Die Kindertaufe ist heute weit verbreitet. Sie ist eigentlich eher die Regel als die Ausnahme. Man kann fast sagen, dass sie schon zu einer Sitte geworden ist. In unseren Gemeinden gehört es sich einfach, dass man sein Kind taufen lässt. Oft wissen die Menschen gar nicht, was es eigentlich bedeutet, getauft zu werden. Die meisten nennen, wenn sie gefragt werden, nur den Aspekt, dass man mit der Taufe in die Gemeinde aufgenommen wird. Die Kindertaufe wird als Ritus betrachtet, der jedoch kaum hinterfragt wird. Genau aus diesem Grund geht es in dieser Hausarbeit darum, in einem systematisch-theologischen Argumentationsgang das kontroverse Thema „Kinder- oder Erwachsenentaufe?“ zu erarbeiten.
Zunächst wird dazu erläutert, wie Tauftheologie und Taufpraxis zu neutestamentlicher Zeit aussahen und was sich aus dieser Perspektive für die Kindertaufe ergibt.
Im nächsten Teil der Hausarbeit wird dann ein Überblick über die historische Entwicklung der Taufpraxis gegeben.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Positionen dreier wichtiger Theologen zum Thema „Kinder- oder Erwachsenentaufe?“ dargestellt. Im vierten Teil dieser Hausarbeit wird Luthers Position näher beleuchtet, im fünften Teil die von Karl Barth. Die letzte Position, die in dieser Hausarbeit genauer betrachtet werden soll, ist die von Wilfried Härle. Bei der Untersuchung der unterschiedlichen theologischen Standpunkte wird jeweils zunächst das Taufverständnis der einzelnen Theologen deutlich gemacht. Auf dieser Grundlage wird dann überprüft, ob der jeweilige Theologe sich für oder gegen die Kindertaufe ausspricht und wie er seine Position begründet.
Den Abschluss dieser Hausarbeit bildet ein Vergleich der drei theologischen Standpunkte in Bezug auf das Thema „Kinder- oder Erwachsenentaufe?“ und eine eigene Stellungnahme.
Inhalt
1 Einleitung
2 Taufe im Neuen Testament
2.1 Taufpraxis
2.2 Tauftheologie
2.3 Fazit zur Frage der Kindertaufe
3 Überblick über die historische Entwicklung der Taufpraxis
4 Position von Martin Luther
4.1 Taufverständnis
4.2 Kindertaufe?
5 Position von Karl Barth
5.1 Taufverständnis
5.2 Kindertaufe?
6 Position von Wilfried Härle
6.1 Taufverständnis
6.2 Kindertaufe?
7 Vergleich und eigene Stellungnahme
8 Literaturverzeichnis
8.1 Quellen
8.2 Hilfsmittel
8.3 Sekundärliteratur
1 Einleitung
Die Kindertaufe ist heute weit verbreitet. Sie ist eigentlich eher die Regel als die Ausnahme. Man kann fast sagen, dass sie schon zu einer Sitte geworden ist. In unseren Gemeinden gehört es sich einfach, dass man sein Kind taufen lässt. Oft wissen die Menschen gar nicht, was es eigentlich bedeutet, getauft zu werden. Die meisten nennen, wenn sie gefragt werden, nur den Aspekt, dass man mit der Taufe in die Gemeinde aufgenommen wird. Die Kindertaufe wird als Ritus betrachtet, der jedoch kaum hinterfragt wird. Genau aus diesem Grund geht es in dieser Hausarbeit darum, in einem systematisch-theologischen Argumentationsgang das kontroverse Thema „Kinder- oder Erwachsenentaufe?“ zu erarbeiten.
Zunächst wird dazu erläutert, wie Tauftheologie und Taufpraxis zu neutestamentlicher Zeit aussahen und was sich aus dieser Perspektive für die Kindertaufe ergibt.
Im nächsten Teil der Hausarbeit wird dann ein Überblick über die historische Entwicklung der Taufpraxis gegeben.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Positionen dreier wichtiger Theologen zum Thema „Kinder- oder Erwachsenentaufe?“ dargestellt. Im vierten Teil dieser Hausarbeit wird Luthers Position näher beleuchtet, im fünften Teil die von Karl Barth. Die letzte Position, die in dieser Hausarbeit genauer betrachtet werden soll, ist die von Wilfried Härle. Bei der Untersuchung der unterschiedlichen theologischen Standpunkte wird jeweils zunächst das Taufverständnis der einzelnen Theologen deutlich gemacht. Auf dieser Grundlage wird dann überprüft, ob der jeweilige Theologe sich für oder gegen die Kindertaufe ausspricht und wie er seine Position begründet.
Den Abschluss dieser Hausarbeit bildet ein Vergleich der drei theologischen Standpunkte in Bezug auf das Thema „Kinder- oder Erwachsenentaufe?“ und eine eigene Stellungnahme.
2 Taufe im Neuen Testament
2.1 Taufpraxis
Die Taufe ist bereits von Beginn an im Urchristentum praktiziert worden.
In der Apostelgeschichte werden die ersten christlichen Taufen mit der Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten verbunden. Hier wird noch von einigen anderen Taufen an zahlreichen Orten erzählt, was zeigt, dass Paulus das Getauftsein aller Christen voraussetzt. Die Taufe wird nirgends im Neuen Testament im Hinblick auf Notwendigkeit und Sinn hinterfragt, sondern scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Die Taufe im Urchristentum zeichnet sich dadurch aus, dass man sich nicht selbst taufen konnte, sondern ein Täufer die Taufe durchführte. Dieser Täufer musste vorher prüfen, ob es irgendeinen Grund zur Verweigerung der Taufe gab. In der Regel erfolgte die Taufe durch Untertauchen in fließendem Wasser. Nur ausnahmsweise genügte das Übergießen des Kopfes mit Wasser zur Taufe.
Es war üblich, dass der Täufer beim Untertauchen den Namen Jesu anrief. Etwas später wurde dann „im Namen des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes“[1] getauft. Vor der Taufe legte der Täufling ein Taufbekenntnis ab, welches zunächst einfach besagte „daß Jesus der Herr ist“[2]. Das Taufbekenntnis war zunächst die einzige Voraussetzung, die der Täufling erbringen musste. Als sich aber nach und nach eine geregelte Missionspraxis entwickelte, wurde zusätzlich eine Unterweisung des Täuflings in die Glaubensgrundlagen vor der Taufe notwendig.
Wichtiges Element der Taufe war die Verleihung des Heiligen Geistes, die durch Handauflegung durch den Täufer erfolgte. Je nach Tauftradition kann die Geistverleihung vor oder nach der Taufe mit Wasser erfolgen. Bei der Geistverleihung vor der Taufe verstand man den Geist als endzeitliches Wirken von Christus, das in Gottes Dienst stellt. Die Taufe konkretisiert dieses Wirken danach. Bei der Geistverleihung nach der Taufe sah man den Geist als Gabe, die zu neuem Verhalten fähig macht.
Das zentrale Geschehen in der Taufe beinhaltet zuallererst den Aspekt der Umkehr und der Sündenvergebung. Das zweite wichtige Moment der Taufe ist der Rückbezug auf Jesus Christus.
Getauft wird im oder auf den Namen Jesu Christi. Die Namensformel kann zweierlei bedeuten. Sie kann meinen, dass „in der Erwartung einer zukünftigen Verbindung des Täuflings mit Jesus“[3] getauft wird und dass man mit der Taufe in ein „Verhältnis der Zugehörigkeit, des Eigentums zu Jesus“[4] tritt (finales Verständnis). Es kann aber auch gemeint sein, dass die Taufformel die „Taufhandlung in Bezug zum Christusgeschehen, des näheren zu Botschaft, Tod und Auferweckung Jesu“[5] setzt und „den Täufling den heilvollen Auswirkungen dieses Geschehens“[6] unterstellt (kausales Verständnis). Beide Bedeutungen müssen zusammen gedacht werden, denn die Teilhabe am Heilsgeschehen ist gleichzeitig auch Versetzung in den Herrschaftsbereich Christi und so in ein Eigentumsverhältnis zu ihm. Der dritte zentrale Aspekt des Taufgeschehens ist die Verleihung des Geistes als Gabe. Mit dieser Verleihung des Heiligen Geistes bekommt der Getaufte bereits „Anteil an den Kräften der kommenden Welt“[7]. Die letzte wichtige Komponente der Taufe ist nun die Aufnahme des Täuflings in das endzeitliche Gottesvolk, was den Aufnahme- und Initiationscharakter der Taufe deutlich macht. Durch die Taufe konstituiert sich die neue Gemeinschaft der Kirche.
2.2 Tauftheologie
Für die paulinische Theologie und ihre Entstehung ist entscheidend, dass Paulus wichtige Tauftraditionen in seine Theologie aufnahm. Seine Tauftheologie lässt vier miteinander verbundene Bereiche erkennen.
Zunächst ist hier die soteriologische Dimension seiner Theologie zu nennen. Paulus sah die Taufe als Ort, an dem der Getaufte erlöst wird von Sünde und Tod. Der Getaufte gehört durch die Taufe zur ausgewählten Gemeinde Gottes und wird in Christus gerecht gemacht. Der paulinischen Theologie zufolge lebt der Getaufte nach dieser Erlösung von Sünde und Tod für Gott, das heißt er führt ein Leben „nach Gottes Willen in der Kraft des Geistes“[8].
Der zweite bedeutende Bereich der Tauftheologie bei Paulus ist der Zusammenhang zwischen Taufe und Gerechtigkeit. Hier kommt Paulus Rechtfertigungslehre zum Ausdruck.
Der Glaubende wird in der Taufe durch die Kraft des Geistes von Sünde befreit und so gerecht. Der Getaufte kann so ein Leben nach Gottes Willen führen mit dem Wissen um die Wiederkunft Christi beim Jüngsten Gericht. Bei Paulus spielt nun auch eine wichtige Rolle, dass „niemand aus Werken des Gesetzes vor Gott gerecht werden kann“[9]. Bei Paulus ist die Taufe ein Ort, an dem das Heilshandeln Gottes in Jesus „in der Partikularität der eigenen Existenz erfahren werden kann“[10]. Hier wird die Tradition aufgenommen, dass die Menschen bei der Taufe Anteil am Tod Jesu haben und eine neue Existenz erhalten, die von Gerechtigkeit geprägt ist. In der Taufe wird dem Sünder also Gerechtigkeit verliehen und die Sünden werden vergeben. Damit zeigt sich die Gerechtigkeit Gottes als Gerechtmachung des Sünders.
Der dritte Bereich der paulinischen Tauftheologie bezieht sich auf die Taufe und das neue Leben im Geist. Hier ist die Vorstellung, dass der Christ durch das Heilshandeln in der Taufe nun im Herrschaftsbereich des Geistes lebt, zentral. Der Getaufte gelangt durch die Kraft des Geistes in die Sphäre Gottes und wird in die Gemeinde aufgenommen. Damit wird von ihm ein neuer vom Geist ermöglichter Gehorsam gefordert. Der Geist wird bei Paulus gesehen als Kraft und Norm des neuen Lebens. Er ermöglicht, dass „der Christ bleiben kann, was er schon geworden ist“[11].
Der letzte zentrale Bereich der Tauftheologie von Paulus betrifft Taufe und Ekklesiologie. Paulus zufolge kommt die ekklesiale Existenz von der Taufe her, da der Täufling in den Leib Christi aufgenommen wird. Die Getauften gehören nun zu Gott, der Geist Gottes ist in ihnen. Deshalb ist ihr Leib heilig. Bei Paulus herrscht die Vorstellung, dass Gottes einmaliges Heilshandeln am Kreuz sich in der Taufe fortsetzt und in der Gemeinde Gestalt gewinnt. Die Gemeinde fühlt sich berufen zur Einheit im Geist, Glauben und Handeln sowie zur Offenheit gegenüber denen, die das Evangelium brauchen.[12]
Nach Paulus empfängt der Getaufte also den Geist, gehört zur Sphäre des Geistes und darf nach dessen Maßgabe leben. Taufe, Geistverleihung, Glaube und neues Leben bilden hier eine Einheit.
Glaube empfängt, bekennt, bedenkt die Taufe und folgt der Taufe. Der Mensch benötigt keine Voraussetzungen. Paulus versteht Glauben als „Bestimmtsein der gesamten Existenz durch Christus“[13].
Bei den Deuteropaulinen gab es die Vorstellung, dass Getaufte nicht nur mit Jesus begraben sind, sondern auch mit ihm auferstanden sind. Hier wird der Glaube als „bestimmende Kraft des neuen Seins“[14] gesehen und die Getauften, die mit Christus auferstanden sind, „sollen ihre Existenz nach ‚oben’ ausrichten“[15]. Die Deuteropaulinen glaubten, dass Gott die Christen auch auferweckt und im Himmel mit eingesetzt hat. Das heißt, sie sind wie Christus im Himmel, sitzen zur Rechten Gottes und regieren mit. Bei den Deuteropaulinen tauchen aber auch wesentliche Grundgedanken der paulinischen Tauftheologie auf. Auch sie verstanden die Taufe so, dass in ihr das Leben neu ausgerichtet wird, die Taufe aus der alten sündigen Existenz rettet, der Geist die Gabe der Taufe und zugleich wirkende Kraft ist. Gott ist auch hier alleiniger Urheber des Heils, die menschlichen Werke sind nicht heilsrelevant. Sie glaubten wie Paulus, dass Jesus sich für die Glaubenden hingab.[16]
[...]
[1] Mt 28,19; Did 7,1.
[2] Röm 10,9.
[3] Roloff: Neues Testament, 294.
[4] Heitmüller: Im Namen Jesu, 127.
[5] Roloff: Neues Testament, 294.
[6] Ebd.
[7] Roloff: Neues Testament, 295.
[8] Schnelle: TRE, 668.
[9] Schnelle: TRE, 669.
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Vgl. Schnelle: TRE, 669.
[13] Schnelle: TRE, 670.
[14] Ebd.
[15] Ebd.
[16] Vgl. Schnelle: TRE, 670.
- Quote paper
- Marina Lerch (Author), Daniela Scheerer (Author), 2004, Kinder- oder Erwachsenentaufe? Ein systematisch-theologischer Argumentationsgang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51005
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