Diese Arbeit folgt Don DeLillo auf den berühmten Müllhaufen der Geschichte, von dem er Vergessenes aufsammelt und zurückholt, und analysiert, wie er die Geschichte Amerikas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand der dort gefundenen Reste in den Blick nimmt. Betrachtet werden hierzu der tatsächliche Abfall als Motiv, das sich durch den gesamten Roman zieht, die fatalen Überbleibsel des Kalten Krieges sowie die Art und Weise, wie DeLillo all diese Reste verbindet und miteinander in Beziehung setzt und welches Gesamtbild daraus entsteht.
Im Konvolut N seines "Passagen-Werks" hat Walter Benjamin zwei aufeinanderfolgende Fragmente mit dem Stichwort "Abfall der Geschichte" versehen. In Don DeLillos 1997 erschienenem Roman "Underworld" kommt dem Geschäftsmann Viktor die Erkenntnis: "[W]aste is the secret history, the underhistory, the way archaeologists dig out the history of early cultures, every sort of bone heap and broken tool, literally from under the ground."
Unter der offiziellen Geschichte der großen Ereignisse, wie sie die Geschichtsbücher darstellen, liegt eine geheime Geschichte verborgen, die man erst ausgraben muss, eine Untergeschichte, wie es in "Underworld" heißt, bzw. eine Gegengeschichte, wie sie in der Forschung teilweise genannt wird. Der Roman entfaltet auf über achthundert Seiten eine solche Untergeschichte der Vereinigten Staaten von Amerika von 1951 bis in die 1990er Jahre, der Zeit des Kalten Krieges und den ersten Jahren danach.
Duvall schreibt, eine Archäologie dieser Zeit müsse dem Roman zufolge auf den Müllkippen in der Nähe der urbanen Gebiete ausgeübt werden. Archäologische Ausgrabungen auf modernen Müllhalden durchzuführen ist nicht abwegig, sondern wurde im Rahmen des Garbage Projects der Universität von Arizona bereits getan. Die archäologische Untersuchung von Müll wird "Garbology" genannt.
Beck sieht Underworld gewissermaßen als eine literarische Version dieser Disziplin und Dini bezeichnet DeLillo, der sich bereits in seinen vorigen Romanen mit dem Thema Müll auseinandergesetzt hat, als "ironic garbologist". In diesem Sinne findet in Underworld mit Gauthiers Worten eine Ausgrabung der amerikanischen Geschichte statt. Aus dem, was DeLillo dabei zutage fördert, entsteht "a collection of […] marginal people, places, and scraps, which are quickly receding into the opaque margins of society". Durch ihre Verwendung kommen diese Reste im Sinne Benjamins zu ihrem Recht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Abfall der Geschichte und die geheimen Geschichten des Abfalls
- "Everything I see is garbage" - Ein Überblick über die Facetten des Müllmotivs
- Die Kehrseite der Konsumkultur
- Müllmonumente und Ruinen der Gesellschaft
- Was vom Kalten Krieg übrig bleibt
- Atommüll
- Opfer eines Krieges, der nie stattgefunden hat
- Die Reste zusammensetzen
- Montagetechnik und Müllkunst
- „Everything is connected“ – Bindeglieder zwischen den Fragmenten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Don DeLillos Roman Underworld, um die Geschichte Amerikas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand der darin präsentierten „Abfall“-Motive zu beleuchten. Die Analyse konzentriert sich auf den tatsächlichen Abfall als Motiv, das sich durch den Roman zieht, die fatalen Überbleibsel des Kalten Krieges sowie die Art und Weise, wie DeLillo all diese Reste verbindet und miteinander in Beziehung setzt.
- Der Roman als literarische Auseinandersetzung mit der Geschichte Amerikas aus der Perspektive des „Abfalls“
- Die verschiedenen Facetten des Müllmotivs in Underworld
- Der Zusammenhang zwischen Abfall, Kaltem Krieg und der amerikanischen Gesellschaft
- Die Bedeutung von Montagetechnik und Müllkunst in der Gestaltung des Romans
- Die Konstruktion eines Gesamtbildes der amerikanischen Geschichte anhand der gesammelten Reste
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Roman Underworld als eine literarische Erkundung der „geheimen Geschichte“ Amerikas vor, die man erst ausgraben muss. Die Arbeit folgt Don DeLillos Analyse der Geschichte Amerikas anhand der „Abfall“-Motive, die er in seinem Roman thematisiert.
Der Abfall der Geschichte und die geheimen Geschichten des Abfalls
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die verschiedenen Facetten des Müllmotivs in Underworld. Es analysiert die physische und alltägliche Form von Müll, der im Roman dargestellt wird, und beleuchtet die kommerzielle Seite des Mülls sowie die Geheimnisse, die sich um gefährlichen Abfall ranken. Darüber hinaus untersucht das Kapitel, wie Abfall in Underworld dazu dient, private Geheimnisse aufzudecken und die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich zu verdeutlichen.
Was vom Kalten Krieg übrig bleibt
Das Kapitel widmet sich den fatalen Überbleibseln des Kalten Krieges, die in Underworld als „Abfall“ thematisiert werden. Insbesondere wird der Atommüll als Symbol für die Zerstörungskraft des Krieges und die Gefahr der Verseuchung analysiert.
Die Reste zusammensetzen
Dieses Kapitel untersucht, wie Don DeLillo in Underworld die verschiedenen „Abfall“-Motive miteinander verbindet und ein Gesamtbild der amerikanischen Geschichte zeichnet. Dabei werden die Montagetechnik und die Verwendung von Müllkunst als Gestaltungselemente beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Abfall, Kalter Krieg, Geschichte, amerikanische Gesellschaft, Montagetechnik, Müllkunst, Geheimnisse, Konsumkultur, soziale Spaltung.
- Quote paper
- Anne Zeiß (Author), 2019, "Underworld" von Don DeLillo und die Betrachtung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand von Resten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509283