Nach einer kurzen Skizzierung der wichtigsten Konzepte und Begriffe der Rawlsschen Theorie der Gerechtigkeit soll in dieser Arbeit versucht werden, die Ursachen der erstaunlichen Auferstehung und wieder gewonnenen Wirkungsmacht nachzuvollziehen. Wenn von Wirkungsmacht die Rede ist, dann drängt sich die Frage auf, ob sich diese auf die akademische Sphäre beschränkt oder auch eine reale Manifestation in Form von Gesetzgebung oder Rechtsprechung hat, die nachweisbar auf Rawlssches Gedankengut rekurriert. Dass es diesen Einfluss gibt, kann stark vermutet werden, ist er aber auch konkret nachweisbar? Der Versuch der Beantwortung dieser Frage soll das Forschungsprojekt dieser Proseminararbeit werden.
Bei einer Auseinandersetzung mit der Frage der Gerechtigkeit in der Gesellschaft ist es in unserer Zeit unmöglich, den Namen und die Werke von John Rawls nicht einzubeziehen. Seit der Veröffentlichung seiner "A Theory of Justice" 1971 war er im Diskurs stets präsent, wenn nicht sogar omnipräsent. Man kann seine Thesen und Begriffsbildungen kritisieren oder ablehnen, aber man kann sie schwer ignorieren. Selbst dort, wo sein liberaler Ansatz grundsätzlich inkompatibel mit der herrschenden Staatsdoktrin eines Einparteienstaats ist, wie in der Volksrepublik China, wird er rezipiert und zitiert. Rawls hat jedoch nicht nur eine herausragende Stellung im kontemporären Diskurs, sein Werk war vielmehr der Auslöser für die Erneuerung dieses Diskurses und für eine unerwartete Renaissance der politischen Philosophie, die als Feld bereits totgesagt war. Solche Totsagungen sind aber meist verfrüht und Wiederentdeckungen in der Philosophie normale Phänomene.
Rawls vertritt einen egalitären Liberalismus, dessen wichtigste Prämisse die Gerechtigkeit sozialer Institutionen unter der Wahrung der Rechte des Individuums ist. Diese Wahrung der individuellen Rechte ist für ihn ganz entscheidend und der wesentlichste Grund für seine Abgrenzung vom Utilitarismus. Die Postulierung seiner eigenen Gerechtigkeitstheorie erfolgt in der Absicht, eine Alternative zum Utilitarismus anzubieten. Nach Frühbauer konfiguriert Rawls sein gerechtigkeitstheoretisches Unternehmen als modernisierte und modifizierte Version des klassischen Kontraktualismus. Er steht damit in der Tradition von Hobbes, Locke, Rousseau und Kant und hat damit das Paradigma des Kontraktualismus belebt und in den kontemporären Diskurs eingebracht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Skizzierte Darstellung der Theorie
- Die Rahmenbedingungen des „Urzustands“
- Der „Schleier des Nichtwissens“
- Die „Prinzipien der Gerechtigkeit“
- Gründe der enthusiastischen Rezeption
- Die Wirkmacht von Rawls in Gesetzgebung und Rechtsprechung
- Fragestellung und Methode
- Zusammenfassung der Ergebnisse
- Gründe für die Absenz der Wirkmacht
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Proseminararbeit ist es, die Ursachen für die Wiederbelebung und den Einfluss von John Rawls' Gerechtigkeitstheorie im kontemporären Diskurs zu untersuchen. Die Arbeit befasst sich insbesondere mit der Relevanz von Rawls' Theorie für die akademische Welt, sowie deren tatsächliche Implementierung in Gesetzgebung und Rechtsprechung.
- John Rawls' egalitärer Liberalismus und seine Abgrenzung zum Utilitarismus
- Der „Urzustand“ und der „Schleier des Nichtwissens“ als zentrale Konzepte in Rawls' Theorie
- Die „Prinzipien der Gerechtigkeit“ und deren Anwendung in der Praxis
- Die Bedeutung von Rawls' Theorie für den Diskurs über Gerechtigkeit und Fairness
- Die Frage der Wirkmacht von Rawls' Ideen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die Bedeutung von John Rawls' Gerechtigkeitstheorie im zeitgenössischen Diskurs dar und beschreibt die Zielsetzung der Arbeit. Sie führt das Thema der „Wirkungsmacht“ ein und stellt die Frage nach dem Einfluss von Rawls' Ideen auf die Gesetzgebung und Rechtsprechung.
- Skizzierte Darstellung der Theorie: Dieses Kapitel bietet eine knappe Übersicht über die zentralen Konzepte von Rawls' Theorie der Gerechtigkeit, wie den „Urzustand“, den „Schleier des Nichtwissens“ und die „Prinzipien der Gerechtigkeit“. Es erläutert Rawls' Abgrenzung vom Utilitarismus und stellt seine Positionierung im Kontext des klassischen Kontraktualismus dar.
- Die Rahmenbedingungen des Urzustands: Dieses Kapitel beleuchtet die Eigenschaften und Motivationen der Akteure im „Urzustand“ und beschreibt die Spannungsverhältnisse zwischen Knappheit, Konflikt und Harmonie, in denen sie sich befinden.
- Der „Schleier des Nichtwissens“: Dieses Kapitel erklärt das Konzept des „Schleiers des Nichtwissens“ als zentrales Element des „Urzustands“ und erläutert dessen Funktion zur Wahrung der Verfahrensgerechtigkeit.
Schlüsselwörter
Diese Proseminararbeit konzentriert sich auf die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls. Die zentralen Schlüsselwörter umfassen: egalitärer Liberalismus, Utilitarismus, Urzustand, Schleier des Nichtwissens, Prinzipien der Gerechtigkeit, Fairness, Kontraktualismus, Wirkungsmacht, Gesetzgebung, Rechtsprechung.
- Quote paper
- Ralph Ortner (Author), 2017, Der Einfluss der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls auf die moderne Rechtsprechung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511474