In der Arbeit wird der Versuch unternommen, dem einseitigen Verständnis von Kants Metaphysikkritik ein komplexeres und angemesseneres Bild entgegenzuhalten, das Kant aus einer in der Forschung bisher nur selten untersuchten Perspektive zeigt: nämlich nicht als "Alleszermalmer", sondern als Bewahrer der metaphysischen Tradition. Dies soll anhand der positiven Bestimmung der erkenntnistheoretischen Funktion des Gottesbegriffs exemplarisch vor Augen geführt werden. Liest man Kant genau, so wird man erkennen, dass Kant die aus der abendländischen Denktradition stammenden Begriffe (Seele, Weltganzes und Gott) nicht für unsinnig erklärt, sondern ihnen ganz im Gegenteil - auch in seiner theoretischen Philosophie - eine zentrale Rolle zuweist.
Mit dem Erscheinen der "Kritik der reinen Vernunft" im Jahre 1781 hat Kant nicht nur die philosophische Landschaft tiefgreifend verändert, sondern zugleich die Koordinaten für das moderne Denken festgelegt. Es ist das Verdienst der "kopernikanischen Wende", dass das erkennende Subjekt radikaler als je zuvor in den Fokus philosophischer Untersuchungen gerückt worden ist und sich die bis in die gegenwärtige Zeit hineinreichende Einsicht im abendländischen Denken verankert hat, dass der Schlüssel zur Welterkenntnis nur in den Erkenntnisstrukturen des erkennenden Subjekts selbst liegen kann.
Mit dieser Besinnung auf die Vorgänge des eigenen Erkenntnisvermögens geht für Kant aber auch die von vielen Philosophen als Affront empfundene kritische Selbstbegrenzung der erkennenden Vernunft einher. Die für die spezielle Metaphysik zentralen Untersuchungsgegenstände wie etwa die Seele, das Weltganze und Gott sind nach Kant keine Gegenstände des Wissens, sondern die des Glaubens. Kant, dem aufgrund seiner radikalen Kritik an der abendländischen Metaphysik von Mendelssohn das Etikett "Alleszermalmer" aufgedrückt wurde, ist in der Tat hauptsächlich für seine metaphysikkritischen Ansichten bekannt und wird nicht allzu selten als Gewährsmann in Anspruch genommen, wenn es darum geht, die Gültigkeit diverser Gottesbeweise oder der Existenz einer unsterblichen, einfachen Seele zu widerlegen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Transzendentale Dialektik
2. Ontologischer Status
2.1 Die Genese des Gottesbegriffs
2.2 Das Transzendentale Ideal
2.3 Die Gottesbeweise
3. Meinen, Wissen und Glauben
4. Die erkenntnistheoretische Funktion
4.1 Gott als regulatives Prinzip
4.2 Thöles Kritik
Fazit
Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Alp Sapmaz (Author), 2017, Die Funktion des Gottesbegriffs in der "Kritik der reinen Vernunft" von Immanuel Kant, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509526
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