In der vorliegenden Abhandlung wird der Versuch gemacht, der dramatischen Darstellung des Zaren in der Oper nachzugehen und ihre musikalische Umsetzung zu analysieren. Dabei werden die den Zaren betreffenden Intentionen von Puschkin und von Mussorgsky verglichen und nach den Parallelen, die zwischen den zeitgenössischen Autoren entstanden, gesucht. Das Hauptaugenmerk der Arbeit wird auf die musikalische Sprache des Zaren, ihre Rolle und ihre Entwicklung im Laufe der Handlung gelegt. Den folgenden Untersuchungen liegt die Ausgabe von 1900 mit der Instrumentation von Nikolaj Rimskij-Korsakov zugrunde.
Zu dem Stoff der Oper "Boris Godunov" wurde Modest Mussorgsky durch einen Professor der russischen Geschichte und Sprache, Wladimir Nikolskij, inspiriert. Als Literaturvorlage diente das 1825 verfasste und 1831 gedruckte Drama von Alexander Puschkin, "Boris Godunov". Die Oper "Boris Godunov" hat mehrere Änderungen nicht nur seitens des Autors, sondern später auch durch andere Komponisten erlebt. Die erste Fassung der Oper erschien 1869 und wird im deutschen Raum als ursprüngliche Redaktion bezeichnet. Die Aufführung der Oper wurde jedoch von dem Komitee des Kaiserlichen Theaters St. Petersburg abgelehnt. Der offizielle Grund der Ablehnung war das Fehlen einer Frauenrolle. Die zweite Fassung, Grund- oder auch definitive Fassung genannt, wurde 1872 beendet. Am 27. Januar 1974 fand im Mariinskij-Theater mit einem gewaltigen Erfolg die Uraufführung der Oper statt.
Nach Mussorgskys Tod übernahm Rimskij-Korsakov die Verantwortung für das Schicksal des Werkes. Er hatte sowohl die Komposition, als auch die Privat- und die Theateraufführungen aus nächster Nähe mitbekommen. Ab 1888 fing Rimskij-Korsakov allmählich an, seine Fassung der Oper zu entwerfen. Im Mai 1896 erschien der Klavierauszug der neuen Fassung. Im Vorwort erklärt Rimskij-Korsakov die Notwendigkeit seiner Arbeit aufgrund der kompositionstechnischen Schwächen der Mussorgsky-Fassung. Jedoch will er die Fassung des Autors nicht ersetzen. In seiner Fassung meint Rimskij-Korsakov, die ursprüngliche Konzeption des Autors zu bewahren. Dennoch nahm er mehrere Änderungen vor, solche wie die Einfügung der zusätzlichen Musik und die Wechsel der Reihenfolge der letzten beiden Szenen der Oper. Seine Fassung wurde sowohl in Russland als auch im Westen sehr positiv aufgenommen. Es gab jedenfalls weniger Verfechter der Mussorgsky-Fassung.
Inhaltsverzeichnis
- I. Entstehungsgeschichte der Oper, Fassungen und Bearbeitungen
- II. Dramaturgische Analyse
- II.1. Boris Godunov von Puschkin und Boris Godunov von Mussorgsky: Zwei Autoren, zwei Zaren
- II.2 Schnittstellen in den Werken von Mussorgsky und von Dostojewski
- II.3 Die Dramaturgie der Boris-Handlung in der Fassung von Rimskij-Korsakov
- III. Musikalische Analyse
- III.1 Exkurs: Die Besonderheiten der russischen Harmonie
- III.1.1 Musikalische Analyse des ersten Auftritts des Zaren. Der erste Monolog „Wie bang ist mir“
- III.1.2 Vorläufiges Fazit und Fragen
- III.2.1 Musikalische Analyse des zweiten Auftritts des Zaren (2. Akt, 1. Szene)
- III.2.2. Boris zweiter Monolog „Die höchste Macht ist mein!“
- III.2.3 Der weitere Verlauf der Szene
- III.2.4 Szene mit der Glockenspieluhr
- III.2.5 Vorläufiges Fazit
- IV. Letzter Auftritt des Zaren
- IV.1 Boris dritter Monolog „Leb wohl, mein Sohn“
- V. Beobachtungen und Zusammenfassung
- V.1 Themen des Zaren
- V.2 Parallelität der Protagonisten
- V.3 Gebet als ein Bestandteil der Monologe. Bedeutung und Entwicklung
- V.4 Montagetechnik und Kontraste. – Das Glockenspiel als mechanischer Gegensatz zur leidenden Seele.
- V.5 Die Dramaturgie der Tonarten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die musikdramatische Darstellung des Zaren Boris Godunov in Mussorgskys gleichnamiger Oper. Ziel ist es, die musikalische Umsetzung der dramatischen Darstellung Boris' zu untersuchen und diese mit den Intentionen Puschkins und Mussorgskys zu vergleichen. Besonderes Augenmerk liegt auf der musikalischen Sprache des Zaren und deren Entwicklung im Verlauf der Handlung.
- Vergleich der Zarendarstellung bei Puschkin und Mussorgsky
- Psychologische Parallelen zwischen Mussorgskys Boris und Dostojewskis Figuren
- Musikalische Analyse der Zarenmonologe und deren Funktion in der Oper
- Rolle des Gewissenskonflikts in der Charakterisierung Boris'
- Verwendung von Montagetechnik und Kontrasten in der musikalischen Gestaltung
Zusammenfassung der Kapitel
I. Entstehungsgeschichte der Oper, Fassungen und Bearbeitungen: Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehung von Mussorgskys Oper "Boris Godunov", beginnend mit der Inspiration durch Wladimir Nikolskij und der literarischen Vorlage von Alexander Puschkins Drama. Es beschreibt die verschiedenen Fassungen der Oper, die Ablehnungen durch die Zensur und die Kaiserlichen Theater, die Änderungen durch Mussorgsky selbst und die spätere Bearbeitung durch Rimskij-Korsakov. Der Kapitelverlauf unterstreicht die Schwierigkeiten, die die Oper auf ihrem Weg zur Aufführung erfuhr, und die unterschiedlichen Interpretationen des Werks durch die Komponisten.
II. Dramaturgische Analyse: Dieses Kapitel vergleicht die Zarendarstellung in Puschkins Drama und Mussorgskys Oper. Es hebt die Kürzungen und Ergänzungen Mussorgskys hervor und analysiert die unterschiedlichen Akzente, die beide Autoren auf die Figur des Zaren setzen. Während Puschkin Boris primär als Herrscher darstellt, konzentriert sich Mussorgsky auf dessen inneren Konflikt und menschliche Seite. Der Vergleich der Monologe Boris' zeigt deutlich die veränderte Perspektive Mussorgskys, welcher den inneren Gewissenskonflikt stärker in den Vordergrund rückt. Der Abschnitt untersucht auch die inhaltlichen und stilistischen Parallelen zwischen Mussorgskys Oper und Dostojewskis Werken, insbesondere hinsichtlich der Darstellung des Gewissenskonflikts und des inneren Monologs.
III. Musikalische Analyse: Dieses Kapitel beginnt mit einem Exkurs über die Besonderheiten der russischen Harmonik, die sich aus der Tradition der alten russischen Kirchengesänge entwickelt haben. Es analysiert dann detailliert die musikalische Gestaltung der drei Auftritte des Zaren, wobei insbesondere die Monologe im Fokus stehen. Die Analyse betrachtet Melodie, Harmonie, Rhythmus, Instrumentation und die dramaturgische Funktion der musikalischen Elemente.
IV. Letzter Auftritt des Zaren: Dieses Kapitel behandelt den letzten Auftritt des Zaren in der Duma. Es analysiert die musikalische Gestaltung der Szene, die den fortschreitenden psychischen Verfall Boris' darstellt, und die musikalischen Parallelen und Kontraste zwischen Boris und Fürst Schujskij. Die Analyse beleuchtet die zunehmende Verzweiflung Boris' und sein letztendliches Erlöschen.
V. Beobachtungen und Zusammenfassung: Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der vorherigen Kapitel zusammen und analysiert die verschiedenen musikalischen Themen, die Mussorgsky zur Charakterisierung Boris' verwendet. Es werden Parallelen und Kontraste zwischen den verschiedenen musikalischen Motiven und deren Bedeutung für die Gesamtkomposition erläutert. Das Kapitel untersucht die Rolle von Intervallen und Harmonien in der Darstellung der Emotionen und des inneren Konflikts Boris', sowie die Verwendung von Montagetechnik und Kontrasten in der Oper. Abschließend wird die Dramaturgie der Tonarten im Werk analysiert.
Schlüsselwörter
Boris Godunov, Modest Mussorgsky, Alexander Puschkin, Fjodor Dostojewski, Oper, Musikdramaturgie, musikalische Analyse, Gewissenskonflikt, Psychologie, russische Harmonik, Montagetechnik, Leitmotive, Tonarten, Intonation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Boris Godunow": Eine musikdramatische Analyse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die musikdramatische Darstellung des Zaren Boris Godunow in Mussorgskys gleichnamiger Oper. Sie untersucht die musikalische Umsetzung der dramatischen Darstellung Boris' und vergleicht diese mit den Intentionen Puschkins und Mussorgskys. Besonderes Augenmerk liegt auf der musikalischen Sprache des Zaren und deren Entwicklung im Verlauf der Handlung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Vergleich der Zarendarstellung bei Puschkin und Mussorgsky; psychologische Parallelen zwischen Mussorgskys Boris und Dostojewskis Figuren; musikalische Analyse der Zarenmonologe und deren Funktion in der Oper; Rolle des Gewissenskonflikts in der Charakterisierung Boris'; Verwendung von Montagetechnik und Kontrasten in der musikalischen Gestaltung; Entstehungsgeschichte der Oper, verschiedene Fassungen und Bearbeitungen; Besonderheiten der russischen Harmonik.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: I. Entstehungsgeschichte der Oper, Fassungen und Bearbeitungen; II. Dramaturgische Analyse (Vergleich Puschkin/Mussorgsky, Parallelen zu Dostojewski); III. Musikalische Analyse (detaillierte Analyse der Zaren-Auftritte, Exkurs zur russischen Harmonik); IV. Letzter Auftritt des Zaren; V. Beobachtungen und Zusammenfassung (Analyse der musikalischen Themen, Montagetechnik, Tonarten).
Wie wird die musikalische Analyse durchgeführt?
Die musikalische Analyse konzentriert sich detailliert auf die drei Auftritte des Zaren, insbesondere auf seine Monologe. Es werden Melodie, Harmonie, Rhythmus, Instrumentation und die dramaturgische Funktion der musikalischen Elemente untersucht. Ein Exkurs behandelt die Besonderheiten der russischen Harmonik.
Welche Rolle spielt der Gewissenskonflikt?
Der Gewissenskonflikt spielt eine zentrale Rolle in der Charakterisierung Boris'. Die Arbeit untersucht, wie dieser Konflikt sowohl in der dramaturgischen als auch in der musikalischen Gestaltung der Oper zum Ausdruck gebracht wird, und vergleicht die Darstellung des Konflikts bei Puschkin und Mussorgsky.
Welche Parallelen zu Dostojewski werden gezogen?
Die Arbeit untersucht inhaltliche und stilistische Parallelen zwischen Mussorgskys Oper und Dostojewskis Werken, insbesondere hinsichtlich der Darstellung des Gewissenskonflikts und des inneren Monologs bei den Protagonisten.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit verwendet eine vergleichende Methode, um die Zarendarstellung bei Puschkin und Mussorgsky zu analysieren. Die musikalische Analyse basiert auf einer detaillierten Betrachtung der musikalischen Elemente und ihrer dramaturgischen Funktion. Es werden auch die Methoden der Dramaturgie und der psychologischen Analyse angewendet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Boris Godunov, Modest Mussorgsky, Alexander Puschkin, Fjodor Dostojewski, Oper, Musikdramaturgie, musikalische Analyse, Gewissenskonflikt, Psychologie, russische Harmonik, Montagetechnik, Leitmotive, Tonarten, Intonation.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für alle bestimmt, die sich für die Oper "Boris Godunow", die Musik Mussorgskys und die russische Kultur interessieren. Sie ist besonders relevant für Studierende der Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft und Literaturwissenschaft.
- Quote paper
- Oksana Danych (Author), 2018, Boris Godunov in Mussorgskys gleichnamiger Oper. Die musik-dramatische Darstellung eines Opern-Charakters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507887