Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der Bildungswissenschaft im Schwerpunkt Inklusion verfasst worden und vertieft die Partizipation Jugendlicher mit Behinderung beim Übergang von der (Aus-)Bildung in den Beruf nicht nur auf theoretischer, sondern auch auf praktischer Forschungsebene. Die Masterarbeit ist in das Forschungsprojekt "Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen" eingebettet, welches am Institut für Bildungswissenschaft an der Universität Wien ins Leben gerufen wurde.
Den Gegenstand dieser Arbeit beschreibt die Beobachtung und Analyse des partizipativen methodischen Zuganges des Re-flektierenden Teams. Das Augenmerk bei der Beobachtung liegt auf der Ressourcenorientierung und der gesamten Gruppe als Ressource für alle Teilnehmenden. Mittels der dokumentarischen Inhaltsanalyse nach Ralf Bohnsack konnte ermittelt werden, dass der soziale Umgang für Jugendliche im Übergang von größter Wichtigkeit ist. Dieser ergibt sich aus den eruierten Typiken Leistung, Zeit, Beeinträchtigung und Verantwortung und wird in Verbindung mit den genannten Aspekten der Ressource zusätzlich bestärkt.
Inhaltsverzeichnis
1 PROBLEMAUFRISS UND FORSCHUNGSZUGANG
1.1 Forschungsfrage und Zielstellung
1.2 Forschungsethische Überlegungen
1.3 Aufbau und Gliederung der Arbeit
2 THEORETISCHE EINBETTUNG
2.1 Inklusion
2.1.1 Definitionsfindung
2.1.2 Abgrenzung zur Integration
2.1.3 Umsetzung im schulischen Bereich
2.2 Übergang
2.3 Inklusiver Übergangsplanungsprozess von der SEK I in die SEK II bzw. in die Beschäftigung
2.3.1 Chancen inklusiver Übergänge
2.3.2 Grenzen inklusiver Übergänge
2.4 Partizipative Kooperation im inklusiven Übergangsplanungsprozess
2.5 Das Reflektierende Team als partizipativer methodischer Zugang
2.5.1 Systemisch-lösungsorientiertes Arbeiten in einer Gruppe
2.5.2 Rahmendbedingungen des Reflektierenden Teams
2.6 Ressourcenorientierung
2.6.1 Fokussierung und Aufmerksamkeit auf das Gesagte
2.6.2 Anerkennung des Gesagten
2.6.3 Perspektivenvielfalt und Perspektivenwechsel
2.6.4 Störungen
2.7 Resümee
3 FORSCHUNGSDESIGN
3.1 Methodischer Forschungszugang - das zweite Reflektierende Team mit Jugendlichen
3.2 Erhebungsmethode
3.2.1 Teilnehmende Beobachtung
3.2.2 Rolle der/des Beobachtenden im Forschungsfeld
3.3 Dokumentation der Daten
3.4 Auswertungsmethode: Dokumentarische Auswertung nach Ralf Bohnsack
3.4.1 Die formulierende Interpretation
3.4.2 Die reflektierende Interpretation
3.4.3 Die Diskursbeschreibung
3.4.4 Die Typenbildung
3.5 Resümee
4 DISKUSSION UND THEORETISCHE EINBETTUNG DER FORSCHUNGSERGEBNISSE
4.1 Darstellung der Forschungsergebnisse
4.2 Vergleich des zweiten mit dem ersten Reflektierenden Team
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
6 LITERATURVERZEICHNIS
7 ABBILDUNGSVERZEICHNIS
8 ANHANG
Vorstellungsbrief und Forschungsvorhaben
Kurzzusammenfassung
Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der Bildungswissenschaft im Schwerpunkt In- klusion verfasst worden und vertieft die Partizipation Jugendlicher mit Behinderung beim Übergang von der (Aus-)Bildung in den Beruf nicht nur auf theoretischer son- dern auch auf praktischer Forschungsebene. Die Masterarbeit ist in das Forschungs- projekt „Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen“ eingebettet, welches von Assoz. Prof.in Mag.a Dr.in Helga Fasching am Institut für Bildungswissenschaft an der Universität Wien ins Leben gerufen wurde. Den Gegenstand dieser Arbeit beschreibt die Beobachtung und Analyse des partizipativen methodischen Zuganges des Re- flektierenden Teams. Das Augenmerk bei der Beobachtung liegt auf der Ressour- cenorientierung und der gesamten Gruppe als Ressource für alle Teilnehmenden. Mittels der dokumentarischen Inhaltsanalyse nach Ralf Bohnsack konnte ermittelt werden, dass der soziale Umgang für Jugendliche im Übergang von größter Wichtig- keit ist. Dieser ergibt sich aus den eruierten Typiken Leistung, Zeit, Beeinträchtigung und Verantwortung und wird in Verbindung mit den genannten Aspekten der Res- source zusätzlich bestärkt.
Abstract
This paper has been written in the field of educational science with a focus on inclu- sion and deepens the participation of young people with disabilities in the transition from (vocational) education to employment not only on a theoretical but also on a practical research level. The master’s thesis is embedded in the research project “Cooperation for Inclusion in Educational Transitions”, which was developed by As- soz. Prof.in Mag.a Dr.in Helga Fasching, established at the Institute for Educational Science at the University of Vienna. The subject of this thesis describes the observa- tion and analysis of the participatory methodological approach of the Reflecting Team. The focus of the observation is on resource orientation and the entire group as a resource for all participants. By means of the documentary content analysis accord- ing to Ralf Bohnsack it could be determined that the social interaction for adolescents in the transition is of the utmost importance. That turns out from the identified types of performance, time, impairment and responsibility and is further reinforced in connec- tion with the mentioned aspects of resource.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Problemaufriss und Forschungszugang
Das Themenfeld der vorliegenden Arbeit wird durch den Übergang von der Sekun- darstufe I (SEK I)1 in die Sekundarstufe II (SEK II)2 bzw. in die Beschäftigung be- schrieben. Die Zielgruppe der Forschung stellen Jugendliche mit Behinderung dar; erstens, da sie in der Phase des Übergangs zusätzlich mit Herausforderungen kon- frontiert sind, die bei Jugendlichen ohne Behinderung entfallen3 ; zweitens können sie durch den inklusiven und partizipativen Rahmen der Forschung unterstützt werden.
Der Übergangsprozess ist eine Phase mit vielschichtiger Änderung der Entwicklungs- und Identitätsstufe, die herausfordernd und nicht immer einfach zu bewältigen sind:
„Transitionen sind Lebensereignisse, die die Bewältigung von Diskontinuitäten auf mehreren Ebenen erfordern, Prozesse beschleunigen, intensiviertes Lernen anregen und als bedeutsame biografische Erfahrungen von Wandel in der Identitätsentwicklung wahrgenommen werden.“4
Die systemische Sichtweise ist eine gute Möglichkeit, Jugendliche in ihrem Über- gangsplanungsprozess zu unterstützen. Das Schildern der eigenen Verhaltens- und Erwartungsmuster der Jugendlichen in einer Gruppe führt zu einem Austausch mit anderen und zieht - sowohl bei erzählenden als auch zuhörenden Personen - eine veränderte Sichtweise oder eine persönliche Motivation nach sich. In einer Gruppe wird gezielt auf die Stärken der Einzelnen eingegangen und so der Selbstwert der Personen gestärkt:
„Der wichtigste Aspekt in der Gruppenarbeit mit den Jugendlichen ist, den Selbstwert jedes/jeder Einzelnen zu stärken, indem er/sie vor allem in ihrem SoSein akzeptiert wird. Des Weiteren geht es um die Anerkennung von Stärken und das Hervorheben von Fortschritten zur Unterstützung bei der Entwicklung des Selbstvertrauens in ihre eigenen Leistungen.“5
Die Wichtigkeit der Thematik zeichnet sich vor allem im Bereich der Bildung und der Arbeit ab, da laut vorliegenden Studien nur wenigen Jugendlichen ein reibungsloser Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt gelingt. Projekte wie Jugend-coaching, Produktionsschule, Berufsausbildungsassistenz, Arbeitsassistenz und Jobcoaching, die unter dem „Netzwerk Beruflicher Assistenz“ (NEBA) zusammenge- fasst werden, unterstützen diesen Prozess bestmöglich und werden als kostenlose Unterstützung angeboten. NEBA berät, betreut und begleitet Jugendliche bei ihren individuellen Übergangsprozessen und kooperiert darüber hinaus mit anderen Institu- tionen, die am Übergang von Schule in den Beruf tätig sind. Dazu gehören das Ar- beitsmarktservice (AMS), das Sozialministeriumservice, Schulen, Sozialpartnerinnen bzw. Sozialpartnern und Koordinierungsstellen auf der Länder- und Bundesebene.6
Am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien wird im Rahmen des vom Österreichischen Wissenschaftsfond (FWF) geförderten Projekts namens „Koopera- tion für Inklusion in Bildungsübergängen“7 zur partizipativen Kooperation mit Jugend- lichen mit Behinderung geforscht. Die aus narrativen Interviews gewonnenen Er- kenntnisse dienen als Grundlage für den partizipativen Zugang der anschließenden Reflektierenden Teams (RTs). Im Sinne einer Überprüfung der Erkenntnisse werden drei RTs durchgeführt, bestehend aus Jugendlichen mit Behinderung, Eltern von Ju- gendlichen mit Behinderung und professionellen Unterstützerinnen bzw. Unterstüt- zern. Diese Teams treffen sich jeweils drei Mal. Die Beobachtung der zweiten Durch- führung des RT mit Jugendlichen mit Behinderung ist die Basis der vorliegenden Ar- beit.8
1.1 Forschungsfrage und Zielstellung
Je nach Wissenschaft und Ziel der Forschung wird der methodische Zugang der Re- flektierenden Teams entsprechend adaptiert und angepasst.9 Eine Vielzahl an unter- schiedlichen Studien und theoretischen Arbeiten10 weist darauf hin, dass ein RT, ob- wohl eine Anpassung des Zuganges durchgeführt wird, verschiedene Sichtweisen
und Aspekte von Problemen durchleuchtet und somit die Ideen oder Perspektiven eines bzw. einer Einzelnen in der Gruppe erweitert. Im gemeinsamen, respektvollen, reflektierenden Gespräch wird nach Anregungen, Meinungen und Lösungsmöglich- keiten gesucht. Reflektierende Teams fanden ihren Ursprung in den 1980er Jahren in der Systemtherapie. Diese Art der austauschenden, informierenden und stärken- den Kommunikation wurde vom Norweger Tom Andersen entwickelt. Bei den Reflek- tierenden Teams handelt es sich vorrangig um subjektive Beobachtungen und Wahr- nehmungen der bzw. des Teilnehmenden beim Austausch jeglicher Gedanken und Anregungen. Außerdem bestehen gewisse Kriterien bzw. positiv beeinflussende Fak- toren eines erfolgreichen RT: „Das Team muss positiv, zurückhaltend, respektvoll, sensibel, einfallsreich und schöpferisch sein.“11 Der Einsatz des Reflektierenden Teams deutet auf ein offenes, gleichberechtigtes Arbeits- und Austauschverständnis hin. Konkret bedeutet dies für die vorliegende Arbeit, Jugendliche mit Behinderung im Übergangsprozess nicht nur als zu beforschende, sondern als Mitforschende und selbst gestaltende Akteurinnen bzw. Akteure zu verstehen. Koenig und Buchner12 betonen, dass bei diesem Ansatz für unterdrückte Personen Partei ergriffen wird.
Das Reflektierende Team erweckt besonders dann Interesse, wenn er in Verbindung mit den Ressourcen der Gruppe analysiert und evaluiert wird. Das Geschehen in der Gruppe der Jugendlichen mit Einsatz des Reflektierenden Teams stellt somit den Forschungsgegenstand dar. Alle Akteurinnen bzw. Akteure erbringen bei der Reflexi- ons- und Lösungsfindung einen großen Beitrag und können auch als Stütze im Sinne für den Einzelnen bzw. die Einzelne verstanden werden. In dieser Hinsicht gilt es zu erforschen, wie alle Akteure bzw. Akteurinnen auf das Gruppengespräch einwirken und in welcher Hinsicht sie dieses beeinflussen. Somit ergibt sich folgende Fragestel- lung:
Inwiefern lassen sich mit der methodischen Anwendung eines Reflektierenden Teams Aspekte der Unterstützung bei einem Gruppengespräch mit Jugendlichen mit Behinderung im Übergang von der SEK I in die SEK II oder in die Beschäftigung feststellen?
Bei der Beobachtung dieses Prozesses werden drei Aspekte der Ressourcenorientierung ausschlaggebend sein: Beim Dialoggespräch der Jugendlichen fließen unterschiedliche Sichtweisen und Aspekte von verschiedenen Personen ein. Diese Vielfalt an Perspektiven wird als einer der Aspekte der Ressourcen verstanden. Weitere Aspekte liegen in der Fokussierung auf bestimmten Themen und Inhalten der Aussagen oder der Anerkennung dessen, was eine Person in der Gruppe aussagt.13 Die folgende Grafik14 veranschaulicht nochmals, welche Aspekte des Gruppengespräches als Ressourcen für die Gruppe angesehen werden können:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aspekte der Ressourcen nach Hesse (eigene Darstellung)
In der ersten Phase des Gruppengespräches soll beobachtet werden, in welcher Weise die drei Ressourcen auftreten und wie sie das Gespräch beeinflussen. Nach dieser Phase folgt eine reflektierende Phase der beobachtenden Personen, die ebenfalls beobachtet und möglichst präzise verschriftlicht wird, da dieses evaluiert und für den dritten Durchlauf mit Jugendlichen weiterentwickelt und eventuell ange- passt werden soll. So wird nicht nur auf das erste durchgeführte RT eingegangen, sondern auch ein kontinuierlicher und reflektierter Verlauf des Forschungsprojektes „Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen“ gewährleistet. In der dritten Pha- se, in der Jugendliche auf das Gesagte eingehen können, soll ermittelt werden, in welcher Weise sich die genannten Ressourcen im Gesprächsprozess entfalten.
Das Forschungsziel der Arbeit liegt darin, empirisch, während einer offenen, passiv- teilnehmenden, halbstrukturierten Fremdbeobachtung Informationen zu genannten Aspekten der Unterstützung zu sammeln und diese zu explorieren, um das Gruppen- geschehen bestmöglich zu beschreiben und zu analysieren. Idealerweise sollte dies zu einer Conclusio führen, in der ersichtlich wird, wie sich das Gruppengeschehen auf die einzelnen Personen auswirkt. Das Erkenntnisinteresse der Masterarbeit liegt dabei nicht nur in der Beobachtung der drei genannten Aspekte des Gruppenprozes- ses und der Ermittlung der Wirkung dieser auf das Gruppengespräch, sondern auch in der Evaluation und Verbesserung der Durchführung des dritten Reflektierenden Teams im Forschungsprojekt. Die gewonnenen Erkenntnisse können außerdem für einen anderweitigen Einsatz eines RTs dienen.
1.2 ForschungsethischeÜberlegungen
An dieser Stelle ist ebenfalls die Wichtigkeit der Forschungsethik anzumerken. Von Unger15 schreibt, dass forschungsethische Fragen stets immanenter Bestandteil ei- nes Forschungsprozesses sind. Es ist festzuhalten, dass alle am Forschungsprojekt teilnehmenden Personen keinerlei Nachteilen ausgesetzt werden und dass über den gesamten Zeitraum des Forschungsprozesses ethisch und verantwortungsvoll mit Daten umgegangen wird. Dazu zählen eine schriftliche Einverständniserklärung, ein respektvoller Umgang mit allen Beteiligten, die Anonymisierung aller Daten sowie ei- ne durchgängige Objektivität.16 Alle Jugendlichen wurden ausreichend über das For- schungsprojekt sowie das Forschungsziel der vorliegenden Arbeit informiert.17 Ein Vorstellungsbrief gewährleistete guten Willen und Offenheit seitens der Forschenden. Dieser ist im Anhang unter „Vorstellungsbrief und Forschungsvorhaben“ zu finden.
1.3 Aufbau und Gliederung der Arbeit
Im folgenden Kapitel werden zunächst relevante Begriffe erläutert, damit eine ge- meinsame Verständnisbasis geschaffen wird. Besonders beim Begriff der Inklusion ergeben sich Diskrepanzen in den wissenschaftlichen Definitionen, weshalb es nötig ist, ein für diese Masterarbeit tragendes Verständnis auszuwählen bzw. die Kritik am Begriff nicht außer Acht zu lassen. Da diese Arbeit dazu verhelfen kann, weitere Re- flektierende Teams mit Jugendlichen durchzuführen, wird der Kontext der Schule einbezogen und auf die Umsetzung des - derzeit noch idealistischen - Konzeptes Inklusion in den Bildungsinstitutionen eingegangen. Auf dieser Basis wird der Begriff des Übergangs und in weiterer Folge eines inklusiven Übergangs geschildert. Dabei werden sowohl Chancen als auch Grenzen inklusiver Übergänge erläutert. Dies dient als Verständnisfundament für den inklusiven Übergangsplanungsprozess von der SEK I in die SEK II bzw. in die Beschäftigung, der für alle Beteiligten zusätzliche Hin- dernisse und Barrieren aufweist und der auch das Kernstück der vorliegenden For- schung darstellt. Als übergeordnetes Ziel der Forschung wird die Stärkung der Autori- tät der Jugendlichen und deren Partizipation am Übergangsplanungsprozess ange- strebt, somit gilt es zunächst zu beleuchten, wie Partizipative Kooperation in diesem besonderen Fall des Übergangs verstanden und praktiziert wird. Folglich wird das Reflektierende Team als Forschungszugang beleuchtet. Dies dient sowohl dem Ver- ständnis eines systemisch-lösungsorientierten Arbeitens in einer Gruppe als auch dem Erreichen der vorhin formulierten verstärkten Partizipation Jugendlicher bei ei- nem Übergangsplanungsprozess. Der theoretische Teil der vorliegenden Masterar- beit wird durch den thematischen Schwerpunkt „Ressourcenorientierung“ abge- schlossen. Hierbei gilt es, die drei wesentlichen Aspekte einer Ressource im Grup- pengespräch zu beleuchten: Fokus auf das Gesagte, Anerkennung des Gesagten und Perspektivenvielfalt bzw. Perspektivenwechsel. Hinzu kommt der Aspekt der Störungen, da dieser nicht per se negativ zu werten ist und in jedem anderen der ge- nannten Aspekte auftreten kann. Störungen sind ein wesentlicher Bestandteil eines Gruppengespräches und dürfen nicht ausgeklammert werden, da sie das Geschehen und Agieren (in) der Gruppe wesentlich beeinflussen. Die Verknüpfung des Reflektie- renden Teams mit den genannten Aspekten der Ressource stellt den Forschungsge- genstand der vorliegenden Masterarbeit dar. Im empirischen Teil wird aufgrund der besseren Lesbarkeit darauf verzichtet, zunächst die Forschungsmethode zu beleuch- ten und danach diese durchzuführen. Für einen guten Lesefluss werden kontinuier- lich zunächst die Schritte des Forschungsdesigns und danach die jeweilige Auswer- tung der dokumentierten Daten vorgestellt. Anfangs wird der Ablauf und die Durch- führung des zweiten Reflektierenden Teams mit Jugendlichen im Frühling 2019 prä- sentiert, bei der eine teilnehmende Beobachtung als Datenerhebungsmethode statt- gefunden hat. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Rolle der bzw. des Be- obachtenden gelegt. Danach folgt die Beschreibung der Auswertungsmethode - der dokumentarischen Auswertung nach Ralf Bohnsack. Diese ist in vier Schritte unter- teilt: Formulierende Interpretation, Reflektierende Interpretation, Diskursbeschreibung und Typenbildung. Besonders in diesem Teil wird darauf geachtet, dass der Lese- fluss nicht durch die Trennung von zunächst theoretischer Erklärung und daraus re- sultierender Ausführung gestört wird. So wird anfangs jedes Kapitels der jeweilige Forschungsschritt erklärt und danach wird die konkrete Umsetzung am Datenmaterial erläutert. Zusätzlich wird auf die Durchführung des Reflektierenden Teams und des Teams als Ressource eingegangen, damit sowohl Unterschiede im Vergleich mit der erstmaligen als auch Verbesserungsvorschläge für die nochmalige Durchführung sichtbar werden. Es ist zu erwarten, dass alle Beteiligten einander respektvoll be- gegnen und sich der Gruppenprozess anhand der drei genannten Aspekte der Res- sourcenorientierung gut beschreiben lässt. Eine Vielfalt an Perspektiven ist meist durch die Anzahl mehrerer Personen gegeben, jedoch nicht zwangsläufig immer ver- fügbar. Der Fokus auf bestimmte Themen sowie eine Anerkennung bzw. Ablehnung des Gesagten kann anhand der Körpersprache interpretiert werden, sollten diese Aspekte wenig oder gar nicht verbalisiert werden.
Im vierten Kapitel werden die Forschungsergebnisse theoretisch eingebettet. Zusätzlich wird ein Vergleich des ersten RT mit dem zweiten RT durchgeführt. Die Erkenntnisse aus diesem Teil können bei der Durchführung des dritten Reflektierenden Teams berücksichtigt werden. Zuletzt gilt es in einer Zusammenfassung die Arbeit nochmals zu beleuchten und einer Kritik zu unterwerfen sowie einen Ausblick und offen gebliebene Fragen festzuhalten.
2 Theoretische Einbettung
Im folgenden Kapitel werden die für die vorliegende Arbeit relevanten Begriffe genau definiert und sollen für ein leichtes Leseverständnis sorgen. Zunächst wird auf den Begriff der Inklusion eingegangen, bei dem sich sowohl bei der Definitionsfindung als auch bei der Abgrenzung zum Konzept der Integration einige Problematiken erge- ben. Im Weiteren wird der Begriff des Übergangs und des Übergangsplanungspro- zesses beleuchtet. Mitunter beschäftigt sich dieses Kapitel mit den spezifischen Her- ausforderungen und Barrieren, die Jugendliche im Übergang von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II bzw. in die Beschäftigung bewältigen. So soll im letzten Teil dieses Kapitels eine Verknüpfung zwischen einem inklusiven Zugang und dem Über- gangsplanungsprozess beschrieben werden, die als Fundament und Denkweise für die weitere Arbeit dienen soll. Das Ziel der Begriffsklärung ist die Sicherstellung einer gemeinsamen Basis des Verständnisses für das Lesen dieser Arbeit.
Die Aufgabe der Schule wird in der heutigen Zeit eindeutig mit der individuellen För- derung einzelner Schülerinnen und Schüler beschrieben und zeigt sich deutlich im Wunsch nach differenziertem Unterricht. Die Aussage, man solle jedes Kind dort ab- holen, wo es momentan steht, wird allzu oft und gerne zitiert, wenn es um das Ge- stalten eines erfolgreichen und guten Unterrichtes geht. So ist es Aufgabe der Lehre- rinnen und Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler möglichst individuell und ihrem Lernstand angemessen zu fördern, sodass diese ihre Persönlichkeit sowie ihre Fä- higkeiten und Fertigkeiten bestmöglich entwickeln können. Auf der anderen Seite wird immer öfters Wert darauf gelegt, dass Kinder unabhängig von ihrer Leistungs- stärke oder ihres Förderbedarfs in einer gemeinsamen Klasse mit anderen Kindern unterrichtet werden, was scheinbar einer speziellen Förderung widerspricht. Es sol- len alle Schülerinnen und Schüler frei von Selektionskriterien wie Fähigkeiten, Leis- tungserbringung oder Förderbedarf im Hinblick auf die Gesamtheterogenität aller Kinder gemeinsam beschult und unterrichtet werden.18 Es ist unschwer zu erkennen, dass dies zu einer Mehrbelastung des Lehrpersonals führt.19 Abgesehen von der Leistung der Lehrkräfte soll hier jedoch das Augenmerk auf den Kindern liegen, für die man sowohl im familiären als auch schulischen Kontext die besten Bedingungen schaffen möchte.
2.1 Inklusion
Den Entwicklungen der deutschsprachigen Pädagogik und Bildungswissenschaft sowie der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen entsprechend bildete sich in den letzten Jahren das Leitprinzip der Inklusion aus, das uneingeschränkt alle Men- schen in soziale Geschehnisse und somit auch alle dazugehörigen Institutionen ein- schließt. Vor allem in Bildungsinstitutionen, die zumeist den ersten Kontakt der Kin- der mit anderen Kindern ermöglichen, soll die Leitidee der Inklusion tragend sein, da diese als Lern- und Erfahrungsorte die Kinder maßgeblich prägen und somit gut auf das Leben vorbereiten sollen. Unabhängig von individuellen Fähigkeiten soll jedem Kind ein freier Zugang zu Bildungseinrichtungen gewährleistet werden.20 Im Zuge vieler wissenschaftlicher Diskussionen und Definitionsversuche kann jedoch festge- halten werden, dass viele Bildungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unter- schiedliche Zielsetzungen und Fokussierungen in ihren Konzepten zum Begriff der Inklusion zusammenfassen. Folglich soll eine kurze Zusammenfassung diverser An- sätze vorgestellt werden.
2.1.1 Definitionsfindung
Der Begriff „inclusion“ entstand im Jahr 1994 im Zuge einer Konferenz und der ab- schließenden Salamanca-Erklärung und wurde mit dem Begriff der „Integration“ ins Deutsche übersetzt. Da die beiden Begriffe Integration und Inklusion jedoch zwei voneinander abweichende bzw. von manchen als aufeinander aufbauende Ansätze verstanden werden können, besteht in der heutigen Zeit ein Wunsch nach genauer Unterscheidung und Abgrenzung dieser. Darauf wird jedoch im weiteren Verlauf noch näher eingegangen werden. Das Wort „inclusion“ wurde erstmalig vermutlich im Jahr 1991 im Werk von Porter und Richler „Changing Canadian Schools: Perspectives on Disablity and Inclusion“ verwendet.21 Der Terminus Inklusion leitet sich vom Lateini- schen „inclusio“ bzw. vom Verb „includere“ ab und beschreibt den „Einschluss“, das „Einschließen“ bzw. das „Enthaltensein“.22 Hillmann23 beschreibt Inklusion aus sozio- logischer Sichtweise als das Angehören in ein soziales Gebilde aus gesellschaftli- chen Funktionsbereichen. Eine ähnliche breit gefasste Sichtweise ist bei Hinz24 zu finden, der Inklusion als das Bilden von Gemeinschaften und das Wertschätzten der Heterogenität versteht. Auch eine rechtliche Sichtweise in Bezug auf die Menschen- rechte der UN-Konvention ist zu erwähnen.25 Maßgeblich für die bildungswissen- schaftliche Auseinandersetzung ist jedoch vor allem das Werk von Biewer26, der die Einstellungsänderung von Menschen ohne Behinderung als wichtigen Aspekt des Paradigmas sieht. Im Bereich der schulischen Bildung und Ausbildung wird er vor al- lem mit dem Slogan „Schule für alle“ verbunden und soll laut Eberwein27 ein Schul- system prägen, in dem nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Lehrkräfte in heterogenen Klassen gestärkt werden sollen. In jüngster Literatur wird Inklusion auch mit dem Begriff der Partizipation eng verknüpft, damit der Anspruch gewährleis- tet werden kann, jegliche Aussonderung in diversen Bereichen des Lebens zu über- winden.28 Im schulpraktischen Gebrauch wird Inklusion als Teilhabe und das ge- meinsame Gestalten von Übergangsprozessen von Menschen mit und ohne Behin- derung verstanden. Im Sinne der Überwindung von ausschließenden Prozessen wird im weiteren Verlauf auf die Abgrenzung zum Begriff der Integration eingegangen.
2.1.2 Abgrenzung zur Integration
Beim Begriff der Integration geht es um ein Integrieren bzw. das Herstellen einer Einheit aus verschiedenen Teilen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort „in- tegratio“ ab, was mit Eingliederung bzw. Einbeziehen übersetzt werden kann. Hill- mann29 beschreibt den Terminus als ein Eingliedern von Individuen in eine soziale Gruppe bzw. die Anerkennung eines Mitgliedes in dieser Gruppe. Beim näheren Be- trachten dieses Verständnisses ist zu erkennen, dass der Grundgedanke der Integra- tion von Unterschieden und Unzulänglichkeiten von Menschen ausgeht. Solch eine defizitäre Sichtweise unterscheidet Menschen grundsätzlich in Gruppierungen (=Segregation) weshalb erst im weiteren Schritt, sofern es diesen gibt, Menschen aus der Separation zusammengeführt bzw. in andere Separationen eingegliedert werden. Vor allem für Übergangsprozesse zwischen Schultypen bzw. dem Übergang zu einer Arbeitsstätte ergibt sich ein Bedarf danach, dass Menschen nicht integriert werden, sondern bereits gleichberechtigt in einem heterogenen System der Schul- und Arbeitswelt inbegriffen - inkludiert - sind und den Übergang gleichberechtigt ge- stalten können. Welche konkreten Möglichkeiten der Umsetzung von Inklusion es im schulischen Bereich gibt, soll im folgenden Teil erläutert werden.
2.1.3 Umsetzung im schulischen Bereich
Bevor an dieser Stelle einige Möglichkeiten vorgestellt werden, mittels deren sich das Konzept der Inklusion in Schule und Ausbildung umsetzen lässt, muss angemerkt werden, dass es keine allgemein geltende Anleitung für inklusiven Unterricht gibt. Viele Autorinnen und Autoren sprechen von Differenzierung und Individualisierung im Unterricht hinsichtlich verwendetem Unterrichtsmaterial, den zu lernenden Unter- richtsinhalten oder den zu erreichenden Lernzielen.30 Im Wesentlichen sprechen alle von der Verwendung verschiedener Zugänge, damit jede Schülerin und jeder Schüler einen eigenen geeigneten Weg des Lernens findet. Ziel des inklusiven Unterrichts ist nicht nur der Zugang der Lehrkräfte, sondern auch das Schulen des inklusiven Zu- gangs bei Kindern. Diese sollen nämlich in einer Gruppe lernen, die Verschiedenheit, Vielfalt bzw. Heterogenität aller Menschen anzuerkennen und wertzuschätzen. Solch ein reflektiertes Umfeld soll jedoch nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, son- dern auch im Kollegium herrschen. Diesbezügliche Aus- und Fortbildungen erhöhen die Qualität der Lehrkräfte und somit auch die Qualität und Leistung während des Unterrichtes.31 Beispielweise ermöglicht ein Arbeiten im Team nicht nur eine Entlas- tung der Lehrkraft, sondern auch eine bessere Unterstützung einzelner Schülerinnen und Schüler. Im Hinblick auf Übergänge zwischen einzelnen schulischen Phasen ist zusätzlich auch die Zusammenarbeit mit den Eltern der Kinder gefragt, die ebenfalls in den Prozess eingebunden werden sollen. Auch hierbei gilt vorrangig, dass nicht nur über Kinder, sondern mit ihnen gesprochen wird und sie den Übergangsprozess im Sinne einer inklusiven Teilhabe aktiv mitgestalten. Vor allem im Übergang von Ju- gendlichen von der Schule in weiterführende Schulen bzw. in die Beschäftigung er- geben sich Herausforderungen, die inklusiv mit allen Beteiligten besprochen und be- gleitend erlebt werden können. Gerade in diesem speziellen Übergang fließen die Bereiche des familiären und schulischen Umfeldes zusammen.32 Da der Übergang in eine andere Schule bzw. in den nächsten Bereich der schulischen Bil- dung/Ausbildung mit einer Erbringung der erwarteten Leistung einhergeht und Kinder bzw. Jugendliche meist nur nach dem Erfüllen vorgegebener Kompetenzen beurteilt werden, spielt die Inklusion als idealistisches Konzept eine tragende Rolle. Es geht nicht nur darum, Kinder und Jugendliche nicht zu diskriminieren, sondern sie die Ent- scheidungsfindung über den weiteren Verlauf ihrer Bildung bzw. Ausbildung mitbe- stimmen zu lassen.
2.2 Übergang
Übergänge im Leben gelangen immer mehr in den wissenschaftlichen Fokus, da in- dividuelle als auch gesellschaftliche Wandlungsprozesse in sozialen Situationen ver- stärkt thematisiert werden. Es handelt sich um entscheidende Veränderungen, die al- le Lebensbereiche betreffen können und durch eine zeitliche Struktur beschrieben sind, die durch das Verlassen des alten Zustandes und dem Eintreten in einen neuen Zustand eingegrenzt ist.33 Menschen sind im Laufe ihres Lebens mit vielen verschie- denen biographischen Übergängen konfrontiert. Diese sind immer mit Änderungen der derzeitigen Lebenssituation verbunden und bringen einige Umstellungen mit sich. Im Bildungssystem werden unter Übergängen intensive Umstrukturierungen verstan- den, die mit Lern- und Anpassungsprozessen einhergehen. Sie werden als „beach- tenswerte Lebensereignisse“ angesehen, die von Erwachsenen begleitet werden.34 Übergänge im Bildungssystem sind entscheidend für den Bildungserfolg, den beruf- lichen Einstieg und die gesellschaftliche Partizipation. Aus diesem Grund hat die Be- wältigung von Bildungsübergängen einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Bil- dungsbiografien von Kindern und Jugendlichen. Besonders bei schulischen Über- gängen können sich jedoch bestehende soziale Ungleichheiten verstärken oder so- gar hervorgerufen werden. Übergänge, welche Chancengleichheit als Ziel verfolgen, stellen die Betroffenen daher oftmals vor eine große Herausforderung.35 Bellenberg und Forell zählen insgesamt sieben Übergangsphasen auf, die im Laufe des Bil- dungsweges durchlebt werden können. Beginnend beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule, von der Grundschule in die SEK I, über Übergänge zwischen pa- rallelen Bildungsangeboten innerhalb der SEK I, dem Übergang von der SEK I in die SEK II bzw. von der allgemeinbildenden Schule in das berufliche Bildungssystem bis zum Übergang von der Schule bzw. einem Beruf in die Hochschule.36 Aus dieser Aufzählung geht hervor, dass jeder Mensch einige Übergänge davon durchlebt und einige wiederum nicht, da sie von der individuellen Bildungslaufbahn abhängen. Im folgenden Zitat wird deutlich, dass Übergänge speziell im Bereich der Bildung eine persönliche Entwicklungskompetenz erfordern, die sich auch in der Anpassung an gesellschaftliche Normen sowie an Institutionen messen lässt: „Übergänge im Bil- dungswesen hängen zusammen mit einer Anpassung von institutionellen oder ge- sellschaftlichen Anforderungen und Angeboten einerseits und individuellen Kompe- tenzen bzw. Entwicklungspotential andererseits.“37
Die vorliegende Arbeit soll sich mit dem speziellen Übergang von der SEK I in die SEK II bzw. in die Beschäftigung befassen, der von Jugendlichen mit Behinderung durchlebt wird. Bevor dieser jedoch genauer erläutert wird, muss der Begriff des in- klusiven Übergangsplanungsprozesses bzw. des Transitionsmodells erwähnt wer- den. Dieses Modell wurde von Griebel und Niesel im Staatsinstitut für Frühpädagogik in München entwickelt und beruht auf den theoretischen Grundlagen der Transitions- forschung in der Familienpsychologie. Das Modell ist darauf ausgerichtet, die Transi- tionen in der Bildungslaufbahn zu veranschaulichen. Es nimmt die Perspektive und Entwicklung der Kinder und Eltern in den Blick und gibt Auskunft darüber, mit wel- chen Anforderungen, Kinder und Eltern im Übergang umgehen müssen.38 Besonders wichtig ist dieses Modell deswegen, weil es sowohl Kooperation als auch Partizipation aller Beteiligten am Übergang fördert: „In erster Linie wurde dieser Plan für Menschen mit Behinderung entwickelt, er fasst besonders die gemeinsame Kooperation und Planung der Zukunft ins Auge.“39
2.3 InklusiverÜbergangsplanungsprozess von der SEK I in die SEKII bzw. in die Beschäftigung
Vor allem beim Übergang von der Schule in weiterführende Schulen oder in die Be- schäftigung werden Jugendliche mit unbekannten Herausforderungen konfrontiert: „Der Übergang von der Schule in das Erwerbsleben oder die Weiterbildung stellt für viele Jugendliche eine Veränderung der gesamten Lebenssituation dar.“40 Übergän- ge sind zwar mit einem Gefühl der Trauer verbunden, da ein vertrauter Umstand auf- gegeben wird; trotzdem erwirken sie auch ein Gefühl der Freude, da etwas Neues beginnt, Menschen neue Personen kennenlernen, neue Aufgaben übernehmen oder etwa neue Herausforderungen erfahren.41 Grundlagenforschung und Ursachenana- lysen haben ergeben, dass die Gründe für das Misslingen eines Übergangsprozes- ses individuell verschieden sind. Trainor42 gibt auf der Grundlage Bourdieus kulturelle Herkunft als eine der Ursachen an, Casper-Kroll43 spricht von ungenügender Vorbe- reitung auf das Berufsleben durch die Schulen und Ausbildungsstätten, Uphoff et al.44 schreiben über fehlende Regeln im Bildungssystem und Wiethoff45 meint, die Jugendlichen scheitern am mit dem Übergangsprozess verbundenen Stress, indem sie plötzlich Entscheidungen zu treffen haben.
Übergänge sind also immer mit Änderungen der derzeitigen Lebenssituation verbun- den und bringen einige Umstellungen mit sich. Es lässt sich unschwer erkennen, dass Übergänge für die meisten Menschen ohne Behinderung dennoch einfacher durchzustehen sind als für die meisten Menschen mit Behinderung. Jugendliche mit Behinderung werden nämlich mit zusätzlichen Barrieren konfrontiert, mit denen sich Jugendliche ohne Behinderung nicht auseinandersetzen müssen. Hindernisse zeigen sich vor allem bei fehlenden Ressourcen oder Strukturen, die für Menschen mit Be- hinderungen nicht angemessen angepasst oder bedacht wurden. Aufgrund dieser Art der Benachteiligung kann es vorkommen, dass Bildungsläufe von Menschen mit Be- hinderung Lücken aufweisen oder Jugendliche aufgrund von Überforderung oder der Gefahr, ausgegrenzt zu werden, psychische Probleme aufweisen könnten. Stigmati- sierungen, die bereits mit der Zuschreibung eines Sonderpädagogischen Förderbe- darfs (SPF) in der Pflichtschule beginnen, begleiten junge Menschen oftmals das ganze Leben lang und erschweren ihnen den freien Zugang zu Bildungsinstitutionen oder dem Arbeitsmarkt.46 Aus diesem Grund gibt es in Österreich einige Unterstüt- zungsmaßnahmen, die diesen Prozess begleiten und einen individuellen Zugang zu jeder bzw. jedem Jugendlichen ermöglichen. (Auf diese wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch spezifischer eingegangen werden.) Was alle Unterstützungsmaßnahmen vereint, ist der inklusive Zugang, der die Kooperation aller Beteiligten voraussetzt und stärkt. Zudem verfügen sie meist über Unterstützungsmöglichkeiten, die speziell für Menschen mit Behinderung von Nöten sein können. Vor allem die psychische Kom- ponente, die sich für die Jugendliche bzw. den Jugendlichen ergibt, ist in vielerlei Hinsicht hinderlich für das positive Erleben einer erschwerten Lebensphase wie bei- spielsweise des Überganges. Viele Jahre hindurch haben sie unter anderem negati- ve Erfahrungen gemacht, die mit unfreiwilliger Ausgrenzung oder Desintegration be- schrieben werden können.47 Im Übergangsplanungsprozess treffen Jugendliche auf neue, ihnen unbekannte Strukturen und erkennen abermals Ungleichheiten, die sie ausschließen oder benachteiligen. An dieser Stelle eröffnet sich die Frage, welche Chancen bzw. Grenzen das Konzept der Inklusion bei diesem spezifischen Übergang bietet.
2.3.1 Chancen inklusiver Übergänge
Der Aspekt der Menschenwürde deutet auf eine rechtliche Sichtweise hin und be- gründet sich auf den Menschenrechten der UN-Konvention. Es steht außer Frage, dass die Würde jedes Menschen geachtet werden soll. So stellt sich aber bei näherer Betrachtung die Frage, ob der Ausdruck der Menschenwürde überhaupt notwendig ist: „Braucht die Menschenwürde in ihrer Gestalt und Legitimation heute ein Konzept wie Inklusion, um hervorzuheben, dass Menschen mit Behinderung ein Recht auf Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen besitzen […]?“48 Vielmehr sollte man von dieser rechtlichen Sichtweise zur pädagogischen und bildungswissenschaftli- chen Legitimation der Menschenwürde übergehen und deren Chance und Begrün- dung in Betracht ziehen. Der Mensch ist ein soziales Wesen und geprägt durch den Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung.49 Die Zugehörigkeit ist in inklusiven Bildungseinrichtungen schon ab dem Kindergarten möglich und wird in manchen be- reits gewähreistet. Es werden Möglichkeiten gefunden, wie mit Heterogenität und Un- terschieden bestmöglich umgegangen werden kann, sodass sich alle Kinder wohl und zugehörig fühlen und selber das Prinzip der Gleichberechtigung und Verschie- denheit verinnerlichen. Die Vielfalt wird in diesen Einrichtungen als pädagogisches Leitprinzip und als Begründung für das eigene Handeln verstanden, sodass alle Kin- der davon profitieren.50 Für Bildungsübergänge, im Speziellen für jenen Übergang in weiterführende Ausbildung oder Beschäftigung, erweist sich der Aspekt der Zugehö- rigkeit durch einen inklusiven Zugang als sehr bereichernd, da Jugendliche nun nicht mehr nur von einer ihnen bekannten Gruppe in einem geschützten Rahmen akzep- tiert und als zugehörig verstanden werden. Das Gefühl der Zugehörigkeit und Teilha- be nimmt nun unmittelbare gesellschaftliche aber auch wirtschaftlich globale Ausma- ße an. Menschen am Übertritt in weitere Ausbildung und Beschäftigung erfahren ih- ren Stellenwert und ihre Rolle in der Gesellschaft und leisten in ihrer Position einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Gesellschaft bei. Durch die eigene Leistung steigt unmittelbar das Selbstwertgefühl.
Im weiteren Aspekt - der Förderung der Kooperation aller Beteiligten - bietet das Konzept der Inklusion bei Übergängen sehr gute Möglichkeiten und Chancen. Zu- meist sind Eltern von Jugendlichen mit Behinderung oder einem anderen Grund der Benachteiligung bereits eingebunden in die Entscheidungs- und Beratungsprozesse der bzw. des Jugendlichen. Auch Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich nach bes- tem Wissen und gegebenen Möglichkeiten um eine individuelle Herangehensweise und bestmögliche Unterstützung und Beratung im Hinblick auf weitere Ausbildung -der Beschäftigung. Innerhalb der Unterstützungsmaßnahmen, die für Menschen mit Behinderung im Rahmen des Übergangsplanungsprozesses angeboten werden, wird ebenfalls Flexibilität und Vernetzung aufgebracht: „Die Gestaltung der Zusammenar- beit verweist auf die Festigung der Kooperation. […] Es bedarf an Flexibilität um die erwünschte Vielfalt durch die Beteiligten erzeugen zu können. Durch Vernetzung, sei es innerhalb der gewohnten Strukturen oder außerhalb des Umfeldes, kann Koope- ration weiter ausgebaut werden […].“51 Jene Zusammenarbeit bei einem Übergang in weitere Ausbildung oder die Beschäftigung, die inklusiven Charakter aufweist, zeich- net sich also durch das Mitwirken aller Beteiligten aus: der Jugendlichen selbst, de- ren Eltern bzw. Erziehungsberechtigten sowie der Beraterinnen und Berater aus di- versen Unterstützungsmaßnahmen.52
Das Mitwirken aller unterstreicht jedoch besonders die Partizipation von Jugendlichen, weshalb diese im vorherigen Satz auch an erster Stelle genannt wurden. Das Konzept der Inklusion als Leitprinzip und Denkweise bei einem inklusiven Übergangsplanungsprozess fordert und ermöglicht den Jugendlichen das Verbalisieren und Verfolgen ihrer Vorstellungen und Wünsche. Der Grundsatz „Nichts ohne uns über uns“, der im Zuge der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 leitend wurde, gilt hier besonders. Im Vordergrund steht die bzw. der Jugendliche am Übergang und ist Fokus jeglicher Bemühungen.
2.3.2 Grenzen inklusiver Übergänge
Die pädagogische und bildungswissenschaftliche Begründung der Menschenwürde, wie sie oben beschrieben ist, ist jedoch auch kritisch zu beurteilen. Vor allem die Denkweise, dass (nicht) erbrachte Leistung das SelbstWERTgefühl und somit den Wert jeder Person beschreibt, ist die negative Komponente bei inklusiven Überle- gungen. Beim näheren Betrachten der Problematik stellt sich für manche Menschen die Frage, was sie ohne ihre Leistung und ihrem Beitrag für die Gesellschaft wert wä- ren. Zwangsläufig entsteht eine defizitäre Sichtweise, die wiederum zum Verachten und Ausgrenzen von Menschen führt, die aufgrund ihrer Situation im wirtschaftlichen Sinn kaum oder gar nichts beitragen können. Es wird deutlich, dass das Prinzip der
Inklusion Grenzen aufweist, wenn es um das Beschreiben geschützter Räume und Situationen geht, da die Vorzüge der Inklusion nur von einigen Menschen anerkannt und gelebt werden. Die Grenze des inklusiven Zuganges zeigt sich beim Aspekt der Menschenwürde also deutlich in der von der Wirtschaft geprägten Gesellschaft.
Die Grenzen der Kooperation bei inklusiven Übergängen von der Schule in weiterfüh- rende Ausbildung oder Beschäftigung sind beim Streben nach erfolgreichen Bil- dungsübergängen ebenfalls nicht zu unterschätzen. Ein wesentlicher Faktor für das Gelingen eines Übergangs ist die Zeit, die meist fehlt oder nicht aufgebracht wird. Hinzu kommen weitere Rahmenbedingungen wie Erwartungen oder Zuständigkeiten aller Beteiligten.53 Im Hinblick auf das Konzept der Inklusion, wie es oben beschrie- ben wurde, birgt die Bevormundung von Jugendlichen jedoch die größte Gefahr. Ko- bi54 weist auf die Selbstbestimmung hin, die auch bei Übergangsplanungsprozessen im Vordergrund stehen muss. Zusätzlich ist zu bedenken, dass bereits das Wort „Be- ratung“ auf eine defizitäre Sichtweise schließen lässt und Menschen, die Beratung benötigen, somit in eine rangniedrigere Position stellt. Auch den professionellen Fachkräften wird hierbei eine wichtige Rolle zugeschrieben: Sie gelten als jene Per- sonen, die Wege eröffnen, aber auch verschließen können und haben deswegen ei- ne wichtige Bedeutung für die Begleitung in einem Übergangsprozess - sowohl aus der Sicht der betroffenen Jugendlichen, als auch aus gesellschaftlicher Sicht.55 Aus- reichende Reflexion und Kommunikation dieser Aspekte sind somit von besonderer Wichtigkeit, womit direkt auf den Aspekt der Partizipation Jugendlicher mit Behinde- rung hingewiesen werden muss. Macht- und hierarchische Strukturen müssen weit- gehend in den Hintergrund treten. Diese äußern sich einerseits im direkten Kontakt mit Eltern und Beraterinnen bzw. Beratern bei regelmäßigen Treffen oder Sitzungen im Rahmen des Übergangsplanungsprozesses, jedoch auch im weiteren Sinn des gesamten Bildungssystems. Tatsache ist, dass das Bildungssystem jene belohnt, die gute Ergebnisse erzielen und somit einen starken Wettbewerbscharakter aufweist, an dem nicht alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können. Diese bei den meisten Menschen tiefverankerte Denkweise führt dazu, dass Jugendlichen im Übergang nicht ausreichend Zeit und Raum gegeben wird und dies mit dem Argument, für die betreffende Person „nur das Beste zu wollen“ begründet wird. Auch hierbei sind also eine ausgeprägte Reflexionsfähigkeit sowie Geduld und Zuversicht notwendig, ja sogar Voraussetzung.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Konzept der Inklusion ein enorm wichtiger Ansatz für Jugendliche im Übergang von der Schule in weiterführende Aus- bildung oder Beschäftigung darstellt. Die Leitidee, die die Gleichberechtigung aller Menschen verfolgt, die Kooperation aller Beteiligten fördert und großen Wert auf die Partizipation und Mitbestimmung der Jugendlichen legt, ermöglicht einen breitgefass- ten und sensiblen Sinn für Entscheidungsfindungsprozesse. Sie stärkt im besten Fall das Selbstbewusstsein der bzw. des Jugendlichen. Wie alles im Leben ist jedoch auch eine negative Komponente mit zu bedenken. Wird das Leitprinzip der Inklusion nicht von der Mehrheit der Welt getragen und gelebt, kann es im schlimmsten Fall zur Erkenntnis der Jugendliche mit Behinderung oder sonstigen Gründen der Be- nachteiligung führen, dass sie nicht erwünscht seien. Möglicherweise ist diese Erfah- rung solch eine, wie sie sie bereits einige Mal im Leben erfuhren, doch gerade beim Übergang von der Schule in eine Ausbildung oder in die Beschäftigung erweist sich dieses Erlebnis als prägend für das gesamte weitere Leben, weil genau dieser Über- gang einen völlig neuen Lebensabschnitt für Jugendliche darstellt und mit ihm eine sehr lange folgende Arbeitszeit verbunden ist. Ein inklusiver Zugang ermöglicht auch die Kooperation vieler verschiedener Menschen, die am Übergangsplanungsprozess beteiligt sind. Sie fördert die Kommunikation aller und richtet den Fokus auf die bzw. den Jugendlichen im Übergang. Da dies ebenfalls mit Gefahren wie einer Bevormun- dung oder gar der Übernahme der Entscheidung oder dem Lenken in eine bestimmte Richtung verbunden wird, ist hier ganz besonders auf Professionalität und Reflexion zu achten. Beim Übergang ins Ausbildungs- oder Berufsleben steht stets die bzw. der Jugendliche im Vordergrund. So lässt sich festhalten, dass das Prinzip der Inklu- sion im Sinne einer gegenseitigen Akzeptanz und Wertschätzung unserer Verschie- denheit sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum sehr bereichernd und anzustreben ist.
2.4 Partizipative Kooperation im inklusiven Übergangsplanungsprozess
Der Begriff der partizipativen Kooperation setzt sich aus zwei Begriffen - Partizipati- on und Kooperation - zusammen, die zunächst separat beleuchtet werden, um sie im nächsten Schritt sinnvoll zusammenfügen zu können. Der Begriff der partizipativen Kooperation wurde erst jüngst in den neuesten bildungswissenschaftlichen Erkennt- nissen geprägt, weshalb es einer detaillierten Klärung beider Begriffe bedarf. Da es sich um eine besondere Art der Kooperation handelt, wird zunächst auf den Begriff der Kooperation eingegangen.
Das Wort Kooperation geht auf den lateinischen Begriff cooperatio zurück und meint Zusammenarbeit56, vor allem im wirtschaftlichen Sinn. Synonym werden auch Begrif- fe „collaboration“57 im Englischen oder „Zusammenarbeit“ bzw. „Partnerschaft“ im Deutschen verwendet.58 Für die vorliegende Arbeit als relevant zeichnet sich vor al- lem die Definition nach Bach und Schuppener59 ab, die ebenfalls für das For- schungsprojekt tragend ist. Um die Kooperation im sonderpädagogischen Setting zu beschreiben, unterscheiden sie drei Formen der Zusammenarbeit: Die Ebene der In- stitution, die Ebene des Individuums und die Ebene des sozialen Umfeldes. Zur Ebe- ne der Institutionen wird die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und (zwischen) außerschulischen Unterstützungsmaßnahmen gezählt. Die Ebene des In- dividuums wird mit der konkreten Zusammenarbeit mit der betroffenen Person be- schrieben - im Forschungsprojekt bzw. in der vorliegenden Arbeit also mit den Ju- gendlichen selbst. Die Ebene des sozialen Umfeldes deutet auf das gesamte Umfeld einer betroffenen Person hin. Hinzu zählt also nicht nur die Familie, sondern auch Freunde, die Peers oder Bekanntschaften, die im Verlauf des Übergangsplanungs- prozesses eine Bedeutung von der betroffenen Person zugeschrieben wird. Felber- mayr et al.60 deuten jedoch darauf hin, dass eine bloße Anwesenheit noch nicht aus- reichend für das Gelingen einer Kooperation ist. Für ein gutes Gelingen von Übergängen sind vier Kriterien nach Sodogé, Eckert und Kern61 nötig: Gemeinsame Grundlagen, Gestaltung, Inhalte und Haltungen. Eine gute Zusammenarbeit zeichnet sich durch einen wertschätzenden und respektvollen Umgang ohne jegliche Fremd- bestimmung, dafür aber durch eine Basis einer Kommunikation auf Augenhöhe zwi- schen Professionellen und Menschen mit Behinderung aus.62 Felbermayr, Hubmayer und Fasching lenken den Fokus auf die Jugendlichen und erweitern die vier grundle- genden Bedingungen für gelingende Kooperation mit der Familie, damit auch Ju- gendliche ausreichend Platz in diesem System erhalten: Gemeinsame Ziele und Auf- gaben, Haltung der einzelnen Personen, Beziehung zueinander sowie Setting & Rahmenbedingungen. Es ist zu erkennen, dass alle Aspekte gemeinsam mit den Ju- gendlichen bearbeitet und mitgetragen werden können. Folgende Grafik macht au- ßerdem deutlich, dass alle vier Bedingungen aufeinander einwirken und eine gelun- gene Kooperation ausmachen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Bedingungen für Kooperation mit der Familie63
Zahlreiche Studien und wissenschaftliche Abhandlungen konnten bereits bestätigen, dass ein erfolgreicher Übergangsprozess von der Kommunikation auf Augenhöhe abhängt und dass einer von wesentlichen Faktoren für das Gelingen eines Übergan- ges ist.64
Der Begriff der Partizipation wird ebenfalls wie jener der Kooperation in verschiede- nen Settings verwendet. Der Begriff wird vom lateinischen „participium“ abgeleitet und meint Beteiligung, Teilhabe bzw. das Beteiligtsein. Das dazugehörige Verb parti- zipieren umschreibt das teilhaben mit den Worten „von etwas, das ein anderer hat, etwas abbekommen“65. Der Begriff der Partizipation ist breit gefächert und betrifft die Menschen grundsätzlich in allen Lebensbereichen. Sei es die persönliche Selbstver- sorgung, Mobilität, soziale Beziehungen, die Erwerbstätigkeit, das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben sowie das Mitbestimmen in der politischen Wirklichkeit ei- nes Staates. Für die vorliegende Arbeit relevant ist jedoch vor allem der Bereich der Bildung und Ausbildung das Recht der Partizipation aller Menschen an der Bildung und Ausbildung.66 Wenn von Inklusion gesprochen wird, ist heutzutage zwar die Par- tizipation aller Menschen gemeint, wobei Menschen mit Behinderung im Denken zu- nächst ausgeklammert werden und erst im nächsten Schritt integriert werden. Das widerspricht jedoch dem vorher beschriebenen Konzept der Inklusion, da Menschen mit Behinderung als selbstverständlich Partizipierende gelten sollten. Die Realität ist jedoch anders: „Der Kern dessen, was mit Behinderung gemeint ist, sind reduzierte und nicht gleichberechtigte Teilhabechancen an sozialen Beziehungen und gesell- schaftlichen Handlungsfeldern.“67 Wie bei einer guten Kooperation aller Beteiligten genügt es auch hier nicht, dass Personen an etwas teilnehmen bzw. physisch anwe- send sind. Schröder68 beschreibt die wesentliche Komponente der Partizipation mit- tels der Entscheidungen, die das eigene Leben betreffend gemacht werden, um die Gemeinschaft, in der diese Person lebt, aktiv mitzugestalten, an ihr teilzuhaben und mit ihr zu kooperieren bzw. Lösungen bei Herausforderungen zu finden. Erst wenn Entscheidungsmacht übertragen wird bzw. diese von Anfang an vorhanden ist (wie es in einem inklusiven Bildungssetting bereits Voraussetzung sein sollte), beginnt richtige Partizipation. Deutlich werden die Schilderungen am Stufenmodell der Parti- zipation von Wright et al. (siehe Grafik):
[...]
1 SEK I: Allgemeinbildende höhere Schulen (AHS Unterstufe), Neue Mittelschule (NMS) und Hauptschule (HS)
2 SEK II: Allgemeinbildende höhere Schulen (AHS Oberstufe), berufsbildende höhere Schule (BHS), berufsbildende mittlere Schulen (BMS), Lehrausbildung und Polytechnisches Schulen
3 Biewer et al. 2009, S. 393; Döling 2014, S. 96; Rowe et al. 2014, S. 1; Wetzel et al. 2001, S. 80
4 Griebel/Niesel 2011, S. 37f
5 Fasching 2006, S. 266
6 Fasching, Fülöp 2017, S. 54-57
7 Projektnummer: Einzelprojekt P-29291; Kurztitel: Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen; Laufzeit: 1.10.2016 bis 30.09.2021; Projektleitung: Assoz. Prof.in Mag.a Dr.in Helga Fasching
8 Anm.: Es soll auf die erste Durchführung des Reflektierenden Teams mit Jugendlichen ebenfalls Bezug ge- nommen werden. Das erste RT wurde von Bettina Schelch beobachtet und dokumentiert. Siehe dazu: Schelch, B. (2018): Der Einsatz des Reflecting Teams zur Einschätzung partizipativer Kooperation bei Jugendlichen mit Behinderung im Übergangsplanungsprozess von der SEK I in die SEK II oder Beschäftigung. Wien: Masterarbeit der Universität Wien; Institut für Bildungswissenschaft.
9 Herwig-Lempp 1997, S. 274
10 Epstein et al. 1998; Hargens, Von Schlippe 1983; Hanswille 2016; Anslow 2013; Fredmann et al. 2007
11 Herwig-Lempp 1997, S. 274
12 Koenig, Buchner 2011, S. 3
13 Hesse 2002, S. 19f
14 Eigene Darstellung; Inhalt nach Hesse 2002
15 Von Unger 2014, S. 16
16 Buchner 2009, S. 516; Von Unger 2014: S. 15,20
17 Hubmayer, Felbermayr, Fasching 2018
18 Vgl. Oelkers 2014, S. 70f
19 Vgl. Hedderich/Hecker 2009, S. 7f
20 Vgl. Thiem 2012
21 Vgl. Porter, Richler 1991; Vgl. Allemann-Ghionda 2013, S. 126
22 Heimlich 2003, S. 142
23 Vgl. Hillmann 2007, S. 377
24 Vgl. Hinz 2003, S. 17
25 Vgl. Wansing 2012; vgl. Feuser 2012
26 Vgl. Biewer 2010, S. 123
27 Vgl. Eberwein 2009, S. 510f
28 Vgl. Flieger, Schönwiese 2011, S. 29
29 Vgl. Hillmann 2007, S. 383
30 Vgl. Eberwein 2008, S. 48; vgl. Rehle, Thoma 2009
31 Oelkers 2014, S. 75
32 Vgl. Bronfenbrenner 1990, S. 23; Vgl. Harney 20078, S. 322
33 Bellenberg/Forell 2013, S. 17
34 Wustmann 2004, S. 41
35 Bellenberg, Forell 2013, S. 9
36 Bellenberg, Forell 2013, S. 63ff
37 Eckert 2007,. S. 322
38 Stamm, Edelmann 2013, S. 288ff
39 Schelch 2018, S. 23
40 Schelch 2018, S. 32
41 Griebel/Niesel 2011, S. 34
42 Trainor 2008, S. 148f
43 Casper-Kroll 2011, S. 21
44 Uphoff et al. 2010 [online]
45 Wiethoff 2011, S. 28
46 Pinetz, Prammer 2008, S. 68
47 Mathern 2002, S. 31
48 Thiem 2012, S. 22
49 Marks 2012, S. 122; Laireiter 2009, S. 75
50 Vgl. Köpcke-Duttler 2009
51 Schelch 2018, S. 57
52 Vgl. aktuelles Projekt des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF): „Kooperation für Inklusion in Bil- dungsübergängen“. Laufzeit: 1.10.2016 bis 31.12.2019. Projektleitung: Assoz. Prof.in Mag.a Dr.in Helga Fasching 23
53 Vgl. Ehlers 2013; Vgl. Sodogé et al. 2012; Vgl. Fuchs, Tippelts 2012
54 Kobi 2002, S. 20
55 Lindmeier, Schrör 2015, S. 152f
56 Vgl. Duden 2019 [online]
57 Vgl. Cooney 2002; Turnbull et al. 2011
58 Vgl. Sodogé et al. 2012
59 Bach 1999, S. 125; Schuppener 2007, S. 195
60 Vgl. auch: Felbermayr, Hubmayer, Fasching 2018, S. 173
61 Sodogé, Eckert,Kern 2012, S. 83ff
62 Vgl. Sodogé, Eckert, Kern 2012, S. 76
63 Felbermayr, Hubmayer, Fasching 2018, S. 174
64 Baum et al. 2011; Sodogé et al. 2012; Fasching, Niehaus 2004; Niedermaier 2005; Sacher 2014, Todd 2007
65 Duden Verlag 2005, S. 768
66 Biewer 2010, S. 63
67 Franz; Beck 2007, S. 284
68 Schröder 1995, S. 14
- Arbeit zitieren
- Michaela Visnovsky (Autor:in), 2019, Aspekte der Unterstützung in einem Gruppengespräch mit Jugendlichen mit Behinderung unter Anwendung eines Reflektierenden Teams, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513858
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