„Was kann ich wissen?“ Spätestens seit Kant diese Frage stellte, gehört die Suche nach den Bedingungen der Möglichket menschlicher Erkenntnisse zu den entscheidenden epistemologischen Problemstelleungen. Kants Antwort war ein System von fixen, notwendigen und transzendentalen Voraussetzungen unserer Erfahrungen.
Doch wie fix, wie universal können diese Bedingungen überhaupt sein? Bestehen die Fundamente unserer Erfahrungen und Erkenntnisse tatsächlich unabhängig von unserer kulturellen Prägung? Die Philosophie der symbolischen Formen Ernst Cassirers geht an dieser Stelle über Kant hinaus. Cassirer genügt es nicht allgemeine Bedingungen aufzustellen, an die jedes objektiv-gültige, gegenständliche Urteil gebunden ist. Die universalistischen Konzepte Kants sind Cassirer zu absolut, ohne ihrem Anspruch im Rahmen der Gesamtheit der menschlich-kulturellen Wirklichkeit(en) gerecht werden zu können. Vielmehr will er eine Philosophie, die in der Lage ist, alle geistige und kreative Arbeit, also die Gesamtheit der schöpferischen Momente des Menschen in sich zu vereinen. Diese radikale Abkehr vom rein wissenschaftstheoretischen Bezug des Erkenntnisbegriffs mündet in einer Rückführung der Bedingungen der Möglichkeit menschlicher Erkenntnisse auf ein lebensweltlich-kulturelles Fundament - die Kritik der Vernunft avanciert hier zur Kritik der Kultur.
Dabei beruht die Einsicht Cassirers in die kulturelle Abhängigkeit unserer Erfahrungen auf einer spezifischen, fundamentalen Leistung des Menschen: der symbolischen Repräsentation. Denn im Gegensatz zur tierischen ist die menschliche Lebenswirklichkeit eine symbolische. Jede Erfahrung, selbst die kürzeste Wahrnehmung ist immer und notwendig bereits symbolisch geformt. Da die Art dieser Formung letztlich über die Art der Erfahrung entscheidet, sind die symbolischen Formen (wie z. B. Sprache oder Kunst) die Bedingungen der Möglichkeit unserer Erkenntnisse. Im Gegensatz zur Transzendentalphilosophie Kants sind diese Bedingungen im Sinne Cassirers keine invarianten Ausstattungsmerkmale des Geistes, sondern Produkte kultureller Entwicklungen.
Damit ist Cassirers Idee des Menschen als „animal symbolicum“ sowie dessen Rückführung auf ein lebensweltliches Erfahrungssubjekt nicht nur von umfassender erkenntnistheoretischer Bedeutung, sondern stellt zugleich eine unverzichtbare Grundlage aktueller medien-, kommunikations- und kulturwissenschaftlicher Diskurse dar.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Philosophie der symbolischen Formen
- Symbolische Prägnanz
- Repräsentation
- Die Abkehr vom Abbild
- Symbolische Formen als kulturelle Entwicklungen
- Drei grundlegende Symbolfunktionen
- Sprache
- Mythos
- Wissenschaft
- Die Phänomenologie der Erkenntnis
- Von der Kritik der Vernunft
- Zur Kritik der Kultur
- Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der „Philosophie der symbolischen Formen“ von Ernst Cassirer und untersucht die Bedeutung des Symbolbegriffs für eine Theorie der kulturellen Semantik. Cassirer geht über den Kantischen Erkenntnisbegriff hinaus und entwickelt eine Phänomenologie der Erkenntnis, die auf symbolischen Formen basiert. Die Arbeit zeichnet die Beziehung zwischen dem „animal symbolicum“ und Cassirers Erkenntnistheorie nach und untersucht die Entstehung und Funktionsweise von symbolischen Formen als Grundlage menschlicher Wirklichkeiten.
- Das Konzept der symbolischen Formen als Grundlage der menschlichen Erkenntnis
- Die Abkehr von der Abbildtheorie der Repräsentation und die Einführung einer funktionstheoretischen Perspektive
- Die Rolle von Sprache, Mythos und Wissenschaft als zentrale symbolische Formen
- Die Ausweitung von der Kritik der Vernunft zur Kritik der Kultur in Cassirers Phänomenologie der Erkenntnis
- Die Bedeutung von symbolischen Formen für die Gestaltung von Wirklichkeiten und die Konstitution von kulturellen Entwicklungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die Cassirers Ansatz in Bezug auf die Theoriegeladenheit von Fakten und seine Suche nach den Prinzipien der menschlichen Erkenntnis vorstellt. Im zweiten Kapitel wird die „Philosophie der symbolischen Formen“ behandelt, indem die Idee der elementaren symbolischen Formung und Cassirers Repräsentationstheorie erläutert werden. Es wird auf die Abkehr vom abbildtheoretischen Repräsentationsbegriff hingewiesen und die Bedeutung von funktionstheoretischen Ansätzen hervorgehoben. Das Kapitel skizziert auch exemplarisch die Strukturen dreier grundlegender symbolischer Formen: Sprache, Mythos und Wissenschaft.
Das dritte Kapitel beleuchtet die Phänomenologie der Erkenntnis und zeigt die Ausweitung von der Kritik der Vernunft zur Kritik der Kultur im Sinne Cassirers auf. Der Fokus liegt dabei auf den Grundsätzlichkeiten einer Phänomenologie der Erkenntnis, die auf symbolischen Formen basiert. Die Arbeit endet mit einem Resümee und Ausblick, die die zentralen Erkenntnisse der Arbeit zusammenfassen und mögliche weiterführende Fragestellungen aufwerfen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Symboltheorie, kulturelle Semantik, Phänomenologie der Erkenntnis, "animal symbolicum", symbolische Formen, Repräsentation, Sprache, Mythos, Wissenschaft, Kritik der Vernunft, Kritik der Kultur. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Philosophie von Ernst Cassirer und seine Kritik der klassischen Erkenntnisphilosophie, die auf der Idee der symbolischen Formung basiert.
- Arbeit zitieren
- Sven Trantow (Autor:in), 2006, Vom animal symbolicum zur Kritik der Kultur - Die Philosophie der symbolischen Formen Ernst Cassirers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51368