Diese Ausarbeitung soll die Tagelieder (Tl.) Wolframs von Eschenbach vor dem Kontext der höfischen Gesellschaft des Minnesangs untersuchen und thematisieren, inwieweit das Verständnis Wolframs von Liebe mit dem der höfischen Gesellschaft kollidiert. Dabei soll zuerst auf Wolframs Liebesmotive in den Liedern eingegangen werden, bevor die Gegensätzlichkeit der Minnekanzone zum Tl. im Fokus steht. Dazu wird der Kontext Tageliedrezeption betrachtet und versucht, eine abschließende Positionierung der Lieder im Feld des Minnesangs zu machen. Hierzu wird aus den Liedern I den morgenblick, II sîne klâwen, und V von der Zinne, nach der Ausgabe des Minnesangs Frühling zitiert. Die „Entstehung der Lieder und deren Abfolge und Verhältnis zueinander“ liege im Dunkeln, und man müsse „etwas Spekulation riskieren“, wie Backes postuliert. Daher soll diese Ausarbeitung die Fragen nach der Entstehungsreihenfolge bewusst ausklammern.
Wenn man die Struktur Wolframs Tl. beobachtet sind diverse Kriterien auffällig: Das Tl. folgt einem epischen Aufbau, was im Hinblick auf Wolfram als begnadeten Epiker (Parzival, Willehalm, Titurel) nicht verwunderlich ist. Weiter wird das Fehlen des lyrischen Ichs als bezeichnend für die Zuschreibung zum Genre Objectif erklärt und legt eine Nähe zur Frauenklage bzw. zum Wechsel fest. Außerdem ergibt sich eine Künstlichkeit der Situation durch die Rede des Wächters zu den Liebenden, was v. a. in Lied V durch den Wächterruf „von der Zinne“ (V 1,1) als Paradoxon heraustritt, im lauten Rufen und Präsenz des Wächters, um dadurch die Heimlichkeit der Minne zu wahren. Insgesamt besteht ein hoher Anteil an Figurenrede bzw. Dialogen, was auch durch das fehlende lyrische Ich bedingt wird. Zu diesem Aspekt soll im 3. Kapitel die Frage nach Authentizität und Rollenverständnis des Sängers im höfischen Umfeld thematisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Wolframs Tagelieder
- Einleitende Worte zum Tagelied
- Liebesmotive bei Wolfram
- Struktur Wolframs Lieder
- Die höfischen Gegebenheiten im 13. Jahrhundert
- Höfisch - Antihöfisch
- Weltlich - Geistlich
- Mündlichkeit - Schriftlichkeit
- Rezeption der Tagelieder im höfischen Kontext
- Das Rollenverständnis und die Authentizitätsfrage
- Autoreferenzialität und Autonomie
- Resümee der Tageliedthematik bei Wolfram - Abschließende Verortung der Tl. im Feld des Minnesangs
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Ausarbeitung analysiert die Tagelieder (Tl.) Wolframs von Eschenbach vor dem Hintergrund der höfischen Gesellschaft des Minnesangs. Sie untersucht, inwieweit Wolframs Verständnis von Liebe mit den Normen der höfischen Gesellschaft kollidiert.
- Wolframs Liebesmotive in seinen Liedern
- Die Gegensätzlichkeit der Minnekanzone zum Tl.
- Die Rezeption der Tagelieder im höfischen Kontext
- Die Positionierung der Lieder im Feld des Minnesangs
- Die Rolle des Wächters und seine Beziehung zum Liebespaar
Zusammenfassung der Kapitel
1. Wolframs Tagelieder
1.1. Einleitende Worte zum Tagelied
Das Kapitel führt in die Gattung des Tageliedes ein und erläutert seine charakteristischen Merkmale, darunter die Darstellung des Abschiedsschmerzes nach einer nächtlichen Liebesvereinigung, die Spannung zwischen sexueller Erfüllung und Abschiedsschmerz (urloup) und die illegitime Natur der Liebesbeziehung im höfischen Kontext. Die Bedeutung des Tages im Kontext des Tageliedes wird beleuchtet und im Zusammenhang mit dem „Tageshaß“ bei Wolfram diskutiert.
1.2. Liebesmotive bei Wolfram
Das Kapitel analysiert die Liebesmotive in Wolframs Tageliedern, insbesondere die Rolle der Liebenden, des Wächters und den Abschied. Es wird festgestellt, dass die Frau in Wolframs Liedern eine dominantere Rolle spielt als der Mann und ihre Subjektivität und Stimme betont werden. Die soziale Stellung der Liebenden wird als nebensächlich für ihre Beziehung dargestellt. Der Wächter wird als Tageskünder vorgestellt und seine Funktion im Kontext der Lieder Wolframs beleuchtet. Es wird außerdem auf die Spannung zwischen Bedrohung und Empfindungssteigerung im Zusammenhang mit dem „urloup“ Motiv eingegangen.
2. Die höfischen Gegebenheiten im 13. Jahrhundert
2.1. Höfisch - Antihöfisch
Dieses Kapitel wird sich mit der Unterscheidung zwischen höfischen und antihöfischen Elementen in der Zeit des Minnesangs befassen. Dabei werden die Kontexte der höfischen Gesellschaft und ihrer Normen im Vergleich zu den antihöfischen Aspekten der Tagelieder analysiert.
2.2. Weltlich - Geistlich
Das Kapitel beleuchtet den Konflikt zwischen weltlichen und geistlichen Einflüssen in der Literatur der Zeit und untersucht, wie diese Konflikte in Wolframs Tageliedern zum Ausdruck kommen.
2.3. Mündlichkeit - Schriftlichkeit
Dieses Kapitel analysiert die Bedeutung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Überlieferung der Tagelieder und die Auswirkungen auf die Rezeption der Texte.
3. Rezeption der Tagelieder im höfischen Kontext
3.1. Das Rollenverständnis und die Authentizitätsfrage
Hier wird das Rollenverständnis der Liebenden in den Tageliedern Wolframs analysiert und die Frage nach der Authentizität der Liebesbeziehungen diskutiert. Die Position der Frau und ihre Rolle im höfischen Kontext werden untersucht.
3.2. Autoreferenzialität und Autonomie
Das Kapitel untersucht die Autoreferenzialität in Wolframs Tageliedern und analysiert die Frage nach der Autonomie der Lieder im Kontext der höfischen Literatur.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Ausarbeitung sind: Tagelied, Minnesang, Wolfram von Eschenbach, höfische Gesellschaft, Liebe, Liebesmotive, Wächter, „urloup“, Heimlichkeit, Abschiedsschmerz, Autoreferenzialität, Authentizität, Rollenverständnis, Rezeption, Weltlichkeit, Geistlichkeit, Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Antihöfisch, höfisch.
- Quote paper
- Annika Haas (Author), 2016, Die Tagelieder Wolframs von Eschenbach. Konflikt zwischen höfischer Gesellschaft und Liebe bei Wolfram von Eschenbach, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508142