Der Aufsatz über die Thermopylenrede Hermann Görings, von Hans-Joachim Gehrke, ist in Einleitung, Abschnitt 1 und 2 gegliedert. Er befasst sich mit dem Heroenkult im alten Griechenland, als auch mit dem zeitlichen Wandel der Sicht Europas auf den Osten und dem damit verbundenen Wandel der Einordnung der Geschehnisse der Perserkriege.
Gehrke, H.-J., Die Thermopylenrede Hermann Görings zur Kapitulation Stalingrads. Antike Geschichtsbilder im Wandel von Heroenkult zum Europadiskurs, in: B. Martin (Hrsg.), Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen. Ereignisse – Auswirkungen – Reflexionen, Freiburg – Berlin 2006 (Reihe Historiae 19), S. 13-29.
Der Aufsatz über die Thermopylenrede Hermann Görings, von Hans-Joachim Gehrke, ist in Einleitung, Abschnitt 1 und 2 gegliedert. Er befasst sich mit dem Heroenkult im alten Griechenland, als auch mit dem zeitlichen Wandel der Sicht Europas auf den Osten und dem damit verbundenen Wandel der Einordnung der Geschehnisse der Perserkriege.
Auf den Seiten 13 bis 16 befindet sich die Einleitung des Textes. Zu Beginn des Textes wird von Gehrke ein Mitschnitt eines Appells wiedergegeben, dass Hermann Göring am 30. Januar 1943 über den Reichsrundfunk an die Wehrmacht richtete. In dieser Rede vergleicht Göring die bevorstehende Niederlage bei Stalingrad mit dem Aushalten der 300 Spartaner und ihrem König Leonidas bei den Thermopylen. Göring nennt auch weitere historische Beispiele, die seine Argumentation stützen sollen. Diese Beispiele habe er nach Gehrke gewählt, um seine politisch-propagandistischen Zwecke zu erreichen, mit der Botschaft, dass das Opfer den letztendlichen Sieg ermögliche (S. 14). Dabei herrsche eine Logik, bei der nicht der einzelne, sondern nur das Volk von Bedeutung sei (S. 15). Die Beispiele die Göring in seiner Rede wählte, seien historisch nicht passend, was jedoch nicht von Bedeutung sei, da sie nur einen politischen Zweck erfüllen sollten (S. 15). Daraufhin kündigt Gehrke an, er wolle seinen Blick darauf richten, wie Historiker und die heutige Gesellschaft mit der Geschichte umgehen, was er in zwei Schritten angehen will. Zuerst wolle er darlegen wie es sich in dem Ereignis, auf das Göring Bezug nimmt, wirklich zugetragen habe und wie die alten Griechen selbst mit ihren Helden umgegangen seien. Danach wolle er seinen Blick darauf lenken, was später aus dieser Geschichte gemacht wurde.
Der erste, auf die Einleitung folgende, Abschnitt bekam in der Einleitung den Titel „Heroen und Heroisierung im Altertum“ und befindet sich auf den Seiten 16 bis 21. Im Sommer 480 v.Chr. hätten die Griechen, unter spartanischer Führung, versucht, ein zahlenmäßig weit überlegenes Heer der Perser, bei einem Engpass der Thermopylen aufzuhalten. Dies sei jedoch gescheitert, da die Griechen umgangen worden seien. Nur der spartanische König Leonidas und 300 seiner Soldaten seien geblieben und opferten sich dadurch. Dabei seien sie dem Ethos ihres Staates gefolgt, was auch in der Inschrift deutlich werde, auf die Göring sich in seiner Rede bezieht (S. 16). Dieses Wertesystem sei jedoch in ganz Griechenland verbreitet gewesen und es sei daraus resultiert, dass der Kampf als Hoplit in einer Phalanx die Solidarität und das Kollektivdenken stark förderte (S.16). Soldaten die sich durch ihr Opfer hervortaten, seien in Griechenland auf eine Stufe mit Helden des Mythos gestellt worden, was gleichbedeutend mit der Geschichte für die Griechen gewesen sei (S. 17). Diese Form der Heroisierung sei mehrfach während der Perserkriege beobachtbar. Dazu nennt Gehrke Beispiele von den Schlachten bei Marathon und Plataiai, sowie auch der Seeschlacht bei Salamis, bei der selbst die Ruderer heroisiert worden seien. Jedoch sei das Bild des Helden im alten Griechenland sehr ambivalent gewesen (S. 17). Dies macht Gehrke deutlich durch Beispiele aus der Illias und der Odyssee, an den Helden Achill und Odysseus. Dabei werde die Gebrochenheit der Helden besonders herausgestellt. Diese resultiere aus der Hybris, die nicht von der Heldenhaftigkeit zu trennen gewesen sei (S. 18). Der Krieg sei sehr realistisch und eher negativ behaftet dargestellt, was auch daraus deutlich werde, dass die Person des Kriegsgottes Ares meist negativ dargestellt worden sei. Jedoch sei dem die Ehre und der Ruhm entgegengesetzt worden, für die es sich im Bewusstsein der Zeit gelohnt habe in den Krieg zu ziehen (S.19). Auf dieser Weltansicht habe auch der Ethos der Spartaner gefußt, der ein Ethos des „Zähnezusammenbeißens“ gewesen sei (S. 19). Den Grund für die ambivalente Darstellung der Helden sieht Gehrke darin, dass die Epen nicht nur Literatur, sondern Teil der Sozialisation gewesen seien. Daher seien auch die Schattenseiten des Krieges in diesen Epen nicht verschwiegen worden, woraus auch die Darstellung der Schattenseiten des Heldentums resultiert seien (S. 20). Dies sei auch bei den Darstellungen der Perserkriege zu erkennen. Bei Herodot seien die Perserkriege ein Konflikt zwischen Hellenen und Barbaren, wobei die beiden Parteien unterschiedliche Wertesystem vertraten. Dabei standen die Hellenen für Freiheit und Demokratie, während die Perser für Despotie und Unterdrückung standen. Dieses antithetische Weltbild sei bestehen geblieben und sei Teil der griechischen Identität geworden (S. 21). Diese Antithese sei jedoch immer wieder relativiert worden und Gehrke stellt die These auf, dass sie sich eigentlich an die Griechen selbst wandte und diese vor den Fehlern der „Anderen“ warnte (S. 21). Das Herabblicken auf die Barbaren sei auch immer mit der Barbarenbewunderung einhergegangen, daher sei die Heroisierung nicht so eindeutig gewesen, wie es bei Göring der Fall sei (S. 21). In diesem Abschnitt wird die Darstellung des Krieges und des Heldentums im alten Griechenland erörtert. Zudem wird zu Beginn eine knappe Übersicht über das Geschehen bei den Thermopylen gegeben.
Den zweiten, auf die Einleitung folgenden, Abschnitt benennt Gehrke in der Einleitung ,,Heroisierung (und Instrumentalisierung) des Altertums, oder Göring: im Kontext“ und er befindet sich auf den Seiten 22 bis 28. Durch die Verbreitung des Christentums und des Islams habe sich das Bild des Heldentums geändert, da nun auch der besiegte im Tod noch der Sieger sein könne. So sei das Märtyrertum entstanden. Das Weltbild sei dadurch zunehmend dualistischer geworden (S. 22.). In der Neuzeit habe sich die Auseinandersetzung mit dem Heldentum der Antike, vor dem Hintergrund der Eroberung Konstantinopels durch die Türken, weiterentwickelt. Durch Wirken des humanistischen Papstes Pius II. habe man die Türken mit den Barbaren der Antike identifiziert. Er habe eine neue Form des Kreuzzuges begründet, nicht nur auf Basis der Religion, sondern auch auf Basis der humanitas. Durch diese Abgrenzung von einem äußeren Feind habe sich in Europa eine Identität, als Reich der abendländischen Zivilisation, herauskristallisiert (S .23). Im Zeitalter der Aufklärung sei diese Gegenfigur zum Orient weiter ausgebaut und der alte persische Großkönig sei mit zeitgenössischen orientalischen Despoten gleichgesetzt worden. Dadurch habe sich der „Orientalismus“ entwickelt, der im 19. und 20. Jahrhundert die westliche Sicht auf den Osten geprägt habe (S .23). Diese Sicht habe auch die Erinnerung an die Perserkriege geleitet. Um dies zu belegen, führt Gerke Zitate von Hegel, John Stuart Mill und István Kertész an. Dass die Helden von Marathon auch heute noch geehrt werden, lasse sich daran erkennen, dass der Lauf Marathon seinerseits zu einer Art Mythos geworden sei (S.24). Zudem führt Gehrke ein Zitat von Thomas Mann an, in dem er die Jugend für Europa zu begeistern sucht. Dabei bezieht Thomas Mann sich auf die Perserkriege und stellt dabei den Sieg des Westens als Sieg der Werte gegenüber dem Osten dar. Das zeige laut Gehrke, dass diese Sicht auf die Geschichte damals sehr verbreitet gewesen sei (S. 25). In der Thermopylenrede Görings, sei das Abendländische und Europäische immer wieder in den Vordergrund gerückt worden. Dabei werde Deutschland als Schutzwall Europas vor der Despotie im Osten inszeniert (S. 25). Gehrke führt daraufhin weitere Zitate von Goebbels und Hitler an, die den Kampf im Osten als Kampf für das europäische Abendland darstellen. Die zuvor schon eher einseitige Sicht auf die Kluft zwischen Ost und West sei von den Nazigrößen nun eindeutig benannt worden, jedoch sei diese Sicht eben nicht nur bei den Nazigrößen zu finden (S. 26). Diesen Umstand erachtet Gehrke als wichtig um mit der Geschichte im politischen Kontext richtig umzugehen. Er stellt die These auf, dass die heutige Europäische Union zur Schaffung einer gemeinsamen Identität eine dazu passende Sicht auf die Geschichte entwickeln werde. Dabei verweist er jedoch auf die damit verbundenen Risiken und bezieht sich dabei auf den Nationalsozialismus (S. 27). Das Gegensatzdenken verberge die Komplexität der Realität. Daher müsse Selbstreflexion immer zu Beginn der Erinnerungspflege stehen (S. 27). Das werde gerade an der Thermopylenrede Görings deutlich. Jedoch habe die Rede Görings ihr angestrebtes Ziel verfehlt, was Gehrke durch ein Zitat Goebbels belegt. Zum Schluss des Textes benennt Gehrke die Mitglieder der „Weiße Rose“ als „unzweideutige Helden“. In diesem letzten Textabschnitt wird die Sicht auf das Heldentum der Antike und der Konflikt zwischen Ost und West im Wandel der Zeit aufgezeigt. Dies mündet in der Einordnung der Thermopylenrede Görings in den politischen Kontext ihrer Zeit.
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- Quote paper
- Nils Spiekermann (Author), Exzerpt zu Hans-Joachim Gehrkes Aufsatz über die Thermopylenrede Hermann Görings, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508852
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