Die Arbeit geht der Frage nach, ob sich in den vier Evangelien glaubhafte Darstellungen der Auferstehung Jesu von den Toten und von Jesu Himmelfahrt finden lassen.
Während eines Gottesdienstes werden die Besucher regelmäßig vom Pfarrer oder der Pfarrerin dazu aufgerufen, mit ihm/ihr gemeinsam das Glaubensbekenntnis zu sprechen. Über viele Jahre hinweg habe ich bei meinen Gottesdienstbesuchen die Worte dieses Bekenntnisses mitgesprochen, habe jedoch in den letzten Jahren einzelne Sätze oder Worte verschwiegen, weil sie meinem Glaubensverständnis nicht mehr entsprechen. Hatte ich das Glaubensbekenntnis in jüngeren Jahren noch mitgesprochen, ohne mir Gedanken über dessen Inhalt zu machen – ich hatte es halt im Konfirmandenunterricht einst so gelernt, in dem die Fähigkeit, es auswendig rezitieren zu können, Voraussetzung für das Bestehen der Konfirmandenprüfung war – wobei es für mich keine Verbindung zu meiner damaligen Lebenswelt hatte, so habe ich jetzt, in fortgeschrittenem Lebensalter, das Bedürfnis, mir darüber Klarheit zu verschaffen, was sich hinter den formelhaft rezitierten Worten des christlichen Glaubensbekenntnisses verbirgt, welche Bedeutung die Worte haben: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erden, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel; er sitzt zur rechten Hand Gottes, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben.“
Vorwort
Z um besseren Verständnis der folgenden Ausführungen empfehle ich, vorher meine Abhandlung „Die Bedeutung des Hellenismus für den christlichen Glauben an die Auferweckung Jesu von den Toten und Jesu Himmelfahrt “ zu lesen, in der die engen Zusammenhänge zwischen der Geisteswelt der in Palästina zur Zeit Jesu lebenden Griechen und jüdisch-christlichen Glaubensvorstellungen kurz dargestellt werden.
Während eines Gottesdienstes werden die Besucher regelmäßig vom Pfarrer oder der Pfarrerin dazu aufgerufen, mit ihm/ihr gemeinsam das Glaubensbekenntnis zu sprechen. Über viele Jahre hinweg habe ich bei meinen Gottesdienstbesuchen die Worte dieses Bekenntnisses mitgesprochen, habe jedoch in den letzten Jahren einzelne Sätze oder Worte verschwiegen, weil sie meinem Glaubensverständnis nicht mehr entsprechen. Hatte ich das Glaubensbekenntnis in jüngeren Jahren noch mitgesprochen, ohne mir Gedanken über dessen Inhalt zu machen – ich hatte es halt im Konfirmandenunterricht einst so gelernt, in dem die Fähigkeit, es auswendig rezitieren zu können, Voraussetzung für das Bestehen der Konfirmandenprüfung war – wobei es für mich keine Verbindung zu meiner damaligen Lebenswelt hatte, so habe ich jetzt, in fortgeschrittenem Lebensalter, das Bedürfnis, mir darüber Klarheit zu verschaffen, was sich hinter den formelhaft rezitierten Worten des christlichen Glaubenbekenntnisses verbirgt, welche Bedeutung die Worte haben: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erden, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel; er sitzt zur rechten Hand Gottes, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben.“
Mich interessieren hier besonders die von mir gefetteten Worte, also die Wiedergabe der Geschehnisse nach dem Kreuzestod Jesu im Glaubensbekenntnis.
Als Informationsquelle habe ich die vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes herangezogen, in welchen das Leben Jesu, angefangen von seiner Geburt bis hin zu seiner Kreuzigung und Himmelfahrt, dargestellt wird, auch wenn die Vorstellung einer Jesus-Biographie nicht das einzige Ziel der Evangelien ist.
Wer allerdings bei einem Blick in die Evangelien meint, dort über die Geschehnisse nach Jesu Tod eine Fülle interessanter Informationen vorzufinden, die inhaltlich deutlich über die knappen Formulierungen des Glaubensbekenntnisses hinausgehen und ihm weitere Aufschlüsse und tiefere Erkenntnisse der damaligen Ereignisse vermitteln könnten, wird enttäuscht werden.
Bekanntlich liefern die Evangelien insgesamt keinen exakten Bericht über das Wirken Jesu auf Erden, dies war den Evangelisten schon deshalb nicht möglich, weil sie ihre Werke erst mehrere Jahrzehnte nach Jesu Tod verfassten und Jesus selbst nicht persönlich kannten.
Die zeitlichen Abläufe seines Wirkens wurden, wie man heute weiß, häufig nicht korrekt dargestellt, die Worte Jesu, obwohl in wörtlicher Rede wiedergegeben, entsprachen, wenn überhaupt, nur inhaltlich dem, was Jesus zum Ausdruck bringen wollte und bedürfen häufig der Interpretation durch Bibelforscher und Theologen, die hierbei auch die Bücher des Alten Testaments und die Schriften der Apostel zu Rate ziehen.
Auch wenn die Evangelien somit nicht den Ansprüchen eines heutigen Lesers an gut recherchierte Information und exakte, durch zuverlässige Zeugen abgesicherte Darstellung erfüllen können, liefern sie doch für unseren Zweck eine gewisse Orientierung über die Ereignisse nach der Kreuzigung Jesu.
Sie stellen darüber hinaus ein wichtiges Glaubenszeugnis dar; in ihnen manifestiert sich das, was sowohl diejenigen Anhänger Jesu, die ihn noch zu seinen Lebzeiten selbst erlebt hatten, als auch die nachfolgenden Generationen, die ihn zwar selbst nicht mehr kennen gelernt hatten, sich jedoch über die Vorgängergeneration mit ihm noch eng verbunden fühlte, in der Person Jesu und in seinem Wirken gesehen haben.
Nicht zuletzt sind in die Evangelien auch die Vorstellungen ihrer Auftraggeber darüber eingeflossen, wie man den Gläubigen am Besten das Leben Jesu und Wirken Jesu, aber auch das Wirken der Apostel, nahe bringen sollte, um die Gläubigen im Sinne der von den Aposteln und ihren Nachfolgern entwickelten Glaubenslehren zu beeinflussen.
Man könnte fast meinen, wenn man in den Evangelien liest, dass das Interesse der Evangelisten, den Lesern die Botschaft Jesu nahe zu bringen, ihr Interesse, diesen die Ereignisse nach seinem Tod zu schildern, überwog, wenn man die bei einigen Evangelisten recht lapidare Darstellung der Geschehnisse betrachtet.
Mir kommt es so vor, als seien die Evangelisten bei der Schilderung dieser Begebenheiten ein wenig lustlos gewesen und hätten nur zur Feder gegriffen, um ein Informationsbedürfnis ihrer Leser zu befriedigen oder um einen ihnen erteilten Auftrag zu erfüllen. Dieser Eindruck wird auch nicht durch mein Wissen beeinträchtigt, dass in der Christenheit die Tage, an denen jährlich die Auferstehung Jesu von den Toten und seine Himmelfahrt gefeiert wird, die höchsten kirchlichen Feiertage sind.
In meinem nachfolgenden Text habe ich versucht, die Schilderung der Evangelisten über die Ereignisse nach Jesu Tod objektiv, in der Reihenfolge der vier Evangelien in der heute in Deutschland üblichen Sprache nachzuerzählen und kritisch zu kommentieren, wobei ich Einzelheiten, die ich als nebensächlich und als nicht zum Handlungsablauf gehörig angesehen habe, weggelassen oder verkürzt dargestellt habe.
Ich wende mich dabei an den heutigen christlichen Leser der Evangelien, für den diese auch heute noch eine wichtige Grundlage seines Glaubens bilden.
Dabei ist mir bewusst, dass die Menschen zur Zeit Jesu ein anderes Weltbild hatten als wir es heute in der säkularen Welt haben, dass für die damals lebenden Menschen die Welt noch voller Wunder und unerklärlicher Ereignisse und von Engeln und Dämonen bevölkert war und ihr Denken noch vom Glauben an Mythen und Mysterien geprägt wurde
Dieses Weltbild haben wir heute überwunden; wir lesen biblische Berichte daher ebenso, wie wir die Berichte anderer Autoren lesen, falls es sich nicht gerade um Produkte der Belletristik handelt, in denen fiktive Inhalte dargestellt werden, die nach anderen Kriterien als wissenschaftliche Texte, die einen wahren Sachverhalt wiedergeben wollen, beurteilt werden. Wir erwarten von einem Text, der einen wahren Sachverhalt oder reale Vorgänge beschreibt, logische Folgerichtigkeit, Überprüfbarkeit der dargestellten Fakten oder Vorgänge und Plausibilität des dargestellten Inhalts.
Ich möchte wissen, wie die Evangelisten in ihren Berichten über Jesu Auferweckung von den Toten und seine angebliche Auffahrt in den Himmel mit diesem Thema umgegangen sind und zu Erklärungen gelangt sind, die sie auch einem heutigen Leser ihrer Schriften noch vermitteln können oder ob die inhaltlichen Aussagen ihrer Texte etwa auch einem damaligen Leser unverständlich und unplausibel hätten erscheinen müssen.
Mir ist bewusst, dass das Denken der Evangelisten noch sehr stark von magischen, irrationalen Vorstellungen bestimmt wurde. Wenn damalige Theologen nach Erkenntnissen über das Schicksal, das Gott den Menschen bestimmt hatte, suchten, orientierten sie sich in ihrem Denken weitgehend an Prophezeiungen und Aussagen, die sie in den Schriften des Alten Testamentes fanden und von deren Wahrheit sie vollkommen überzeugt waren, da sie in ihnen den Geist ihres Gottes Jahwe, zu erkennen meinten. Dabei ließen sie außer Acht, dass die Heiligen Schriften des Alten Testaments, wie alle Schriftwerke auf dieser Erde, einmal von Menschen verfasst wurden und deshalb fehleranfällig sein können, indem sie wichtige Gesichtspunkte nicht berücksichtigen oder falsch darstellen; dies gilt besonders dann, wenn die Verfasser dieser Schriften Voraussagen über zukünftiges Geschehen machen. Die Schriftgläubigkeit der Juden ist uns heutigen Menschen fremd; wenn wir es mit schriftlichen Erzeugnisse aus der Vergangenheit zu tun haben, prüfen wir – oder sollten dies wenigstens tun – ob das, was die früheren Autoren geschrieben haben, mit unserem heutigen Wissen vereinbar ist und ob die Erkenntnisse, die man früher gewonnen hat, heute noch Gültigkeit haben. Biblische Aussagen haben für den heutigen kritischen Leser nicht mehr den Nimbus der Heiligkeit und der Unfehlbarkeit, und die Bibel gilt dem kritischen Leser nicht mehr als Gottes Wort.
Wenn man den Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten und an seine Auffahrt in den Himmel näher betrachtet, ist zunächst festzustellen, dass dieser Glaube nicht von allen Juden geteilt wurde; dass insbesondere nicht immer die leibliche Auffahrt eines Menschen Glaubensinhalt war. Schließlich konnte man sich auch vorstellen, dass nur die Seele des Menschen Aufnahme in den Himmel findet, während der Körper weiter in seinem Grab auf der Erde verbleibt. Die Sadduzäer, Mitglieder einer einflussreichen jüdischen Priesterkaste zur Zeit Jesu, glaubten bekanntlich nicht an die leibliche Auferstehung von Toten und deren Auffahrt in den Himmel.
Zudem war bei den Juden der Glaube an die Auffahrt eines Menschen in den Himmel , so viel ich weiß, bisher nur mit dem Propheten Elias verbunden worden, einem angeblich mit außergewöhnlichen magischen Kräften ausgestatteten Menschen, der imstande war, das Wetter zu beeinflussen und damit für die jüdischen Landwirte von großer Bedeutung war. Als Dank für die wirkungsvolle Unterstützung, die er während seines Lebens dem Gott Jahwe, der damals noch überwiegend die Funktion eines Wettergottes wahrnahm, hatte Jahwe ihn in einem „feurigen Wagen“ während eines Gewitters in den Himmel auffahren lassen. Allerdings war Elias nicht, wie Jesus, vorher „ ins Totenreich hinab gestiegen“; jedenfalls ist dies nicht überliefert.
Sehen wir uns die einzelnen Bestandteile des christlichen Auferstehungsglaubens einmal etwas genauer an.
Wenn wir im Gottesdienst die Worte sprechen „hinab gestiegen in das Reich des Todes“ fassen wir diese Floskel in unserem Sprachgebrauch gewöhnlich metaphorisch auf: er/sie/es ist gestorben. Zur Zeit der Entstehung dieser Formulierung wurde diesen Worten aber noch eine tiefere Bedeutung beigemessen: Sie bedeuteten, dass der Verstorbene in das Reich des Todesgottes Pluto hinabgestiegen war, durch eine steile Schlucht hinab zum Hades, dem Totenfluss. Für den Weg dorthin bedurfte der Verstorbene (dem seltsamerweise die Fähigkeit zum Gehen zugesprochen wurde) eines Führers. Diesen Weg musste auch Jesus beschreiten. Sein Führer in die Unterwelt wird in den Evangelien durch den weiß gekleideten Jüngling symbolisiert, den Magdala und die amdere Maria beim Betreten des leeren Grabes antrafen. Der Evangelist, der diese Episode schildert, folgt damit einer Glaubensvorstellung, die ursprünglich bei den Griechen beheimatet war, jedoch auch von den Juden, die damals in enger Nachbarschaft mit Griechen in Judäa lebten, übernommen worden war.
Ich werde auf diese Glaubensvorstellung später noch näher eingehen.
Das Glaubensbekenntnis wird mit den Worten fortgesetzt: “am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel“---
Nach dieser Formulierung bedurfte es also eines (längeren oder kürzeren) Aufenthalts Jesu auf der Erde in der Zeit zwischen der Wiederbelebung seines Körpers und seiner Auffahrt in den Himmel nicht. Wichtig ist nur, dass seine Himmelfahrt im Freien erfolgen muss, mir freier Sicht hinauf zum Himmelsgewölbe, damit Jesus in gerader Linie in den Himmel auffahren kann. Aus einem geschlossenen Raum, wie einem Grab, wäre ihm wohl eine Himmelfahrt nicht möglich gewesen, da der wieder belebte Jesus wie andere Menschen die Gesetze der Physik beachten muss und nicht durch physische Hindernisse wie Mauern und Erdreich hindurch seine Reise zum Himmel antreten kann. In dieser Glaubensvorstellung wird der Himmel nicht metaphorisch gesehen, als ein abstraktes, nur in der Gedankenwelt existierendes Gebilde ohne wirkliche Realität; die Menschen waren damals vielmehr der Auffassung, dass dort oben, hoch über den Wolken, tatsächlich eine den Menschen nicht zugängliche andere, „himmlische“ Welt liegen müsse.
Wenn Jesus also, nach seiner Wiederbelebung aus seinem Felsengrab heraus gekrochen wäre, sich dann ins Freie gestellt und alsbald seine Himmelfahrt angetreten hätte, hätten sich bei ihm die Voraussagen der biblischen Prophezeiung erfüllt: Aufstieg aus dem Totenreich, Wiederbelebung des toten Körpers und Auffahrt in den Himmel. Die Himmelfahrt Jesu hätte auch ohne Zeugen stattfinden können, im Glaubensbekenntnis ist von Zeugen nicht die Rede. Allerdings hätte, wenn keine Zeugen bei seiner Himmelfahrt zugegen waren, jemand, der entdeckte, dass sein Grab leer war, nicht gewusst, wohin sein Leichnam entschwunden ist, ob er vielleicht in ein anderes Grab verlegt wurde. Dem leeren Grab ist jedenfalls nicht anzusehen, dass Jesus wieder belebt wurde und zum Himmel aufgefahren ist. Daher war es erforderlich, dass die Evangelisten Personen benennen konnten, die sowohl seine Auferstehung von den Toten als auch seine spätere Himmelfahrt bezeugen konnten.
Eines längeren Aufenthalts bei den Menschen – im Fall von Jesus waren dies seine Jünger – hätte es nach der ursprünglichen Glaubensvorstellung, wie bereits ausgeführt, nicht bedurft. Wären die Jünger anwesend gewesen, als Jesus unmittelbar, nachdem er sein Felsengrab verlassen hatte, zum Himmel aufgefahren, und hätten sie dies glaubhaft bezeugen können, wäre die Prophezeiung in der Heiligen Schrift erfüllt worden, und die Wissenschaft von heute müsste sich ernsthaft mit diesem außergewöhnlichen Phänomen beschäftigen und der Frage nachgehen, ob sich damals tatsächlich ein Wunder geschehen ist, das mit den Mitteln der Wissenschaft nicht zu erklären ist. Wäre das Geschehen so abgelaufen, hätten seine Jünger, falls ihnen die biblische Prophezeiung bekannt gewesen wäre, sich zu Beginn des dritten Tages nach der Hinrichtung Jesu sich vor seinem Grab postieren und, nachdem sie den Stein beiseite geräumt hatten, der den Eingang in das Grab versperrte, darauf warten müssen, dass der wieder belebte Jesus aus seinem Grab hervorkommt. Das Geschehen verlief jedoch anders; die Jünger erfuhren erst dann, dass das Grab Jesu leer war, nachdem zwei Frauen, die den toten Jesus noch einmal hatten salben wollten, dies entdeckt hatten. Um bezeugen zu können, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist und sich damit die bereits erwähnte Prophezeiung in der Bibel erfüllt hat, so die Logik der Evangelisten, die über diese Ereignisse berichteten, mussten sie darauf warten, dass er sich ihnen zeigte. Offenbar haben die Jünger aber, als sie das Grab leer fanden, gar nicht daran gedacht, dass Jesus von den Toten auferstanden sein könnte. Nachdem Simon Petrus und ein weiterer Jünger in das leere Grab hinein gegangen waren, glaubten sie erst dann an die Auferstehung Jesu von den Toten, nachdem sie dort das Schweißtuch und die Leinentücher, mit denen der Leichnam Jesu umwickelt gewesen war,, erblickt hatten : „Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste “. (Joh. 20,9). Auch die Emmausjünger musste erst der geheimnisvolle Fremde, den sie für Jesus hielten, darüber aufklären, dass die Auferstehung Jesu bereits in der Heiligen Schrift vorausgesagt worden war: „Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk. 24, 26).Wenn sich dies so verhielt, war nicht zu erwarten, dass die Jünger nach der Beisetzung Jesu in einem Felsengrab durch Josef von Aritmathäa am Grabe Wache hielten, um bei der Auferstehung Jesu am dritten Tage nach dessen Tode zugegen zu sein. Sie dachten gar nicht daran, dass Jesus von den Toten auferstehen könnte; erst durch Maria von Magdala und die andere Maria wurden sie auf den Gedanken gebracht, dass Jesus aus seinem Grab auferstanden sein könnte, nachdem den Frauen durch geheimnisvolle junge Männer, die sie im Grab angetroffen hatten, versichert worden war, Jesus sei von den Toten auferstanden; sie suchten ihn daher im Grabe vergebens.
Zuvor hatten diese beiden Frauen, die den Leichnam Jesu nach jüdischem Brauch noch einmal salben wollten, nicht daran gedacht, dass Jesu Leichnam vom Tode auferweckt werden könnte, so dass man seinen Leichnam nicht mehr im Grab auffinden würde.
Gemäß den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas hatte Jesus seinen Jüngern bei unterschiedlichen Gelegenheiten und an verschiedenen Orten drei Mal angekündigt, er werde von den Hohepriestern und Schriftgelehrten viel Leid erfahren, werde getötet werden und am dritten Tage nach seinem Tode wieder auferstehen. Die Berichte, wie diese Ankündigungen von den Jüngern aufgenommen wurde, weichen bei den drei genannten Evangelisten voneinander ab. Bei Matthäus will Petrus in der ersten Ankündigung nicht wahrhaben, dass Jesus dieses Schicksal bevorstehen könnte: „Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!“ ( Mt. 16, 22). Nachdem bei Matthäus den Jüngern diese Ankündigung den Jüngern gemacht hatte, „wurden diese sehr betrübt.“ ( Mt. 17, 23). Für die dritte Ankündigung, die Jesus seinen zwölf Jüngern über seine Leiden und Auferstehung machte, als er mit ihnen nach Jerusalem hinauf zog, überliefert uns Matthäus keine Reaktion der Jünger auf seine Worte. ( Mt. 20, 17 – 19).
Auch bei den Evangelisten Markus und Lukas finden wir derartige Ankündigungen Jesu über seinen Leidensweg, der ihm von den Hohepriestern und Schriftgelehrten einmal bereitet werden wird. Bei Markus versucht Petrus in der ersten Ankündigung Jesu diesen davon abzuhalten, den Jüngern seine Ankündigung zu verkünden, worüber dieser sehr erzürnt ist. (Mk. 8, 31 – 34). In der zweiten Ankündigung heißt es bei Markus: „Sie aber verstanden das Wort nicht, und fürchteten sich, ihn zu fragen“. (Mk. 9,32). Für die dritte Ankündigung Jesu bei Markus ist keine Reaktion seiner Jünger überliefert. (Mk. 10, 33 u. 34).
Bei Lukas sollen die Jünger in der ersten Ankündigung Jesu niemandem etwas seine Ankündigung sagen. ( Lk. 9, 21). (Offenbar hat aber mindestens ein Jünger dieses Gebot nicht eingehalten, denn woher hätte sonst Lukas gewusst, dass Jesus diese Ankündigung gemacht hat?) In der zweiten Ankündigung heißt es bei Lukas: „ Aber dieses Wort verstanden sie nicht, und es war vor ihnen verborgen, so dass sie es nicht begriffen. Und sie fürchteten sich, ihn nach diesem Wort zu fragen. (Lk. 9,44). Eine ähnliche Reaktion zeigen die Jünger, nachdem sie die dritte Ankündigung Jesu vernommen haben: „Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.“ (Lk. 18, 34).
Wenn wir zusammenfassend betrachten, wie die Reaktion der Jünger auf seine Ankündigungen über den ihm bevorstehenden Leidensweg in den Berichten der Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas war - das Johannesevangelium enthält keine Ankündigungen Jesu über seine Auferstehung und Himmelfahrt - stellen wir fest., dass die Jünger seine Ankündigungen entweder nicht verstanden hatten oder nicht verstehen wollten (bei Lukas), auf Jesu Geheiß nicht an Außenstehende weiter geben sollten (Markus), einfach nur betrübt waren ( Matthäus), oder sich dagegen wehrten, den Inhalt dieser Ankündigungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. ( Matthäus und Markus). Alle Ankündigungen stimmen jedoch darin überein, dass sie sich nur an die Jünger Jesu richten und, falls nicht ein oder mehrere Jünger das Schweigegebot, das Jesus den Jüngern auferlegt hatte, nicht beachtete und Außenstehende darüber informierte, was Jesus zu ihnen über seine Auferstehung und Himmelfahrt gesagt hatte, der Anhängerschaft Jesu und den anderen Juden nicht bekannt war.
So war es nicht verwunderlich, dass von den Menschen, die das Grab Jesu an Ostermorgen leer auffanden, niemand an eine Auferstehung Jesu von den Toten dachte; ob den Jüngern, die dann auch zum Grab kamen, in diesem Augenblick noch bewusst war, was Jesus ihnen über seine Auferstehung in seinen Ankündigungen zu ihnen gesagt hatte, wissen wir nicht. Vielleicht ist es Simon Petrus, der als einer der Ersten ans Grab kam, und es als einziger Jünger gewagt hatte, Jesus zu widersprechen,, wieder eingefallen und er wunderte, sich darüber, dass offenbar die Prophezeiung Jesu über das, was ihn einmal in Jerusalem erwarten würde, eingetreten sein könnte.
Die Unwissenheit der Menschen, die entdeckten, dass Jesu Grab leer war, über die Ursachen des Verschwindens Jesu Leichnam kann darauf hindeuten, dass sich damals unter der Anhängerschaft Jesu der Glaube an dessen Auferstehung Jesu Himmelfahrt noch nicht verbreitet hatte; dies geschah erst durch die Apostel im Rahmen ihrer späteren missionarischen Tätigkeit. Wenn uns die Evangelisten in ihren Berichten über die Ankündigungen Jesu durch ihn sagen lassen, welches Schicksal ihm einmal beschieden sein wird, geschah dies wohl in der Absicht, dem Leser zu beweisen, dass sich an Jesus die Prophezeiungen in der heiligen Schrift, wie sich sein Lebensende gestalten würde, erfüllt haben.
Ich werde versuchen, zu zeigen, dass der Leichnam Jesu nicht deshalb aus dem Grabe verschwunden ist, weil er zum Leben wieder erweckt wurde und bestimmt ist, zum Himmel aufzufahren, sondern dass ihn Josef von Aritmathäa aus seinem Felsengrab herausgeholt und nach Galiläa hat schaffen lassen. ( Siehe hierzu meine Ausführungen im Kapitel „Josef von Aritmathäa und Jesu Grablegung“).
Die Jünger mussten später, so die Logik der Evangelisten, auch bei der Himmelfahrt Jesu zugegen sein, um auch dieses Ereignis bezeugen zu können. Der Leser/die Leserin der Evangelien kann erwarten, in den Evangelien (kürzere oder längere) Berichte über die Auferstehung Jesu von den Toten und seine Himmelfahrt zu finden, in denen diese Vorgänge nicht nur glaubhaft geschildert , sondern auch von unabhängigen Personen bezeugt werden, um zu zeigen, dass sich die biblische Prophezeiung über diese Ereignisse erfüllt hat. Dies gilt auch für heutige Leser der Evangelien
Ich werde versuchen, herauszufinden, ob den Evangelisten dieses Vorhaben gelungen ist
Ich versichere meinen Lesern, dass ich nicht die Absicht habe, die Person Jesu in irgendeiner Weise herabzusetzen oder Kritik an seiner Botschaft zu üben, ich bemühe mich lediglich, herauszufinden, was in den Berichten über Jesu Grablegung, Auferstehung von den Toten und seine Himmelfahrt (auf Glaubensvorstellungen beruhende) Dichtung und was Wahrheit ist.
I. Von der Grablegung Jesu zur Auffahrt des von den Toten auferweckten Jesus in den Himmel
I.1 Josef von Aritmathäa und Jesu Grablegung
Wenn die Evangelisten darüber berichten, was nach dem Tode Jesu am Kreuz mit seinem Leichnam geschehen ist, berichten sie über Ereignisse, die für das, was sich nach dem Tod gewöhnlicher verstorbener Juden ereignet, sehr untypisch ist. Kein Evangelist berichtet über eine Trauerfeier für den verstorbenen Jesu unter Beteiligung seiner Angehörigen, wie sie für verstorbene Juden typisch ist; es wird lediglich über eine einfache Grablegung (Beerdigung) des Verstorbenen, ohne jegliches Zeremoniell berichtet. Die Grablegung erfolgt nicht etwa durch dessen Angehörige, sondern durch einen Familienfremden, einen Mann, von dem wir bisher in den Evangelien noch nichts gehört haben. Erstmals tritt uns Josef aus Aritmathäa entgegen, dessen große Stunde im Geschehen nach Jesu Tod jetzt schlägt.
Dem Wirken des Josef aus Arimathäa kommt eine Bedeutung zu, die über das, was die Evangelisten darüber berichten, weit hinausgeht, weshalb wir uns mit seiner Person und seinem Handeln ausführlicher, als es die Evangelisten tun, beschäftigen wollen. Josef, der aus Arimathäa, anscheinend einem kleinen Ort in Galiläa, das ich auf einer Karte biblischer Ortnamen nicht finden konnte, stammt, ist ein reicher Ratsherr, ich nehme an, in Jerusalem, da es in kleinen Ortschaften, wie Arimathäa, sicherlich keine Gremien gibt, in denen Ratsherren tätig sind. Josef sympathisiert mit der Lehre Jesu, ist vielleicht sogar, wenn man dem Evangelisten Johannes folgt, heimlich ein Jünger Jesu,; deshalb heimlich, weil ihm, wenn die einflussreichen Hohenpriester von seiner Mitgliedschaft im Kreis der Jesusanhänger erfahren würden, möglicherweise der Verlust seines Amtes oder Schlimmeres drohen würde. (Joh. 19, 38). Josef hatte als Ratherr in Jerusalem an den Beratungen der kommunalen Gremien, in denen darüber beraten wurde, wie man mit Jesus nach seiner Gefangennahme verfahren sollte, teilgenommen und die Beschlüsse der Ratsversammlung nicht gebilligt, d.h., er hatte, wenn auch erfolglos, möglicherweise dagegen gestimmt. (Lk 23, 31). Josef war, zusammen mit einigen Frauen, “die mit ihm gekommen waren aus Galiläa“ (Lk 23,55) nach Jerusalem gereist. Wie soll man diese Stelle deuten? Hat Josef diese Frauen in seinem Reisegefährt mitgenommen, oder hat er sie in Galiläa abgeholt? Jedenfalls erfahren wir, dass einige Frauen aus Galiläa nach Jerusalem angereist waren. Unter ihnen war auch Maria aus Magdala, einem kleinen Ort am Westufer des See Genazaret, sie wollte in Jerusalem – gemeinsam mit Jesus – das jüdische Passahfest feiern. Maria war, obwohl sie nicht zum engeren Kreis der Jünger zählte, ebenfalls eine Anhängerin Jesu. Später beobachtet sie, zusammen mit einer weiteren Frau namens Maria, Josef dabei, wie er Jesus in ein Felsengrab legt, wobei sich die Frauen den Ort des Grabes merken. (Matth. 27,61).
Josef hatte durch seine Anwesenheit bei den Ratsversammlungen wohl in Erfahrung bringen können, was die Hohenpriester beabsichtigten, um mit allen Mitteln zu verhindern, dass es, wie von den Anhängern Jesu zu hören war, es am dritten Tag nach Jesu Tod zu dessen leiblicher Auferstehung von den Toten und zur Himmelfahrt des Gekreuzigten kommen werde. (Glaubten sie also selbst aufgrund der Voraussagen in den Heiligen Schriften, die ein derartiges Ereignis ankündigten, daran, dass sich eine derartige Auferstehung Jesu von den Toten tatsächlich ereignen werde? Die Auferstehung eines von ihnen erst kürzlich – nach ihrer Auffassung völlig zu Recht – zum Tode verurteilten und hingerichteten Menschen vom Tode, durfte es nicht geben ! Ihr Urteilsspruch wäre dann nicht nur vergeblich erfolgt, sondern wäre ein Verbrechen gegen Gottes Gebote gewesen, die die Verfolgung Unschuldiger verboten. Die Auferstehung Jesu konnte dadurch verhindert werden, so meinten sie wohl, indem sie seinen Leichnam gleich nach der Hinrichtung in ihre Gewalt brachten und dann verhinderten, dass der Körper Jesu sich am dritten Tag nach seinem Tod als von Gott wieder belebt in der Öffentlichkeit zeigte, indem man sein Grab verschlossen hielt und vor dem Zugang von außen mit einem großen Stein absicherte. Dann konnte niemand behaupten, Jesus sei leiblich auferstanden, wenn sein Körper nicht zu sehen war, der sich vielmehr nach wie vor noch in seinem Grab befand. Wenn Jesus jedoch bereits in einem Grab liegen sollte, das seine Anhänger, die ihnen bei der Abnahme des Leichnams vom Kreuz zuvorgekommen waren, für ihn ausgesucht hatten, musste dieses Grab mindestens drei Tage lang streng bewacht werden, damit niemand während dieser Zeit daraus den Leichnam entfernen konnte und dieser darin eingeschlossen blieb, auch wenn eine wundersame Wiederbelebung des toten Körpers stattgefunden haben sollte. Josef wusste bereits, als Jesus seinen Leidensweg am Kreuz noch nicht vollendet hatte, dass nach seinem Hinscheiden Eile geboten war, wenn verhindert werden sollte, dass die Hohenpriester Jesu Leichnam, so lange er noch am Kreuz hing, an sich brachten. Offenbar verfügte Josef als angesehener Jerusalemer Ratsherr über einen guten Draht zur römischen Besatzungsmacht, der die Gerichtshoheit bei Kapitalverbrechen, die zur Verhängung der Todesstrafe führte, zukam. Entschlossen ging er daher bereits wenige Stunden nach der vollzogenen Hinrichtung zum römischen Statthalter Pilatus – Josef verfügte dank seiner Bildung wohl über gute Lateinkenntnisse – und bat diesen darum, ihm den Leichnam des gekreuzigten Jesus zu überlassen. Vielleicht berief er sich dabei auf eine ihm von den Angehörigen des Toten erteilte Vollmacht, konnte eine solche auch vorweisen, denn weshalb sollte Pilatus einem Familienfremden den Leichnam überlassen? Hätten sich die Angehörigen Jesu nicht zu Recht bei ihm darüber beschweren können, wenn er den Leichnam einem Fremden ausgehändigt hätte?
Ich nehme an, dass Josef eine derartige Vollmacht der Angehörigen Jesu, die nicht den Mut hatten, selbst bei Pilatus vorzusprechen, und denen es auch an den erforderlichen Lateinkenntnissen fehlte, vorweisen konnte. So sah wohl Pilatus keinen Grund, Josef die Herausgabe Jesu Leichnam zu verweigern, zumal es sich bei Josef um ein angesehenes Mitglied der jüdischen Kommunalverwaltung handelte, nachdem er sich durch Rückfragen bei dem Hauptmann, der die Prozedur der Hinrichtung geleitet hatte, vergewissert hatte, dass Jesus tatsächlich tot und die Strafe somit vollstreckt war. (Marcus 15, 45). Dass Josef mit der Lehre Jesu sympathisierte, vielleicht sogar heimlich einer seiner Anhänger war, wusste Pilatus nicht.
Folgen wir nun gedanklich dem Evangelisten Johannes, so kam, nachdem Josef – wohl mit Hilfe einiger Diener - den Leichnam vom Kreuz abgenommen hatte, noch ein gewisser Nikodemus hinzu. (Joh. 19, 39). Dieser hatte Myrrhe, gemischt mit Aloe, (eine wohlriechende Kräutermischung) mitgebracht, die an die hundert Pfund wog. Mit dieser Menge an wohlriechenden Kräutern hätten sie wohl eine weit größere Anzahl von Leichnamen einbalsamieren können. Diese Kräutermischung vermengten sie mit wohlriechenden Ölen, rieben Jesus damit ein und wickelten ihn in Leinentücher ein, „wie die Juden zu begraben pflegen“ (Joh. 19, 40). Die aufwendige Art der Einbalsamierung Jesu lässt erkennen, dass sie nicht mit einer baldigen Auferstehung Jesu von den Toten rechneten. Ein fest in Tücher eingewickelter und überaus stark duftender Mensch hätte sich wohl kaum anderen Menschen als von den Toten auferstanden präsentieren können. Ich vermute, dass Josef und Nikodemus den Leichnam Jesu aus einem anderen Grund in dieser Weise präparierten: Er sollte für den Transport in ein Grab außerhalb von Jerusalem vorbereitet werden! Für die Zeit dieses Transports mussten die mit der beginnenden Verwesung entstehenden üblen Gerüchte im Interesse der den Transport begleitenden Personen durch den Duft wohlriechender Kräuter überdeckt werden. Nach beendeter Einbalsamierung legten sie Jesus auf dem nahe gelegenen Friedhof von Jerusalem in ein Felsengrab, das Josef bereits für die spätere Aufnahme seines eigenen Leichnams in einen Felsen hatte schlagen lassen (Matth, 27, 60). Diesen Ort als vorläufige Begräbnisstätte für Jesus hatte Josef mit Bedacht gewählt. Aus einem Felsengrab (einer Art Gruft) konnte ein Leichnam schnell, ohne Erde bewegen zu müssen, wieder entfernt werden, um in einem anderen Grab beigesetzt zu werden. Josef wusste, dass Jesus in diesem Felsengrab, das einmal seinen eigenen Leichnam aufnehmen sollte, nicht dauerhaft untergebracht werden konnte und er - früher oder später - einen anderen Ort für die Aufnahme des Leichnams Jesu finden musste.
Wenn wir davon ausgehen, dass Josef für die Auslieferung des Leichnams Jesu an ihn durch Pilatus eine Vollmacht der Angehörigen Jesu benötigte, können wir annehmen, dass die Angehörigen Jesu auch mit der Wahl des Felsengrabes als vorläufige Ruhestätte ihres verstorbenen Verwandten einverstanden waren. Vielleicht hatten sie mit Josef auch schon darüber gesprochen, welchen Begräbnisort sie sich für ihren Angehörigen wünschten. Die Heimat Jesu war Galiläa, dort hatte er seine religiöse Prägung erfahren, dort hatte er gewirkt, Kranke geheilt und seine Lehren verkündet. In Galiläa lebten seine Angehörigen, von dort kamen auch seine Jünger. Deshalb war es für seine Angehörigen gänzlich undenkbar, dass Jesus in Jerusalem, einer Stadt, die Jesus gänzlich fremd war, dessen Bevölkerung ihn feindlich empfangen und lautstark seine Hinrichtung am Kreuz gefordert hatte, seine letzte Ruhestätte finden sollte. Der Gedanke, dass sein Leichnam alsbald vom Tode auferweckt und hinauf zum Himmel fahren werde, lag seinen Angehörigen sicherlich fern. Sie besaßen als einfache fromme Juden keine theologische Bildung wie die Schriftgelehrten in Jerusalem, für sie war ihr verstorbener Angehöriger, dessen Fanatismus ihnen vielleicht mitunter übertrieben und abwegig erschienen sein mag, auf den sie aber auch in gewisser Weise stolz waren, immer noch ihr lieber Sohn und Bruder, dem eine Beerdigung gebührte, wie sie auch anderen frommen Juden zuteil wurde; und zwar in seiner Heimat Galiläa. Sie wussten aber auch, mit welchem Fanatismus Jesus von den Hohenpriestern verfolgt wurde, und dass diese auch vor seinem Leichnam nicht Halt machen würden, um Jesus aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft als Ketzer für immer auszuschließen. Für sie hatte sich Jesus der Gotteslästerung schuldig gemacht, in ihren Augen ein todeswürdiges Verbrechen.
Nachdem Josef und Nikodemus ihr Werk vollbracht hatten, wälzten sie einen großen Stein vor den Eingang des Grabes und gingen davon.
Ob Josef von Aritmathäa bei seinem Handeln die Ankündigungen Jesu über sein künftiges Schicksal bekannt waren, wissen wir nicht; möglich ist dies jedoch, denn es kann sein, dass ihm einer der Jünger erzählt hat, was Jesus den Jüngern verkündet hatte. Möglicherweise war dies Simon Petrus, der unter den Jüngern eine führende Stellung einnahm und es gewagt hatte, Jesus zu widersprechen, als dieser im Begriff war, die Ankündigung über sein künftiges Geschick den Jüngern frei und offen zu offenbaren. (Mk. 8, 31 f.)
Wenn Josef Jesus aus dessen Felsengrab heraus nach Galiläa schaffen ließ, geschah dies, so meine ich, um den Leichnam Jesu der Verfügungsmacht der Hohenpriester zu entziehen und ihm eine vor diesen sichere Ruhestätte in Jesu Heimat Galiläa zu verschaffen.
I.2 Auferstehung Jesu von den Toten und Jesu Himmelfahrt
Die Grablegung Jesu war von Maria von Magdala (sowie von der Mutter des Joses, die ebenfalls Maria hieß) beobachtet worden. ( Markus 15, 47; Lukas 23, 55). Diese Frauen hatten jedoch nicht erkennen können, dass Josef und Nikodemus Jesus gründlich einbalsamiert hatten und bereiteten daher, nachdem sie sich vom Grab entfernt hatten, ebenfalls wohlriechende Öle und Salben vor, um Jesus damit, wie es jüdischer Brauch war, zu salben. Sicherlich werden sie nicht eine derartige Menge dieser Kosmetika verwendet haben, wie Josef und Nikodemus. Ihre Vorbereitungen zu einer weiteren Einbalsamierung Jesu sind m.E. ein Hinweis darauf, dass sie nicht mit einer Auferstehung Jesu von den Toten rechneten, sondern nur dem bei jüdischen Beerdigungen üblichen Brauch folgten. Sie wussten nun aber, wo das Grab Jesu zu finden war, und gaben ihr Wissen wohl auch an die Jünger Jesu weiter, von denen keiner bei der Grablegung Jesu zugegen gewesen war.
Bald hatten auch die Hohenpriester – vielleicht durch Nachfrage bei der Friedhofsverwaltung – herausgebracht, wo sich das Grab Jesu befand. Sie gingen zu Pilatus, um von diesem zu erreichen, dass er das Grab Jesu bis zum dritten Tag nach dessen Hinrichtung bewachen lasse, damit nicht seine Jünger den Leichnam aus dem Grab herausholen könnten und dann behaupten könnten, er sei fristgerecht von den Toten wieder auferstanden. (Mt.27, 62 -68) (Dies wäre doch aber nur dann möglich, wenn die Jünger dem Volk einen lebendigen, neu belebten Jesus hätten präsentieren können; die Hohenpriester meinten, dass dies nur durch Betrug, also durch Vorzeigen eines „falschen“ Jesus, eines Menschen, der vorgab, Jesus zu sein. geschehen könne. Mit dieser Auffassung hatten sie nicht ganz unrecht, denn, wie sich noch zeigen wird, stahlen seine Jünger zwar nicht den Leichnam Jesu – sie zeigten sich vielmehr später überrascht, als sie die Nachricht erhielten, Jesus sei aus dem Grab verschwunden – ließen sich dann aber in ihrer Mehrzahl tatsächlich, wie ich meine, durch das Erscheinen falscher Jesusdarsteller verleiten, daran zu glauben, dass eine Auferstehung Jesu stattgefunden habe.)
Wir wollen hier jedoch den Geschehnissen nicht vorgreifen. Pilatus ließ sich von den Argumenten der Hohenpriester überzeugen und ließ das Felsengrab durch eine Wache sichern, d.h., auch Josef und den Angehörigen Jesu wurde der Zutritt verwehrt. Der Zugang zum Grab war ja bereits von Josef durch Aufstellen eines großen Steins verhindert worden. (Matth. 27, 66).
Ich behandle in der folgenden Darstellung wegen zahlreicher Abweichungen in den Evangelien die einzelnen Evangelienberichte getrennt.
Matthäusevangelium (Mt. 27,57 – 28,20)
Als Maria Magdala und eine weitere Frau namens Maria nach dem Grab sehen wollen, ereignete sich lt. Matthäus zur gleichen Zeit in der Region ein starkes Erdbeben. Ursache hierfür war angeblich die Herabkunft eines Engels vom Himmel, der den Stein von Jesu Grab hinwegwälzte und sich darauf niederließ. Bei den anderen Evangelisten gibt es keinen Bericht über ein derartiges Erdbeben, und es ist zu fragen, ob es sich hier vielleicht nur um einen inszenierten „Theaterdonner“ handelte, mit dem das Erscheinen des Engels und sein Handeln wirkungsvoll in Szene gesetzt werden sollte. Weiter heißt es bei Matthäus, die Wachen seien vom Anblick des Engels erschreckt worden (wahrscheinlich auch durch das fiktive Erdbeben) und hätten wie tot dagelegen. Dann konnten sie vielleicht auch nicht bemerkt haben, dass der Stein von dem Engel fortgewälzt wurde. Von ihnen ist dann nicht weiter die Rede; der Engel spricht vielmehr nur zu den Frauen, indem er diesen mitteilt, dass Jesus auferstanden sei, wobei er überflüssigerweise darauf hinweist, dass Jesus dies bereits gesagt habe, (Damit wird auf Lk. 9, 22 verwiesen, wo es heißt: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tag auferstehen.) Dies sagte Jesus aber nur zu seinen Jüngern, zu denen bekanntlich keine Frauen gehörten. Die beiden Frauen namens Maria können demnach diese Worte damals nicht vernommen haben und konnten deshalb mit den Worten des Engels nichts anfangen. Der Engel will offensichtlich mit seinen Worten zum Ausdruck bringen, dass Jesus von seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung von den Toten gewusst hat, womit sich ein Bibelwort bewahrheitet hätte. Wusste Jesus aber von dem ihm vorbestimmten Tod und der diesem folgenden Auferstehung, dann, so lässt sich schließen, war dies der Wille Gottes, und beschlossene Sache, die unausweichlich war. Seinen Anhängern konnte somit nicht vorgeworfen werden, sie hätten Jesus im entscheidenden Moment seiner Festnahme im Stich gelassen Hierin zeigt sich die Absicht der damaligen Theologen, Tod und Auferweckung Jesu von den Toten, Voraussetzung für den Glauben an seine Himmelfahrt, als Erfüllung göttlichen Willens erscheinen zu lassen. Wäre Jesus nur deshalb gekreuzigt worden, weil ihm seine Gefährten nicht rechtzeitig und tatkräftig Beistand geleistet hätten, dann wäre er nur einer von vielen anderen gewesen, die damals gegen die jüdische Obrigkeit aufmüpfig waren und denen ihre verdiente Strafe zuteil wurde. Als zentrale Leitgestalt des christlichen Glaubens hätte Jesus dann nicht fungieren können. -
Auf Geheiß des Engels, schreibt Matthäus weiter, hätten sich die beiden Frauen eilends vom Grab entfernt, um die Jüngern die erfreuliche Nachricht von der Auferstehung Jesu zu verkünden. Tatsächlich sei Jesus den beiden Frauen kurz darauf begegnet (Woher kam er? Wo hatte er sich nach seiner Auferstehung aufgehalten? - wäre zu fragen) und habe sie - ohne Umschweife und ohne weitere Erklärungen – aufgefordert, die Tatsache seiner Auferstehung den Jüngern mitzuteilen. Diese sollten nach Galiläa gehen, wo sie Jesus suchen sollten. Dieser Hinweis auf Galiläa bei Matthäus führt uns auf die richtige Fährte, wenn wir wissen wollen, wo Jesu Leichnam zu finden ist und wer ihn aus dem Felsengrab herausgeholt hat. Es war zweifellos Josef von Aritmathäa, der – sicherlich mithilfe einiger Diener – den Leichnam Jesu aus seinem Felsengrab herausgeholt und ihn nach Galiläa hat schaffen lassen! Vielleicht ist er im Augenblick der Entdeckung des leeren Grabes schon auf dem Weg in seine Heimat. Das Herausschaffen des Leichnams aus seinem Felsengrab konnte ohne großen Aufwand in kurzer Zeit erfolgt sein, ohne dass die schlafenden Wachen dies bemerkt hätten. Wenn das Transportgefährt bereits in der Nähe stand, konnte der Leichnam darauf sehr schnell verstaut worden sein – vielleicht in einer Kiste, wie sie zum Transport von Handelsware verwendet wurde, die beim Passahfest in Jerusalem verkauft worden war. Josef hätte dies sicherlich leicht organisieren können. Vielleicht war ja auf dem Transportgefährt außer dem Begleitpersonal noch Platz für die Mitnahme weiterer Personen, die nach Galiläa zurückreisen wollten, ich denke hier besonders an die Angehörigen Jesu, seine Mutter und seine Brüder.
Mittlerweile hatten einige Wachsoldaten den Hohenpriestern berichtet, was sie erlebt hatten. Ob sie auch von dem ominösen Erdbeben berichteten, das mit der Erscheinung des Engels verbunden war und ob sie durch das Zusammentreffen dieser zwei Ereignisse so sehr erschreckt waren, dass sie die Entfernung des Steins vor dem Grabe und die Auferstehung Jesu deshalb nicht bemerkten, wird nicht berichtet.. Vielleicht haben sie einfach gesagt: „Die Leiche ist nicht mehr da!“ Statt sie nun für ihre Nachlässigkeit zu tadeln, gaben ihnen die Hohenpriester Geld dafür, dass sie überall erzählten, die Jünger Jesu hätten seinen Leichnam gestohlen, während sie schliefen. ( Matth. 28, 11 – 15). Wir wissen, dass die Behauptung, der Leichnam Jesu sei von seinen Jüngern gestohlen worden, nicht stimmte, denn die Jünger waren alle sehr überrascht, als sie von den beiden Frauen erfuhren, der Leichnam Jesu sei verschwunden.
Weiter bei Matthäus: Als die Jünger aufgrund der Aufforderung der beiden Frauen, die eine angebliche Weisung Jesu befolgten, nach Galiläa gekommen waren, sei ihnen Jesus erschienen und habe sie (offenbar durch seine Erscheinung) so sehr erschreckt, dass sie vor ihm zu Boden fielen, „ einige aber zweifelten.“ Warum und woran zweifelten diese Jünger? Etwa daran, dass dieser Mensch, der dort vor ihnen stand, Jesus war? Sah er etwa nicht so aus wie der Jesus, den sie kannten und noch vor wenigen Tagen gesehen hatten? Wie viele haben gezweifelt? Waren es wenige oder gab es eine größere Anzahl von Zweiflern? M.E. hätte schon das Urteil eines einzigen Menschen, der Zweifel an der Identität des vor ihnen stehenden Mannes mit Jesus äußerte, ausgereicht, um das Auftreten dieses Jesusdarstellers als Betrug erscheinen zu lassen. Nun hatten aber mehrere Jünger Zweifel an der Identität dieses Mannes mit Jesus geäußert. Der Betrug war also offensichtlich.
Heutzutage wäre es ein Leichtes gewesen, festzustellen, ob jemand, der vorgab, ein bestimmter Mensch zu sein, diese Person tatsächlich war, wenn man an seiner Behauptung zweifelte indem man ihn darum bat, seinen Personalausweis vorzuweisen. Die Angaben zum Wohnort und zum Geburtsdatum hätten dann wohl jeden Zweifel beseitigt.Die Person, die da in Galiläa vor den Jüngern stand, hatte diesen nicht viel zu sagen. Fürchtete sie vielleicht, als Pseudo-Jesus enttarnt zu werden, wenn sie zu viel sprach und von ihren Erlebnissen während ihrer Auferweckung von den Toten berichtete? Wir wissen es nicht. Jedenfalls wollte diese Person, bevor sie wieder entschwand, noch eine Botschaft an die Jünger loswerden, die ganz im Sinne der Apostel war, die weitere Anhänger für ihre Lehre gewinnen wollten, eine Botschaft, die später als „Missionsbefehl“ oder „Missionsauftrag“ bekannt wurde: „…. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ u.s.w.( Matth, 28, 18 -20). Wie denn? War das der gleiche Jesus, der seine Jünger zu Lebzeiten noch strikt angewiesen hatte, „ nicht den Weg zu den Heiden zu gehen und in keine Stadt der Samariter zu ziehen, sondern zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel zu gehen “ (Mt.10, 5-6)?
Woher dieser plötzliche Sinneswandel Jesu, der den Aposteln sicherlich gelegen kam? Der auferstandene Jesus konnte doch nicht wissen, dass in seinem Namen die Völker missioniert werden sollten. Hätte der Auferstandene nicht auch zu seinen Jüngern sagen können: „Nun setzt mein Werk fort und verkündet dem jüdischen Volk weiterhin meine Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen und sein Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, so dass ihr alle Juden zu meinen Jüngern macht!“
In meinen Augen hat dieser dubiose „Missionsbefehl“ ein „Geschmäckle“; er sollte die Ausbreitung des Glaubens an Jesus sowie an Christus als der zum Himmel gefahrene Jesus auch bei Nichtjuden fördern, entgegen des erklärten Willens Jesu zu seinen Lebzeiten, seine Botschaft nur den Juden verkündigen zu wollen.
In meinen Augen gibt es daher diesen angeblichen „Missionsbefehl“ Jesu, der von einem dubiosen Pseudo-Jesus verkündet wurde, gar nicht und die Apostel konnten sich bei ihrer Mission anderer Völker nicht auf ihn berufen.
Bei dieser angeblichen Erscheinung des auferstandenen Jesus vor seinen Jüngern in Galiläa stimmt auch etwas nicht mit dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse. Die Auferweckung Jesu von den Toten soll nach den Prophezeiungen in der Heiligen Schrift am dritten Tage nach dem Tod Jesu stattfinden. An diesem Tage befand sich der Leichnam Jesu in Jerusalem in seinem Felsengrab. Dort hätte also auch die Auferstehung erfolgen müssen.
Nehmen nun einmal an, diese hätte, als Josef nach meiner Theorie den Leichnam aus dem Felsengrab herausholte, noch nicht stattgefunden, sondern wäre erst während des Transports nach Galiläa erfolgt – was freilich schwer vorstellbar ist – jedoch noch fristgerecht, dann wäre Jesus bei seiner Ankunft in Galiläa bereits als von den Toten auferstandener, lebendiger Mensch angekommen und hätte dort auf die Ankunft seiner Jünger gewartet, denen er dort erscheinen sollte. Diese hätten erst nach einer Reise von mehreren Tagen in der von Jerusalem entfernt liegenden Landschaft Galiläa eintreffen können, und es ist fraglich, wo und wie sich Jesus bis dahin die Zeit vertrieben hätte. In einem Grab hätte er ja nun nicht mehr gelegen. Hatte er bereits Kontakt zu anderen Menschen aufgenommen, denn schließlich benötigte er Nahrung und Getränke, wie andere Menschen auch? Bei Matthäus erfahren wir hierüber nichts. Außerdem: Wenn er seinen Jüngern in Galiläa erschien, und zwar erst mehrere Tage nach seinem Tod, wie passt das zu den Berichten der Evangelien, dass Jesus bereits kurz nach seiner Auferstehung von den Toten am dritten Tage nach seinem Tod vor seinen Jüngern in Jerusalem erschien und von dort aus, nämlich von dem nahe Jerusalem gelegenen Betanien aus, auf in den Himmel fuhr? (Lk. 24, 50 ff.) Während der Zeit, als er seinen Jüngern in Jerusalem erschien, konnte Jesus nicht gleichzeitig in Galiläa sein.
Immerhin gibt der Hinweis auf Jesu Erscheinen vor den Jüngern in Galiläa bei Matthäus einen Hinweis darauf, dass sich der Leichnam Jesu, nachdem man entdeckt hatte, dass sein Grab leer war, nun irgendwo in seiner Heimat Galiläa befand.
Und was ist mit der Himmelfahrt Jesu, der zentralen Glaubensbotschaft des Christentums? Für Matthäus findet diese schlicht nicht statt, über eine Himmelfahrt Jesu berichtet er nichts. Warum finden wir bei Matthäus keinen Bericht über dieses Geschehen? Glaubte er vielleicht selbst nicht an ein solch wundersames Geschehen und wollte seinen Lesern deshalb die Lektüre nicht zumuten? Oder hielt er für schwierig, diese Geschehnisse verbal darzustellen und verzichtete daher absichtlich auf deren Darstellung? Es lässt jedoch die christliche Glaubensbotschaft in einem zweifelhaften Licht erscheinen, wenn ein so bedeutender Evangelist wie Matthäus die Himmelfahrt Jesu unerwähnt lässt. Matthäus hätte doch wenigstens erwähnen können, dass eine Himmelfahrt Jesu stattgefunden hat. Doch ist er nicht der einzige Evangelist, bei dem nichts über eine Auffahrt Jesu in den Himmel zu lesen ist
Markusevangelium (Mk. 15,42 – 16,8).
Bei Markus gehen drei Frauen, außer den beiden bereits bei Matthäus erwähnten Frauen mit Namen Maria auch eine Frau namens Salome, zum Grab, um den Leichnam Jesu zu salben. Als sie noch überlegen, wer für sie den großen Stein vor Jesu Grab hinweg wälzen könnte, bemerken sie, dass dies bereits geschehen ist. Offenbar hatte dies ein junger weiß gekleideter Mann getan, der sie nun darüber informierte, dass Jesus auferstanden sei. Sie sollten seine Jünger auffordern, nach Galiläa zu gehen (wie bei Matthäus), wo sie ihn, zusammen mit den beiden Frauen, sehen würden. Auch Markus gibt hier also einen deutlichen Hinweis darauf, wo der Leichnam Jesu zu finden ist, er scheint also zu wissen, dass man den Leichnam in Jesu Heimat gebracht hat. Sinngemäß heißt es weiter bei Markus: Aus Furcht sagten sie ( die beiden Frauen) niemand etwas, weil sie sich fürchteten. ( Mk 16, 8).
Hiermit endet das Markusevangelium in seiner ältesten, ursprünglichen Fassung, denn über die folgenden Verse 16, 9 – 20 , in denen über die Erscheinung Jesu vor seinen Jüngern und seine Himmelfahrt berichtet wird, heißt es in der Anmerkung hinter Vers 20 in der Lutherbibel: „ Nach den ältesten Textzeugen endet das Markusevangelium mit Vers 8. Die Verse 9 – 20 sind im 2. Jahrhundert hinzugefügt worden, vermutlich, um dem Markusevangelium einen den andern Evangelien entsprechenden Abschluss zu geben.“
Damit sind diese Verse mit den darin geschilderten Geschehnissen nicht authentisch und können deshalb hier unkommentiert bleiben.
Auch hier stellt sich die Frage, warum Markus nichts über die Auferstehung Jesu, seine Erscheinung vor den Jüngern und seine Himmelfahrt berichtet.
In Vers 19 des nichtauthentischen Teils des Markusevangeliums heißt es: „Jesus wurde aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Der Verfasser dieses Textes kann nicht gewusst haben, wie sich die Ankunft Jesu im Himmel nach seiner Himmelfahrt gestaltete, wie die Rollenverteilung dort war und welcher Platz Jesus im Himmel zugewiesen wurde. Diese wenigen Worte aus dem Text eines unbekannten Autors wurden jedoch Bestandteil des christlichen Glaubensbekenntnisses. Wenn der Vers des Markusevangeliums, dem dieser Satz des Glaubensbekenntnisses entstammt, sich als unecht, weil nicht authentisch, herausgestellt hat ( und somit obsolet ist), wäre es dann nicht an der Zeit, die Worte „er sitzt zur Rechten Gottes“ ersatzlos aus dem Glaubensbekenntnis zu streichen - denn einen anderen Beleg für diese Behauptung gibt es m. W. nicht - anstatt diese Formulierung immer wieder in jedem Gottesdienst als persönliches Glaubensbekenntnisses zu sprechen.
Lukasevangelium ( Lk. 23,50 – 24,52 )
Bei Lukas sind es zwei Männer in glänzenden Kleidern, die zu den Frauen traten, welche zum Grab Jesu gekommen waren, um seinen Leichnam mit wohlriechendem Öl zu salben und den Stein vor dessen Eingang bereits weggeräumt vorgefunden hatten. Dass diese Männer glänzende Kleidung trugen, könnte die Überlegung nahe legen, dass es sich bei ihnen um Diener des Josef handelte, die von diesem beauftragt worden waren, denjenigen, die als erste bemerkt hatten, dass das Grab Jesu leer war, einen Hinweis darauf zu geben, dass der Leichnam Jesu nach Galiläa transportiert wurde. Möglicherweise sind die beiden Männer in „glänzenden Kleidern“ (d.h. die beiden gut gekleideten Männer) mit dem weiß gekleideten Jüngling bei Matthäus identisch.
Nachdem diese Männer den beiden Frauen mitgeteilt haben, Jesus sei auferstanden, fügen sie noch hinzu, sie sollten sich noch daran erinnern, was Jesus ihnen einst in Galiläa gesagt habe. (Lukas spielt hier darauf an, dass Jesus damals zu seinen Jüngern gesagt habe, er werde viel leiden müssen, er werde getötet werden und am dritten Tage wieder auferstehen. (Lk. 9, 22). Die beiden Frauen waren bei dieser Voraussage Jesu, die er nur an seine Jünger gerichtet hatte, jedoch gar nicht dabei gewesen, hätten sich infolgedessen auch gar nicht daran erinnern können. Als den Aposteln der Bericht der beiden Frauen über die Auferstehung Jesu zu Ohren kam, meinten sie, es handele sich um Geschwätz und glaubten ihnen nicht.(Lk. 24, 11). Dies könnte bedeuten, dass die Apostel nicht an eine Auferstehung Jesu von den Toten glaubten oder die Ankündigungen, die Jesus seinen Jüngern über das Schicksal, das ihm einmal bevorstehen, wird, prophezeit hatte, nicht kannten.
Die Erlebnisse der „Emmausjünger “ ( Lk. 24,13 – 38 )
Bei den so genannten Emmausjüngern handelte es sich nicht um Jesu Jünger im engeren Sinne, also nicht um die nach dem Ausscheiden von Judas Iscariot, dem Verräter, aus dem Kreis der Jünger noch verbliebenen elf Jünger, sondern um zwei Männer, die dem Kreis der Jünger nahe standen bzw. mit der Lehre Jesu sympathisierten.
Während sich diese zwei Männer während eines Fußmarsches von Jerusalem in das unweit gelegene Dorf namens Emmaus noch über die Begebenheiten im Zusammenhang mit Jesu Tod unterhielten, gesellte sich ein Mann zu ihnen ,mit dem sie ins Gespräch kamen und mit dem sie sich über die oben erwähnten Geschehnisse unterhielten. „Und es geschah, als sie so redeten und einander fragten,da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.“ (Lk.24,15). Hier müssen wir innehalten und uns mit dieser Aussage Lukas’ näher beschäftigen. Lukas konnte nicht wissen, dass dieser Mensch, der sich den beiden Emmausjüngern auf ihrer Wanderung angeschlossen hatte, Jesus war. Woher sollte er diese Information haben, so viele Jahre nach Jesu Tod? Er hatte an dieser Wanderung nicht teilgenommen.Auch seine Quelle, der er diese Information entnommen hatte, konnte nicht wissen, dass es es sich hier um Jesus handelte. Schließlich war auch dieser Gewährsmann damals nicht am Ort des Geschehens gewesen. Diese Behauptung entstammt der Phnatasie Lukas’, weil sie ihm gut in sein schriftstellerisches Konzept passt. Lukas bringt hier sein Ansehen, das er als Evangelienautor besitzt, ins Spiel, um die Leser seines Evangeliums, einfache bibelgläubige Menschen seiner Zeit, die wenig gebildet waren und den Worten der Evangelisten unbesehen Glauben schenkten, in seinem Sinne zu beeinflussen. Der heutige Leser seines Evangeliums sollte sich von seiner Autorität als Evangelienautor nicht beirren lassen und seine Worte kritisch lesen.Aus der späteren Schilderung der Erlebnisse der Emmausjünger mit dem angeblichen Jesus durch Lukas erkennen wir zwar, dass diese durch gewisse, in meinen Augen nicht überzeugende Auffälligkeiten im Verhalten dieses Menschen vermutet hatten, es müsse sich bei ihm um Jesus handeln, diese Vermutung hatten sie aber zunächst nur untereinander geäußert, später auch im Gespräch mit den Jüngern, nachdem sie diese In Jreusalem getroffen hatten, sicher konnten sie sich aber nicht sein, dass es sich bei dem Fremdling wirklich um Jesus handelte. Ihren Wandergefährten hatten sie nicht gefragt, ob er vielleicht Jesus sei. Was bei den Emmausjüngern nur eine Vermutung war, stellt Lukas als sichere Tatsache hin. und beinflusst daher seine Leser, die dem Evangelisten Glauben schenken, in seinem Sinne. Mir erscheint diese Behauptung Lukas’überdies auch sehr gewagt und unglaubwürdig: Der eben erst dem Tode entronnene, sicherlich noch von den Folgen der Kreuzigung gezeichnete Jesu unternimmt eine Wanderung über Land, die ihm anscheinend keinerlei Mühen bereiet? Woher kommt er und was ist das Ziel seiner Wnderung? Musste er nicht gewärtig sein, jeden Augenblick seine Himmelfahrt antreten zu müsssen, wie es ihm vorhergesagt worden war? Diese Himmelfahrt musste von jemand bezeugt werden können, um beweisen zu können, dass sie stattgefunden hat, es mussten also andere Menschen bei seiner Himmelfahrt zugegen sein. Dazu passt e schlecht, dass er jetzt allein eine Wandeung unternimmt, bei der er vielleicht niemanden trifft. Was hat sich Lukas dabei gedacht? So viel ich weiß, war für Jesu Himmelfahrt kein bestimmter Termin vorgesehen, sie konnte also jederzeit erfolgen. Außerdem Die beiden Emmausjünger erkennen ihren Wanderkameraden gar nicht als Jesus. Sicherlich hätten sie ihn sofort erstaunt und erfreut als den Jesus, den sie gut kannten, begrüßt und sich mit über seinen Tod und seine wundersame Auferstehung von den Toten unterhalten. Als sie sich ausführlicher mit dem Fremden über diese Fragen unterhalten, wundern sie sich darüber,dass dieser von den Ereignissen in Jerusalem und von der Kreuzigung Jesu noch nichts weiß, was für mich durchaus glaubhaft ist. Schließlich spricht sich das, was in Jerusalem geschieht, nicht gleich in alle Städte und kleinen Dörfer in seiner Umgebung herum. Es ist auch nicht erstaunlich, dass sich der fremde Wandersmann, der sich offenbar in der Heiligen Schrift gut auskennt,über das auslässt, was bei Moses und den Propheten uber jemand zu lesen ist, dem es vorher bestimmt ist, von den Menschen viel Unheil zu erleiden,hingerichtet zu werden, am dritten Tage nach seiner Hinrichtung vom Tode auferweckt zu werden und in den Himmel aufzufahren. Offenbar haben sie sich als einfache jüdische Gläubige mit der Heiligen Schrift bisher noch nicht ausführlich beschäftigt.Sein großes Wissen über diese Thematik lässt bei ihnen gar die Vermutung aufkommen, es handele sich bei ihm um Jesus. dabei hat ihr Wandergefährte diese Prophezeihungen gar nicht auf sich selbst bezogen , da er alles in der dritten Person vorgetragen hat..Aber hätte auch der wirkliche Jesus, der doch seine Pappenheimer kannte und wusste, was er von ihrem Bibelwissen zu halten hatte, so belehrend zu ihnen gesprochen, nur um ihnen seine große Kenntnis der Heiligen Schriften zu vorzuführen? Lukas schreibt, die Augen der beiden Emmausjünger seien „gehalten gewesen,“ so dass sie ihn nicht erkannt hätten. Was will uns Lukas mit diesem ungewöhnlichen Sprachbild, das wir nur bei ihm finden, sagen? Will er damit sagen, dass jemand , der einen anderen wiedersieht, den er längere Zeit nicht gesehen hat oder dessen Aussehen sich, z.B. infolge einer Krankheit, stark verändert hat, nicht gleich wieder erkennt? So etwas kommt hin und wieder, wenn auch selten, vor. Im Laufe eines längeren Gesprächs erkennen wir stets, mit wem wir es zu tun haben. zumal, wenn unsere Erkenntnis von unserem Gesprächsparter bestätigt wird. Hier geschieht das nicht, die Emmausjünger haben ihren Wandergefährten auch nach längerer Unterhaltung nicht als Jesus, identifiziert, dieser hat sich ihnen auch nicht als Jesus zu erkennen gegeben Mir scheint, dass Lukas dem damals zu seiner Zeit weit verbreiteten Glauben verhaftet war, der einzelne Mensch hätte keine eigene Identität, die Identität von Menschen sei vielmehr austauschbar.Es war die Zeit von Ovid, der in seinen Metamorphosen eine schier endlose Fülle von Verwandlungen vor seinen Lesern ausgebreitet hatte; fast alles konnte ineinander verwandelt werden. Diese Fabeln wurden damals gern gelesen und von vielen wohl auch geglaubt. In diesem Weltbild bewegt sich auch das Denken Lukas’.
Heute wisen wir , dass die Identität eines Menschen in seinen Genen eindeutig und für sein ganzes Leben fest gelegt ist. Durch einen Vergleich ihrer DNA lässt sich bei zwei Personen leicht feststellen, wer die eine und wer die andere Person ist Wenn Jesus in dem Wandergefährten steckte, was war dann aus dessen Identität geworden? War sie nur verdrängt worden von der Identität Jesu,steckten in ihm nun zwei unterschiedliche Identitäten?
- Kleopas, einer der beiden Emmausjünger, klärt den Weggenossen über die Geschehnisse in Jerusalem auf und meint, sie hätten gehofft, Jesus sei derjenige, der Israel erlösen werde.
Das klang nicht danach, als teilten sie die Auffassung, Jesus sei gekommen, um die Menschen in aller Welt von ihren Sünden zu erlösen, wie es die Apostel verkündeten. Für mich beweist diese Bibelstelle, dass für Jesu Anhänger sein Wirken einzig und allein dem Volke Israel bzw. dem jüdischen Volk galt, nicht jedoch den heidnischen Völkern.
Als sie sich ihrem Reiseziel nähern, will der Fremde zunächst weitergehen. Sie nötigen ihn jedoch, bei ihnen zu bleiben; wobei sie statt der bekannten, viel zitierten Worte „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget,“ ebenso gut gesagt haben könnten : „Komm doch mit uns, es wird schon dunkel, du kannst auch bei uns übernachten!“ Offenbar ging der Fremde, der sich doch eigentlich von seinen Wandergefährten trennen wollte, gern auf diese freundliche Einladung ein, in der Hoffnung, vielleicht von diesen auch noch beköstigt zu werden. Er hatte wohl auch bemerkt, dass seine Weggefährten Interesse an seiner Person gefunden hatten, wovon er sich möglicherweise weitere Vorteile versprach. Kam es ihm gar so vor, dass sie ihn für Jesus hielten? Ließ sich daraus nicht Kapital schlagen, mag er sich vielleicht gedacht haben? Was wäre geschehen, wenn sich der fremde Wandergefährte nicht hätte nötigen lassen, bei ihnen zu bleiben und die Wanderung gemeinsam fortzusetzen? Wenn er sich mit freundlichen Worten von den zwei Emmausjüngern verabschiedet hätte? Dann hätten ihn die beiden Emmausjünger als interessanten und gelehrten Gesprächspartner in der Erinnerung behalten und wären nicht auf die Idee gekommen, es könne sich bei ihm um Jesus halndeln, zumal er nicht vor ihren Augen das Brot in der gleichen Weise gebrochen hätte, wie sie es von Jesus gewohnt waren. Dann wäre dieser Weggefährte auch nicht später bei den Jüngern in Jeusalem aufgetaucht und hätte sich als Jesus ausgegeben. Dieser angebliche Jesus hätte dann später auch nicht, wie Lukas später schreibt, in Bethanien zum Himmel auffahren können. - Doch es kam bekanntlich anders. Als der Fremde mit ihnen später beim gemeinsamen Mahl zusammen sitzt und das Brot bricht, sei es ihnen auf einmal, schreibt Lukas sinngemäß, wie Schuppen von den Augen gefallen und sie hätten ihn als ihren Meister erkannt. Ich frage mich: Kann man wirklich einen Menschen daran erkennen, auf welche Weise er das Brot beim Essen bricht? Hierbei handelt es sich doch um eine alltägliche Geste, bei deren Ausführung – damals meist durch den Hausherrn - sich die einzelnen Menschen nicht stark voneinander unterscheiden und kaum individuelle Besonderheiten zu beobachten sind. Die eindeutige Identifizierung einer bestimmten Person allein durch die Art, wie sie das Brot beim Essen bricht, ist m.E. nicht möglich. Außerdem: Hätten nicht die Emmausjünger, als Jesus vor ihren Augen das Brot brach und sie nun meinten, in ihm Jesus zu erkennen, auch seine Wundmale erkennem müssen, die er von der Kreuzigung an den Händen zurückbehalten hatte? Darüber berichtet uns Lukas nichts; offenbar hat dieser Jesus keine Wundmale aufzuweisen, dieser Mensch kann deshalb gar nicht Jesus sein! Erst später, als dieser Mann auch den Jüngern gegenübertritt, hat er plötzlich Wundmale aufzuweisen, die ihn als Jesus identifizieren sollen, Inzwischen hatte er Zeit gehabt, seine Hände und Füße entsprechend zu präparieren.
Und warum verschwand der angebliche Jesus bzw. der Mensch, den sie als Jesus erkannt haben wollen, plötzlich so schnell? Wollte er von den Anwesenden nicht über seine Erlebnisse befragt werden (die er gar nicht hätte vorweisen können), fürchtete er etwa, als Betrüger entlarvt zu werden oder war es ihm nur peinlich, für jemand gehalten zu werden, der er in Wirklichkeit nicht war? Hätten sie ihn jetzt nach seinen Wundmalen gefragt, um sich zu vergewissern, dass sie Jesus vor sich hatten, hätte er passen müssen. Also hieß es für ihn: jetzt schnell verschwinden! Die zwei Emmausjünger waren jedenfalls davon überzeugt, den auferstandenen Jesus getroffen zu haben, und teilten ihre Überzeugung den elf Jüngern in Jerusalem mit, nachdem sie sich mit diesen getroffen hatten.
Jesu Erscheinung vor den Jüngern
Als die Jünger sich gerade über das Gespräch mit den Emmausjüngern unterhalten, erscheint plötzlich eben jener Mann, den die Emmausjünger für Jesus gehalten hatten, in ihrem Kreis und begrüßt sie mit einem freundlichen „Schalom!“ („Friede sei mit dir/euch“), dem üblichen Willkommensgruß der Juden. ( Hätte ein tatsächlich von den Toten auferstandener Jesus diese formelle Form der Anrede, die Fremden gegenüber benutzt wird, auch für die kleine Schar der ihm doch eng vertrauten Jünger gewählt ?) Offenbar hatte sich dieser Mensch aufgrund der Erfahrung, dass ihn seine zwei Weggefährten auf dem Fußmarsch nach Emmaus offensichtlich für Jesus gehalten hatten, nun entschlossen, bei den Jüngern, aus welchen Motiven auch immer, die Rolle des Jesus zu spielen.
Kein Wunder, dass die Jünger, die diesen Menschen bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatten, vor seiner Erscheinung erschrecken, denn Lukas schreibt nicht, dass dieser Mensch inzwischen das Aussehen des wirklichen Jesus angenommen hätte. Der angebliche Jesus fragt nicht etwa, wie man hätte erwarten können: „Erkennt ihr mich nicht, ich bin doch Jesus, euer Meister!“, sondern wundert sich lediglich darüber, dass sie so erschrocken sind. Dann zeigt er ihnen seine Hände und Füße mit von ihm zuvor darauf aufgemalten Wundmalen, um zu beweisen, dass er kein Geist, sondern der von Gott von den Toten auferweckte und neu ins Leben gerufene Jesus ist. Hätte man ihn nicht auch ohne diese Demonstration aufgrund seines Aussehens als Jesus identifizieren können?
Man muss bezweifeln, dass ein Mensch, dessen Körper gerade eine Kreuzigung über sich ergehen lassen musste, der für tot erklärt und begraben wurde und nur durch das Eingreifen Gottes ins Leben zurückgerufen wurde, eine größere Wanderung über Land hätte überstehen können. Dieser Mensch hätte doch nach seiner Kreuzigung und anschließenden Wiederbelebung dringend eine Reha benötigt, damit sich sein Körper von den schweren ihm zugefügten Verletzungen erholen konnte, Das Bild eines rüstigen Wanderers passt gewiss nicht zu einem körperlich derart beeinträchtigten Menschen, der vielleicht nie mehr normal wird gehen können.
Den Jüngern hätte auch auffallen müssen. dass der vom Tode auferweckte Jesus in sein Alltagsgewand gekleidet ist. In das Grab wird man schwerlich einen mit seinem Alltagsgewand bekleideten Leichnam gelegt haben; überliefert ist, dass nur Leinentücher im Grab zurückblieben. Wie ist Jesus dann zu der Kleidung gekommen, die er vor seiner Verhaftung getragen hat? Schon in seinem Kerker wird er nicht mehr seine gewohnte Alltagskleidung getragen haben.. Als er am Kreuz hing, hatten, so ist bei Matthäus überliefert, die Henkersknechte seine Kleidung unter sich verteilt und untereinander ausgelost. Auf diese Kleidungsstücke konnte also niemand mehr, auch nicht der Emmaus.-Jesus zurückgreifen. Hatte diesen Gott inzwischen mit neuer Kleidung ausgestattet? Gott ein Herrenausstatter? Das kann doch wohl nicht sein. - Als die Jünger –oder jedenfalls mehrere unter ihnen - immer noch nicht so recht von seiner Identität als Jesus überzeugt sind, isst er vor ihren Augen ein Stück gebratenen Fisch, um zu beweisen, dass er ein lebender Mensch ist Doch muss er deshalb auch Jesus sein? Konnte denn der vom Tode auferweckte Jesus überhaupt noch ein Mensch wie andere Menschen sein? Ihm war doch eine Auffahrt in den Himmel vorherbestimmt, die jeden Augenblick erfolgen konnte! Benötigt er da noch Nahrung? (Musste er vielleicht auch noch die Toilette aufsuchen?) Was dieser Mensch dann zu ihnen sagt: Alles, was über ihn (d.h., über Jesus) im Gesetz, d.h., in der Bibel, geschrieben steht, müsse erfüllt werden, kann auch ein anderer als Jesus gesagt haben. Sein Verweis auf die Bibelstelle, in der es heißt, Christus müsse leiden und von den Toten am dritten Tage auferstehen, muss ebenfalls nicht von Jesus selbst gesprochen worden sein; wir kennen diesen Spruch bereits aus Lukas 9, 22. Er müsste den Jüngern eigentlich bereits bekannt sein. Offenbar will der Evangelist an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass das Schicksal, das Jesus zu erwarten hat, bereits in den Schriften des Alten Testaments geschrieben steht und somit durch den Willen Gottes vorher bestimmt war.
Es heißt weiter bei Lukas, der angebliche Jesus habe zu ihnen gesagt:“So steht’s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem“. (Lk, 24,46 ) Die Lutherbibel verweist hierbei auf Hosea 6,2, wo es heißt : „Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden “ Für mich kann die Bibelstelle bei dem Propheten Hosea nicht herangezogen werden, um eine Auferstehung Jesu von den Toten am dritten Tage nach seiner Hinrichtung zu begründen. Zwischen dem Ausspruch bei Hosea und dem Ausspruch bei Lukas 24,26 gibt es keinen Zusammenhang. Bei dem Hinweis in der Lutherbibel zu Lk. 24,46 auf Apg. 2,38 handelt es sich um einen Ausspruch von Petrus : „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes“. den Jesus zu seinen Lebzeiten noch nicht gekannt haben kann. Somit kann Lk.24,46 nicht als Beleg für einen von Jesus angeblich erteilten Missionsauftrag an die Apostel herangezogen werden, der somit im Lukasevangelium nicht nachzuweisen ist. Der heutige Leser der Evangelien besitzt nicht den Glauben an die Voraussagekraft der Heiligen Schriften als Wort Gottes,, wie ihn die Juden damals besaßen; uns kann nicht abverlangt werden, einen Ausspruch für wahr und als Beweis für den Eintritt eines künftigen Ereignisses zu halten, nur weil er in einer der zahlreichen Schriften des Alten Testaments zu finden ist.
Jesu Himmelfahrt tut Lukas mit wenigen lapidaren Worten ab: „Er führte sie aber hinaus bis nach Bethanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude. Und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“ Das war’s. Mehr fällt Lukas hierzu nicht ein
Mit weniger Worten als bei Lukas kann dieses Ereignis, das auch heute noch für den christlichen Glauben von großer Bedeutung ist und dem eigens ein Feiertag gewidmet ist, wohl kaum geschildert werden. Es scheint so, als hätte Lukas die Schilderung dieses Ereignisses in seinem Evangelium als eine lästige Pflicht betrachtet, die er so schnell wie möglich erfüllen wollte. War er etwa selbst nicht davon überzeugt, dass Jesus in den Himmel aufgefahren ist, oder hielt er es nicht für nötig, die Himmelfahrt Jesu ausführlich darzustellen, weil er wusste, dass sich bei den Anhängern Jesu der Glaube an Jesu Himmelfahrt bereits so verfestigt hatte, dass es sich erübrigte, diese ausführlich zu schildern? Lukas nennt keine Namen von Jüngern als angebliche Zeugen der Himmelfahrt Jesu. Warum hat er nicht auch die beiden Frauen, die Jesus noch auf dem Friedhof begegnet waren, zu Zeugen der Himmelfahrt Jesu gemacht? Offenbar war dem Jesusdarsteller, der die Jünger nach Bethanien führte. ohne ihnen den Zweck dieses Ausflugs mitzuteilen, daran gelegen, die Angelegenheit der Himmelfahrt schnell hinter sich zu bringen. Gab es diese Zeugen vielleicht gar nicht? Hat Lukas den Bericht über die Himmelfahrt Jesu vielleicht nur erfunden? Auch die bei der Himmelfahrt anwesenden elf Jünger scheinen kein Interesse daran gehabt zu haben die Himmelfahrt Jesu seinen anderen Anhängern sowie den Angehörigen Jesu , die doch sicherlich interessiert gewesen wären, zu erfahren, wie sich die Himmelfahrt ihres lieben Verwandten vollzogen hat, mitzuteilen. Nach ihrer Rückkehr nach Jerusalem besuchten die Jünger eifrig den Tempel, um darin zu beten; die Himmelfahrt Jesu schien ihnen wohl nicht so bedeutsam zu sein, um anderen ihr´ Erlebnis mitzuteilen. Jedenfalls finden wir hierüber keinen Bericht bei Lukas.
Es kann sich aber auch anders abgespielt haben. Der Jesus, der die Jünger nach Bethanien führt, um dort zum Himmel aufzufahren, ist immer noch die Person, die zuerst mit den Emmausjüngern in Verbindung getreten war und anschließend, nachdem sich dieser Mensch inzwischen wieder an einen unbekannten Ort entfernt hatte, auch die Jünger aufgesucht hatte, wo sich diese Person als Jesus ausgegeben hatte. Wir haben bereits dargestellt, dass dieser Mensch seinem ganzen Verhalten nach als ein Betrüger anzusehen ist, dem es gelungen ist, die Mehrheit der Jünger davon zu überzeugen, dass er der vom Tode auferstandene Jesus ist. Warum führt er die Jünger nun nach Bethanien, einem kleinen Ort, zu Fuß von Jerusalem in etwa einer halben Stunde zu erreichen, um von dort aus in den Himmel zu fahren? Nun, dieser Mensch hat Bethanien zu diesem Zweck deshalb auserwählt, weil er dort zu Hause ist! In Bethanien fällt es ihm leicht, im Gewirr der kleinen Gässchen unauffällig und unbemerkt von den Jüngern zu verschwinden. Dies erfolgte in dem Augenblick, als er die Jünger segnete und diese in frommer Andacht ihren Kopf zu Boden gerichtet hatten und nicht sahen, was um sie herum geschah. Als sie nach dem Segen die Augen wieder öffneten, war der Pseudo-Jesus verschwunden, angeblich war er zum Himmel aufgefahren! Zeugen wären bei dieser Inszenierung nur lästig gewesen. Je weniger Zeugen, umso besser! Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Jünger wussten – oder zumindest ahnten - was der Jesusdarsteller mit ihnen vorhatte, Es heißt bei Lukas: „ Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude “. (Lk. 24, 52). Worüber freuten sie sich so sehr? Hätten sie nicht betrübt darüber sein müssen, dass sie ihr verehrter und geliebter Jesus nun endgültig verlassen hat? Freuten sie sich etwa darüber, dass sie diesen merkwürdigen Jesusdarsteller, an dessen Identität mit Jesus mittlerweile, nachdem die anfängliche Euphorie verflogen war, wohl keiner der Jünger mehr recht glaubte, (ohne dass dies jemand laut zu sagen wagte - denn vielleicht war er ja doch, trotz vieler Unstimmigkeiten, Jesus –) nun endlich los geworden waren? .Lukas ist zugute zu halten, dass es sicherlich nicht einfach ist, einen außergewöhnlichen und wundersamen Vorgang wie die Auffahrt eines Menschen in einen (abstrakten) Himmel, von der er vielleicht selbst nicht überzeugt war, in Worte zu fassen. Jedenfalls kann sich der Glaube der Christen an die Himmelfahrt Jesu wohl kaum auf die karge Darstellung im Lukasevangelium mit ihren dubiosen Umständen stützen,
Wer von den Lesern des Lukasevangeliums seinen Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten und an die Himmelfahrt Jesu nur auf das stützt, was Lukas vor zweitausend Jahren aus dem Weltbild seiner Zeit hraus hierüber geschrieben hat, der folgt unkritisch den Ausführungen eines Auros, der seinen Bericht nicht für den heutigen Leser geschrieben hat und verleugnet ohne Not die schon von Aristoteles (383 - 322 v.Chr.) begründeten Gesetze der Logik ebnso wie die seither gewonnenen Erkenntnisse der Wissenschaften, die sich jeder Gebildete unseres Kulturkreises zu eigen gemacht haben sollte.
Johannesevangelium ( Joh. 19,38 – 21,25 )
Bei Johannes kommt nur eine Frau, Maria Magdala, zum Grab Jesu (um dessen Leichnam zu salben) und bemerkt alsbald, dass der große Stein, der den Eingang des Grabes verschloss, weggeräumt ist. Sie teilt dies Petrus und dem Jünger, „ den Jesus lieb hatte“, (war Jesus etwa schwul? – doch das tut hier nichts zur Sache) mit und sie gehen gemeinsam zum Grab. Sie wussten nicht, was sich ereignet hatte, denn sie hatten, so Johannes, noch nicht den Sinn der Bibelstelle verstanden, in der es heißt, dass Jesus auferstehen müsse. (Joh. 20, 9). Als Maria Magdala nach dem Fortgang der Jünger allein am Grab steht und in das Grab hinabschaut, sieht sie dort angeblich zwei Engel stehen, die sie fragen, warum sie denn weine. Im gleichen Augenblick, in dem sie den Engeln ihr Leid klagt, man habe ihr den Herrn weggenommen und wisse nun nicht, wo sich dieser befinde, sieht sie jemand hinter sich stehen und „weiß nicht, dass es Jesus ist“.(Woher weiß dies denn Johannes, der gar nicht dabei war?) Wenn sie diesen Menschen nicht als Jesus erkannt hat, war es auch gar nicht Jesus, denn dessen Aussehen ist ihr sicherlich noch vertraut. Sie hielt diese Person vielmehr für den Friedhofsgärtner und meint, dieser habe den Leichnam weg geschafft, und will sich ihn wiederholen. (Eine Frau will allein, ohne fremde Hilfe, einen männlichen Leichnam transportieren?) .Als dieser Mensch sie mit ihrem Namen „Maria“ anspricht, meint sie, er sei Jesus und spricht ihn mit „Meister“ an, wohl die übliche Anrede Jesu damals. Der angebliche Jesus fordert sie auf, ihn nicht zu berühren, da er noch nicht (zum Himmel) aufgefahren sei. In den anderen Evangelien zeigt der auferstandene Jesus diese Berührungsangst nicht. Der angebliche Jesus fordert sie auf, zu seinen (leiblichen?) Brüdern zu gehen und diesen mitzuteilen, er werde zu seinem und ihrem gemeinsamen Vater, d. h., zu Gott, auffahren. Dass er gerade von den Toten auferstanden ist, erscheint ihm nicht mitteilenswert. Maria Magdala berichtet dieses Erlebnis den Jüngern. Warum hat dieser Mensch, den sie für Jesus hält, sie nicht gebeten, auch seiner Mutter Maria mitzuteilen, dass ihr Sohn von den Toten auferstanden ist und nun zu Gott in den Himmel auffahren wird? Fürchtet er vielleicht, dass Maria, die ihren Sohn seit dessen Kindheit kennt, den vorgeblichen Jesus nicht als ihren Sohn identifizieren könnte? Oder hält es Johannes aus dem Grunde nicht für erforderlich, Maria mitzuteilen, Jesu sei von den Toten auferstanden, weil er davon ausgeht, dass Maria bereits von Josef von Aritmathäa darüber unterrichtet worden ist, dass dieser den Leichnam Jesu aus dem Felsengrab heraus geholt hat und diesen nun nach Galiläa bringen bzw. dorthin transportieren lassen wird? Es ist allerdings nicht sicher, dass sich Maria zu dieser Zeit überhaupt (noch) in Jerusalem aufhält.
Als die Jünger sich am Abend in Jerusalem, aus Angst vor den Juden (Was soll diese Abgrenzung von den „Juden“ hier? Sie waren doch alle, Jesus ebenso wie seine Jünger und das Volk, dem er gepredigt hatte, Juden! - gemeint sind wohl die Hohenpriester - ) in einem verschlossenen Raum, versammelt haben, ist „Jesus“ plötzlich in ihrer Mitte und begrüßt sie mit „Schalom!“.. Die verschlossene Türe hatte er offenbar mühelos überwinden können. (Handelte es sich bei ihm etwa um einen Geist?) Auch hier hat der Mensch, der die Jünger begrüßt, nicht das Aussehen von Jesus. Seine Jünger erkennen in ihm Jesus erst dann, nachdem er ihnen seine „Wundmale“ gezeigt hat. . Doch präsentierte dieser Mensch den Jüngern wirklich die Wundmale Jesu? Er hatte doch zuvor Gelegenheit gehabt, seine Hände und Füße sowie seine Körperseite so herzurichten, dass es aussah, als wären dort Narben einer Kreuzigung zu sehen. Offenbar konnten sie ihn allein aufgrund seines Aussehens nicht als ihren Meister identifizieren. Der angebliche Jesus vermeidet, als er die Jünger anspricht, jedes persönliche Wort darüber, was mit ihm geschehen ist und wie er sich jetzt fühlt (was ich sehr seltsam finde), sondern sagt stattdessen zu seinen Jüngern die Worte: „ Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch! ….Nehmt hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten!“ Spricht so wirklich ein Mensch zu seinen vertrauten Freunden, der gerade dem Tode entronnen ist und sich ihnen erstmals wieder zeigt, nachdem sie miterleben konnten, wie er qualvoll am Kreuz gestorben war?
Mit diesen Worten, so will es der Evangelist, soll den Jüngern ihr Missionsauftrag übermittelt werden, um ihnen die von Jesus selbst erteilte Legimitation zu verleihen, in seinem Namen nicht nur Juden, sondern auch Menschen anderer Völker, zu taufen und ihnen die Botschaft Jesu zu verkünden. Einen derartigen Missionsauftrag finden wir, in abgewandelter Form, auch bei den anderen Evangelisten. Offenbar war es den Evangelisten (wohl auf Wunsch derjenigen, die die Abfassung der Evangelien in Auftrag gegeben hatten) sehr wichtig, dem auferstandenen Jesus einen solchen Missionsauftrag in den Mund zu legen, denn zu seinen Lebzeiten hatte es Jesus bekanntlich seinen Jüngern strikt untersagt, Heidenmission zu betreiben, wie ich bei der Kommentierung der anderen Evangelien bereits ausgeführt habe..
Der ungläubige Thomas
Besonderen Raum widmet Johannes in seiner Darstellung der Geschehnisse der Begegnung Jesu mit dem Jünger Thomas, der auch der Zwilling genannt wurde. Thomas war bei der ersten Begegnung Jesu mit seinen Jüngern nicht dabei gewesen. Er sagte zu den anderen Jüngern, erst dann daran zu glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, wenn er seine Hände in dessen Wundmale legen könne. Nach weiteren acht Tagen kam Thomas wieder mit den Jüngern in einem verschlossenen Raum zusammen. Wiederum kam „Jesus“ durch die verschlossene Türe herein. (Besaß dieser Mensch vielleicht einen Nachschlüssel oder hatte sich vom Hausmeister einen Schlüssel entliehen?)
„Jesus“ wusste sofort, ohne dass ihm jemand von den Zweifeln des Thomas an seiner Auferstehung berichtet hatte, was man von ihm erwartete, nämlich die Zweifel des Thomas an seiner Person zu zerstreuen.Ich frage mich, wo sich Jesus während der acht Tage seiner Abwesenheit aufgehalten hat. Er musste doch damit rechnen, dass er jeden Augenblick seine Himmelfahrt antreten musste, und um diese bezeugen zu können, bedurfte es der Anwesenheit von Menschen, die ihn gut kannten, seiner Jünger. Johannes berichtet nicht, dass Jesus außer mit seinen Jüngern noch mit anderen Personen in Kontakt getreten sei. Deshalb stellt sich die Frage, wo er sich die ganze Zeit während seiner Abwesenheit aufgehalten. hat, wo er geschlafen hat und wer ihn beköstigt hat. Die lange Abwesenheit dieses Menschen von den Jüngern Jesu kann ich mir nur so erkären, dass es sich bei diesem Menschen um einen ganz gewöhnlichen Sterblichen handelte, der in dieser Zeit seinen Geschäften nachging, ohne zu beachten, dass ihm in seiner Rolle als Jesus eine Himmelfahrt bevorstand, für die er sich bereit halten musste. Doch vielleicht meinte er ja,, den Termin seiner „Himmelfahrt“ selbst bestimmen zu können.
Auf Anweisung dieses Jesus legte Thomas nun seine Hand in die Stelle, wo der echte Jesus an einer Seite seines Körpers durch die Verletzung mit einem Speer eine Wunde davongetragen hat; diese Stelle hatte der angebliche Jesus, wie ich meine, so präpariert., dass es aussah, als wäre dort die Narbe einer Verletzung zu sehen. Mit dieser Täuschung, kann er anscheinend Thomas davon überzeugen, den wahren Jesus vor sich zu haben, was jedenfalls aus dessen Worten „Mein Herr und mein Gott“ geschlossen werden kann. Mehr sagt Thomas hierzu nicht ( (Vielleicht hat aber Thomas aus Angst, sich vor den Jüngern zu blamieren, wenn er weiter Zweifel an der Identität des Jesus-Darstellers mit dem echten Jesus äußert, gar nicht richtig hingesehen)
Dies bedeutet aber nur, dass auch Thomas sich von dem Pseudo-Jesus hat täuschen lassen. Bewiesen ist durch seine affirmative Äußerung zur Identität des Pseudo-Jesus noch nicht, dass dieser mit Jesus identisch ist. Sein Körper weist lediglich Veränderungen des Aussehens seiner Haut an Händen, Füßen und an einer Seite seines Körpers auf, die ein Betrachter bei kurzem Hinsehen für Narben einer Verletzung halten könnte. Ob dies wirklich Narben sind, die von einer verheilten Verletzung zurückgeblieben sind, die durch eine Kreuzigung verursacht wurde, vermag wohl nur ein erfahrener Mediziner zu klären, an dem es hier jedoch mangelt. Ein Laie wie Thomas kann dies nicht beurteilen.
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- Arbeit zitieren
- Dr. Harald Schütz (Autor:in), 2019, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu im Lichte der vier Evangelien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508189
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