Einleitung
„Ohne das Kind hätte unsere ganze Arbeit keinen Zweck. Für wen würden wir den Weg durch das Dickicht schlagen, - wem das Beil in die Hand legen und sagen: „Nun fäll einen Baum nach dem anderen und sieh zu, daß du weiterkommst durch die Tiefe des Dickichts.“ - Und wem würden wir das Steuer und die Ruder übergeben, damit er weiterschwimmt in jene Richtung, die wir womöglich falsch gewählt haben? – Für wen würde man Luftschiffe bauen, die in der Stunde ihres Entstehens noch primitiv, unbeholfen, ja lächerlich sind, - wenn niemand sie verbessern sollte – und zwar so lange verbessern, bis der Flug des Menschen den Flug des Adlers übertrifft?“ (vgl. Bütow, 2002, S.42)
Janusz Korczak
Janusz Korczak – der polnische Arzt, Schriftsteller und Pädagoge hat eine Fülle von Anregungen, Romanen, Geschichten und kinderpsychologischen Abhandlungen hinterlassen, die auch heute noch Menschen, vor allem Pädagogen, inspirieren und ermuntern, sich an seiner einmaligen Pädagogik zu orientieren. Über seine Pädagogik ist ein enormes Spektrum an Literatur zu finden, die vorrangig auf sein Leben Bezug nimmt und nicht so sehr auf seine pädagogischen Hintergründe. Diese pädagogischen Hintergründe sind vor allem die Achtung vor und die bedingungslose Liebe zu dem Kind. Wie kein anderer stellte Korczak sein Leben in den Dienst der Kinder und vertrat seine Pädagogik nicht nur durch bloße Theorien, im Gegenteil, Korczak lebte seine Pädagogik. Doch wer war Janusz Korczak? Welche Vorstellung hatte er von einem „guten“ Pädagogen? Was macht seine Pädagogik so einmalig und wie unterscheidet sich Korczaks Konzept von dem anderer Pädagogen?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit diesen Fragen, den Grundlagen der Pädagogik von Korczak und seinem Versuch, die Achtung vor dem Kind und die Gleichwertigkeit von Erwachsenen und Kindern in der Gesellschaft durchzusetzen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Pädagoge Janusz Korczak
3. Das Bild des Erziehers
4. Die Rechte der Kinder
5. Die Pädagogik der Liebe
6. Die narrative Pädagogik
7. Das Kind als Fremder
8. Die Gleichwertigkeit von Erwachsenen und Kindern
9. Schlussteil
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Ohne das Kind hätte unsere ganze Arbeit keinen Zweck. Für wen würden wir den Weg durch das Dickicht schlagen, - wem das Beil in die Hand legen und sagen: „Nun fäll einen Baum nach dem anderen und sieh zu, daß du weiterkommst durch die Tiefe des Dickichts.“ - Und wem würden wir das Steuer und die Ruder übergeben, damit er weiterschwimmt in jene Richtung, die wir womöglich falsch gewählt haben? – Für wen würde man Luftschiffe bauen, die in der Stunde ihres Entstehens noch primitiv, unbeholfen, ja lächerlich sind, - wenn niemand sie verbessern sollte – und zwar so lange verbessern, bis der Flug des Menschen den Flug des Adlers übertrifft?“ (vgl. Bütow, 2002, S.42)
Janusz Korczak
Janusz Korczak – der polnische Arzt, Schriftsteller und Pädagoge hat eine Fülle von Anregungen, Romanen, Geschichten und kinderpsychologischen Abhandlungen hinterlassen, die auch heute noch Menschen, vor allem Pädagogen, inspirieren und ermuntern, sich an seiner einmaligen Pädagogik zu orientieren. Über seine Pädagogik ist ein enormes Spektrum an Literatur zu finden, die vorrangig auf sein Leben Bezug nimmt und nicht so sehr auf seine pädagogischen Hintergründe. Diese pädagogischen Hintergründe sind vor allem die Achtung vor und die bedingungslose Liebe zu dem Kind. Wie kein anderer stellte Korczak sein Leben in den Dienst der Kinder und vertrat seine Pädagogik nicht nur durch bloße Theorien, im Gegenteil, Korczak lebte seine Pädagogik.
Doch wer war Janusz Korczak? Welche Vorstellung hatte er von einem „guten“ Pädagogen? Was macht seine Pädagogik so einmalig und wie unterscheidet sich Korczaks Konzept von dem anderer Pädagogen?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit diesen Fragen, den Grundlagen der Pädagogik von Korczak und seinem Versuch, die Achtung vor dem Kind und die Gleichwertigkeit von Erwachsenen und Kindern in der Gesellschaft durchzusetzen.
2. Der Pädagoge Janusz Korczak
Janusz Korczak wurde am 22. Juli 1878 als Henryk Goldszmit in Warschau geboren. Von 1898 bis 1906 absolvierte er ein Medizinstudium. Während seiner Studienzeit machte er erste pädagogische Erfahrungen. Er betreute einige Kinder in einem Armenviertel Warschaus, gab ihnen Nachhilfeunterricht und versorgte sie medizinisch. Später, als praktizierender Arzt, nutzte er seine Freizeit, um in Ferienkolonien als Erzieher zu arbeiten. Diese Arbeit prägte das pädagogisches Verständnis Korczaks grundlegend, er schrieb über diese Erfahrung: „Den Sommerkolonien habe ich viel zu verdanken. Hier begegnete ich zum ersten Male einer Kinderschar und lernte in selbständiger Arbeit das ABC der pädagogischen Praxis.“ (vgl. Langhanky, 1994, S. 94, nach Korczak, 1979). Korczak gelangte durch diese freizeitpädagogische Arbeit zu einer ganz eigenen Forschungshaltung gegenüber der Erziehung. Seiner Auffassung nach sollte die Profession eines jeden Pädagogen eine spezielle Form des Wahrnehmens sein: das Forschen mit dem bloßen Auge (vgl. Langhanky, 1994, S. 94).
1913 übernahm Korczak die Leitung des neu erbauten jüdischen Waisenhauses „Dom Sierot“ in Warschau und gab seinen Arztberuf auf. Dieses Waisenhaus bot Kindern nicht nur ein Zuhause, sondern Korczak auch genügend Möglichkeiten zur Beobachtung der Kinder („Forschung mit dem bloßen Auge“). Hierbei fokussierte er besonders die Dimensionen der kindlichen Wahrnehmung und deren Entwicklung. Das „Geheimnis des Kindes“ und seine spezifische Andersheit erweckte bei den Untersuchungen Korczaks besonderes Interesse. 1914 wurde Korczak zum Militär einberufen, für die Zeit seiner Abwesenheit übergab er einer Kollegin die Leitung des Waisenhauses. Während des Krieges begann er seine Tetralogie „Wie man ein Kind lieben soll“ zu verfassen. In diesem Werk verarbeitete er Notizen zur Erziehung und Entwicklung von Kindern, über die Sommerkolonien und über das Waisenhaus. Einige dieser Notizen fertigte er bereits im Alter von 14 Jahren an. Außerdem schrieb Korczak zu dieser Zeit ein Lehrbuch für Lehrer, in dem er detaillierte Ausführungen unter dem Titel „Erziehungsmomente“ wiedergibt. Auch während des Krieges war Korczak aktiv pädagogisch tätig. 1917 übernahm er die Leitung ukrainischer Zufluchtsstätten für Waisen. 1918 kehrte Korczak nach Warschau zurück und beendet sein pädagogisches Hauptwerk „Wie man ein Kind lieben soll“. Seine neu verfassten Bücher erhielten gute Kritiken und so gelang es Korczak mit diesen Veröffentlichungen, eine „professionelle Leitlinie der damaligen neuro-psychologischen Forschung in die Pädagogik mit hinüberzunehmen und sie mehr und mehr zum Kennzeichen seines erzieherischen Zugangs und seines erzieherischen Umgangs mit dem Kind zu machen“ (vgl. Langhanky, 1994, S. 96).
Das Beobachten, das Notieren und das ständige Korrigieren der eigenen Beobachtung durch neue Eindrücke wurden schnell zum Grundmuster seiner Pädagogik. Korczak verglich die Pädagogik mit der Medizin: „Das wichtigste in der Medizin ist die Diagnose […] Was Fieber, Husten, Erbrechen für den Arzt, das sind Lachen, Tränen, Erröten für den Erzieher. Es gibt kein Symptom ohne Bedeutung“ (vgl. Langhanky, 1994, S. 96, nach Korczak, 1919). Nach Korczaks Auffassung geht es nicht darum, darüber nachzudenken, was und wie man etwas von einem Kind verlangt, was man ihm verbietet oder erlaubt, sondern darum, was ihm mangelt, wovon es zuviel hat und was es von sich aus geben kann (vgl. Langhanky, 1994, S. 94-96).
Entgegen der konventionellen, stigmatisierenden Praxis pädagogischer oder psychiatrischer Diagnostik ist Korczaks beobachtende Praxis eine dialogische. Das Kind ist in seinen Augen ein „Geheimnis“, ein „Fremder“. Handlungen, Logik und Sinneszusammenhänge von Kindern sind nach Korczaks Auffassung nur durch einen empathischen Verstehensprozess greifbar. Letztendlich bleibt das „Geheimnis“ des Kindes jedoch unergründbar, so Korczak. Das Interesse Korczaks an einer Diagnostik hat nicht das „Warum?“ als Kernfrage, sondern das „Wer ist das Kind?“. Die Frage nach dem „Wer?“ ist auf das Jetzt bezogen und auf die derzeitige Begegnung mit dem Kind gerichtet. Korczak behauptet, dass die Pädagogik und Psychologie die Frage nach dem „Wer?“ nicht ausreichend beantworten können. Korczaks Interesse bezieht sich nicht auf die Frage nach dem „Wie“ der Vermittlung, vielmehr gehört sein Interesse dem Individuum, dem er als Pädagoge gegenüber steht. Korczak sieht das Kind als Subjekt der Begegnung, nicht als Objekt der Prägung. Das Kind als Individuum „[…] wird nicht erst, sondern ist bereits“ (vgl. Langhanky, 1994, S. 99, nach Korczak, 1981). Die Kindheit ist Korczaks Auffassung nach kein vorbereitender Entwicklungszeitraum für das Erwachsenenleben, er sieht die Kindheit vielmehr als einen „durch die Pädagogik minder geschätzten, unterdrückten Lebensabschnitt, der beständig der Verwertbarkeit im späteren Leben untergeordnet wird“ (vgl. Langhanky, 1994, S.99). Demnach wird die Kindheit viel zu häufig als eine Vorbereitungszeit für das spätere Leben angesehen, obwohl, so meint Korczak, „…jeder Moment der Kindheit in sich selbst wichtig ist und nicht aufgrund dessen, wozu er irgendeinmal führen kann“ (vgl. Langhanky, 1994, S. 100, nach Bettelheim, 1978).
Das Kind sollte, so Korczak, im jeweiligen Moment seiner Entwicklung als ein vollkommenes Gegenüber betrachtet werden. Korczak liebte „seine Kinder“ bedingungslos. Dies beweist der gemeinsame Tod Korczaks und der, der Kinder des Waisenhauses „Dom Sierot“ im Vernichtungslager Treblinka im Jahre 1942.
3. Das Bild des Erziehers
Was für ein Bild vom Erzieher hat Korczak? Nach seiner Auffassung befähigen weder ein Examen noch eine Position einen Menschen Erzieher zu sein: „Alte Ammen oder Maurer – das sind oft bessere Pädagogen als eine Diplom-Pädagogin“ (vgl. Beiner, 1994, S. 75, nach Korczak, 1970).
Nach Korczak lassen sich sechs Dimensionen des Bildes vom Erzieher herausstellen:
1) Mit den Kindern fühlen
Korczak zufolge sind Mitgefühl und einfühlendes Verstehen die erste und wichtigste Bedingung erzieherischen Handelns. Dieses Bemühen um einfühlsames Verstehen steht vor allen rationalen Klärungen pädagogischen Handelns. Diese Einstellung findet man in der heutigen Fachliteratur häufig unter dem Begriff „Empathie“. Soll adäquates pädagogisches Handeln entwickelt werden sind, nach Korczaks Auffassung, die Methoden der Naturwissenschaft nicht ausreichend. Es muss gewissermaßen etwas „hinzukommen“. A. Saint-Exupery beschrieb dies mit dem Satz: “Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ (in „Der kleine Prinz“, 1946). Dieses „gute Sehen“ ist vorrangig in pädagogischen Situationen notwendig, denn, so sagt Korczak: „Kinder unterscheiden sich von den Erwachsenen; es fehlt etwas in ihrem Leben, und doch ist in ihrem Dasein ein unbestimmtes Mehr als in unserem“ (vgl. Korczak, 1967, S. 44). Dieses „Mehr“ bedeutet für das Bemühen um Empathie bei dem pädagogischen Umgang mit Kindern, dass die Erzieher zu den Gefühlen der Kinder „emporklimmen müssen“. Der Erzieher sollte bemüht sein, das Kind zu verstehen, sich mit ihm so weit wie möglich zu identifizieren, er sollte die Gedanken und Gefühle nachempfinden und auf die Ängste und Hoffnungen des Kindes Rücksicht nehmen, also eine höchstmögliche Empathie entwickeln. Am Anfang der pädagogischen Möglichkeiten stehen demzufolge keine „großen“ Theorien, sondern die Einsicht in die Andersartigkeit des Kindes und die Bereitschaft, mit ihm zu fühlen. (vgl. Beiner, 1994, S. 75ff)
2) Die Kinder begleiten, statt sie zu bevormunden
Kinder zu begleiten bedeutet für Korczak, in einer dialogischen Beziehung mit ihnen zu leben. Als Erziehung sieht Korczak das verantwortliche Handeln eines Menschen gegenüber einem anderen Menschen in einer gemeinsamen Lebenswirklichkeit an. Das pädagogische Verhältnis wird somit zu einer Begegnung des jungen Menschen mit einem älteren. Im Gegensatz zu den meisten Pädagogen, die das Recht auf sittliche Bevormundung den Erwachsenen zu- und den Kindern absprechen, stellt sich Korczak die Fragen, mit welchem Recht man Kindern Handlungsqualitäten vorschreibt, die man selbst nur selten zeigt, oder warum man von Kindern fordert so zu sein, wie man selbst ist oder sein möchte? Korczaks Ansicht nach fehlt den Erwachsenen nicht nur das Recht Kinder bevormunden und zu „beherrschen“, sondern auch jegliche moralische Berechtigung, so sagt er:
„Wollte man die Menschheit in Erwachsene und Kinder teilen und das Leben in Kindheit und Reife, so gibt es hier wie dort unzählige Kinder. Wir nehmen sie – von unseren eigenen Auseinandersetzungen und Sorgen absorbiert – nur nicht wahr, so wie wir früher für Frauenfragen, Belange der Bauern, Probleme der unterdrückten Bevölkerungsschichten und Nationen blind waren“ (vgl. Korczak, 1967, S. 73f.).
Korczak fordert, dem Kind mit Achtung und in Partnerschaft gegenüberzutreten, da es von gleichem Wert und gleicher Würde sei:
„Meine langjährige Tätigkeit hat mir immer auffälliger bestätigt, daß Kinder Achtung, Vertrauen und Wohlwollen verdienen, daß es angenehm ist, in der heiteren Atmosphäre freundlicher Empfindungen, fröhlichen Lachens, lebendigen Bemühens und Sich-Wunderns, reiner ungetrübter Freude zu leben und daß diese Arbeit anregend, fruchtbar und schön ist“ (vgl. Beiner, 1994, S. 81, nach Korczak, 1970).
Das Kind sollte den Erzieher als Person annehmen. Es sollte dem Erzieher vertrauen und
erkennen, dass dieser es nicht beeinflussen will, sondern seine Individualität und Eigenart
akzeptiert. (vgl. Beiner, 1994, S. 77ff)
3) Die Realität nicht beschönigen – aus Fehlern lernen
Korczak stellte fest, dass die Realität mit Kindern oft weit entfernt ist von den Idealen und Wünschen vieler Theoretiker. Der Erzieher muss daher aus seinen Fehlern und von den Kindern lernen – er muss sich selbst erziehen. Diese Erfahrung machte Korczak bereits in seinen ersten Tätigkeiten als Erzieher. In seiner ersten Sommerkolonie schlägt Korczak im Affekt auf ein Kind ein, welches sich nicht von ihm belehren lassen will. Er erschrak über sein unüberlegtes Verhalten und begann nun, aus seinen Fehlern zu lernen:
„Ich hatte begriffen, daß Kinder eine Macht sind, die man zur Mitwirkung ermuntern und durch Geringschätzung verletzen kann, mit der man aber auf jeden Fall rechnen muß […] Am nächsten Tag bei einer Unterhaltung im Walde sprach ich zum erstenmal nicht zu den Kindern, sondern mit ihnen, und ich sprach nicht davon, wie sie nach meinem Wunsche sein sollten, sondern darüber, was sie selbst sein wollten und könnten […]“ (vgl. Korczak, 1967, S. 247).
Aufgrund solcher Erfahrungen lernte Korczak eigene Fehler zu erkennen und das „pädagogische Gegenüber“ ernst zu nehmen. Er war nun stets bemüht ein lernendes Miteinander zu schaffen und dies auf verschiedenste Art und Weise: durch Erzählen, Schreiben, Gespräche, Hinhören und Korrigieren. Er versuchte dabei auf die Welt der Kinder einzugehen, ihre Interessen, Fertigkeiten, Fragen und Nöte kennen zu lernen. Gegebenenfalls bot er den Kindern seine Hilfe an, aber auch er selbst bat die Kinder um Hilfe. Korczak erkannte, dass Fehler nicht zwangsläufig auf ein schuldhaftes Verhalten hinweisen, sondern vielmehr ein Teil unseres ambivalenten menschlichen Lebens sind. Fehler zu machen bedeutet auch aus ihnen zu lernen, sich gerade wegen ihnen zu entwickeln. Voraussetzung hierfür ist die Achtung der Mitmenschen, die Achtung vor Erwachsenen gleichermaßen wie die Achtung vor den Kindern. (vgl. Beiner, 1994, S. 81ff)
4) Die Menschenrechte der Kinder achten
Erstmalig in der Geschichte der Pädagogik forderte Korczak eine „Charta der Menschenrechte für Kinder“. Ausgangspunkt dafür war die Erkenntnis, dass Kinder nicht
erst zu Menschen werden oder zu solchen erzogen werden müssen, sondern es schon sind:
„Kinder werden nicht erst zu Menschen – sie sind schon welche. Ja! Sie sind Menschen, keine Puppen. Man kann ihren Verstand ansprechen – sie antworten uns; sprechen wir zu ihren Herzen – fühlen sie uns. Kinder sind Menschen; in ihren Seelen sind Ansätze all der Gedanken und Gefühle, die wir besitzen. Also gilt es, diese Ansätze zu entwickeln, ihr Wachsen behutsam zu lenken“ (vgl. Beiner, 1994, S. 84-85, nach Korczak, 1991).
Korczaks „Magna Charta Libertatis“ (in: „Wie man ein Kind lieben soll“, Korczak, 1967) sieht drei Grundrechte für Kinder vor:
I. Das Recht des Kindes auf seinen Tod,
II. Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag,
III. Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist.
Im Zentrum der Kinderrechte steht das Recht auf die Gegenwart. Korczak bricht hier mit den konventionellen pädagogischen Vorstellungen, die zur damaligen Zeit auf die Zukunft der Kinder gerichtet waren. Er fordert stattdessen „Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag“ und für den Pädagogen die Verantwortung für den heutigen Tag: „Ich bin verantwortlich für den heutigen Tag meines Zöglings, es ist mir kein Recht gegeben, sein zukünftiges Schicksal zu beeinflussen und mich da einzumischen“ (vgl. Beiner, 1994, S. 86, nach Korczak, 1978). Korczak sieht jeden Tag der kindlichen Entwicklung als ein autonomes Stadium im „Hier und Jetzt“ an, er weist darauf hin, dass der Erzieher nur in der Gegenwart etwas tun kann, das dem Kind hilft, so schreibt er: „[…] Wer die Kindheit überspringen will und dabei in die fernliegende Zukunft zielt, wird sein Ziel verfehlen“ (vgl. Beiner, 1994, S. 87, nach Korczak). „Das Recht des Kindes auf seinen Tod“ besagt, dass das Kind das Recht hat, eigenständig über seinen Körper zu entscheiden. Der Erzieher sollte das Kind aus Sorge um dessen Gesundheitszustand nicht überbehüten und es in seiner Entwicklung einschränken (siehe 4.). „Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist“ erarbeitete Korczak aus der Einsicht, dass jedes Kind ein einmaliges Wesen ist. Es hat das Recht auf seine individuelle Entwicklung und Persönlichkeit (siehe 4.). (vgl. Beiner, 1994, S. 84ff)
5) Beobachten und reflektieren
Korczak fordert vom Erzieher, ein gewissenhafter und sorgfältiger Beobachter des Kindes
zu sein. Dabei sei es unwichtig, wie das Kind sein sollte, sondern wichtig, wie das Kind ist. So soll beispielsweise die erziehende Mutter ihr Kind Tag und Nacht beobachten: „[…] die Sprache des Weinens und die des Lachens, die Sprache der Augen und der Mundstellung, der Bewegungen und des Saugens…Verzichte nicht auf diese Nächte. Sie können dir geben, was kein Buch, kein Ratschlag zu geben vermögen […]“ (vgl. Korczak, 1967, S. 14f.). Dem genauen Beobachten des Kindes folgen ein vorsichtiges Reflektieren und das Erwägen von Handlungsmöglichkeiten und -alternativen. Beobachtungen jeglicher Art sollten hierbei grundsätzlich schriftlich festgehalten werden. Welche pädagogischen Vorteile detailliertes Beobachten, Reflektieren und schriftliches Festhalten mit sich bringen, zeigt Korczak in seinem Werk „Erziehungsmomente“. Hier beschreibt er Situationen und Szenen aus Kindergarten, Schule und Einzelbetreuung, die er dokumentiert gedeutet hat. In einem exemplarischen Auszug heißt es: „Notiz: Wladzia meldet sich. Ich wehre mich unbewusst, dies zu notieren, denn die Aktivität Wladzias paßt nicht zu meinem Bild von ihr.“ Ein darauf folgender Kommentar lautet:
[...]
- Arbeit zitieren
- Claudia Schmidt (Autor:in), 2005, Die Pädagogik von Janusz Korczak, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51276
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