdurchsetzungsvorschriften betreffen zum einen die Einführung von Individualrechtsbehelfen für Verbraucher bei Verstößen gegen die UGP-RL. Zum anderen betreffen die Änderungen die Vorschriften, welche Sanktionen bei Verstößen gegen die UGP-RL enthalten.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Anlass des Richtlinienvorschlags
C. Bedeutung der UGP-RL für das deutsche Recht
D. Änderungen der UGP-RL
I. Art. 1 Nr. 1 RL-Vorschlag – Änderungen in Art. 2 UGP-RL
1. Änderung in Art. 2 lit. c) UGP-RL
2. Einführung von Art. 2 lit. m) und n) UGP-RL
II. Art. 1 Nr. 2 RL-Vorschlag – Änderungen in Art. 3 Abs. 5 und 6 UGP-RL
III. Art. 1 Nr. 3 RL-Vorschlag – Einführung von Art. 6 Abs. 2 lit. c) UGP-RL
IV. Art. 1 Nr. 4 RL-Vorschlag – Änderungen in Art. 7 UGP-RL
1. Änderung in Art. 7 Abs. 4 lit. d) UGP-RL
2. Einführung von Art. 7 Abs. 4 lit. f) UGP-RL
3. Einführung von Art. 7 Abs. 4a UGP-RL
4. Einführung von Art. 7 Abs. 6 UGP-RL
V. Art. 1 Nr. 5 und 6 RL-Vorschlag – Einführung von Art. 11a und Änderungen in Art. 13 UGP-RL
VI. Art. 1 Nr. 7 RL-Vorschlag – Neue Verbote in Anhang I UGP-RL
1. Neue Nr. 11a in Anhang I UGP-RL
2. Neue Nr. 23a in Anhang I UGP-RL
3. Neue Nr. 23b in Anhang I UGP-RL
4. Neue Nr. 23c in Anhang I UGP-RL
VII. Bewertung
E. Art. 11a neu UGP-RL – Individualrechtsbehelfe für Verbraucher
I. Regelungsgehalt
1. Verpflichtung zur Schaffung wirksamer und angemessener Rechtsbehelfe
a. Wirksamkeit und Angemessenheit
b. Schädigung der Verbraucher
c. Unlautere Geschäftspraktiken
2. Art der Rechtsbehelfe – Schadensersatz, Minderung, Vertragsauflösung
3. Konkrete Ausgestaltung der Rechtsbehelfe
4. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen nach Unionsrecht und nationalem Recht
5. Verpflichtung zur Schaffung von Individualrechtsbehelfen bereits nach geltender Rechtslage?
II. Änderungsbedarf für das deutsche Recht
1. Rechte der Verbraucher im UWG
2. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. UWG
3. Handlungsbedarf des Gesetzgebers
III. Praktische Notwendigkeit von Individualrechtsbehelfen
1. Verbraucherschäden infolge unlauteren Handelns
2. Schutz der Verbraucher im allgemeinen Zivilrecht
a. Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB
b. Anfechtungsrechte nach §§ 119 ff. BGB
c. Widerrufsrechte nach §§ 355 ff. BGB
d. Gewährleistungsrechte nach §§ 434 ff. BGB
e. Ansprüche aus § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB (c.i.c.)
aa. Behebung von Aufwendungsschäden
bb. Behebung von Vertragsschäden
3. Ergebnis
IV. Vorbehalte gegen die Einführung von Individualrechtsbehelfen
1. Aushebelung des Vorrangs der Nacherfüllung
2. Aushebelung des Rechts der Willensmängel
3. Belastung der Wirtschaft
V. Bewertung
F. Art. 13 neu UGP-RL – Sanktionen
I. Regelungsgehalt
1. Art. 13 Abs. 1 neu UGP-RL
2. Art. 13 Abs. 2 neu UGP-RL
3. Art. 13 Abs. 3 neu UGP-RL
4. Art. 13 Abs. 4 neu UGP-RL
5. Art. 13 Abs. 5 neu UGP-RL
II. Änderungen für das deutsche Recht
1. Sanktionssystem in Deutschland
2. Handlungsbedarf des Gesetzgebers
3. Behördliche Durchsetzung auch für rein innerstaatliche Sachverhalte?
4. Defizite des zivilrechtlichen Durchsetzungssystems
a. Defizite aus rechtsökonomischer Sicht
aa. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, § 8 UWG
bb. Schadensersatzanspruch, § 9 UWG
cc. Gewinnabschöpfungsanspruch, § 10 UWG
dd. Zwischenergebnis
b. Ermittlungsschwierigkeiten
5. Vorteile ergänzender behördlicher Sanktionen
III. Stellungnahme
G. Ausblick
Anhang: Auszug aus dem RL-Vorschlag
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Gesetzesentwurf der Bundesregierung
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(http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/045/1804535.pdf; zuletzt abgerufen am 26.08.2019)
Handelsverband Deutschland (HDE)
Stellungnahme vom 20.06.2018 zur Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften und zur Änderung der Richtlinien 93/13/EWG, 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU (COM(2018) 185 final)
(https://einzelhandel.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=9566; zuletzt abgerufen am 26.08.2019)
Österreichischer Bundesrat
Begründete Stellungnahme gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 6 des Protokolls Nr. 2 über die Anwendung der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit des EU-Ausschusses des Bundesrates vom 27.06.2018, Dokument ST_11166_2018_INIT
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Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale)
Stellungnahme vom 20.06.2018 zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der RL 93/13(EWG, der RL 98/6/EG, der RL 2005/29/EG sowie der RL 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften (COM(2018) 185 final), kurz RL-V 2018/185
(https://www.wettbewerbszentrale.de/media/getlivedoc.aspx?id=36433; zuletzt abgerufen am 26.08.2019)
A. Einleitung
Am 11.04.2018 hat die Europäische Kommission unter der Bezeichnung „New Deal for Consumers“ ein Gesetzespaket vorgestellt. Das Paket enthält unter anderem1 den Vorschlag für eine Omnibus-Richtlinie, die Änderungen in vier bestehenden EU-Richtlinien vorsieht.2 Der Richtlinienvorschlag hat bereits weite Teile des Gesetzgebungsverfahrens durchlaufen.3 Zuletzt hat das Europäische Parlament am 17.04.2019 eine zuvor mit dem Rat und der Kommission im Trilog abgestimmte Fassung angenommen.4 Zum Erlass der Richtlinie ist gemäß Art. 294 Abs. 4 AEUV nur noch die Billigung durch den Rat erforderlich. Dieser letzte Schritt gilt wegen der zuvor erfolgten Abstimmung nur noch als Formsache. Damit ist in nächster Zukunft mit dem Erlass der Richtlinie zu rechnen. Art. 1 des angenommenen Richtlinienvorschlags (RL-Vorschlag)5 sieht mehrere Änderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGP-RL)6 vor. Nur mit diesen Änderungen befasst sich die vorliegende Abhandlung. Die Vorschläge enthalten neben Änderungen der materiell-rechtlichen Vorschriften auch Änderungen im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzungsvorschriften. Das Hauptaugenmerk der Arbeit richtet sich auf Letztere. Zunächst werden als Hintergrundinformation der Anlass des Richtlinienvorschlags7 sowie die Bedeutung der UGP-RL für das deutsche Recht erläutert.8 Sodann erfolgt eine Darstellung der vorgesehenen Änderungen der UGP-RL, welche anhand der Gesetzgebungsmaterialien erläutert werden.9 Die Neuerungsvorschläge in Bezug auf die Durchsetzungsvorschriften werden hierbei ausgeklammert, um sie im nächsten Schritt gesondert und im Schwerpunkt zu behandeln. Dies betrifft zum einen die Einführung von Individualrechtsbehelfen für Verbraucher bei Verstößen gegen die UGP-RL.10 Hier wird zunächst der Regelungsgehalt des Änderungsvorschlags untersucht, um die Vorgaben für die Mitgliedstaaten herauszuarbeiten. Sodann wird erläutert, welcher Änderungsbedarf sich hieraus für das deutsche Recht ergeben würde. Anschließend wird untersucht, ob ein praktisches Bedürfnis für lauterkeitsrechtliche Individualansprüche in Deutschland besteht und was gegen die Einführung solcher sprechen könnte, um abschließend den Änderungsvorschlag zu bewerten. Zum anderen betrifft dies Änderungen hinsichtlich der Sanktionen bei Verstößen gegen die UGP-RL.11 Hier werden ebenfalls zunächst die Vorgaben herausgearbeitet und erläutert, welcher Änderungsbedarf sich für das deutsche Recht ergeben würde. Daraufhin wird der Frage nachgegangen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Vorgaben als Impuls für weitergehende Änderungen im deutschen Rechtsdurchsetzungssystem zu nehmen.
B. Anlass des Richtlinienvorschlags
Anlass für den Richtlinienvorschlag gab die sogenannte REFIT-Eignungsprüfung12 der bestehenden Verbraucherschutz- und Marketingvorschriften der EU sowie die parallel dazu durchgeführte Bewertung der Verbraucherrechterichtlinie (VR-RL)13.14 Die Prüfung führte zu dem Ergebnis, dass die Vorschriften der vier zu ändernden Richtlinien ihren Zweck grundsätzlich erfüllen.15 Nichtsdestotrotz zeigten die Befunde, dass noch Handlungsbedarf besteht. Insbesondere sei die Rechtsdurchsetzung im Bereich des Verbraucherrechts unzureichend und Verbrauchern stehen nur beschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Zudem sei aufgrund der fortwährenden Veränderungen im Zuge der Digitalisierung eine Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften erforderlich.16
C. Bedeutung der UGP-RL für das deutsche Recht
Die UGP-RL regelt das Lauterkeitsrecht im Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern.17 Ihr Zweck besteht darin, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.18 Sie ist unmittelbar nur auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher ausgerichtet.19 Mittelbar werden auch rechtmäßig handelnde Unternehmer geschützt, da ein fairer Wettbewerb in dem durch die UGP-RL geregelten Bereich gewährleistet wird.20 In ihrem Anwendungsbereich entfaltet die UGP-RL vollharmonisierende Wirkung, sodass Mitgliedstaaten eine vollständige Rechtsangleichung vorzunehmen haben.21 Sie dürfen also weder hinter dem Schutzniveau der UGP-RL zurückbleiben noch dürfen sie strengere als die in der UGP-RL vorgesehenen Maßnahmen ergreifen, und zwar auch dann nicht, wenn damit ein höheres Verbraucherschutzniveau bezweckt ist.22 In Deutschland wurden die Vorgaben der UGP-RL im Jahre 2008 durch das „Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ im UWG umgesetzt.23 Die Umsetzung entsprach jedoch nicht den Anforderungen des EuGH an eine vollharmonisierende Umsetzung, weshalb der deutsche Gesetzgeber nach einer Beanstandung durch die Europäische Kommission das „Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ im Jahre 2015 verabschiedete.24
D. Änderungen der UGP-RL
Die vorgeschlagenen Änderungen der UGP-RL sind allesamt in den sieben Ziffern von Art. 1 RL-Vorschlag enthalten.
I. Art. 1 Nr. 1 RL-Vorschlag – Änderungen in Art. 2 UGP-RL
Art. 1 Nr. 1 RL-Vorschlag sieht Änderungen des Definitionskatalogs in Art. 2 UGP-RL vor.
Dieser listet zentrale Begriffe der UGP-Richtlinie auf. Sein Zweck ist es, für Rechtsklarheit bei der Auslegung zu sorgen.25
1. Änderung in Art. 2 lit. c) UGP-RL
Durch Art. 1 Nr. 1 lit. a) RL-Vorschlag soll in Art. 2 lit. c) UGP-RL klargestellt werden, dass der Begriff „Produkt“ auch „digitale Dienstleistungen und digitale Inhalte“ umfasst. Die Klarstellung ist vor dem Hintergrund des Ziels der Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften zu sehen. Digitale Dienstleistungen sind etwa Dienste zur gemeinsamen Nutzung von Video- oder Audioinhalten und andere Formen des Filehostings sowie Textverarbeitung oder Spiele, die in einer Cloud angeboten werden.26 Digitale Inhalte können etwa Musik- oder Videodateien sein.27 Der Definitionskatalog des Art. 2 UGP-RL findet weitegehende Entsprechung in § 2 UWG.28 Das UWG verwendet nicht den Oberbegriff des „Produkts“ aus Art. 2 lit. c) UGP-RL, sondern unmittelbar die Ausdrücke „Ware“ und „Dienstleistung“.29 Die Begriffe werden nicht als eigene Definition umschrieben, sondern innerhalb der Definition der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 UWG präzisiert. Dort wird klargestellt, dass als Waren auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen gelten. Diese Konkretisierung geht auf Art. 2 lit. c) UGP-RL zurück.30 Vor diesem Hintergrund wäre es konsequent, die Begriffe „digitale Dienstleistungen“ und „digitale Inhalte“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 UWG zu ergänzen.
2. Einführung von Art. 2 lit. m) und n) UGP-RL
Über Art. 1 Nr. 1 lit. b) RL-Vorschlag sollen zwei neue Definitionen in den Definitionskatalog eingefügt werden. In Art. 2 lit. m) UGP-RL soll künftig der Begriff „Ranking“ als „die relative Hervorhebung von Produkten, wie sie vom Gewerbetreibenden dargeboten, organisiert oder kommuniziert wird, unabhängig von den technischen Mitteln, die für die Darbietung, Organisation oder Kommunikation verwendet werden“, definiert werden. In Art. 2 lit. n) UGP-RL soll fortan der Ausdruck „Online-Marktplatz“ als „ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, unter Verwendung von Software, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, die vom oder im Namen des Gewerbetreibenden betrieben wird, Fernabsatzverträge mit anderen Gewerbetreibenden oder Verbrauchern abzuschließen“ definiert werden. Das Ranking ist ein wesentliches Merkmal des neu einzuführenden Art. 7 Abs. 4a UGP-RL.31 Zudem findet sich das Ranking in der neu einzuführenden Nr. 11a Anhang I UGP-RL wieder.32 Der Online-Marktplatz wird künftig in Art. 7 Abs. 4 lit. f) neu UGP-RL enthalten sein.33 Alle Begriffe des Vorschlags wurden bewusst technologisch neutral formuliert, um sicherzustellen, dass sie mit den schnellen technologischen Entwicklungen Schritt halten können und nicht rasch überholt sind.34
II. Art. 1 Nr. 2 RL-Vorschlag – Änderungen in Art. 3 Abs. 5 und 6 UGP-RL
Art. 1 Nr. 2 RL-Vorschlag sieht eine Neufassung von Art. 3 Abs. 5 und 6 UGP-RL vor. Art. 3 Abs. 5 UGP-RL enthält bisher die sogenannte Escape Clause, nach der mitgliedstaatliche Vorschriften, die strengere oder restriktivere Vorgaben als die UGP-RL enthalten, unter bestimmten Voraussetzungen weitere sechs Jahre ab dem 12.07.2007 angewandt werden können.35 Art. 3 Abs. 6 UGP-RL sieht eine Mitteilungspflicht der Mitgliedstaaten hinsichtlich der nach Abs. 5 weiterhin anwendbaren Vorschriften vor. Da der sechsjährige Übergangszeitraum im Jahr 2013 abgelaufen ist, haben die Regelungen keine Bedeutung mehr und sollen nun ersetzt werden. Art. 3 Abs. 5 neu UGP-RL räumt den Mitgliedstaaten künftig die Möglichkeit ein, über die UGP-RL hinaus verbraucherschützende Vorschriften zu erlassen. Die Vorschriften betreffen aggressive oder irreführende Geschäftspraktiken, welche im Zusammenhang mit „unerbetenen Besuchen eines Gewerbetreibenden in der Wohnung eines Verbrauchers oder Ausflügen, die von einem Gewerbetreibenden in der Absicht oder mit dem Ergebnis organisiert werden, dass für den Verkauf von Waren bei Verbrauchern geworben wird oder Waren an Verbraucher verkauft werden,“ erfolgen. Die mitgliedstaatlichen Regelungen in diesem Bereich müssen „verhältnismäßig, nicht diskriminierend und aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt“ sein. Art. 3 Abs. 6 neu UGP-RL sieht eine Notifizierungspflicht der Mitgliedstaaten vor. Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission „unverzüglich“ die auf Grundlage des neuen Art. 3 Abs. 5 UGP-RL erlassenen Bestimmungen mitteilen, welche die Kommission ihrerseits auf einer speziellen Website zu veröffentlichen hat. Wegen ihrer vollharmonisierenden Wirkung verbietet die UGP-RL bisher, in ihrem Anwendungsbereich strengere nationale Vorschriften zu erlassen.36 Die genannten Verkaufskanäle sollen als solche jedoch nicht verboten werden können.37 Möglich wäre etwa die Festlegung einer Tageszeit, zu der Besuche in der Wohnung eines Verbrauchers ohne dessen ausdrücklichen Wunsch nicht zulässig sind.38 Denkbar wäre auch, ein bestimmtes Zahlungsverfahren vorzuschreiben (wohl um Sofortzahlungen zu vermeiden).39 Die geplante Änderung wird als problematisch empfunden. Es werden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den auf Grundlage der Art. 8 und 9 UGP-RL erlassenen und den auf Grundlage des neuen Art. 3 Abs. 5 UGP-RL möglichen mitgliedstaatlichen Vorschriften prophezeit.40 Zudem wird eine Rechtszersplitterung im Bereich des Lauterkeitsrechts befürchtet, die negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt nach sich ziehen kann.41 Jedoch handelt es sich gerade bei der Vermarktung von Produkten außerhalb von Geschäftsräumen um einen Geschäftsbereich, der „relativ geringe“ Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat.42 Damit sind keine allzu gravierenden Folgen zu erwarten. Auf der anderen Seite soll auf diese Weise dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen werden.43 Zudem liefert der eröffnete Regulierungsspielraum den Mitgliedstaaten womöglich Antworten auf lokale Probleme, deren Beantwortung bisher wegen der Vollharmonisierung unterblieb.44
III. Art. 1 Nr. 3 RL-Vorschlag – Einführung von Art. 6 Abs. 2 lit. c) UGP-RL
Durch Art. 1 Nr. 3 RL-Vorschlag soll als Art. 6 Abs. 2 lit. c) UGP-RL eine besondere Form irreführender Geschäftspraktiken eingeführt werden. Nach der vorgeschlagenen Regelung gilt unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls als irreführend „jegliche Art der Vermarktung einer Ware in einem Mitgliedstaat als identisch mit derselben in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware, obgleich sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden.“ Die Vermarktung als identisch trotz wesentlicher Unterschiede kann durch „legitime und objektive Faktoren“ gerechtfertigt sein. Zunächst ist auf die Besonderheit hinzuweisen, dass nicht allgemein „Produkte“, sondern nur „Waren“ in Bezug genommen werden. Die vorgeschlagene Regelung enthält einige unbestimmte Rechtsbegriffe. Es bedarf der Auslegung, wann Waren als „identisch“ vermarktet anzusehen sind. Aus den Erwägungsgründen ergibt sich mittelbar, dass der Hauptanknüpfungspunkt hierfür die Vermarktung der Ware unter „derselben Marke“ ist. Behörden sollen nämlich bei der Beurteilung der Unlauterkeit legitime und objektive Faktoren berücksichtigen, die Unternehmer berechtigen, „Waren derselben Marke“ an unterschiedliche geographische Märkte anzupassen.45 Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass die Vermarktung unter derselben Marke den wesentlichen Anknüpfungspunkt darstellt.46 Mit der Marke die Aussage zu verbinden, dass die Zusammensetzung oder Qualität von Waren identisch ist, wird kritisch beurteilt.47 Nach dem harmonisierten Markenrecht besteht die Funktion der Marke nämlich hauptsächlich darin, auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen.48 Soweit der Marke eine Qualitätsfunktion zukomme, dürfe diese nicht so weit gehen, dass gleichartige Produkte unter derselben Marke als identisch anzusehen sind.49 Damit besteht ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Art. 6 Abs. 2 lit. c) neu UGP-RL und dem harmonisierten Markenrecht.50 Weiter bedarf es der Bestimmung, welche der in den „anderen Mitgliedstaaten“ vermarkteten Ware als Vergleichsmaßstab herangezogen werden soll bzw. in wie vielen Mitgliedstaaten die Ware in einer bestimmten Zusammensetzung verkauft werden muss, um sie als Maßstab heranziehen zu können. Ein Anhaltspunkt lässt sich der Mitteilung der Kommission vom 29.09.201751 entnehmen. Danach soll die Ware in den „meisten“ der Mitgliedstaaten in einer bestimmten Zusammensetzung verkauft werden, um als Referenzprodukt herangezogen werden zu können.52 Weiter bedarf der Auslegung, wann ein „wesentlicher“ Unterschied in der Zusammensetzung oder den Merkmalen gegeben ist. Die Erwägungsgründe geben hierüber keinen Aufschluss. Wiederum könnte die Mitteilung der Kommission vom 29.09.2017 als Auslegungshilfe herangezogen werden. Danach soll regelmäßig ein „erheblicher“ Unterschied vorliegen, „wenn sich eine oder mehrere der zentralen Zutaten oder ihre prozentualen Anteile wesentlich von denen im Referenzprodukt unterscheiden […].“53 Diese Ausführungen beziehen sich zwar auf Lebensmittel und beschreiben, wann ein „erheblicher“ Unterschied vorliegt. Sie können aber sinngemäß auf andere Waren übertragen werden. Ein wesentlicher Unterschied dürfte also anzunehmen sein, wenn nicht unerhebliche Unterschiede in den zentralen Bestandteilen der Waren gegeben sind. Was die „legitimen und objektiven Faktoren“ anbelangt, die eine identische Vermarktung der wesentlich verschiedenen Waren rechtfertigen können, enthalten die Erwägungsgründe eine beispielhafte Aufzählung.54 Danach können Unternehmer aufgrund nationaler Rechtsvorschriften, aufgrund der Verfügbarkeit oder Saisonabhängigkeit von Rohstoffen oder aufgrund freiwilliger Strategien zur Verbesserung des Zugangs zu gesunden und nährstoffreichen Lebensmitteln berechtigt sein, Waren derselben Marke an unterschiedliche geographische Märkte anzupassen.55 Die Berücksichtigung von Verbraucherpräferenzen ist, anders als im ursprünglichen Richtlinienvorschlag,56 nicht mehr explizit genannt, dürfte aber wegen des nicht abschließenden Charakters der Aufzählung einen legitimen Faktor darstellen. Bei der nach dem ersten Halbsatz von Art. 6 Abs. 2 UGP-RL durchzuführenden Einzelfallbetrachtung hinsichtlich der Eignung der Geschäftspraktik, einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, sollen die Behörden berücksichtigen, ob die Unterschiede von den Verbrauchern „leicht zu erkennen“ sind.57 Hierbei sollen sie die Verfügbarkeit und Angemessenheit von Informationen berücksichtigen.58 Dabei ist die Information über die legitimen und objektiven Faktoren ein wichtiger Aspekt.59
Der Nutzen der Einführung des neuen Unlauterkeitstatbestandes wird hinterfragt, da bereits nach der geltenden Rechtslage eine Irreführung über die Zusammensetzung einer Ware unter Art. 6 Abs. 1 lit. b) UGP-RL subsumiert werden kann.60 Mit der Klarstellung in einem gesonderten Tatbestand ist bezweckt, zur Rechtssicherheit beizutragen.61 Erfahrungen haben gezeigt, dass für die Rechtsanwender nicht hinreichend klar ist, wann die in Rede stehenden Praktiken als unlauter einzustufen sind.62 Dem Rechtsanwender soll die Bewertung solcher Geschäftspraktiken als unlauter erleichtert werden.63
IV. Art. 1 Nr. 4 RL-Vorschlag – Änderungen in Art. 7 UGP-RL
Art. 7 UGP-RL beinhaltet verschiedene Formen des irreführenden Unterlassens. Dies sind zum einen das Vorenthalten wesentlicher Informationen (Abs. 1) und zum anderen das Verheimlichen wesentlicher Informationen oder deren Bereitstellen in unklarer, unverständlicher, zweideutiger oder nicht rechtzeitiger Weise (Abs. 2). Durch Art. 1 Nr. 4 RL-Vorschlag sollen gleich mehrere Änderungen in Art. 7 UGP-RL vorgenommen werden. Die Änderungen betreffen allesamt Regelungen, die das Merkmal „wesentliche Informationen“ aus den Abs. 1 und 2 für bestimmte Fälle unternehmerischen Handelns konkretisieren. So etwa Art. 7 Abs. 4 UGP-RL, wo für den Fall „der Aufforderung zum Kauf“64 das Merkmal der „wesentlichen Informationen“ näher bestimmt wird.65
1. Änderung in Art. 7 Abs. 4 lit. d) UGP-RL
In Art. 7 Abs. 4 lit. d) UGP-RL sollen die Worte „sowie das Verfahren zum Umgang mit Beschwerden“ gestrichen werden. Damit gelten fortan nach lit. d) nur noch „die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen“ als wesentliche Informationen im Falle der Aufforderung zum Kauf. Hintergrund ist, dass die Informationsanforderungen aus Art. 7 Abs. 4 UGP-RL bereits in der Werbephase gelten,66 die Information über „das Verfahren zum Umgang mit Beschwerden“ in dieser Phase allerdings nicht so relevant ist.67 Nach den Ergebnissen der REFIT-Eignungsprüfung soll diese Information in der vorvertraglichen Phase am relevantesten sein.68 Die vorvertragliche Phase deckt aber Art. 6 Abs. 1 lit. g) VR-RL bereits ab, wo dieselben (und weitergehende) Informationsanforderungen vorgeschrieben sind.69 Durch die Herausnahme der Informationspflicht sollen Unternehmer in der Werbephase nun entlastet werden. Man erhofft sich hierdurch wesentliche Einsparungen bei ihnen.70 Die Regelung des Art. 7 Abs. 4 UGP-RL ist in § 5a Abs. 3 UWG umgesetzt.71 Dabei findet Art. 7 Abs. 4 lit. d) UGP-RL Entsprechung in § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG. Wegen der vollharmonisierenden Wirkung der UGP-RL72 dürfen Unternehmern im deutschen Recht während der Werbephase keine weitergehenden Informationspflichten auferlegt werden. Somit gebietet die Streichung der Information über „das Verfahren zum Umgang mit Beschwerden“ aus Art. 7 Abs. 4 lit. d) UGP-RL, dass der deutsche Gesetzgeber die Informationsanforderung aus § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG ebenfalls herausnimmt.
2. Einführung von Art. 7 Abs. 4 lit. f) UGP-RL
Der Katalog an wesentlichen Informationen in Art. 7 Abs. 4 UGP-RL erfährt neben dieser Einschränkung auch eine Erweiterung. Nach der neu einzufügenden lit. f) soll bei der Aufforderung zum Kauf für Produkte, die auf Online-Marktplätzen73 angeboten werden, als wesentliche Information gelten, „ob es sich bei dem Dritten, der die Produkte anbietet, um einen Gewerbetreibenden handelt oder nicht“. Hierbei ist die Erklärung des „Dritten gegenüber dem Online-Marktplatz“ ausschlaggebend. Die Pflicht des Betreibers des Online-Marktplatzes erschöpft sich also darin, von dem Dritten die Angabe seines Status als Unternehmer oder Nichtunternehmer zu verlangen. Anschließend muss die Information dem Verbraucher bereitgestellt werden. Für Falschinformationen hat der Betreiber damit weder einzustehen noch muss er die Richtigkeit der Erklärung überprüfen.74 Bezweckt wird mit der Informationspflicht, dem Verbraucher Aufschluss darüber zu geben, ob für den von ihm anvisierten Vertrag die Verbraucherrechte gemäß den EU-Verbraucherschutzvorschriften gelten oder nicht.75 Bereits nach geltender Rechtslage entspricht es den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht eines Betreibers von Online-Marktplätzen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit für Nutzer ersichtlich wird, wer als Vertragspartei auftritt und ob dementsprechend die EU-Verbraucherschutzvorschriften gelten.76 Damit hat die neue Regelung klarstellenden Charakter.
3. Einführung von Art. 7 Abs. 4a UGP-RL
Art. 7 UGP-RL soll zudem einen neuen Abs. 4a erhalten. Wenn Verbrauchern die Möglichkeit geboten wird, nach Produkten von Gewerbetreibenden oder anderen Verbrauchern zu suchen, „sind Informationen über die Hauptparameter für das Ranking77 der dem Verbraucher im Ergebnis der Suche vorgeschlagenen Produkte sowie das relative Gewicht dieser Parameter im Vergleich zu anderen Parametern“ als wesentlich zu betrachten. Es ist erforderlich, dass die Informationen in einem „bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, der von der Suchergebnisseite aus unmittelbar und leicht zugänglich“ ist. Anbieter von Online-Suchmaschinen im Sinne der Verordnung (EU) 2019/115078 sind von der Regelung ausgenommen. Art. 7 Abs. 4a neu UGP-RL ist – wie Art. 7 Abs. 4 UGP-RL – eine Konkretisierungsregelung, die für den speziellen Fall der Online-Suchanfragen näher bestimmt, was unter „wesentlichen Informationen“ zu verstehen ist. Da Rankings erhebliche Auswirkungen auf die Entscheidung der Verbraucher haben, soll hier Transparenz geschaffen werden.79 Parameter für das Ranking sind „alle allgemeinen Kriterien, Prozesse und spezifischen Signale, die in die Algorithmen eingebunden sind, oder sonstige Anpassungs- oder Rückstufungsmechanismen, die im Zusammenhang mit dem Ranking eingesetzt werden.“80 Anbieter von Suchmaschinen im Sinne der Verordnung (EU) 2019/1150 sind von der Regelung ausgenommen, weil sie bereits nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung verpflichtet sind, die Parameter bereitzustellen. Die Informationen sollen in einem Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, der „von der Seite aus“, auf der die Suchergebnisse angezeigt werden, „unmittelbar und leicht“ zugänglich ist. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass die Parameter nicht auf derselben Seite wie die Suchergebnisse verfügbar sein müssen. Es genügt eine Verlinkung zu den Informationen, sofern dieser Link direkt, das heißt ohne Zwischenschritte, zu ihnen führt und gut sichtbar auf der Suchergebnisseite zu erkennen ist. Wollte man annehmen, die Parameter müssten bereits auf der Ergebnisseite verfügbar sein, so hätte der Wortlaut „auf der Suchergebnisseite zugänglich“ lauten müssen.81 Nach den Erwägungsgründen sollen die Informationen „knapp gehalten“ sein.82 Damit ist bezweckt, Verbraucher nicht mit zu vielen Informationen zu überfordern, um ihnen zu ermöglichen, die Parameter zu durchblicken. Unternehmer sind nicht verpflichtet, die Funktionsweise ihrer Ranking-Systeme im Detail offenzulegen.83 Eine allgemeine Beschreibung der Hauptparameter mit den wichtigsten Standardparametern sowie ihrem relativen Gewicht im Vergleich zu anderen Parametern soll genügen.84 Dies bezweckt den Geschäftsgeheimnisschutz der Unternehmer. Die Informationen brauchen auch nicht auf die konkrete Suchanfrage zugeschnitten sein.85 Letzteres dürfte dafür sorgen, dass der Aufwand für Unternehmer sich in Grenzen hält.
Auch bisher ist es möglich, die Vorenthaltung von Kriterien für das Ranking von Produkten nach Art. 7 UGP-RL als irreführend einzustufen.86 Die geplante Vorschrift hat damit klarstellende Funktion.
4. Einführung von Art. 7 Abs. 6 UGP-RL
Weiter soll in Art. 7 UGP-RL ein neuer Abs. 6 hinzukommen. Stellt ein Gewerbetreibender Verbraucherbewertungen von Produkten zur Verfügung, dann sind solche Informationen als wesentlich anzusehen, die Aufschluss darüber geben, „ob und wie der Gewerbetreibende sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Produkte erworben oder verwendet haben“. Damit wird eine weitere Konkretisierungsregelung eingeführt, die für den Fall der Zugänglichmachung von Verbraucherbewertungen präzisiert, was unter „wesentlichen Informationen“ zu verstehen ist. Da Verbraucher sich bei ihren Kaufentscheidungen immer häufiger auf Verbraucherbewertungen stützen, soll auch hier Transparenz geschaffen werden.87 Art. 7 Abs. 6 UGP-RL gebietet Gewerbetreibenden Zweierlei: In einem ersten Schritt müssen sie mitteilen, ob sie überhaupt Vorkehrungen treffen, die gewährleisten, dass nur Verbraucher Bewertungen abgeben können, die tatsächlich die zu bewertenden Produkte erworben oder verwendet haben. Trifft der Gewerbetreibende solche Vorkehrungen, muss er in einem zweiten Schritt mitteilen, wie diese aussehen.
V. Art. 1 Nr. 5 und 6 RL-Vorschlag – Einführung von Art. 11a und Änderungen in Art. 13 UGP-RL
Die Änderungsvorschläge aus Art. 1 Nr. 5 und 6 RL-Vorschlag betreffen die in der Einleitung erwähnten Rechtsdurchsetzungsregelungen und werden an anderer Stelle gesondert behandelt.88
VI. Art. 1 Nr. 7 RL-Vorschlag – Neue Verbote in Anhang I UGP-RL
Anhang I der UGP-RL enthält Geschäftspraktiken, die gemäß Art 5 Abs. 5 UGP-RL unter allen Umständen als unlauter gelten. Er soll durch Art. 1 Nr. 7 RL-Vorschlag um vier neue Tatbestände ausgebaut werden. Die Liste stellt verbindliche Standards auf, von denen die Mitgliedstaaten nicht abweichen können.89
1. Neue Nr. 11a in Anhang I UGP-RL
Fortan soll die Anzeige von Suchergebnissen infolge einer Online-Suchanfrage des Verbrauchers unter allen Umständen als unlauter gelten, wenn nicht „eindeutig“ offengelegt wird, „inwieweit es sich dabei um bezahlte Werbung handelt oder ob eigens Zahlungen geleistet wurden, damit die jeweiligen Produkte im Rahmen der Suchergebnisse ein höheres Ranking erhalten“. Da ein besseres Ranking kommerzieller Angebote erhebliche Auswirkungen auf die Verbraucher hat, soll hier Transparenz geschaffen werden.90 Was unter „eindeutiger“ Offenlegung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Einen Hinweis bieten die Erwägungsgründe. Danach soll der Verbraucher über die entsprechenden Informationen in „kurzer, einfacher und verständlicher Weise“ in Kenntnis gesetzt werden.91 Die Informationen sollen also knapp gehalten und für den juristischen Laien verständlich sein. Darüber hinaus wird zu verlangen sein, dass die Informationen gut sichtbar zur Verfügung stehen, damit Verbraucher ohne besonderen Suchaufwand an sie gelangen. Unter einer „Zahlung“ zwecks Erhalts eines höheren Rankings sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Zahlungen an den Anbieter der Online-Suchmaschine zu verstehen.92 Mittelbare Zahlungen liegen vor, wenn der Unternehmer zusätzliche Verpflichtungen jeglicher Art gegenüber dem Anbieter der Online-Suchmaschine eingeht, damit sein Produkt im konkreten Fall ein höheres Ranking erhält.93 Dies kann beispielsweise die Zahlung einer erhöhten Provision für geglückte Transaktionen sein.94 Zahlungen für allgemeine Dienstleistungen des Betreibers, etwa Listungsgebühren oder Mitgliedsbeiträge, fallen nicht unter eine „Zahlung“.95
Die von Art. 11a neu Anhang I UGP-RL erfassten Praktiken konnten bislang schon über Art. 7 UGP-RL als unlauter eingestuft werden.96 Fortan werden solche Praktiken ohne Einzelfallbetrachtung als unlauter gelten.
2. Neue Nr. 23a in Anhang I UGP-RL
Künftig soll auch der Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher als unwiderlegbar unlauter gelten, „wenn der Gewerbetreibende diese Eintrittskarten unter Verwendung automatisierter Verfahren erworben hat, die dazu dienen, Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der von einer Person zu erwerbenden Eintrittskarten oder andere für den Verkauf der Eintrittskarten geltenden Regeln zu umgehen“. Unter einem „automatisierten Verfahren“ ist etwa die Verwendung von Software wie Bots zu verstehen.97
3. Neue Nr. 23b in Anhang I UGP-RL
Ferner soll in Zukunft die „Erklärung, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben“, unter allen Umständen als unlauter gelten, wenn nicht „sinnvolle und angemessene Schritte unternommen wurden, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von solchen Verbrauchern stammen“. Die Regelung verbietet dem Unternehmer, eine Erklärung ins Blaue hinein abzugeben. Was unter „sinnvollen und angemessenen“ Schritten zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Die Erwägungsgründe bieten Beispiele, die dabei helfen können. Danach sind solche Schritte etwa technische Mittel zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit einer Person, die eine Bewertung veröffentlicht.98 Auch könnten Informationen angefordert werden, um zu überprüfen, ob der bewertungswillige Verbraucher das jeweilige Produkt tatsächlich erworben bzw. verwendet hat.99 Daraus lässt sich allgemein folgern, dass zumindest Kontrollmechanismen eingeführt werden müssen, die die Abgabe von Bewertungen solcher Personen, die das Produkt nicht verwendet haben, in gewisser Weise erschweren. Die Einholung einer bloßen Versicherung der bewertungswilligen Person, dass sie das Produkt verwendet bzw. erworben habe, dürfte damit nicht ausreichen, da hiermit keine ins Gewicht fallende Hürde geschaffen würde.
Bereits nach geltender Rechtslage müssen Betreiber von Bewertungsplattformen nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) und Art. 7 Abs. 4 lit. a) UGP-RL zutreffende Angaben zu den wesentlichen Merkmalen ihrer Dienstleistungen machen.100 Insbesondere dürfen sie ihre Nutzer nicht in Bezug auf die Herkunft der Bewertungen irreführen.101 Daher müssen sie auch jetzt schon angemessene Maßnahmen treffen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Bewertungen tatsächlichen Nutzererfahrungen entsprechen, wenn sie dies ausdrücklich behaupten.102 Künftig erübrigt sich allerdings eine Einzelfallbetrachtung nach den Art. 6 und 7 UGP-RL.
4. Neue Nr. 23c in Anhang I UGP-RL
Schließlich werden gemäß Nr. 23c künftig in sozialen Medien, die der Werbung für Produkte dienen, unter allen Umständen die „Veröffentlichung falscher Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern“ (Var.1), „die Erteilung des Auftrags an andere juristische oder natürliche Personen, eine falsche Bewertung oder Empfehlung zu veröffentlichen“ (Var. 2), sowie die „falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen“ (Var. 3) als unlauter gelten. Auf den ersten Blick ist nicht ganz klar, was unter einer „falschen“ Bewertung eines Verbrauchers zu verstehen ist. Darunter könnte zunächst die objektive Unrichtigkeit der Bewertungen verstanden werden. Problematisch ist jedoch, dass Bewertungen stets ein subjektives Element innewohnt. Ob ein Produkt gut oder schlecht ist, liegt im Auge des Betrachters. Damit kann die Einstufung einer Bewertung als „falsch“ im Sinne von unrichtig nur bedingt von dritter Seite erfolgen. Was eine „falsche“ Bewertung ist, kann im systematischen Zusammenhang mit der neuen Nr. 23b Anhang I UGP-RL bestimmt werden. Nach Nr. 23b darf der Unternehmer nicht behaupten, Bewertungen stammen von Verbrauchern, die tatsächlich mit dem Produkt in Berührung gekommen sind, wenn er nicht Maßnahmen ergreift, die dies sicherstellen. Die Bewertungen sollen also auf belastbare Erfahrungen zurückgehen, da nur solche Bewertungen dem Verbraucher einen Mehrwert bieten. Legt man dies zugrunde, so liegen falsche Bewertungen dann vor, wenn sie nicht von Verbrauchern stammen, die tatsächlich Erfahrungen mit dem Produkt gemacht haben. Was die „falsche Darstellung“ von Bewertungen oder Empfehlungen (Var. 3) angeht, kann darunter etwa eine Manipulation derart verstanden werden, dass nur positive, nicht hingegen negative Bewertungen veröffentlicht werden.103 Eine Manipulation kann auch dann vorliegen, wenn die positive Bewertung eines Verbrauchers mit einem anderen, im Zusammenhang stehenden Inhalt verknüpft wird, um den Anschein zu erwecken, es werde auch dieser Inhalt befürwortet (Extrapolation).104
Auch diese künftig explizit geregelten Praktiken lassen sich mit den bereits vorhandenen Regelungen der UGP-RL erfassen. So verstößt es bereits heute gegen Nr. 22 Anhang I UGP-RL (fälschliches Auftreten als Verbraucher), wenn der Gewerbetreibende falsche Bewertungen im Namen von Verbrauchern veröffentlicht oder Dritte damit beauftragt.105 Auch die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen durch das Unterdrücken negativer Bewertungen kann nach Art. 7 UGP-RL im Einzelfall als unlauter eingestuft werden, wenn der Verbraucher nicht darauf hingewiesen wird, dass nicht alle Verbraucherbewertungen veröffentlicht werden, ihm also wesentliche Informationen vorenthalten werden.106
[...]
1 Eine allgemeine Stellungnahme, Dokument COM(2018) 183 final, und einen weiteren Richtlinienvorschlag betreffend Verbandsklagen, Dokument COM(2018) 184 final.
2 Dokument COM(2018) 185 final.
3 Gesetzgebungsverfahren 2018/0090 (COD).
4 Dokument P8_TA(2019)0399 (Angenommene Texte) des Verfahrens 2018/0090 (COD).
5 Wenn im Folgenden vom „RL-Vorschlag“ die Rede ist, dann ist die am 17.04.2019 angenommene Fassung (siehe Fn. 4) gemeint.
6 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt.
7 Unter B.
8 Unter C.
9 Unter D.
10 Unter E.
11 Unter F.
12 Dokumente SWD(2017) 208 final und SWD(2017) 209 final.
13 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.
14 COM(2018) 185 final, S. 1.
15 COM(2018) 185 final, S. 2.
16 COM(2018) 185 final, S. 2.
17 Art. 3 Abs. 1 UGP-RL.
18 Art. 1 UGP-RL.
19 ErwGrd. 8 S. 1 UGP-RL.
20 ErwGrd. 8 S. 2 UGP-RL.
21 RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 10.
22 EuGH GRUR Int 2009, 852, 857 Rn. 52.
23 RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145.
24 RegE UWG 2015, BT-Drucks. 18/4535.
25 GK-UWG/ Peukert § 2 Rn. 4 in Bezug auf den Definitionskatalog des UWG. Nichts anderes kann für den Katalog der UGP-RL gelten.
26 ErwGrd. 30 S. 6 RL-Vorschlag.
27 ErwGrd. 30 S. 8 RL-Vorschlag.
28 Köhler/Bornkamm/Feddersen/ Köhler § 2 Rn. 1.
29 Köhler/Bornkamm/Feddersen/ Köhler § 2 Rn. 39.
30 Fezer/Büscher/Obergfell/ Fezer § 2 A Rn. 19.
31 Hierzu unter D. IV. 3.
32 Hierzu unter D. VI. 1.
33 Hierzu unter D. IV. 2.
34 COM(2018) 185 final, S. 18.
35 Näheres hierzu bei MüKoUWG/ Micklitz UGP-Richtlinie Art. 3 Rn. 37 ff.
36 MüKoUWG/ Micklitz UGP-Richtlinie Art. 4 Rn. 12; Ohly/Sosnitza/ Ohly UWG Einführung C Rn. 45.
37 ErwGrd. 55 S. 2 RL-Vorschlag.
38 ErwGrd. 55 S. 3 RL-Vorschlag.
39 ErwGrd. 55 S. 3 RL-Vorschlag.
40 Alexander, WRP 2019, Heft 1, Editorial.
41 BDI, Stellungnahme vom 16.08.2018, S. 11; ebenso die Clearingstelle NRW, Kurzstellungnahme vom 11.06.2018, S. 5.
42 COM(2018) 185 final, S. 10.
43 COM(2018) 185 final, S. 10; vgl. auch ErwGrd. 55 S. 1 RL-Vorschlag.
44 Twigg-Flesner, GPR 2018, 166, 170.
45 ErwGrd. 53 S. 4 RL-Vorschlag.
46 Ähnlich Dröge, WRP 2019, 160, 164 Rn. 37; Würtenberger/Freischem, GRUR 2019, 709, 710.
47 Vgl. Dröge, WRP 2019, 160, 164 Rn. 39; Würtenberger/Freischem, GRUR 2019, 709, 710.
48 EuGH GRUR 2012, 268, 269 Rn. 25 – Winters/Red Bull.
49 Würtenberger/Freischem, GRUR 2019, 709, 710.
50 Würtenberger/Freischem, GRUR 2019, 709, 710.
51 Europäische Kommission, Amtsblatt der EU 2017/C 327/01.
52 Europäische Kommission, Amtsblatt der EU 2017/C 327/01, S. 4.
53 Europäische Kommission, Amtsblatt der EU 2017/C 327/01, S. 6.
54 Vgl. ErwGrd. 53 S. 4 RL-Vorschlag: „…legitimer und objektiver Faktoren, wie…“.
55 ErwGrd. 53 S. 4 RL-Vorschlag.
56 Vgl. COM(2018) 185 final, ErwGrd. 43 S. 4.
57 ErwGrd. 53 S. 3 und 4 RL-Vorschlag.
58 ErwGrd. 53 S. 5 RL-Vorschlag.
59 ErwGrd. 53 S. 6 RL-Vorschlag.
60 Alexander, WRP 2019, Heft 1, Editorial; vgl. auch die Stellungnahme des Deutschen Bundesrats, Drucks. 153/18, S. 11; HDE, Stellungnahme vom 20.06.2018, S. 12.
61 ErwGrd. 53 S. 2 des RL-Vorschlags.
62 ErwGrd. 53 S. 1 des RL-Vorschlags.
63 Die gesonderte Regelung befürworten Hakenberg/Kowollik, EWS 2019, 61, 67.
64 Begriff in Art. 2 lit. i) UGP-RL definiert.
65 Köhler/Bornkamm/Feddersen/ Köhler § 5a Rn. 4.2; MüKoUWG/ Micklitz UGP-Richtlinie Art. 7 Anh. II Rn. 4.
66 ErwGrd. 39 S. 2 RL-Vorschlag.
67 ErwGrd. 40 S. 2 RL-Vorschlag.
68 ErwGrd. 40 S. 2 RL-Vorschlag.
69 ErwGrd. 39 S. 2 RL-Vorschlag.
70 COM(2018) 185 final, S. 18.
71 RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 25. Anders als bei Art. 7 Abs. 4 UGP-RL ergibt sich die Definition der „Aufforderung zum Kauf“ direkt aus § 5a Abs. 3 UWG und nicht erst unter Hinzuziehung des Definitionskatalogs.
72 Siehe unter C.
73 Begriff soll künftig in Art. 2 lit. n) definiert werden. Siehe unter D. I. 2.
74 Vgl. ErwGrd. 28 S. 1 RL-Vorschlag.
75 Vgl. ErwGrd. 27 S. 2 RL-Vorschlag.
76 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 144.
77 Begriff soll künftig in Art. 2 lit. m) UGP-RL definiert werden. Vgl. D. I. 2.
78 Verordnung 2019/1150/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten.
79 ErwGrd. 18 und 21 S. 3 RL-Vorschlag.
80 ErwGrd. 22 S. 3 RL-Vorschlag.
81 Dies bestätigt auch die englische Fassung: „from the page where the query results are presented”.
82 ErwGrd. 22 S. 2 RL-Vorschlag.
83 ErwGrd. 23 S. 2 RL-Vorschlag.
84 ErwGrd. 23 S. 3 RL-Vorschlag.
85 ErwGrd. 23 S. 3 RL-Vorschlag.
86 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 153.
87 ErwGrd. 47 S. 1 RL-Vorschlag.
88 Unter E und F.
89 MüKoUWG/ Micklitz UGP-Richtlinie Anhang I Rn. 10.
90 ErwGrd. 18 RL-Vorschlag.
91 ErwGrd. 20 S. 2 RL-Vorschlag.
92 ErwGrd. 20 S. 2 RL-Vorschlag.
93 ErwGrd. 20 S. 3 RL-Vorschlag.
94 ErwGrd. 20 S. 4 RL-Vorschlag. Genau diese Konstellation lag dem vom BGH entschiedenen Fall zugrunde, in dem der Betreiber eines Preisvergleichsportals nicht angegeben hatte, dass nur solche Bestattungsunternehmen aufgelistet sind, die eine Vertragsabschlussprovision an ihn entrichten. Der BGH hat dies als unlauter nach § 5a Abs. 2 UWG eingestuft. Vgl. BGH GRUR 2017, 1265 – Preisportal.
95 ErwGrd. 20 S. 5 RL-Vorschlag.
96 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 150; siehe auch BGH GRUR 2017, 1265 – Preisportal.
97 ErwGrd. 50 S. 1 RL-Vorschlag.
98 ErwGrd. 47 S. 5 RL-Vorschlag; vgl. auch Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 158, wo unter solchen technischen Mitteln eine Registrierpflicht der Bewertungswilligen als Beispiel aufgeführt wird.
99 ErwGrd. 47 S. 5 RL-Vorschlag; vgl. auch Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 158, wo als Beispiel für solche Informationen die Angabe einer Buchungsnummer angeführt wird.
100 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 157.
101 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 157.
102 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 158.
103 ErwGrd. 49 S. 1 RL-Vorschlag.
104 ErwGrd. 49 S. 2 RL-Vorschlag.
105 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 158.
106 Europäische Kommission, SWD(2016) 163 final, S. 159.
- Quote paper
- Mehmet Celik (Author), 2019, Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Änderungen nach dem Vorschlag für eine Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/514871
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