Nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 eröffnete sich im Bereich mittelständischer Unternehmen ein neues Marktsegment: Mittelstandsanleihen. Unter dem Druck sinkender Zinsen und eingeschränkter klassischer Finanzierungsmöglichkeiten, aufgrund mangelnder Eigenkapitaldeckung, suchten die Unternehmen nach Alternativen.
Demgegenüber stehen Anleger auf der Suche nach Möglichkeiten, Kapital mit überschaubarem Risiko und guter Rendite anzulegen. Auf den ersten Blick scheinen die Interessen der beiden Gruppen zu korrelieren und der junge Markt für Mittelstandsanleihen verzeichnete zu Beginn ein starkes Wachstum. Es stellt sich die Frage, ob das Emittieren von Mittelstandsanleihen eine alternative Finanzierungsform für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärungen
2.1 Mittelstand
2.2 Anleihe
3. Mittelstandsanleihe
4. Motivation und Anforderungen
4.1 Unternehmenssicht
4.2 Anlegersicht
4.3 Principal-Agent-Problem
4.4 Marktplätze
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 eröffnete sich im Bereich mittelständischer Unter- nehmen ein neues Marktsegment: Mittelstandsanleihen. Unter dem Druck sinkender Zinsen und eingeschränkter klassischer Finanzierungsmöglichkeiten, aufgrund mangelnder Eigen- kapitaldeckung, suchten die Unternehmen nach Alternativen.1
Demgegenüber stehen Anleger auf der Suche nach Möglichkeiten, Kapital mit überschau- barem Risiko und guter Rendite anzulegen. Auf den ersten Blick scheinen die Interessen der beiden Gruppen zu korrelieren und der junge Markt für Mittelstandsanleihen verzeich- nete zu Beginn ein starkes Wachstum.2 Es stellt sich die Frage, ob das Emittieren von Mittelstandsanleihen eine alternative Finanzierungsform für kleine und mittlere Unterneh- men (KMU) ist?
2. Begriffsklärungen
2.1 Mittelstand
Unter Mittelstand, bzw. KMU, versteht sich in der quantitativen Sichtweise ein Unterneh- men, das innerhalb bestimmter Schwellen liegt. Die Klassifizierung richtet sich meist nach Umsatz, Beschäftigungszahlen oder der Bilanzsumme.3 Gemäß der Empfehlung der Euro- päischen Union wird ein Unternehmen als KMU eingestuft, wenn dieses zwischen 50 und 250 Mitarbeiter beschäftigt sowie entweder jährliche Umsatzerlöse zwischen 10 und 50 Mio. Euro aufweist oder eine Bilanzsumme zwischen 10 und 43 Mio. Euro hat.4
2.2 Anleihe
Unter einer Anleihe wird ein zinstragendes Forderungspapier verstanden. Dabei verbriefen die Effekten das Gläubigerrecht auf eine Rückzahlung des Nennbetrags am Ende der Lauf- zeit und eine (feste) Verzinsung. Die Wertpapiere werden am Kapitalmarkt ausgegeben und dienen dem Emittenten der Fremdfinanzierung und dem Gläubiger meist als langfris- tige Kapitalanlage. Je nach Art des Emittenten können Anleihen in Government Bonds (An- leihen der öffentlichen Hand), Banking Bonds (Bankanleihen) oder Corporate Bonds (Un- ternehmensanleihen) unterschieden werden.5
3. Mittelstandsanleihe
Eine besondere Form der Unternehmensanleihe stellt die Mittelstandsanleihe dar. Diese wird von mittelständischen Unternehmen ausgegeben. In der Vergangenheit zeigte sich, dass das Emissionsvolumen meist unter 150 Mio. Euro lag, wobei manche Börsen auch ein Mindestemissionsvolumen vorgeben. Die Laufzeit beträgt mittel- bis langfristig bei durch- schnittlich fünf Jahren. Der Zinssatz liegt dabei meist zwischen 3,5 und acht Prozent. Die Anleihen werden häufig in Stückelungen von 1.000 Euro ausgegeben und an speziellen börslichen Mittelstandsanleihensegmenten platziert und gehandelt.6
4. Motivation und Anforderungen
4.1 Unternehmenssicht
62 Prozent der mittelständischen Unternehmen wollen unabhängiger von ihrer Hausbank sein und 69 Prozent sehen eine wachsende Bedeutung der Finanzierungsstrategie.7 Damit zeigt sich bereits, wie viele Unternehmen eine Motivation haben, eine alternative Finanzie- rung am Kapitalmarkt in Erwägung zu ziehen.
Unabhängigkeit ist für Mittelständler sehr wichtig und kann am Kapitalmarkt mit Anleihen, im Vergleich zu einer veränderten Eigentümerstruktur bei Aktien, gewahrt werden.8 Darüber hinaus ist es den Unternehmen möglich, die Abhängigkeit von Banken zu verringern. Be- achtet man die bisherigen Finanzierungsformen, ist die Struktur im Mittelstand bisher sehr homogen. Entsprechend gibt es Klumpenrisiken in Bezug auf die Finanzierungsform. Dies bezieht sich hauptsächlich auf Darlehen bei Kreditinstituten. Demnach kann mit einer diver- sifizierten Finanzierung auch die Kreditwürdigkeit verbessert werden.9
Sowohl in der breiten Öffentlichkeit, als auch bei potentiellen Kunden, kann der Bekannt- heitsgrad durch eine Emission erhöht werden. Dies wirkt sich vor allem im B2C-Geschäft positiv aus und ermöglicht damit auch eine Imageverbesserung des emittierenden Unter- nehmens.10 Sollten darüber hinaus die Anleihen von eigenen Kunden gekauft werden, ha- ben diese ein persönliches Interesse an einer positiven Entwicklung des Emittenten. Die Kundenbindung kann folglich erhöht werden.11
Vor allem im Vergleich zu Bankkrediten weisen Anleihen eine deutlich höhere Flexibilität auf. So werden Mittelstandsanleihen normalerweise ohne Besicherung emittiert. Darüber hinaus wird in diesem Segment auch auf Financial Covenants und eine Zweckbindung ver- zichtet. Auch ein vorzeitiger (Teil-) Rückkauf ist möglich, was im weiteren Sinne einem un- beschränkten Sondertilgungsrecht, in Abhängigkeit von den auf dem Sekundärmarkt ver- fügbaren Anleihen, entspricht.12
Neben den Vorteilen gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die aus Sicht der Unter- nehmen nicht vernachlässigt werden dürfen. So muss davon ausgegangen werden, dass keine Sicherheit über das zu erzielende Volumen vorliegt. Dabei fällt auf, dass in der Ver- gangenheit das Zielvolumen von Emissionen häufig unterschritten wurde. Manche Emitten- ten konnten nur zehn Prozent ihres Zielvolumens erzielen.13
Des Weiteren ist ein stabiler Cashflow in der Zukunft unverzichtbar, um Zins- und Tilgungs- zahlungen vertragsgemäß leisten zu können. Auf die Flexibilität, wie sie teilweise Bankdar- lehen bieten, muss dabei verzichtet werden.14
Aufgrund des wegfallenden Intermediärs (Kreditinstitut) können die Kosten der Kapitalauf- nahme unter Umständen gesenkt werden (z.B. bei einer Eigenemission).15 Allerdings kön- nen die Kosten bei einer Emission an der Börse auch schnell ansteigen und betragen dann ca. sechs Prozent des Platzierungsvolumens.16
Aufgrund einer Vielzahl von Anleihenausfällen im Mittelstandsektor wurde das Image in Mitleidenschaft gezogen und das Vertrauen ging verloren. Unternehmen stehen vor der Herausforderung ihre Emittentenqualität sicherzustellen und diese Information nach außen zu tragen. Es ist zu beachten, dass der noch junge Markt sensibel auf Störungen reagiert und diesem noch Stabilität fehlt.17 Sollten Unternehmen bis dato noch nicht am Kapitalmarkt aktiv gewesen sein, waren Investor Relations und professionelle Finanzkommunikation noch nicht von großer Bedeutung und müssen entsprechend erst aufgebaut werden.18
4.2 Anlegersicht
In den vergangenen Jahren haben sich Anleger vermehrt nach alternativen Anlageformen umgesehen. Deutsche sind mit 77,8 Prozent des gesamten Geldvermögens in Bankgutha- ben oder Versicherungen zwar immer noch konservative Anleger, es hat sich jedoch ge- zeigt, dass aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik ein Umdenken stattfindet und somit auch Anlageformen wie Anleihen interessanter werden.19
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Vorteilen, wie feste Verzinsung zu deutlich besseren Konditionen als bei klassischem Festgeld. Die Zahlungszeitpunkte sind im Voraus festge- legt und gewährleisten somit einen gewissen Grad an Sicherheit. Es gibt einen Sekundär- markt, an dem die Anleihe grundsätzlich jederzeit verkauft werden kann. Dabei besteht auch die Möglichkeit, Kursgewinne zu realisieren. Die Stückelung ist dabei mit meist 1.000 Euro sehr gering und daher gut für Privatinvestoren geeignet.20
Anleihen im Allgemeinen und Mittelstandsanleihen im Besonderen bergen Risiken für den Anleger über dessen sich dieser bewusst sein muss. Grundsätzlich muss vor dem Kauf das Emittentenrisiko geprüft werden. Bei einer Insolvenz müssen Anleger davon ausgehen, le- diglich die Insolvenzquote zu erhalten. Dies liegt daran, dass Anleihen meist unbesichert emittiert werden und somit keine Sicherheiten durchgesetzt werden können. Im Vergleich zu Aktien werden Anleihen vorrangig aus der Insolvenzmasse befriedigt. Dies liegt an der Unterscheidung von Eigentümer (Aktie) und Gläubiger (Anleihe). Das Insolvenzrisiko bei Mittelstandsanleihen im Speziellen wurde dabei in der Vergangenheit unterschätzt. Zwi- schen 2012 und 2016 fiel laut Bondguide ein Volumen von ca. 1,6 Mrd. Euro, von 29 ver- schiedenen Emittenten, aus. Dies entspricht einer Insolvenzquote von 18 Prozent.21 Bei einer durchschnittlichen Ratingnote BBB- entspräche das einer implizierten kumulierten Fünf-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit von nur 3,1 Prozent.22
Aufgrund der Unverhältnismäßigkeit zwischen Risikoaufschlägen und tatsächlichem Risiko hatten sich zwischenzeitlich die meisten Investoren aus dem Segment zurückgezogen.
[...]
1 Vgl. Feiler; Kirstein (2014), S. 1.
2 Vgl. Kirchhoff Consult AG (2018), S. 11.
3 Vgl. Klodt (o.J.).
4 Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl L 2003/124, 36
5 Metzger (o.J.).
6 Vgl. Thießen; Döweling (2017), S. 137.
7 BFM Bundesverband Factoring für den Mittelstand (2019).
8 Vgl. Mann (2012), S. 23.
9 Vgl. Feiler; Kirstein (2014), S. 3.
10 Vgl. Mann (2012), S. 24.
11 Vgl. Feiler; Kirstein (2014), S. 4.
12 Vgl. Mann (2012), S. 25 f.
13 Vgl. Kirchhoff Consult AG (2018), S. 8.
14 Vgl. Feiler; Kirstein (2014), S. 5.
15 Vgl. Mann (2012), S. 27 f.
16 Vgl. Feiler; Kirstein (2014), S. 5.
17 Vgl. Bösl; Hasler (2012), S. 16 f.
18 Vgl. Feiler; Kirstein (2014), S. 4.
19 Vgl. Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (2019), S. 5.
20 Vgl. Herrmann (2017), S. 246.
21 Vgl. Bondguide (2016), S. 5.
22 Vgl. Herrmann (2017), S. 247.
- Quote paper
- Fabian Frischknecht (Author), 2019, Emittierung von Mittelstandsanleihen. Eine Finanzierungsalternative für KMU?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511361
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