In Deutschland leben rund 500.000 Kinder, deren Eltern an einer Depression erkrankt sind. Bei depressiven Eltern zeichnen sich oftmals dysfunktionale Erziehungspraktiken ab, die verheerende Auswirkungen auf die Kinder haben. Präventive Interventionsprogramme für depressive Eltern und ihre Kinder können dem entgegenwirken.
Inwieweit führt die Förderung der Erziehungskompetenz von depressiven Eltern zu einer Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion? Was sind die Stärken und Schwächen von präventiven Interventionsprogrammen? Und wie können präventive Interventionsprogramme verbessert und erfolgreich umgesetzt werden?
Diese Publikation stellt verschiedene präventive Interventionsprogramme vor und diskutiert deren Stärken und Schwächen. Dabei gibt sie Handlungsempfehlungen, wie präventive Interventionsprogramme flächendeckend gefördert werden können und leistet einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Aufklärung in Bezug auf depressive Erkrankungen und Erziehung.
Aus dem Inhalt:
- Depression;
- Erziehungskompetenz;
- Prävention;
- Intervention;
- Empathie
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abstract
1 Einleitung
2 Methodisches Vorgehen
3 Forschungsfeld
4 Theoretischer Hintergrund
4.1 Depressive Eltern und ihre Familien
4.2 Versorgungsstruktur für Familien mit depressiven Eltern
4.3 Interventionen zur Stärkung der Erziehungskompetenz
5 Diskussion
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
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Zusammenfassung
Konservative Schätzungen ergeben 500.000 Kinder depressiver Eltern in Deutschland, solche Familien stellen somit keine Randgruppe unserer Gesellschaft dar. Erziehungskompetenz, angesehen als die Grundlage kindlicher Entwicklung, wurde in einer Anzahl an Studien bei depressiven Eltern untersucht. Dabei konnte ein erhöhtes Auftreten dysfunktionaler Erziehungspraktiken innerhalb verschiedener Dimensionen von Erziehungskompetenz aufgezeigt werden. Im Rahmen dieser theoretischen Arbeit soll daher der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Stärkung der Erziehungskompetenz von depressiven Eltern zu einer Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion und des familiären Gefüges führen kann. Zudem werden die präventiven Interventionsprogramme Triple P, STEP Duo und Kanu hinsichtlich ihrer Berücksichtigung der besonderen Lebenslage depressiver Eltern und ihrer Familien, sowie ihrer Schwächen und Stärken diskutiert. Die Stärkung der Erziehungskompetenz setzt an der Schnittstelle zwischen kindlichen und elterlichen Problematiken an und ist in der Lage, die innerhalb einer Familie auftretenden sich negativ verstärkenden Wechselwirkungen positiv zu beeinflussen. Eine Spezifizierung hinsichtlich der Krankheitsbilder in den Programmen wäre wünschenswert. Eine familienzentrierte Orientierung innerhalb der Programme erweist sich zudem einem rein elternzentrierten Vorgehen als überlegen. Um die Bedarfslage zu decken, benötigt es einer flächendeckender Einrichtung von präventiven Interventionsprogrammen und die Anbindung an regionale Netzwerke mit Kontakten zur Jugendhilfe und Psychiatrie. Dazu bedarf es einer gesellschaftlichen Aufklärungsarbeit in Bezug auf depressive Erkrankungen und Erziehung.
Schlagwörter: Depression, Eltern, Familien, Erziehungskompetenz, Prävention, Intervention
Abstract
Conservative estimates show 500,000 children of depressive parents in Germany, so such families do not represent a marginal group of our society. Parental competence, regarded as the basis of child development, has been investigated in a number of studies among depressive parents. The results indicated an increased incidence of dysfunctional parenting practices within different dimensions of parenting competence. Within the framework of this theoretical work, the question will therefore be investigated to what extent the strengthening of the parenting competence of depressive parents can lead to an improvement in parent-child interaction and the family structure. In addition, the preventive intervention programmes Triple P, STEP Duo and Kanu will be discussed with regard to their consideration of the special circumstances of depressive parents and their families, as well as their weaknesses and strengths. The strengthening of the educational competence starts at the interface between child and parental problems and is able to positively influence the negative intensifying interactions occurring within these families. A specification of the disease types in the programmes would be desirable. A family-centred orientation within the programmes also proves to be superior to a purely parent-centred approach. In order to meet the needs, preventive intervention programmes need to be set up across the country and regional networks with contacts in youth welfare and psychiatry need to be established. This requires social awareness work with regard to depressive illnesses and education.
Keywords: Depression, Parents, Families, Parenting, Competence, Prevention, Inervention
1Einleitung
„Ich hatte nie das Glück wie andere Kinder, meine Mutter gesund erleben zu dürfen. Ich kenne sie nur krank. Ich kann mich noch genau an mein fünftes Lebensjahr erinnern, wo ich das erste Mal merkte, dass etwas nicht stimmte.“ (Bathe, 2014, S. 27). Diese Worte stammen von S. Bathe, deren Mutter unter einer Depression leidet. Sie teilt ein ähnliches Schicksal wie rund 500.000 weitere Kinder in Deutschland, deren Eltern an einer Depression erkrankt sind (Plass &Wiegand-Grefe, 2012). Bei Familien mit einem psychisch bzw. depressiv erkranken Elternteil handelt es sich demnach keineswegs um eine Randgruppe (Lenz, 2012). Ebenso wie S. Bathe erleben zahlreiche andere Kinder das Leben in einer Familie, in der die depressive Erkrankung eines Elternteils jeden einzelnen betrifft. Eine depressive Störung ist eine Familienerkrankung. Erkrankt ein Mitglied der Familie, hat dies stets Auswirkungen auf das gesamte familiäre System, ihre Lebenssituation und die Beziehungen innerhalb der Familie (Gehrmann & Sumargo, 2009). Ebenso wie S. Bathe erleben auch andere Kinder sehr früh, wie die Erkrankung in das Zentrum des Wohlbefindens der Eltern rückt und mit einem hohen Leidensdruck dieser einhergeht. In unserer Gesellschaft wird nicht selten verkannt, welche Schwere und Tragweite diese Erkrankung mit sich bringt (Steffens & Bassler, 2015). In Deutschland sind jedes Jahr 9,8 % der erwachsenen Bevölkerung von einer Depression betroffen. Depressive Störungen gehören somit zu den häufigsten psychiatrischen Krankheitsbildern der deutschen Gesellschaft und nehmen ebenfalls stetig zu (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, 2019). Aufgrund von angloamerikanischen Studien wird angenommen, dass psychisch erkrankte Menschen im Durchschnitt etwa genauso häufig Eltern werden wie psychisch Gesunde (Lenz, 2014). Das Risiko für Kinder depressiver Eltern selbst an einer Depression zu erkranken, auch wenn die Häufigkeit in den verschiedenen Studien stark variiert (Krohn, Deneke & Wiegand-Grefe, 2008), ist deutlich erhöht, ebenso wie das Risiko an irgendeiner psychiatrischen Störung zu erkranken (Lieb, Isensee, Höfler, Pfister & Wittchen, 2002). Neben der elterlichen Erkrankung sind die Familien meist zahlreichen weiteren psychosozialen Belastungsfaktoren, wie etwa Arbeitslosigkeit, Armut und geringer sozialer Unterstützung ausgesetzt (Plass & Wiegand-Grefe, 2012). Empirische Studien konnten die Eltern mit einer psychischen Erkrankung als Risikogruppe für die Gefährdung des Kindeswohls identifizieren (Lenz, 2014). Wie oft depressiv erkrankte Menschen dabei allerdings auch Eltern sind, wurde lange Zeit in der Wissenschaft und im Gesundheitswesen kaum bedacht (Lenz, 2012). Dafür spricht auch eine Befragung von 110 Klinikärzten, welche ergab, dass nur 67 % der Ärzte darüber informiert waren, ob ihre betreuten psychisch kranken Patienten Kinder haben. Nur 40 % konnten zudem das Alter nennen und 33 % das Geschlecht schätzen. Darüber hinaus gaben 80 % an, so gut wie nie mit den Patienten über ihre Kinder bzw. Familien zu sprechen und über verfügbare Unterstützungen in dieser Hinsicht (Franz, 2008). So mangelte es eine lange Zeit auch in Deutschland an Angeboten der Prävention für psychisch kranke Eltern und ihren Familien. Obwohl hohe epidemiologische und klinische Relevanz besteht, scheint eine Diskussion in der psychologischen Grundlagenforschung hin zu praktischen Anwendungen solcher Präventionsprojekte in der Versorgungsstruktur noch wachsen zu müssen (Bauer, Driessen, Heitmann & Leggemann, 2012). Da die Erziehungskompetenz als entscheidende Grundlage für die kindliche Entwicklung verstanden wird (Petermann & Petermann, 2006) und eine Reihe an Untersuchungen gezeigt hat, dass sich psychisch kranke Eltern in ihrem Erziehungsverhalten deutlich von psychiatrisch unauffälligen Eltern unterscheiden (Lenz, 2012; Downey & Coyne, 1990), sind besonders Angebote an präventiven Interventionsprogrammen in Bezug auf die Stärkung der Erziehungskompetenz sowohl psychisch gesunder, als mittlerweile auch psychisch erkrankter Eltern entstanden. Das Erziehungsverhalten der Eltern ist der am besten untersuchteste und aussagekräftigste Risikofaktor für die kindliche Entwicklung und das Auftreten externalisierender Verhaltensstörungen (Petermann & Petermann, 2006). Ein positives Familienklima sowie günstige elterliche Erziehungspraktiken sind daher wichtige Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern. Dabei ist die Erziehungssituation von Eltern heute geprägt durch das Zusammenwirken von Eltern, Kindern und Rahmenbedingungen der Gesellschaft (Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, 2008).
Welche Bedeutung die Erziehungskompetenz nicht nur für depressive Eltern, sondern auch für ihre Kinder und Familien hat und inwiefern eine Stärkung dieser Kompetenz zu einer Verbesserung der familiären Situation beitragen kann, wird in folgender Arbeit nachgegangen. Es stellt sich zudem die Frage, wo Stärken und Schwächen derzeitig bestehender präventiver Interventionsprogramme zur Stärkung der Erziehungskompetenz liegen, inwiefern die besondere Lebenslage von depressiven Eltern in ihnen berücksichtigt wird und welche Bedingungen dieser Programme einer Verbesserung oder einer Erweiterung bedürfen.
Dazu wird im Folgenden nach einer Erläuterung des methodischen Vorgehens dieser Arbeit und der Vorstellung des Forschungsfeldes, zunächst das depressive Krankheitsbild erläutert. Welche Bedeutung das Elternsein für depressiv Erkrankte darstellt, welche Kraft- und auch Belastungsquelle diese bedeuten kann, wird wiedergegeben. Zudem über verschiedene mögliche dysfunktionale Erziehungsverhaltensweisen bei depressiven Eltern berichtet und schließlich über das familiäre Gefüge in ihren Familien berichtet. Im Anschluss wird ein Überblick über die derzeitige Versorgungsstruktur der Familien gegeben und die drei präventiven Interventionsprogramme Triple P, STEP Duo und Kanu vorgestellt, bevor die Fragestellungen diskutiert werden.
2 Methodisches Vorgehen
Da die vorliegende Arbeit eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Erziehungskompetenz bei depressiven Eltern und deren Stärkung durch Interventionsprogramme darstellt, wurde eine umfangreiche Literaturrecherche als methodische Basis durchgeführt. Diese Literaturrecherche erfolgte über die Suchmaschinen PubPsych, Google Scholar sowie die Möglichkeiten der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Dabei wurde keine Eingrenzung von Erscheinungsjahren vorgenommen. Eingeschlossen wurden sowohl deutsche als auch englische Quellen. Als Suchbegriffe wurden unter anderem Kombinationen der Begriffe ‚Depression‘ – ‚Eltern‘ – ‚Elternschaft‘ – ‚Erziehung‘ – ‚Erziehungskompetenz‘ – ‚Kinder‘ – ‚Prävention‘ – ‚Intervention‘ verwendet. Aufgrund der Anzahl verschiedener Literaturquellen im englischsprachigen Raum, sowie besonders der Entwicklung von Interventionsmöglichkeiten außerhalb von Deutschland, wurden auch die englischen Äquivalente dieser Begriffe in die Suche miteinbezogen. Besonders bei Evaluationsstudien zu den jeweiligen Interventionen wurde auf deutsche Quellen geachtet. Aufgrund der Masse an Literatur zu psychischen Erkrankungen bei Eltern wurde neben dem Suchbegriff ‚Depression‘ auch ‚psychische Erkrankung‘ bzw. ‚psychische Störung‘ miteinbezogen. Bei dem Verwenden derartiger Literaturwerke wurde stets auf den Einbezug der depressiven Erkrankung in die Arbeit geachtet. Eingeschlossen in die Literaturdurchsicht wurden sowohl Bücher, Zeitungsartikel von gedruckten und Online-Zeitschriften, Broschüren, Tagungsbeiträge und elektronische Medien. Die Literaturrecherche wurde zusätzlich ergänzt durch das Durchsuchen relevanter Primär- und Sekundärpublikationen. Besonders den zahlreichen und stetig überarbeiteten Literaturwerken von Albert Jens, Fritz Mattejat und Silke Wiegand-Grefe kommen hier eine besondere Bedeutung zu. Bei der Auswahl an Literaturwerken für die Arbeit wurde besonders auf die Relevanz und die Qualität der jeweiligen Arbeiten Wert gelegt. Auch wenn zunächst bei der Literaturrecherche kein konkreter Zeitrahmen der Veröffentlichungen gewählt wurde, wurde bei der Verwendung der Literatur auf deren Aktualität stets geachtet.
3 Forschungsfeld
Das Forschungsfeld in Bezug auf Familien mit einem depressiven Elternteil stellt sich als äußerst vielseitig dar. Innerhalb der Depressionsforschung stehen weitgehend kontextuelle und Umweltrisikofaktoren, besonders in Zusammenhang mit der Familie, im Fokus. Hierbei geht es bis heute besonders um die Identifizierung von Wechselwirkungen und zwischenmenschlichen Mechanismen, die mit einer Depression der Eltern zusammenhängen (Cummings & Davis, 1994). Besonders die Risikoforschung beschäftigt sich dabei im Rahmen dieser Familien mit dem Risiko für Kinder, selbst an einer depressiven bzw. psychischen Störung zu erkranken (z. B. Beardslee, Gladstone, Wright & Cooper, 2003; Groen & Petermann, 2011). Die Resilienzforschung umfasst innerhalb solcher Familien die Faktoren, welche die einzelnen Familienmitglieder und das Familiensystem widerstandsfähiger gegen Belastungen machen, diskutiert werden dabei beispielsweise die Mobilisierung von sozialen Ressourcen, gute Kommunikationsprozesse oder auch eine positive Zukunftssicht (z. B. Noeker & Petermann, 2008; Walsh, 2003). Ein offenes und unterstützendes Erziehungsklima gehört ebenfalls zu den Schutzfaktoren im Kindes- und Jugendalter (Scheithauer & Petermann, 2002).
Mit dem Erziehungsverhalten von Eltern hat sich auch eine Längsschnittstudie von Johnson und Kollegen im Jahr 2001 beschäftigt. Ihre Untersuchung konnte die Mediatorwirkung zwischen fehlangepasstem Verhalten von Eltern, ihrer psychischen Erkrankung und die Entwicklung einer psychischen Erkrankung ihrer Kinder nachweisen. Insgesamt wurden 593 Familien aus der amerikanischen Allgemeinbevölkerung untersucht. Psychosoziale und psychiatrische Interviews wurde 1975, 1983, 1985 bis 1986 und 1991 bis 1993 durchgeführt. Von den Teilnehmern waren 23 % der Mütter und 25 % der Väter von einer psychischen Störung betroffen. Der psychische Gesundheitsstaus wurde durch die Verwendung mehrerer Interviews zu verschiedenen Zeiten erhoben. Hinsichtlich der Erziehungskompetenz der Eltern wurde durch verschiedene Interviews eine große Anzahl an Erziehungsverhaltensweisen erfasst. Wenig gemeinsam verbrachte Zeit, wenig Zuneigung, zahlreiche laute Auseinandersetzungen mit dem Kind, wenig Kommunikation und Interaktion, wenig Beaufsichtigung und wenig zuhause verbrachte Zeit mit der Familie waren verbreiteter bei Müttern und Vätern mit einer psychischen Erkrankung. So wiesen diese Eltern vermehrt fehlangepassten Erziehungsverhalten auf. Dieses elterliche Verhalten bedeutete ein höheres Risiko für eine psychische Erkrankung der Kinder, besonders im Jugendalter. Diese Wahrscheinlichkeit steigt dabei mit einer Zunahme an dysfunktionalen Erziehungspraktiken der Eltern, unabhängig davon, ob sie eine psychische Erkrankung haben oder nicht (Johnson, Cohen, Kasen, Smailes & Brook, 2001).
Über die Jahre wurde in der Erziehungsforschung über offene und beobachtbare Erziehungsverhaltensweisen hinaus auch kognitive und affektive Faktoren von Erziehung betrachtet, wie etwa die Einstellung zu Erziehung, die Zufriedenheit mit der Elternschaft oder auch das empfundene Kompetenzerleben. Dadurch werden mehr Variablen und Mechanismen zum Verstehen von der Entwicklung und Veränderung von elterlichem Verhalten miteinbezogen (Smetana, 1994). Dem elterlichen Kompetenzerleben wird besonders in einer Längsschnittstudie mit subklinisch depressiven Müttern und deren Kindern, die zum Zeitpunkt der Erhebung an einer Kur teilnahmen, Rechnung getragen. Die 380 teilnehmenden Mütter hatten mindestens ein Kind in der Altersspanne 4 bis 17 Jahren und auf der Allgemeinen Depressions-Skala einen Wert über 16. Bei dieser Skala handelt es sich um einen Selbstbeurteilungsbogen. Auch das mütterliche Erziehungsverhalten wurde anhand des Selbsturteils mit einem Fragebogen, einschließlich der Variablen, Engagement, positive und inkonsistente Erziehung und geringe Kontrolle und Beaufsichtigung erfasst. Das Kompetenzerleben der Mütter wurde mit der Parenting Sense of Competence Scale und das Stressniveau mit einer verkürzten Form des Parenting Stress Index erhoben. Kindliche Auffälligkeiten wurden durch ihre Mütter anhand des Social Behavior Questionnaire erfragt. Die erhobenen Daten wurden mit denen einer Kindergartenstichprobe verglichen. Die Untersuchung ergab, dass depressiv gestimmte Mütter insgesamt vermehrt Auffälligkeiten sowohl in ihrer Erziehung als auch im kindlichen Verhalten angaben. Das auffällige Erziehungsverhalten äußerte sich besonders in inkonsistenten Zügen. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl der Stress als auch das Kompetenzerleben zwischen der mütterlichen Depressivität und den kindlichen Verhaltensauffälligkeiten vermitteln. Ein stärkeres Kompetenzerleben und ein geringeres Stresslevel zeigt einen Zusammenhang zu positiven Ausprägungen des Erziehungsverhaltens. Externalisierendes Verhalten der Kinder hängt dabei mit verschiedenen Erziehungsvariablen zusammen (Kötter, Stemmler, Bühler & Lösel, 2010).
Für die Forschungsgemeinschaft ist mittlerweile die Frage nach der Wirkung kindlichen Verhaltens auf den psychischen Zustand der Eltern immer interessanter geworden. So geht eine Untersuchung der Frage nach, inwiefern kindliche Verhaltensprobleme Auswirkungen auf die depressiven Symptome der Mütter haben und welche Beziehung zwischen dem kindlichen Verhalten und der Familienfunktionalität und der von der Mutter selbst wahrgenommenen Erziehungskompetenz besteht. Teilgenommen haben 69 Mütter von Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter. Kriterium für die Teilnahme war das Vorliegen eines schwierigen Temperaments der Kinder, sowie Schwierigkeiten bei der Elternschaft. Beide Variablen wurden mit standardisierten Elternfragebögen erhoben. Mit dem Parental Stress Indicator wurden dabei Stressfaktoren im Eltern-Kind-System erfragt, Probleme mit der Elternschaft, elterliche Bindung und die Subskala für Depression lieferte das Ausmaß mütterlicher depressiver Symptome. Außerdem wurden mit der Modified Impact on Family Scale Veränderungen in der Familienfunktionalität erfasst. Erhoben wurden Daten zu zwei Zeitpunkten im Abstand von 6 Monaten. Die Ergebnisse zeigen, dass unangemessene Verhaltensweisen von Kindern mit einer Zunahme von depressiven Symptomen der Mütter im Laufe der Zeit verbunden sind. Kindliches externalisierendes Verhalten war im Laufe der Zeit zudem sowohl ein Hinweis auf Funktionsstörungen der Familie als auch auf eine Verringerung des mütterlichen Kompetenzgefühls, was wiederum zu einer Zunahme der depressiven Symptomatik führte. Die Untersuchung verdeutlicht, dass Mütter deren Kinder Verhaltensprobleme aufweisen, welche die Familienfunktionalität beeinträchtigen und mit dem Gefühl der Inkompetenz einhergehen, einem erhöhten Risiko einer Verschlimmerung der depressiven Erkrankung ausgesetzt sind. Limitationen dieser Studie liegen in der Beurteilung aller Variablen durch die Mütter allein (Gartstein & Sheeber, 2004).
Im Rahmen der Forschung zu Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil lassen sich einige Probleme der Spezifität erkennen, beispielsweise hinsichtlich der Erkrankung. Meist wird ein breites Spektrum psychischer Erkrankungen in die Untersuchungen miteinbezogen. Nicht nur die Betrachtung einzelner Störungskategorien, sondern auch eine differenzierte Analyse der Dimensionen innerhalb der Erkrankungen wären sinnvoll. Zudem werden die Erkrankungen durch unterschiedliche Kriterien erhoben, auch beachtet werden müssen sind die Veränderungen hinsichtlich der diagnostischen Kategorien und Kriterien im Verlaufe der Zeit. Ebenso wäre die Erhebung aussagekräftiger psychosozialer Faktoren erforderlich, um die jeweiligen Einflüsse und Wechselwirkung mit der Erkrankung, Erziehungskompetenz und familiären Situation ausreichend nachweisen zu können. Auch Auswirkungen auf die Kinder sollten differenzierter erfasst werden. Viele Studien beschäftigen sich ausschließlich mit dem Vorliegen klinisch relevanter Erkrankungen der Kinder, zu wenig werden die subklinischen Beeinträchtigungen oder auch die emotionale Belastung und das Ausmaß an Stress betrachtet. In Studien zum Erziehungsverhalten bei psychisch kranken Eltern besteht zusätzlich eine deutliche Mutterlastigkeit. Besonders dem gesellschaftlichen und familiären Wandel zufolge, sollte beachtet werden, dass zunehmend Väter in die Versorgung, Pflege und Erziehung der Kinder mit eingebunden sind (Mattejat, Wüthrich & Remschmidt, 2000).
Im Hinblick auf subjektive Perspektiven innerhalb von Familien mit einem depressiv erkrankten Elternteil, wurde besonders die Perspektive der Eltern bislang erstaunlich wenig beachtet (Jungbauer, 2016). Zu nennen sei hier besonders die Arbeit von Montgomery, Tompkins, Forchuk und French (2006). Mütter mit schweren psychischen Erkrankungen, auch Depressionen, wurden von Ihnen hinsichtlich ihrer Erfahrungen in Bezug auf ihre Mutterschaft befragt. Die subjektive Perspektive der Kinder wurde in mehreren Studien qualitativ erfasst, sowohl Betroffene im Kindes- und Jugendalter sowie mittlerweile erwachsene Kinder psychisch kranker Eltern wurden dabei interviewt (z. B. Dunn, 1993; Lenz, 2005).
Welche Hilfen sich Eltern hinsichtlich ihrer Lebenslage wünschen, wird nur von wenigen Studien untersucht (Lenz, 2005). Einige Eltern stehen den derzeitigen Angeboten der Jugendhilfe skeptisch und pessimistisch gegenüber (Jungbauer, 2016). Kölch und Schmid (2008) berichten in ihrer Untersuchung über das Verhältnis zwischen psychisch kranken Eltern und den vom Jugendamt vermittelten Hilfen. Von den Befragten gab die Hälfte an, aufgrund von Antipathie den Kontakt zum Jugendamt aktiv zu vermeiden, 19 % befürchteten Bevormundung und 18 % einen Sorgerechtsentzug. Eltern bevorzugen daher niederschwellig angesetzte Angebote mit Schweigepflicht, wie zum Beispiel die Erziehungsberatung oder auch Therapien. Es ist erfreulich, dass psychisch Erkranken bzw. depressiven Eltern und ihren Familien auch in der Fachöffentlichkeit, im Bewusstsein des Gesundheitssystems und in der Kinder- und Jugendhilfe mehr berücksichtigt werden. Besonders ihre Kinder galten lange als die vergessenen Angehörigen. Diese Entwicklung sollte jedoch nicht über die bislang noch fehlende flächendeckende Versorgung der Familien hinwegtäuschen (Lenz, 2012).
Im Zuge dieser Entwicklung sind über die Jahre zahlreiche sehr unterschiedliche Programme zur Stärkung der Erziehungskompetenz entstanden. Mittlerweile werden solche entweder an die Situation psychisch kranker Eltern angepasst oder es entstehen ganz Neue. Dabei soll diesen Forschungsergebnissen Rechnung getragen werden, sowohl hinsichtlich der Depressions-, Risiko- und Resilienzforschung, als auch den zahlreichen Studienergebnissen zu dysfunktionalen Erziehungsweisen, einem verringerten Kompetenzerlebens und einem erhöhten Stressniveau der Eltern. Zudem sollen solche Programme neben den bereits bestehenden und teilweise skeptisch betrachteten Hilfen vom Jugendamt den Eltern eine neue Anlaufstelle bieten, die ihnen eine kompetente Beratung und Förderung fern ab von staatlichen Institutionen anbietet (Lenz, 2014). Inwiefern diese Programme die Erziehungskompetenz und die Elternschaft depressiv Erkrankter und ihre familiäre Situation entlasten und stärken können, wird in dieser Arbeit diskutiert.
4 Theoretischer Hintergrund
Im Folgenden wird zunächst ein Blick auf die depressive Erkrankung und ihre Auswirkungen auf den Betroffenen geworfen. Ebenso wird überblicksartig die Versorgungsstruktur für depressiv erkrankte Eltern in Deutschland erklärt und unter dem Aspekt der Elternbildung, spezifische Interventionsprogramme zur Stärkung ihrer Erziehungskompetenz dargestellt.
4.1 Depressive Eltern und ihre Familien
Um die Situation depressiver Eltern und ihrer Familien zu erläutern, wird nachfolgend zunächst das Krankheitsbild der Depression erklärt. Im Anschluss wird die Bedeutung der Elternschaft für depressiv Erkrankte und die Auswirkungen ihrer Erkrankung und Umstände auf ihre Erziehungskompetenz veranschaulicht und schließlich ein Überblick über die verschiedenen Standpunkte der Familienmitglieder und den zahlreichen Wechselwirkungen in ihrem Familiensystem gegeben.
4.1.1 Das Krankheitsbild der Depression
Die Daten einer deutschen Studie zeigen, dass die Lebenszeitprävalenz für eine diagnostizierte depressive Störung bei insgesamt 11,6 % liegt, für Männer 7,8 % und für Frauen 15,4 % (Busch, Maske, Ryl, Schlack & Hapke, 2013). Die depressiven Erkrankungen lassen sich den Affektiven Störungen, F30 bis F39 im Kapitel V der internationalen Klassifikation psychischer Störungen, zuordnen. Affektive Störungen sind vor allem charakterisiert durch Veränderungen in der Stimmungslage (Dilling, Mombour & Schmidt, 2015). Betroffene der leichten (F32.0), der mittelgradigen (F32.1) und der schweren (F32.3) depressiven Episode weisen meist die wesentlichen Symptome auf, welche in gedrückter Stimmung, Interessen- bzw. Freudlosigkeit und eine Verminderung des Antriebs bestehen. Hinzu kommen meist Symptome wie eine verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, ein geringeres Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, darüber hinaus auch Schuldgefühle und das Empfinden von Wertlosigkeit, negative Zukunftsaussichten, Suizidgedanken und -handlungen, aber auch Schlafstörungen und verminderter Appetit. Bei der leichten Episode müssen vier bis fünf, bei der mittelgradigen Episode sechs bis sieben und bei der schweren Episode mindestens acht dieser Symptome in der Regel über mindestens 2 Wochen zur Diagnosestellung vorhanden sein. Handelt es sich nicht um eine einzelne, sondern eine wiederholte depressive Episode, liegt eine rezidivierende depressive Störung (F33) vor. Auch hier lassen sich die drei Schweregrade feststellen (F.33.0, F33.1, F33.3). Eine chronisch depressive Verstimmung, die selten bis niemals ausgeprägt genug für die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung ist, wird als Dysthymia (F34.1) bezeichnet (Dilling et al., 2015). Hinsichtlich der Symptomkonstellation depressiv Erkrankter besteht Heterogenität (Mattejat, Wüthrich & Remschmidt, 2010). Zur Frage der Ursache depressiver Erkrankungen wurde das bio-psycho-soziale Bedingungsmodell entwickelt und verfeinert. Das Modell berücksichtigt den Einfluss und die Wechselwirkungen zwischen der individuellen Vulnerabilität für die Erkrankung, Entwicklungsfaktoren und das jeweilige soziale Umfeld bei der Krankheitsentstehung. So können beispielsweise günstige psychosoziale Bedingungen eine an sich vulnerable Person mit ungünstigen genetischen Faktoren schützen (Cattapan-Ludewig & Seifritz, 2010). Neben der depressiven Erkrankung treten häufig Angst- und Panikstörungen, somatoforme Störungen und Essstörungen auf, auch somatische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfall und Epilepsie kommen oft als komorbide Störungen vor (Laux, 2015). Die Annahme, Depression sei eine vergleichsweise gut behandelbare Erkrankung, mit hohen Remissionsraten und ohne organische Folgeschäden, wird durch den heutigen Wissenstand widerlegt. Es handelt sich um eine oft chronisch verlaufende Erkrankung mit hoher individueller Krankheitslast (Kahl, 2015). Die Behandlung depressiver Erkrankungen unterscheidet sich je nach Schweregrad, Patientenpräferenz und ätiologischen Aspekten. Für die Behandlung kommen psychologische Therapieformen wie Psycho- oder Verhaltenstherapie und biologische Therapieverfahren, beispielsweise die Pharmakotherapie in Betracht. Die Behandlungsstrategie kann sich entweder auf eine Akut- oder eine Langzeittherapie beziehen und muss ebenfalls die Frage nach einer ambulanten oder stationären Behandlung beantworten (Laux, 2015).
4.1.2 Die Bedeutung der Elternschaft bei depressiv Erkrankten
Unabhängig vom gesundheitlichen Zustand bedeutet Elternschaft die Erfahrung von Liebe und Geliebtwerden, dem Gefühl der Zugehörigkeit und Sinnhaftigkeit (Lenz, 2012). Elternschaft und Erziehung bedeuten immens hohe Anforderungen an die eigene Person und stellen einen Kernbereich im Leben der Eltern dar. Somit wirken sie sich auch auf die Identität, das Selbstkonzept und das Selbstwertgefühl aus und stehen in Zusammenhang zur Lebenszufriedenheit und dem psychischen Befinden der Eltern (Miller, 2001). Psychisch kranke Eltern nehmen ihre Kinder sowohl als Belastungs- als auch Kraftquelle wahr. Sie empfinden beispielsweise Überforderung bei der Erziehung und fühlen sich bereits mit ihren persönlichen Problemen überlastet, sie haben Angst eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater für ihre Kinder zu sein. Auf der anderen Seite stellt Elternschaft für sie auch ein innerer Halt dar, der sie besonders in Krisen oder schweren Krankheitsphasen stärkt und ihnen Rückhalt bietet (Lenz, 2014).
In Hinsicht auf Elternschaft und Erziehung nehmen Unsicherheiten, Hilflosigkeit und Überforderung zu, Gründe dafür sind gesellschaftliche Strukturveränderungen wie etwa Brüche mit Traditionen, Wertepluralismus, Schnelllebigkeit, Individualisierungstendenzen und Veränderungen in der Berufswelt (Tschöpe-Scheffler, 2006). Auch wenn das heutige Familiensystem einem gesellschaftlichen Umbruch ausgesetzt ist, sind familiär bedingte Belastungen noch immer ungleich in Familien verteilt. Unbezahlte und wenig anerkannte Arbeit im Haushalt und die Erziehung der Kinder, damit einhergehende Brüche in der Erwerbsbiografie oder auch Angst um den Arbeitsplatz, ein geringerer beruflicher Status und weniger Einkommen treffen weiterhin in der Regel Frauen. Solche gesellschaftlichen und arbeitsbezogenen Aspekte können die sozialen Lebensumstände, besonders die der Mütter, massiv beeinflussen und setzen in Hinblick auf Elternschaft andere Voraussetzungen (Müters, Hoebel & Lange, 2013). Dementsprechend ist der Anteil depressiv Erkrankter in unteren sozialen Statusgruppen größer als in oberen (Busch et al., 2013), Frauen häufiger als Männer (Laux, 2015) und auch Alleinerziehende eher betroffen (Müters et al., 2013).
Wichtig bei der Elternschaft depressiv Erkrankter erscheint daher auch stets die Betrachtung psychosozialer Einflüsse als zusätzliche Belastungsvariablen neben genetischen Faktoren, welche auch die kindliche Entwicklung potenziell gefährden können (Lenz & Wiegand-Grefe, 2017). Zu den psychosozialen Faktoren gehört als kindbezogener Faktor beispielsweise das kindliche Temperament und Alter, außerdem sind sozioökonomische Belastungsfaktoren wie geringer Bildungsstatus, finanzielle Schwierigkeiten, Armut, Arbeitslosigkeit und beengte Wohnverhältnisse bei Familien psychisch kranker Eltern überrepräsentiert. Auch das Fehlen sozialer Unterstützung und die Integration in eine Gemeinschaft finden sich häufig in solchen Familien als weitere Belastungsfaktoren (Plass & Wiegand-Grefe, 2012). Die elterliche Erkrankung kann somit als Kernmerkmal betrachtet werden, die mit zahlreichen weiteren Belastungsfaktoren korreliert und das Entwicklungsumfeld der Kinder maßgeblich beeinflusst (Lenz, 2014). Geringe Erziehungskompetenzen und ein vermindertes psychosoziales Funktionsniveau machen erkrankte Eltern deutlich früher und leichter anfällig für Stress (Schmid, Grieb & Kölch, 2011). Eine Untersuchung der elterlichen Belastung ergab, dass psychisch kranke Eltern in allen erfassten Komponenten von elterlichem Stress, deutlich höhere Werte als Eltern aus der Allgemeinbevölkerung aufweisen (Stadelmann, Perren, Kölch, Groeben & Schmid, 2010). Außerdem konnte gezeigt werden, dass hohe Überzeugungen hinsichtlich der Selbstwirksamkeit depressiver Mütter sich positiv auf ihr Kompetenzempfinden hinsichtlich der Erziehung auswirken (Teti, Gelfand & Pompa, 1990). So zeigt eine längsschnittliche Studie zur Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung, dass schwangere Frauen mit hoher Zuversicht in Bezug auf ihre Elternschaft nach der Geburt eine bessere Anpassung an die Mutterrolle aufweisen (Williams et al., 1987). Ebenso können komorbide Störungen der Eltern ihren Problemdruck weiter verstärken (Lenz, 2014). Eine Untersuchung zeigte zudem, dass bei depressiv erkrankten Müttern mit einer komorbiden Angststörung, im Gegensatz zu nur depressiv erkrankten und gesunden Müttern, die emotionale Erreichbarkeit den Kindern gegenüber geringer ist (Carter, Garrity-Rokous, Chazan-Cohen, Little & Briggs-Growan, 2001). Eine besonders belastende familiäre Situation entsteht auch dann, wenn der depressiv erkrankte Elternteil suizidal wird (Lenz & Wiegand-Grefe, 2017).
Die Besonderheit hinsichtlich der Elternschaft depressiv Erkrankter, erschließt sich somit aus der Konstellation des Auftretens multipler psychosozialer Belastungsfaktoren, dem elterlichen Stress, geringen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen hinsichtlich des Erziehungsverhaltens, der Zufriedenheit mit der eigenen Rolle und dem daraus resultierendem Selbstwertgefühl (Miller, 2001). Es kann zu einer Akkumulation von Belastungsfaktoren im Lebensumfeld depressiver Eltern kommen, die sich nicht schlichtweg addieren, sondern in gegenseitigen Wechselwirkungen stehen und sich multiplizieren (Lenz & Wiegand-Grefe, 2017).
4.1.3 Die Erziehungskompetenz bei depressiven Eltern
Das deutsche Grundgesetz überträgt durch Artikel 6, Absatz 2, Satz 1 den Eltern das natürliche Recht und die ihnen obliegende Pflicht über die Fürsorge und Erziehung ihrer Kinder. Unter Erziehungskompetenz wird das Erfüllen kindlicher Grundbedürfnisse, dem Geben von Stabilität, Vertrauen und Wärme, dem Vermitteln von Regeln, Werten und Normen und die angemessene Förderung der Kinder verstanden (Lenz, 2008). Die verschiedenen Entwicklungsstadien die Kinder in ihrem Leben durchlaufen, ändern die Anforderungen an das elterliche Erziehungsverhalten. Hierbei stellt sich die besondere Tragweite einer sich stetig anpassenden alters-, entwicklungs- und bedürfnisorientierten Erziehungskompetenz der Eltern dar (Lenz, 2012).
Erziehungskompetenz wird als mehrdimensional hinsichtlich verschiedener Lebens- und Kompetenzbereiche betrachtet, so geht es neben dem behavioralen Aspekt auch um Einstellungen und Emotionen bezüglich Erziehung. Erziehungskompetenz lässt sich in sechs Komponenten differenzieren, diese umfassen die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung, Interaktion und Kommunikation, Grenzsetzung, Förderung, Vorbildfunktion und Alltagsmanagement. Bei der ersten Komponente, der Beziehungsfähigkeit, geht es besonders um Empathie, Perspektivübernahme, Emotionalität, dem Ausdrücken von Liebe, Geborgenheit, Fürsorge und Zuverlässigkeit. Die Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit umfasst ein genaues Beobachten und Zuhören und den gegenseitigen angemessenen Austausch. Die Grenzsetzungsfähigkeit besteht aus dem Setzen eindeutiger Regeln, Absprachen und Konsequenzen. Die Förderfähigkeit bezieht sich auf das Unterstützen, Ermutigen, dem Setzen klarer Anforderungen und der bewussten und kindgerechten Übertragung von Aufgaben und Verantwortung. Bei der Vorbildfähigkeit demonstrieren Eltern ihren Kindern Selbstdisziplin und -kontrolle und selbstreflektiertes Handeln. Die Alltagsmanagementfähigkeit umfasst schließlich die Grundversorgung und Pflege der Kinder, die tagtägliche Organisation und Strukturierung (Petermann & Petermann, 2006).
Als ungünstige Erziehungspraktiken gelten strenge und strafende Verhaltensweisen, außerdem Inkonsistenz, auch in Bezug auf Regeln, Belohnungen und Bestrafungen, zu viele, unbegründete und widersprüchliche Anweisungen, ungleiches Erziehungsverhalten beider Elternteile und mangelndes Einfühlungsvermögen. (Petermann & Petermann, 2006). Zudem sind Eltern durch die Gesetzgebung nach § 1631, Absatz 2 BGB eine gewaltvolle Erziehung, körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere sonstige entwürdigenden Maßnahmen untersagt.
Wie bereits im Forschungsfeld dargestellt wurde, konnte aufgezeigt werden, dass psychisch erkranke Eltern ein höheres Niveau an ungünstigem und fehlangepasstem Erziehungsverhalten als psychiatrisch unauffällige Eltern auf (Johnson et al., 2001). Die psychische Erkrankung geht dabei mit Defiziten sowohl im kognitiven, emotionalen als auch behavioralen Bereich einher, welche sich in der Interaktion mit dem Kind manifestieren (Mattejat et al., 2000). Über den gesamten kindlichen Entwicklungsverlauf kann bei depressiven Eltern der Umgang mit ihrem Kind beeinträchtigt sein (Gehrmann & Sumargo, 2009). Es konnte aufgezeigt werden, dass selbst nach einer Verbesserung der depressiven Erkrankung, Verhaltensprobleme bei den Kindern bestehen bleiben (Lenz, 2015).
In Bezug auf die verschiedenen Komponenten der Erziehungskompetenz bei depressiven Eltern, zeigt beispielsweise eine Metaanalyse von 46 Studien für die Komponente der Beziehungsfähigkeit, signifikant häufiger negative Verhaltensweisen und seltener positive, wie etwa Spielen und liebevolle Gesten oder auch körperliche Zuneigung (Lovejoy, Graczyk, O’Hare & Neuman, 2000). Außerdem konnten eine erhöhte Reizbarkeit, Aggressivität und Feindseligkeit festgestellt werden (Downey & Coyne, 1990). Auch das Fehlen von gezielter Zuwendung und Aufmerksamkeit dem Kind gegenüber (Lenz & Wiegand-Grefe, 2017), ein insgesamt reduzierter affektiver Ausdruck und weniger positive Reaktionen auf die Aufmerksamkeitssuche des Kindes wurden gefunden (Mattejat et al., 2010). Die Eltern weniger einfühlsam und dem Kind gegenüber weniger emotional zugewandt (Lenz, 2012). Darüber hinaus wurde bei Familien mit depressiven Eltern vermehrt ein geringer familiärer Zusammenhalt, häufiger Zwietracht zwischen Eltern und Kind (Fendrich, Warner & Weissman, 1990) und eine verringerte mütterliche Empathie und Feinfühligkeit beobachtet (Gehrmann & Sumargo, 2009). So erinnert sich S. Bathe „Ich fand für nichts Erklärungen, ich fühlte mich nicht wirklich geliebt, fühlte mich missbraucht von ihrer Krankheit und fühlte mich schuldig, nichts dagegen tun zu können.“ (Bathe, 2008, S. 29).
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- Anonymous,, 2020, Wie eine präventive Intervention die Erziehungskompetenz depressiver Eltern fördert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/510929
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