Kinder begegnen dem Thema Sterben und Tod auf vielerlei Weise. Beobachtungen im Fernsehen, Gespräche der Erwachsenen über den Tod, Verlust eines Haustieres, der Großeltern oder eines anderen geliebten Menschen, konfrontieren sie frühzeitig mit diesem Thema. Diese schmerzlichen Erfahrungen sind für Kinder meist sehr schwer zu verarbeiten, und auch Erwachsene sind hiermit oft überfordert. Um als Lehrer die Trauer der Kinder nachvollziehen zu können, sollte man sich somit nicht nur mit wissenschaftlicher Literatur über die Themen Sterben und Tod befassen, sondern vor allem auch geeignete Wege finden, mit Kindern das Thema in angemessener Weise zu be- und verarbeiten. Gerade illustrierte Bücher können für Kinder eine Möglichkeit sein, die Angst vor dem eigenen bevorstehenden Tod, die Trauer nach dem Tod eines geliebten Lebewesens, aber auch die allgemeine Angst vor dem Tod aufzufangen. So kann ein sinnvoller Beitrag zur Trauerarbeit und gegen die Angst geleistet, vor allem aber auch den Kindern geholfen werden, ein angstfreies Konzept vom Tod zu bilden.
In dieser Hausarbeit sollen nicht primär die wissenschaftlichen Hintergründe der Trauerverarbeitung und Angstvorstellungen bei Kindern im Vordergrund stehen. An erster Stelle steht hier die Analyse des Buches `Leb wohl lieber Dachs` von Susan Varley, unter dem Aspekt der Eignung als Bilderbuch zum Thema Sterben, Tod und Trauer. Zunächst folgt somit eine inhaltliche Analyse des ausgewählten Buches. Anschließend soll das Augenmerk auf der stilistischen Analyse liegen, um abschließend einige didaktisch-methodische Überlegungen anzustellen.
Inhalt
I Einleitung
II Buchanalyse
1. Inhaltliche Analyse
1.1 Inhaltsangabe
1.2 Authentizität der Sterbe- und Todesdarstellung
1.3 Veranschaulichungsgrad von Stimmungen
1.4 Plausibilität von Lösungs- und Bewältigungsstrategien
1.5 Kommunikations- und Interaktionsstrukturen
1.6 Offenheitsgrad bezüglich religiöser Wertmaßstäbe
2. Stilanalyse – Sprache/Form
2.1 Äußere Aufmachung
2.2 Aufbau/Struktur
2.3 Sprachanalyse
2.4 Bildanalyse
3. Didaktisch-methodische Überlegungen
III Literaturverzeichnis
I Einleitung
Kinder begegnen dem Thema Sterben und Tod auf vielerlei Weise. Beobachtungen im Fernsehen, Gespräche der Erwachsenen über den Tod, Verlust eines Haustieres, der Großeltern oder eines anderen geliebten Menschen, konfrontieren sie frühzeitig mit diesem Thema. Diese schmerzlichen Erfahrungen sind für Kinder meist sehr schwer zu verarbeiten, und auch Erwachsene sind hiermit oft überfordert. Um als Lehrer die Trauer der Kinder nachvollziehen zu können, sollte man sich somit nicht nur mit wissenschaftlicher Literatur über die Themen Sterben und Tod befassen, sondern vor allem auch geeignete Wege finden, mit Kindern das Thema in angemessener Weise zu be- und verarbeiten. Gerade illustrierte Bücher können für Kinder eine Möglichkeit sein, die Angst vor dem eigenen bevorstehenden Tod, die Trauer nach dem Tod eines geliebten Lebewesens, aber auch die allgemeine Angst vor dem Tod aufzufangen. So kann ein sinnvoller Beitrag zur Trauerarbeit und gegen die Angst geleistet, vor allem aber auch den Kindern geholfen werden, ein angstfreies Konzept vom Tod zu bilden.
In dieser Hausarbeit sollen nicht primär die wissenschaftlichen Hintergründe der Trauerverarbeitung und Angstvorstellungen bei Kindern im Vordergrund stehen. An erster Stelle steht hier die Analyse des Buches `Leb wohl lieber Dachs` von Susan Varley, unter dem Aspekt der Eignung als Bilderbuch zum Thema Sterben, Tod und Trauer. Zunächst folgt somit eine inhaltliche Analyse des ausgewählten Buches. Anschließend soll das Augenmerk auf der stilistischen Analyse liegen, um abschließend einige didaktisch-methodische Überlegungen anzustellen.
II Buchanalyse
1. Inhaltliche Analyse
Für die inhaltliche Analyse nutze ich größtenteils die Kriterien zur Analyse von Bilderbüchern für Kinder von Martina Plieth.[1] Ich halte die Kriterien für sehr gelungen und denke, dass sie die wichtigsten Punkte zu Analyse von Bilderbüchern beinhalten.
1.1 Inhaltsangabe
Das Bilderbuch `Leb wohl lieber Dachs` beschreibt den Tod eines alten Dachses und den Umgang der zurückgebliebenen Tiere mit ihrer Trauer:
Der Dachs ist bei allen Tieren im Wald sehr beliebt, da er sehr zuverlässig und immer hilfsbereit ist. Doch der Dachs ist sehr alt, und weiß, dass er bald sterben muss. Für ihn ist das in Ordnung, der Dachs hat keine Angst vor dem Tod. Er hat es auch bereits allen seinen Freunden erzählt und hofft, dass sie nicht allzu traurig sein würden, wenn es einmal soweit sei. Eines Abends schreibt der Dachs einen Brief und schläft dann ein. Er träumt von einem Tunnel, durch den er geht und davon, dass er ohne Schmerzen und ohne seinen Stock laufen kann. Am nächsten Morgen wundern sich die Tiere, dass der Dachs nicht wie sonst aus seinem Bau kommt. Schließlich erfahren sie von dem Fuchs von dem Tod des Dachses und dass er einen Abschiedsbrief an seine Freunde geschrieben hat. Die Tiere sind sehr traurig. Es wird Winter und danach Frühling, die Tiere besuchen einander und sprechen oft über den Dachs. Sie erinnern sich gegenseitig an die schöne Zeit und an die Fähigkeiten, die er ihnen allen beigebracht hat. Dem Maulwurf hatte er beigebracht, besonders geschickt mit der Schere umzugehen. Der Frosch war mit der Hilfe des alten Dachses zu einem hervorragenden Schlittschuhläufer geworden, jeder hatte etwas Einzigartiges von dem Dachs gelernt. Einzigartiges, das den Dachs in den Gedanken und Gefühlen seiner Freunde unsterblich macht. Diese Erkenntnis tröstet auch den Maulwurf, der am Ende des Buches über den Hügel schaut, wo er den Dachs das letzte Mal gesehen hatte. Dort verabschiedet er sich mit den Worten „Danke, Dachs“ - und er ist sich sicher, dass der Dachs ihn hört.
1.2 Authentizität der Sterbe- und Todesdarstellung
Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen, wie die Einführung von Sterben und Tod im Werk erfolgt, welche typisch kindlichen Erfahrungsmomente sie widerspiegelt, und inwiefern die im Buch vermittelte Wirklichkeit der physisch-psychischen Wirklichkeit von Kindern entspricht.[2]
Jedes Kind schafft sich seine spezifischen Vorstellungen zur Entstehung von Krankheit und dem eventuell daraus resultierendem Tod. Zeitgenössische Autoren haben unterschiedliche Konzepte entwickelt, die in wesentlichen Teilen übereinstimmen. Sie sind meist auf unterschiedliche Altersstufen bezogen. Böcker[3] beschreibt ein vierdimensionales Todeskonzept, dass sich im Laufe der kindlichen Entwicklung (in der angegebenen Reihenfolge) herausbildet. Dazu gehört zum einen die Nonfunktionalität. Sie beschreibt die Erkenntnis, dass alle lebenswichtigen Funktionen mit Eintritt des Todes aufhören. Als zweiter Aspekt wird die Irreversibilität genannt, die Erkenntnis, dass der Tod endgültig und nicht umkehrbar ist. An dritter Stelle steht die Universalität. Dieser Aspekt meint die Erkenntnis, dass alle Lebewesen sterben müssen. Als letztes wird die Kausalität genannt, das Wissen um die Todesursache. In der Geschichte `Leb wohl lieber Dachs` kann man einige dieser Aspekte widerfinden.
Die Geschichte bestätigt die Vorstellung drei- bis sechsjähriger (Vorschul-)Kinder vom Sterben und vom Tod. Die Kausalität des Todes wird von den Kindern an dieser Stelle nicht im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinne aufgefasst, sondern ausschließlich im Zusammenhang mit dem Zeit- oder Lebensaltersfaktor wahrgenommen. Aus kindlicher Sicht sterben alte Menschen nun mal, weil sie ihr Lebensziel erreicht haben: „Er war auch schon sehr alt und er wusste fast alles.“ ( S.5).[4]
Das Buch arbeitet mit Vorankündigungen, die den Aspekt der Nonfunktionalität beleuchten. Diese Vorankündigungen werden so intuitiv und sukzessiv von den Kindern als herandrängende Todeswirklichkeit aufgefasst. Der Ausfall von Köperfunktionen wird im Buch wie folgt angeführt: „Und da sein Körper nicht mehr so wollte, wie in früheren Tagen,[…]Während er ihnen nachsah, fühlte Dachs sich ungemein alt und müde.[…] Doch er wusste, dass seine alten Beine es nicht erlaubten.“ (S.6). Neben textuellen Merkmalen erkennt man schon in der Darstellung des Dachses mit Stock und Brille, dass er alt ist.
Neben der Betonung der schwindenden Körperfunktionen kann man noch einige weitere Vorzeichen erkennen, durch die der Tod des Dachses angekündigt wird. Die Wortwahl „ Als er nach Hause kam, war es schon spät.“ betont die Komponente der Lebenszeit, welche sich dem Ende neigt. Eine Verbindung mit der Metapher „Lebensabend“ erklärt diese Wortwahl. Auch die Tatsache, dass der Dachs „dem Mond gute Nacht [sagte] und […] die Vorhänge vor der kalten Welt draußen zu“ zieht, führt mit dem Aspekt des Verabschiedens von der Welt, den bevorstehenden Tod des Dachses ein. Weitere Vorankündigungen finden sich auch auf den ersten Seiten. Der Erzähler berichtet aus der Sicht des Dachses, der sich an dieser Stelle explizit Gedanken über den Tod macht. So erfährt der Leser, dass er sich bereits von seinen Freunden verabschiedet und sie auf seinen Tod vorbereitet hatte: „Er hatte sie schon vorbereitet und ihnen gesagt, irgendeinmal werde er durch den langen Tunnel gehen.“ (S.6). Die letzte Szene im Leben des Dachses verdeutlicht diesen Abschied noch einmal. Er schaut voller Stolz auf den Maulwurf und den Frosch „und freute sich, dass sie so vergnügt waren.“ (S.6). All diese Todesvorankündigungen bereiten die Rezipienten auf den Tod des Dachses vor. Es besteht für den aufmerksamen Leser/Hörer somit kein Zweifel dass der Dachs bald sterben wird. Der Tod ist eine folgerichtige und unvermeidliche Sache. Ältere Kinder im Grundschulalter akzeptieren, dass der Tod für alles Lebendige unvermeidbar ist. Gleichzeitig ist es möglich, an dieser Stelle eine Übertragung zur Wirklichkeit zu leisten. Denn auch die Großeltern der Kinder kommen sichtbar dem Lebensabend immer näher und brauchen eventuell einen Stock oder viele Medikamente.
Neben diesem vierdimensionalen Konzept kann man noch einige Angaben zur Authentizität des Sterbevorgangs und des Todes machen. Zum einen wird das Sterben des Dachses als schmerzfrei und befreiend dargestellt. Er erledigt die letzten Dinge, schreibt einen Abschiedsbrief und kann sich zufrieden „wegträumen“. Der Vorgang des Sterbens wird im Buch gleichgesetzt mit dem Träumen eines „seltsamen, doch wundervollen Traum[es]“. Zum einen wird so die von Kindern oft untersuchte Angst, vor Schmerzen beim Sterben beruhigt, sie bekommen eine erste Antwort auf die Frage, ob Sterben weh tut. Zugleich ist die Sterbedarstellung in Verbindung mit dem Einschlafen oder dem Schlaf aber eine durchaus Kritische. Sie ist sicherlich für jüngere Kinder eine Vorstellung, die ihnen die Angst nimmt, doch kann gerade diese Vorstellung aber auch zu „falschen“ und Angstbeladenen Todeskonzepten führen. Denn Kinder wissen, dass Einschlafen etwas „normales“ ist. Sie tun es selber jeden Tag- und wachen wieder auf. Wird das Einschlafen mit dem Tod in Verbindung gebracht, sind nicht selten Schlafstörungen die Folge.[5] Auch die Erwartung, dass Leute die z.B. von Erwachsenen als „gestorben“ bezeichnet werden, wieder aufwachen, kann das Begreifen der Irreversibilität, also der Endgültigkeit des Todes erschweren. Die Verbindung mit dem Schlaf greift zwar an dieser Stelle in die Erlebniswelt der Kinder ein und vermittelt ihnen, dass der Sterbevorgang nicht schmerzhaft ist, hilft jedoch nicht unbedingt, ein richtiges Konzept vom Tod aufzubauen. Nachdem der Dachs „eingeschlafen“ ist, wird nur einmal davon gesprochen, „dass Dachs tot sei.“ (S.12). Im Folgenden heißt es „als Dachs noch lebte“ (S.16) oder „wo er den Dachs zum letzten Mal gesehen hatte“ (S.26). All diese Verwendungen sind einerseits vielleicht nicht eindeutig genug, nehmen aber andererseits dem Tod auch etwas von seinem grausamen Charakter. Doch ebenso die Bezeichnung „ alt und müde“ kann von den Kindern nicht metaphorisch gedeutet werden. Sie ruft Unklarheiten und eventuelle Angstzustände hervor, denn schließlich wird jedes Kind einmal müde und nicht jedes Lebewesen was alt und müde ist muss sterben.
Besonderes Augenmerk sollte bei der Analyse eines Kinderbuches zum Thema Sterben und Tod auf der Beschreibung des Sterbevorgangs liegen. An dieser Stelle wird im Buch ein bekanntes Bild aus der Sterbeforschung benutzt, wonach Patienten von transzendenten Erfahrungen berichten, dass sie in einer Art traum- oder tranceartigem Zustand durch einen Tunnel gegangen seien. Auch Dachs läuft in seinen Traum durch so einen Tunnel. Alle vorherigen körperlichen Gebrechen scheinen geheilt, nicht einmal mehr den Spazierstock benötigt er. Das Niederlegen des Spazierstocks bedeutet den (endgültigen) Abschied von dieser Welt. Er legt alle Leiden seines Lebens ab.
An dieser Stelle der Geschichte wird ein weiterer Aspekt deutlich: Tod als Trennung von Leib und Seele. Der Dachs wird immer leichter und somit immer schneller, selbst als er hinfällt „ tat [er] sich überhaupt nicht weh“ (S.10). Das sich anschließende Gefühl der Entlastung kann als Entkörperung bezeichnet werden: „Es war, als wäre er aus seinem Körper herausgefallen.“(S.10) Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Vorstellung von der Trennung von Leib und Seele bei Kindern unter 10 Jahren im Regelfall nicht vorhanden ist. Jüngere Kinder gehen davon aus, dass der ganzheitlich-leibhafte Tote in den Himmel aufsteigt.[6]
Die Wahl des Tunnels im Sterbevorgang ist für Kinder leicht nachzuvollziehen. Das Bild des Tunnels kann mit der, oft von Eltern oder Erziehern gewählten Metapher (die von den Kindern nicht immer als solche erkannt wird) „Auf eine lange Reise gehen“ verglichen werden. Der Tunnel hat Angstauslösenden Charakter, in einem Tunnel ist es dunkel und man ist einsam. Doch die zeichnerische Darstellung des Tunnels ist so weit wie möglich neutral gewählt. Es ist kein Anfang und kein Ende zu erkennen. Dieses Bild jedoch lässt auf Wiederkehr hoffen. Es können Fragen aufkommen, wie: Wohin führt der Tunnel? Wann kommt Dachs wieder? Wann kann ich ihn besuchen? An dieser Stelle wird nun mal mehr deutlich, dass die Bilder, die Erwachsene benutzen, für sie schöne Umschreibungen des Todes und des Sterbens sein können, für Kinder jedoch meist Verwirrung bedeuten. Auch die Tatsache, dass Dachs nach seinem Gang durch den Tunnel einfach „weg“ ist, trägt dazu bei. Von einer Beerdigung oder ähnlichem ist im Buch nicht die Rede.
[...]
[1] Plieth: Kind und Tod, S.136 ff.
[2] Plieth: Kind und Tod, S.150
[3] Böcker: Sterben und Tod, S.660
[4] Anm.: Die Seitenzahlen sind im Buch nicht angegeben. Meine Ausführungen beziehen sich auf die rechte Seite der ersten Doppelseite, von mir als Seite 1 gewählt.
[5] Ennulat: Kinder begleiten, S.28
[6] Plieth: Kind und Tod, S. 45
- Quote paper
- Sarah Unthan (Author), 2004, Das Thema Sterben und Tod in Kinderbüchern. 'Leb wohl lieber Dachs' von Susan Varley, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51441
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