Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem teleologischen Ansatz in der Individualpsychologie und Biologie nach Alfred Adler, Ernst Mayr und Jacques Monod. Der Begriff "Teleologie" setzt sich aus den altgriechischen Wörtern Telos und Logos zusammen, also übersetzt die Lehre (logos) des Zwecks oder Ziels (telos). Diese Lehre hat die Grundthese, dass Handlungen oder Entwicklungen an Zwecken orientiert sind und durch sie gelenkt werden. Einer der berühmten Begründer dieser psychologischen Theorie ist Alfred Adler, ein österreichischer Arzt und Psychotherapeut.
Anders als in der Psychoanalyse, dessen Begründer Sigmund Freud war, sieht die Individualpsychologie den Menschen in seinem Verhalten nicht im kausalen Zusammenhang. Er werde nicht zwangsläufig durch vergangene Eindrücke, Erlebnisse und Empfindungen gesteuert, sondern verhalte sich vielmehr im Hier und Jetzt ziel- und zweckgerichtet auf die Zukunft. Somit resultiert sein Verhalten nicht aus einer vergangenen Ursache heraus in dieser psychologischen Theorie, vielmehr verursacht ein Ideal oder eine "Fiktion" in der Zukunft das Verhalten in der Gegenwart. Diese nicht lineare Handlungskette und gebogene Kausalkette des Menschen ist einer der Grundthesen der Teleologie. Besondere Aufmerksamkeit finden sie in der Biologie für den Biochemiker Jacques Lucien Monod und den Biologen und Evolutionstheoretiker Ernst Walter Mayr.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Teleologie-Begriffsverständnis bei Alfred Adler in der Individualpsychologie
3. Vergleich und kritische Auseinandersetzung mit dem Teleologie-Begriffsverständnis von Alfred Adler, Ernst Mayr und Jacques Monod
4. Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis und Quellenverzeichnis
Monografien:
Internetquellen:
1. Einleitung
Im zurückliegenden Semester haben wir uns mit den philosophischen Theorien der Teleologie befasst. Der Begriff ‚Teleologie‘ setzt sich aus den altgriechischen Wörtern Telos und Logos zusammen, also übersetzt die Lehre (logos) des Zwecks oder Ziels (telos). Diese Lehre hat die Grundthese, dass Handlungen oder Entwicklungen an Zwecken orientiert sind und durch sie gelenkt werden.
Dazu haben wir Schriften von Jacques Monod, Ernst Mayr und Immanuel Kant auf ihr Verständnis des Teleologie-Begriffs untersucht. Zwischenzeitlich und ergänzend dazu wurde ein Exkurs in die Teleologie in der Soziologie und Verhaltensbiologie durchgeführt, der mich dazu veranlasst hat, auch weitere teleologische Auffassungen zu ergründen und mich auf die Individualpsychologie und den Teleologie-Begriff in ihr stießen ließ. Einer der berühmten Begründer dieser psychologischen Theorie ist Alfred Adler (1870-1937), ein österreichischer Arzt und Psychotherapeut.
Anders als in der Psychoanalyse, dessen Begründer und Bekannter Adlers Sigmund Freud (1856-1939) war, sieht die Individualpsychologie den Menschen in seinem Verhalten nicht im kausalen Zusammenhang. Er wird nicht zwangsläufig durch vergangene Eindrücke, Erlebnisse und Empfindungen gesteuert, sondern verhalte sich vielmehr im Hier und Jetzt ziel- und zweckgerichtet auf die Zukunft. Somit resultiert sein Verhalten nicht aus einer vergangenen Ursache heraus in dieser psychologischen Theorie, vielmehr verursacht ein Ideal oder eine ‚Fiktion‘ in der Zukunft das Verhalten in der Gegenwart.1 Es ist also klar der teleologische Ansatz in der Individualpsychologie zu erkennen, auf den ich im Abschnitt 2 noch weiter eingehen werde.
Diese nicht lineare Handlungskette und gebogene Kausalkette des Menschen ist einer der Grundthesen der Teleologie. Besondere Aufmerksamkeit finden sie in der Biologie für den Biochemiker Jacques Lucien Monod (1910-1976) und den Biologen und Evolutionstheoretiker Ernst Walter Mayr (1904-2005). In ihren zum Seminarthema passenden Schriften haben wir uns beschäftigt und ihre Standpunkte herausgearbeitet. Interessant ist hierbei der Vergleich dieser Standpunkte zu dem von Alfred Adler. Im Folgenden möchte ich untersuchen und herausarbeiten inwiefern sich die Standpunkte voneinander entfernen oder es Parallelen und Gemeinsamkeiten gibt. Dazu werde ich zunächst den teleologischen Ansatz in der Individualpsychologie vorstellen und im Abschluss einen Vergleich ziehen mit dem Teleologie-Verständnis von Mayr und Monod.
2. Teleologie-Begriffsverständnis bei Alfred Adler in der Individualpsychologie
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist der teleologische Ansatz ein wichtiger Bestandteil der Individualpsychologie. Ihre Theorie ist die Einzige in dieser teleologischen Form in der Psychologie. In der berühmten Psychoanalyse von Sigmund Freud beispielsweise werden das Verhalten und die Persönlichkeit des Menschen vielmehr durch Vergangenes determiniert. Ihre Ursachen finden sich also immer im Vorangegangen, wie den Erlebnissen in der Kindheit.2
In der Theorie der Individualpsychologie von Alfred Adler ist diese Kausalkette nicht in diesem Ausmaß vorhanden. Vielmehr wird der Mensch durch sein inneres Streben nach Idealen und ‚Fiktionen‘, wie Adler sie nennt, die in der Zukunft erst verwirklicht werden können, gelenkt.3
Diese Ziel- und Zweckgerichtetheit des Menschen ist der teleologische Ansatz in dieser Psychologie. Als Beispiel anzuführen sind gesellschaftliche Konventionen, die im Individuum verinnerlicht wurden. Bei Adler sind diese Konventionen in den Bereich der Teleologie einzuordnen, die Adler hier ‚Finalität‘ nennt. Zu der sozialen Finalität gehören die eben genannten verinnerlichten Konventionen unter anderem. Ihre Funktion ist die gegenwärtige Anpassung und Eingliederung in die Gesellschaft und die Erfüllung des von Adler dargestellten ‚Gemeinschaftsgefühls‘4, jedoch auch die in die Zukunft gerichtete Normerfüllung und Idealverinnerlichung.5 Besser zu verstehen ist dies an dem Beispiel der religiösen Konventionen. Hat ein Mensch die christliche Konvention des Vorhandenseins von Himmel und Hölle für sich als Ideal gesetzt, handelt er im Hier und Jetzt nach bestimmten religiösen Gesetzmäßigkeiten um damit in der Zukunft an den Ort des Himmels zu gelangen. Somit wird ein Ziel oder Zweck hier ideell gesetzt und wird erst in der Zukunft verwirklicht, beeinflusst aber in der Gegenwart bereits sein Verhalten.6 Diese Finalität in der Individualpsychologie wird auch ‚Lebensweise‘ genannt bei Adler7.
Ein anderer Bereich der Finalität ist die unbewusste Form. Ihr zugrunde liegen die biologische Finalität und die personale Finalität. Interessant gerade für den späteren Vergleich im Abschnitt 4 ist hier die biologische Finalität, sie beschreibt die geerbten und angelegten Funktionen des menschlichen Körpers zur Zweckerfüllung des Überlebens. Allen voran geht hier die biologische Existenzsicherung, die sich im Unterbewusstsein des Menschen verankert hat und Instinkte und Reflexe hervorgebracht hat. Diese Mechanismen finden auch in der Individualpsychologie einen Raum und bewegen sich auf der physischen Ebene.8
Bei der personalen Finalität handelt es sich um die persönliche Ausrichtung auf Endziele oder Ideale, die für die Lebensbewältigung auf psychischer Ebene eine Rolle spielen. Als Beispiel ist hier die Überwindung des bei Alfred Adler zentralen Begriffs der Minderwertigkeit anzugeben. Nach seiner Theorie wird der Mensch als Baby in die Minderwertigkeit hineingeboren, die er versucht in seiner Entwicklung abzulegen und ein positives Selbstwertgefühl herzustellen.9
Diese Minderwertigkeit ist positiv zu verstehen, da sie das Streben nach Eigenständigkeit und Reife ergibt. Der Aspekt der Minderwertigkeit ist physisch und psychisch bei Adler, da er ebenso Organe umfasst. Durch den immerwährenden Vergleich zu Älteren und Erwachsenen entwickeln sich nach Adlers These die Persönlichkeit und der menschliche Körper. Im negativen Fall kann dies auch zu ‚Minderwertigkeitskomplexen‘ führen, also das erhöhte Geltungsstreben als Überkompensation, das als Folge auch zu chronischen Krankheiten oder zur Unterentwicklung von Organen führen kann. Die Psyche beeinflusst hier den biologischen Körper, eine der wichtigsten Thesen der später aufkommenden Theorie der Psychosomatik. Alfred Adler sieht hier also die Einheit von Körper und Seele und den bereits durch Friedrich Nietzsche geprägten Begriff des „Willen zur Macht“.10
In der Theorie des ‚fiktiven Finalismus‘ nach Adler sieht man die partiellen Wahrheiten, die den teleologischen Ansatz in ihr bilden. Dies meint die ideelle Konstruktion von etwas, das nicht wirklich ‚wahr‘ ist, aber so behandelt wird, wie beispielsweise der Glaube an Himmel und Hölle. Diese Ideale beeinflussen den Menschen in seinem gegenwärtigen Handeln. Auch das Geltungsstreben um die eigene Minderwertigkeit im frühkindlichen Alter zu kompensieren ist als teleologischer Ansatz zu sehen. Das Ideal eines eigenständigen und reifen Individuums beeinflusst nach Adler die Herausbildung des positiven Selbstwertgefühls und der inneren Organe.
3. Vergleich und kritische Auseinandersetzung mit dem Teleologie-Begriffsverständnis von Alfred Adler, Ernst Mayr und Jacques Monod
Der Teleologie-Begriff in der Individualpsychologie bezieht sich, wie eben vorgestellt, sowohl auf die psychische Zweck- und Zielsetzung als auch auf die physische. Die biologische Finalität bei Alfred Adler, also die Entwicklung des menschlichen Körpers und seiner Organe durch die ‚Fiktion‘ eines voll entwickelten und gesunden Körpers, ist interessant zu vergleichen mit der Vorstellung eines ‚natürlichen Objekts‘11 bei dem Biologen Jacques Monod.
In seiner Schrift ‚Zufall und Notwendigkeit‘ von 1971 beschäftigt er sich unter anderem mit der Frage nach der Unterscheidung von künstlichen und natürlichen Objekten und nach welchen Kriterien ein erdachtes Programm dieses wohl unterscheiden könnte. Er beschreibt die grundlegende Eigenschaft aller Lebewesen folgendermaßen: ‚Objekte zu sein, die mit einem Plan ausgestattet sind, den sie gleichzeitig in ihrer Struktur darstellen und durch ihre Leistung ausführen […]. ‘12 Dies entspricht dem Kriterium der Teleonomie bei Monod.13
Dies könnte man grundlegend übereinstimmend mit der biologischen Finalität bei Alfred Adler sehen, da hier auch der Mensch gemeint sein könnte, dessen Plan es ist, einen ausgereiften Körper zu haben und durch die Leistung des Wachstums diesen Plan zu verwirklichen. Weiterhin führt Jacques Monod aus, dass die Struktur eines Lebewesens kaum aus der ‚Einwirkung äußerer Kräfte‘14 resultiert, vielmehr aus der ‚inneren „morphogenetischen“ Wechselwirkungen‘15. Er sei also losgelöst von äußeren Einwirkungen und Bedingungen bei der Entwicklung seiner Struktur oder eben des menschlichen Körpers. Vergleicht man dieses mit dem Standpunkt von Alfred Adler, kommt es auf die Auslegung der angesprochenen ‚äußeren Kräfte‘ an um hier eine Parallele oder eine Differenz zu sehen. Möglich ist es, bei der Zwecksetzung der Entwicklung des menschlichen Körpers den Vergleich mit Erwachsenen und Älteren mit in ihrer Entwicklung abgeschlossenen Körper hierbei äußere Einflüsse zu sehen, da dieses Ideal nur durch das Vorhandensein von weiteren Menschen möglich ist. Hierbei würde man keine Übereinstimmung von Monod und Adler sehen. Andererseits wäre dies nur der Anreiz, könnte man meinen, die Herausbildung der Organe etc. finde jedoch durch den eigenen Antrieb statt und ohne ‚“morphogenetische“ Wechselwirkungen‘. Dementsprechend könnte man hier auch von einer Parallele sprechen.
[...]
1 Adler, Alfred: Menschenkenntnis (1927) - 3. Zielstrebigkeit im Seelenleben. http://www.textlog.de/adler-psychologie-zielstrebigkeit-seelenleben.html (24.03.2013).
2 Brühlmeier, Arthur: Die Psychoanalyse Sigmund Freuds - 4 Zwei grundlegende Hypothesen. http://www.bruehlmeier.info/freud.htm (24.03.13).
3 Adler, Alfred: Menschenkenntnis (1927) - Zielstrebigkeit im Seelenleben. http://www.textlog.de/adler-psychologie-zielstrebigkeit-seelenleben.html (24.03.2013).
4 Adler, Alfred: Menschenkenntnis (1927) - Gemeinschaftsgefühl. http://www.textlog.de/adler-psychologie-gemeinschaftsgefuehl.html (24.03.2013).
5 Adler: 3. Zielstrebigkeit im Seelenleben. http://www.textlog.de/adler-psychologie-zielstrebigkeit-seelenleben.html (24.03.2013).
6 Adler, Alfred: : Menschenkenntnis (1927) - Der Zwang zur Gemeinschaft. http://www.textlog.de/adler-psychologie-zwang-gemeinschaft.html (24.04.2013).
7 Adler, Alfred: Menschenkenntnis (1927), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 14.
8 Götzfried, Daniela: Zu Alfred Adlers Persönlichkeitstheorie, GRIN Verlag: 2007, S. 13.
9 Adler, Alfred: Menschenkenntnis (1927), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 14.
10 Adler, Alfred: Menschenkenntnis (1927) - Ausgleich des Minderwertigkeitsgefühls, Streben nach Geltung und Überlegenheit. http://www.textlog.de/adler-psychologie-machtstreben.html (24.03.2013).
11 Monod, Jacques: Zufall und Notwendigkeit. München: R. Riper & Co. Verlag 1971. S. 12.
12 Ebenda. S. 17.
13 Ebenda.
14 Ebenda. S. 19.
15 Ebenda.
- Arbeit zitieren
- Lisa Krenke (Autor:in), 2013, Teleologie in der Individualpsychologie und Biologie nach Alfred Adler, Ernst Mayr und Jacques Monod, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513275
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.