Diese Arbeit thematisiert die Motivation in Bezug auf das Lernverhalten an Schulen in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wird eine Erhebung bei Studierenden des ersten Studienjahres durchgeführt. Als motivationssteigernde Mittel werden die Themengebiete der Gamification und des Nudge mit dem Lernverhalten in Verbindung gebracht.
Im September 2018 erschien der neue Bildungsbericht "Bildung in Deutschland 2018". Inhaltlich lag der Fokus hier auf äußeren Einflüssen wie dem Bildungspersonal oder dem Bildungsstand in der Familie. Trotz negativer Faktoren war in dem Bildungsbericht 2018 eine positive Leistungsentwicklung im Sekundarbereich zu erkennen, sodass in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Kompetenzzuwachs zu verzeichnen war. Dies führte wiederum dazu, dass Schüler in Deutschland über dem OECD-Durchschnitt liegen. Inhaltlich fiel auf, dass im Rahmen des Bildungsberichts lediglich äußere Umstände bemessen wurden. Der Faktor der Motivation beziehungsweise der Motivationsgrad der Schüler bezüglich des Lernens fand keine Stellungnahme.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
1.4 Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache
2 Von der Präsenzlehre zum Blended Learning
2.1 Typisierungen des Lernens
2.2 Lernen im Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland
2.3 Schulen mit außergewöhnlichem Ansatz
3 Zusammenspiel von Motivation, Nudge und Gamification
3.1 Motivation und Motivationstheorien
3.2 Nudge - der „Stubs“ in die richtige Richtung
3.3 Gamification als Mittel zum Zweck
4 Missstände in Bezug auf das Lernen und die Motivation
4.1 Risikolagen
4.2 Stress bei Lernenden
4.3 Mobbing an Bildungseinrichtungen
4.4 Zunehmende Fremdenfeindlichkeit
4.5 Wie Schlaf die Leistung bestimmt
5 Konzeption der Umfrage
5.1 Vorüberlegungen
5.1.1 Zielgruppe
5.1.2 Grundgesamtheit
5.1.3 Soziodemografische Merkmale
5.1.4 Stichprobenumpfang
5.1.5 Repräsentativität
5.1.6 Gütekriterien
5.2 Konzeptumsetzung
5.2.1 Struktur
5.2.2 Pretest
5.2.3 Ansprache und Verteilung
5.2.4 Zeitraum
6 Ergebnisdarstellung
6.1 Teilnehmerquote
6.2 Einzelfragen
7 Auswertung
8 Betrachtung motivationssteigender Methoden
9 Fazit
Literaturverzeichnis
Anlagen
Anlagen, Fragebogen
Bibliografische Angaben
Kamolz, Sara:
Analyse der Motivation und des Lernverhaltens an Schulen in der Bundesrepublik Deutschland
Analysis of Motivation and Learning Behavior at Schools in the Federal Republic of Germany
97 Seiten, Hochschule Mittweida, University ofApplied Sciences, Institut für Technologie- und Wissenstransfer Mittweida, Masterarbeit, 2019
Abstract
Innerhalb der vorliegenden Arbeit wurde mittels der Durchführung einer Erhebung bei Studierenden des ersten Studienjahres in der Bundesrepublik Deutschland, die Motivation in Bezug auf das Lernverhalten an Schulen analysiert. Als motivationssteigernde Mittel werden die Themengebiete der Gamification und des Nudge mit dem Lernverhalten in Verbindung gebracht.
Within the present work, the motivation for the learning behavior in schools was analyzed by carrying out a survey among students of the first academic year in the Federal Republic of Germany. As motivation-enhancing means, the topics of gamification and nudge have been linked to learning behavior.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lernprinzipien nach: Μ. David Merrill, First principles ofinstruction, Educational Technology, Research and Development; 2002; 50, 3; Research Library, S. 45
Abbildung 2: Lernstile nach Kolb
Abbildung 3: Grundstruktur des Bildungssystems in Deutschland, angelehnt an Dokumente derKMK (Kulturministerkonferenz)
Abbildung 4: Vier Fundamente außergewöhnlicher Schulen
Abbildung 5: Yerkes-Dodson-Gesetz
Abbildung 6: Drei Elemente von Serious Games
Abbildung 7: Zusammenwirkung von Nudge, Motivation und Gamification
Abbildung 8: Fünfstufige Bedürfnispyramide nach Maslow
Abbildung 9: Geschlechterverteilung
Abbildung 10: Verleitung belegtes Studienjahr
Abbildung 11: Widerspiegelung der tatsächlichen Leistungen durch die Schulabschlussnote
Abbildung 12: Verteilung der Reaktionen auf schulische Leistungen
Abbildung 13: Verteilung der Reaktionshäufigkeit auf schulische Leistungen.. 62 Abbildung 14: Verteilung positiver Aspekte zur Steigerung des eigenen Leistungsanspruch
Abbildung 15: Verteilung von Missständen in Bezug aufdas Lernen
Abbildung 16: Verteilung von Anreizen in Bezug aufden Studienbeginn
Abbildung 17: Verteilung positiver Lernfaktoren
Abbildung 18: Verteilung von Anreizen zum Lernen
Abbildung 19: Verteilung von Erschwernissen und Erleichterungen beim Lernen
Abbildung 20: Verteilung von Anreizen zum Lernen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Drei Ebenen von Stress
Tabelle 2: Geschlechterverteilung
Tabelle 3: Verleitung belegtes Studienjahr
Tabelle 4: Verteilung auf die Bundesländer innerhalb der Zielgruppe
Tabelle 5: Verteilung auf die Bundesländer (alle Teilnehmer)
Tabelle 6: Widerspiegelung der tatsächlichen Leistungen durch die Schulabschlussnote
Tabelle 7: Verteilung Schulabschlussnote
Tabelle 8: Verteilung der Reaktionen auf schulische Leistungen mit Ost-West Verteilung
Tabelle 9: Verteilung der Reaktionen auf schulische Leistungen nach Geschlecht
Tabelle 10: Verteilung der Reaktionshäufigkeit auf schulische Leistungen
Tabelle 11: Verteilung positiver Aspekte zur Steigerung des eigenen Leistungsanspruch
Tabelle 12: Verteilung von Missständen in Bezug aufdas Lernen, nach Ost West-Verhältnis
Tabelle 13: Verteilung von Missständen in Bezug aufdas Lernen, nach Geschlecht
Tabelle 14: Verteilung von Anreizen in Bezug auf den Studienbeginn
Tabelle 15: Verteilung positiver Lernfaktoren
Tabelle 16: Verteilung von Anreizen zum Lernen
Tabelle 17: Verteilung von Erschwernissen und Erleichterungen beim Lernen, nach Ost-West-Verhältnis
Tabelle 18: Verteilung von Erschwernissen und Erleichterungen beim Lernen, nach Geschlecht
Tabelle 19: Verteilung von Anreizen zum Lernen
1 Einleitung
Im September 2018 erschien der neue Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2018“. Inhaltlich lag der Fokus hier auf äußeren Einflüssen wie dem Bildungspersonal oder dem Bildungsstand in der Familie. Verzeichnet wurde 2018 im Vergleich zum Bildungsbericht aus dem Jahr 2016 eine steigende Bildungsbeteiligung mit einem Trend zur Höherqualifizierung. Darüber hinaus wies der städtische und ländliche Raum seit 2006 Unterschiede auf. So wurden im ländlichen Raum vermehrt Grundschulen als auch berufliche Schulen geschlossen. Dies führte zu sinkenden Zahlen von Schülern in diesen Räumen sowie zu einer sinkenden Bildungsbeteiligung, woraus wiederum ein sinkender Bildungsstand resultierte. Eine weitere Herausforderung für das Bildungssystem war seit 2014 durch Neuzugewanderte zu verzeichnen. So migrierte zwar ein hoher Anteil mit Hochschulabschluss, vermehrt jedoch Personen ohne einen Abschluss nach Deutschland.1
Trotz negativer Faktoren war in dem Bildungsbericht 2018 eine positive Leistungsentwicklung im Sekundarbereich zu erkennen, sodass in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Kompetenzzuwachs zu verzeichnen war. Dies führte wiederum dazu, dass Schüler in Deutschland über dem OECD-Durchschnitt2 liegen.3
Inhaltlich fiel auf, dass im Rahmen des Bildungsberichts lediglich äußere Umstände bemessen wurden. Der Faktor der Motivation bzw. der Motivationsgrad der Schüler bezüglich des Lernens fand keine Stellungnahme.
1.1 Problemstellung
Durch die Veröffentlichung des Bildungsberichts zeigte sich, dass bei der Auswertung des Bildungsstandes in Deutschland zwar viele Einflüsse untersucht wurden, jedoch der Faktor Motivation außen vor blieb. Zwar waren einige der aufgearbeiteten Themenpunkte des Berichts auf den Motivationszustand zu beziehen (beispielsweise die finanzielle Situation des Elternhauses oder der Renovierungsbedarf an Schulen), jedoch fehlten Betrachtungspunkte bezüglich der Motivation, welche zu beeinflussen bzw. zu steuern sind. Mit dem Wissen, welche Faktoren die Motivation schwächen und welche die Motivation bezüglich des Lernens steigern, können Lernende positiv bestärkt werden. Da die Motivation je nach Person subjektiv ist, stellt diese Arbeit ledig- lieh Durchschnittserkenntnisse dar, welche im breiten Spektrum gut anzuwenden sind. Aus diesem Grund ist die Arbeit als Analyse der Motivation und des Lernverhaltens an Schulen in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut.
1.2 Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in den Motivationsgrad und die Motivationshintergründe bei Schülern in Deutschland in Bezug auf das Lernen zu verschaffen, und die Hintergründe bzw. Motivatoren zu erläutern. Hierzu werden verschiedene Einflussvariablen vorgestellt, welche die Motivation beeinflussen und gleichzeitig, unter Gewährleistung der richtigen Anwendung, das Potenzial haben die Motivation zu steigern. Das Ausmaß der Beeinflussung durch Motivationsfaktoren wird in dieser Arbeit nicht untersucht. Die Hauptaspekte dieser Untersuchung beruhen auf eigens recherchierten und auserwählten äußeren Einflüssen, welche die Motivation maßgeblich mitbestimmen.
Zielgruppe der Umfrage bilden Studierende des ersten Studienjahres. Diese Auswahl begründet sich durch die Annahme, dass Probanden, welche bereits ihren Schulabschluss erhalten haben, eine bessere Reflektionsfähigkeit in Bezug auf ihre Schulzeit haben, als Schüler, welche sich noch in der Schulzeit befinden. Der zu erfassende Motivationsspiegel innerhalb der ausgewählten Zielgruppe wird an ausgewählten Hauptmerkmalen erfasst und analysiert.
Diese Arbeit hat zum finalen Ziel Personen bzw. Personengruppen, welche sich mit der Didaktik beschäftigen, als Hilfswerk für die Unterrichtsgestaltung bezüglich motivationssteigernder Methoden dienen.
1.3 Vorgehensweise
Zur Einführung werden im ersten Teil der Arbeit die Rahmenbedingungen und allgemeine Fakten zum Schulsystem in der Bundesrepublik Deutschland, Motivation und Motivatoren, als auch Missstände in Bezug auf das Lernen und die Motivationsthematik vorgestellt. Zur sachgemäßen Darstellung des Themas und zur Analyse der Sachverhalte werden bei der Grundlagenausarbeitung ausgewählte Literatur, Studien und Artikel aus Fachzeitschriften herangezogen. Durch den Umfang dieser Thematiken, wird jede in einem separaten Kapitel (2 - 4) behandelt. Diese Arbeit umfasst keine Recherchen zu Erfolgsresultaten von Schulkonzepten. Aus diesem Grund steht die Auswahl vorgestellter Schulkonzepte in keiner Relevanz zu nachgewiesenen Erfolgsresultaten. Da bereits diverse Schulen existieren, welche sich durch die Modifizierung des Unterrichts, der Unterrichtsstrukturen oder durch die Selbstregulierung der Schüler stark von anderen Schulkonzepten abheben, wird in dieser Arbeit ein a-typisches Schulkonzept der Pädagogin Katie Salen-Tekinbas vorgestellt, welches die Schule und das Lernen spielerisch darstellt.
Aufbauend auf den Grundlagen wird im fünften Kapitel eine Umfrage durchgeführt, mit dem Ziel den Motivationsgrad bei Studenten zu erfassen. In dem Kapitel wird auch aufgeführt, wie die Erhebung konzipiert, dargestellt und an die statistisch relevante Menge der Zielgruppe verteilt wird. Bei der Umfrage handelt es sich aufgrund des Umfangs um eine quantitative, nicht leitfadengestützte schriftliche Befragung, welche in diesem Schritt an ausgewählte Bildungseinrichtungen gesendet wird. Die Konzeption des Fragebogens beinhaltet, zur Sicherung des Qualitätsniveaus, Überlegungen zur Fragestellung, sowie der Definition der Parameter für die Auswertung, als auch der Gütekriterien. Nach durchgeführter Datenerhebung werden diese strukturiert aufbereitet. Im anschließenden Kapitel sechs werden innerhalb der Ergebnisdarstellung die gestellten Fragen den erhaltenen Resultaten gegenübergestellt. Folglich erfolgt in Kapitel sieben die Auswertung des Motivationsgrades der befragten Zielgruppe, wodurch bereits ein Zwischenfazit bezüglich der Erhebung getroffen werden kann. Mittels dieser Auswertung werden die motivationssteigernden Methoden im achten Kapitel diskutiert. Abschließend erfolgt ein Fazit mit der Aufarbeitung der Motivationsanalyse und des Lernverhaltens.
1.4 Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache
In der folgenden Arbeit wird zur Verbesserung des Leseflusses auf die gleichzeitige Verwendung verschiedener Geschlechter als Sprachformen verzichtet. Sofern nicht ausdrücklich betont, sind bei jeglichen Personenbeschreibungen stets sämtliche Geschlechter gemeint.
2 Von der Präsenzlehre zum Blended Learning
Der Begriff “Lernen” gilt als Oberbegriff von Lernformen, Lerntypen etc. In dem Buch “Psychologie” nach R.J. Gerrig und P.G. Zimbardo wird eine Definition des Lernens aufgestellt: “Lernen ist ein Prozess, der in einer relativ konsistenten Änderung des Verhaltens oder des Verhaltenspotenzials resultiert, und basiert auf Erfahrungen.”4 Eine tiefgründigere Analyse des Lernverhaltens erbrachte Μ. David Merrill indem er in seinem Werk „First principles of instruction“ diverse Theorien des Lerndesign überprüfte, um daraus gemeingültige Prinzipien abzuleiten. Bei seinen Recherchen stellte er fest, dass der Fokus bislang eher darauf zielte was gelehrt wird, anstatt die Konzentration darauf zu lenken wie gelernt wird. Somit zielte er mit den Prinzipien auf die Bedürfnisse der Lernenden ab und gab den Lehrenden einen Leitfaden zur Handhabe. Innerhalb seines Reports identifizierte er fünf Prinzipien, durch welche das Lernen gefördert wird und beschrieb zugleich Umsetzungsebenen.5
Merrill zentralisierte das Problem und beschrieb die zugehörigen Phasen als (a) Aktivierung bereits Erlerntem (b) Vorführung des Könnens (c) Anwendung des Könnens und (d) Integration dieses Könnens in Aktivitäten der realen Welt. Dieses Konstrukt illustrierte er wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Lernprinzipien nach: Μ. David Merrill, First principles of instruction, Educational Technology, Research and Development; 2002; 50, 3; Research Library, S. 45
1. Die Beschäftigung mit Lösungen in der Anwendung auf reale Probleme.
- Aufgabenvorstellung'. Ein Lernprozess tritt ein, wenn die Aufgabe oder das Problem aufgezeigt werden, zu deren Bewältigung die Lernenden nach Abschluss der Lektion in der Lage sind.
- Aufgabenebene'. Das Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden sich nicht nur mit der operativen Ausführung, sondern auch mit dem Problem oder der Aufgabe befassen.
- Problemfortschritt. Lernen wird gefördert, wenn Lernende eine Reihe von Problemen lösen, die explizit miteinander verglichen werden.
Merrill schrieb zusätzlich: Um ein komplexes Problem zu lösen, sollten die Lernenden mit dem einfachsten der Probleme beginnen, um sich somit von einem Aufgabenkomplex zum nächsten zu steigern. Das Wort Problem steht hierbei für ein breites Spektrum, bzw. für eine ganze Aufgabe und nicht nur eine Komponente zur zielführenden Aufgabenbewältigung.
2. Aktivierung bereits erlangten Wissens, als Basis für das Kommende
- Vorerfahrung'. Lernen wird gefördert, wenn Lernende aufgefordert werden Wissen aus relevanten früheren Erfahrungen abzurufen, in Beziehung zu setzen, zu beschreiben oder anzuwenden. Dieses Vorwissen kann somit als Grundlage für das neue Wissen verwendet werden.
- Neue Erfahrung·. Lernen wird gefördert, wenn den Lernenden relevante Erfahrungen vermittelt werden, die als Grundlage für das neue Wissen dienen können.
- Struktur. Das Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden eine Struktur erhalten an welche sie sich halten können um auch mit neuem Wissen umzugehen.
3. Durch die Vorführung bzw. Demonstration (anstatt Erzählungen) des neu zu erlangenden Wissens.
Zu erlebendes Wissen basiert auf zwei Ebenen: Informationen und Darstellungen. Lösungsprozesse sollten an aufbereiteten Beispielen aufgezeigt werden.
- Übereinstimmung'. Lernen wird gefördert, wenn die Demonstration mit dem Lernziel übereinstimmt:
- Beispiele und nicht-Beispiele für Konzepte
- Demonstrationen von Prozeduren
- Visualisierung von Prozessen
- Modellierung von Verhalten
- Anleitung'. Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden eine angemessene Lernberatung erhalten, die unteranderem Folgendes umfasst:
- Lernende werden auf relevante Informationen hingewiesen
- Zur Demonstration werden mehrere/verschiedene Darstellungen verwendet
- Verschiedene Darstellungen werden explizit miteinander verglichen
- Relevante Medien'. Lernen wird gefördert, wenn Medien eine relevante Lehrrolle spielen und verschiedene Medienformen nicht um die Aufmerksamkeit des Lernenden konkurrieren (Texte in Kombination mit Grafiken konkurrieren um Aufmerksamkeit, Audio und Text unterstützen sich gegenseitig).
4. Mittels der Anwendung des neu vermittelten Wissens.
- Übungsinhalte'. Lernen wird gefördert, wenn die Übungen und der Abschlusstest mit den angegebenen oder implizierten Zielen übereinstimmen:
- Informationen über das Abrufen von Übungen oder das Erkennen von Informationen
- Übungsteile erkennen und diese benennen und beschreiben
- Arten von Übungen identifizieren und neue Beispiele für jede Art entwickeln Wie ist das Verfahren zu üben
- Was geschieht, wenn in der Praxis bestimmte Bedingungen nicht eintreten (fehlerhaft sind) oder unerwartete Konsequenzen mit sich bringen
- Nachlassende Hilfestellung'. Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden durch entsprechendes Feedback und Coaching, einschließlich Fehlererkennung und Korrektur, beim Lösen von Problemen angeleitet werden - und wenn sich diese Funktionen nach und nach zurück ziehen.
- Abwechslungsreiche Probleme'. Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden eine Abfolge unterschiedlicher Probleme zu lösen haben.
5. Durch die Förderung der Integration des neuen Wissens in die Welt des Lernenden.
- Selbstdarstellung'. Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden die Gelegenheit erhalten ihr neues Wissen oder Können öffentlich zu demonstrieren
- Reflexion'. Lernen wird gefördert, wenn die Lernenden ihr neues Wissen oder Können reflektieren, diskutieren und verteidigen können.
- Gestaltung'. Lernen wird gefördert, wenn Lernende neue und persönliche Wege erschaffen, erfinden und erforschen können, um ihre neuen Kenntnisse oder Fähigkeiten zu nutzen.
Merrill beschrieb mit seinen Prinzipien bereits die Vielfältigkeit der Lernbedürfnisse. Als Anreiz neues Wissen zu erlangen, zentralisierte er jedoch lediglich Probleme. Das Wort „Problem“ steht hierbei für ein breites Spektrum bzw. für eine ganze Aufgabe und nicht nur eine Komponente zur zielführenden Aufgabenbewältigung.6 Über diese Problem- bzw. Aufgaben-Fragestellung hinaus, existieren weitaus mehr Lernanreize, wie Neugier, Spaß oder Handlungsresultate (Glücksgefühl, Schmerz etc. mit der Konsequenz sich beim nächsten Mal anders zu verhalten). Hierbei lässt sich noch unterscheiden, ob neues Wissen erworben, oder bereits erlangtes Wissen verfeinert wird. Insofern ist zwischen der Wissensaneignung und der -Verfeinerung zu unterscheiden. Das Lernen steht hierbei für die Aneignung von neuem Wissen. Über diese hinaus erschließt sich ein weiterer Aspekt welcher weitestgehend als „Übung“ beschrieben wird, also das Wissen nicht nur anzuwenden, sondern beispielsweise die Geschwindigkeit der Lösungsfindung zu optimieren. Der Faktor Übung kann demnach Rückschlüsse darauf zulassen, wie hoch der Lernanreiz bzw. die Motivation des Gelernten und Geübten steht. Daraus erschließt sich je höher die Motivation, desto besser die finale Leistung. Wie viel Übungszeit dabei in eine Aufgabe fließt, fungiert nicht immer als Indikator zur Erfolgsmessung. So haben Faktoren der Veranlagung (beispielsweise sprachlich oder handwerklich) einen weiteren Einfluss auf das Erlernte und das im Zusammenhang stehende Übungsvolumen. Das zu Lernende kann erlebbar gemacht werden, um Lernende für Themen zu begeistern bzw. die Motivation zu steigern sich mit Themengebieten intensiver auseinander zu setzen. Erlebnisse zeichnen sich durch bedeutsame Geschehnisse aus - demnach kann durch eine vielfältige Unterrichtsgestaltung und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Lernenden (welche von Merrill bereits recht zielgerichtet dargestellt worden sind) eine positive Aufnahme der Lehrinhalte bei den Lernenden erfolgen.7 Lernen ist der Zusammenschluss aus Faktoren der Aufnahme noch nicht erlangten Wissens und der zielgerichteten Anwendungsausübung des Gelernten. Die Faktoren der Veranlagung (psychisch als auch physisch) und der Motivation sind Messelemente für die Aufwandsleistung, welche erbracht wird um Gelerntes in einem dafür vorgesehenen Zeitfenster anzuwenden. Ein vorgegebenes Zeitfenster kann in der Schule beispielsweise die durch außen bestimmte Zeitbeschränkungen von Leistungskontrollen sein.
Eine Studie der BITKOM aus dem Jahr 2015 veranschaulichte den digitalen Status an deutschen Schulen. Laut den Auswertungsergebnissen sind inzwischen alle Schulen mit einem Internetzugang ausgestattet. Einen Internetzugang in allen Räumlichkeiten gab es lediglich bei 46 %, in speziellen Computer-Räumen bei 64 % der Bildungseinrichtungen. Nahezu alle Schulen sind mit stationären PCs/Notebooks und Beamern ausgestattet. Diese und Digitalkameras (91 %) gehören zu der Grundausstattung von Schulen. Whiteboards waren bei 60 % der Schulen verfügbar, Tablet-PCs (18 %) und e-Book-Reader (4 %) bildeten das Schlusslicht und weisen einen Ausbaubedarf vor.8 Ergebnisse zeigten, dass Schüler und Lehrer mit der IT-Ausstattung von Schulen unzufrieden waren und eine bessere Ausstattung für das digitale Lernen forderten. Durch die eine umfassende Ausstattung hätten Lehrkörper ein breites Spektrum von Möglichkeiten, um Lehrinhalte zugänglich und evtl, ansprechender für die Lernenden zu gestalten.
2.1 Typisierungen des Lernens
In Bezug auf das Lernen wird auf unterschiedliche Lernstile und Lerntypen verwiesen. Hierbei existieren verschiedene Ansätze und Diskussionen um deren Sinnhaftigkeit bzw. darüber, wie wichtig es ist verschiedene Lernmethoden anzubieten, um die breite Zielgruppe der Lernenden anzusprechen.
Lernstile beschreiben Persönlichkeitsmerkmale oder individuelle Präferenzen bezüglich des Lernens. Der Lernstil nach Kolb9 unterscheidet den Lernprozess in zwei Dimensionen:10
1. Wie Personen Informationen wahrnehmen und sammeln - unterteilt sich in die Wahrnehmung über Sinne durch praktische Erfahrung oder abstraktes Begreifen
2. Informationsverarbeitung - durch aktives Probieren oder gedankliche Beobachtung Durch diese Einteilung ergaben sich vier Lernstile, welche durch die vier Quadranten definiert sind.11
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Lernstile nach Kolb
Accommodator (Praktiker - der Experimentierende): Sie sind gleichermaßen aktiv durch ausprobieren und praktisch durch Erfahrungen veranlagt, was dazu führt, dass dieser Stiltyp beiläufig lernt.
Converger (Entscheider - der Umsetzende): Sie begreifen abstrakt, was sie in der Umwelt aktiv probieren. In diesem Stil werden Theorien getestet und bestehende Probleme schrittweise gelöst.
Diverger (Entdecker - der Andersdenkende ): Sie machen praktische Erfahrungen und erheben dazu gedankliche Beobachtungen. Diesem Stiltypen werden kreative Lösungen zugesprochen.
Assimilator (Denker - der Sammler): Sie begreifen abstrakt, was sie zuvor gedanklich beobachtet haben. Sie entwickeln vorwiegend Theorien, anstatt Lösungsansätze zu erschließen.
Lerntypen - Laut Frederic Vester existieren unter den Lernenden unterschiedliche Ausprägungen der Wahmehmungs- bzw. Sinnesorgane, welche wiederum eine Auswirkung auf die Aufnahme des Gelernten hat. Gemäß der Sinnesorgane, beschreiben sich die Typen als auditiv, visuell, haptisch und intellektuell. Abseits dieser Theorie gibt es weitaus mehr Typisierungen, wobei nur in Ausnahmefällen ein Typus allein besteht, da i.d.R. Mischformen bzw. verschiedene Sinnesorgane vereint stimuliert werden.
Die Theorie des typgerechten Lernens nach Frederic Vester (Denken, Lernen, Vergessen, dtv, München, 31. Auflage 2007) steht in der Kritik. Erziehungswissenschaftlerin Nicole Becker von der Universität Tübingen betonte “semantisches Lernen - also das, was man im pädagogischen Sinne unter Wissenserwerb versteht [erfordert] eine aktive, intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Gegenstand.” 12 Die Lernforscher Hal Pashler, Mark McDaniel, Doug Rohrer und Robert Bjork setzten sich mit dem Ansatz Vesters empirisch auseinander und kamen zu dem Fazit, dass typgerechtes Lernen im Sinne von Vester nicht existiert.13
So individuell, wie jeder Mensch Dinge wahrnimmt und agiert, so unterschiedlich sind auch die Methoden, Stile oder Typen in Bezug auf das Lernen. Hierbei können verschiedene Komponenten Einfluss nehmen, beispielsweise ob ein Mensch eher Praktiker oder Theoretiker, introvertiert oder extrovertiert, aber auch Teamplayer oder Einzelgänger ist.
2.2 Lernen im Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland
Das deutsche Schulsystem ist aufgrund der jeweiligen Regelungen der einzelnen Bundesländer nicht identisch. In Artikel 7 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beschreibt sich der einzig verbindliche Teil zur Schulpflicht Abs. (1) aus welchem hervorgeht, dass das gesamte Schulwesen unter staatlicher Aufsicht steht.14 Jegliche Regelung darüber hinaus ist Ländersache, mit dem Resultat, dass kein einheitliches Schulsystem in der Bundesrepublik Deutschland existiert. Auf dieser Grundlage folgten unterschiedliche Bezeichnungen und Laufzeiten von Schuleinrichtungen. Die Schulpflicht beginnt für Kinder i.d.R. mit der Vollendung des sechsten Lebensjahres. Die genaueren Pflichten der Vollzeitschulpflicht, also der Besuch einer Vollzeitschule, welche die Primär- und Sekundarstufe I umfasst, variieren unter den Bundesländern, erstrecken sich jedoch auf neun oder zehn Schuljahre.15 Neben den Unterschieden gibt es eine übergreifende Grundstruktur des Bildungssystems, mit der Unterteilung in fünf Bildungsbereiche:16
Elementarbereich: Er beschreibt die nicht verpflichtende Kinderbetreuung bis hin zum Alter des Schuleintritts des Kindes.
Primarbereich: Mit Erlangen des schulpflichtigen Alters treten Kinder in den Primarbe- reich, die Grundschule, ein. Basierend auf den Schulnoten erhalten die Schüler mit dem Grundschulabschluss eine Schullaufbahnempfehlung für den Sekundarbereich.
Sekundarbereich I: Dieser Bereich, beginnend in Klasse 5 bis Klasse 9 bzw. 10 (G8 oder G9), ist in verschiedene Bildungsgänge aufgeteilt, wobei jeweils das Ziel in Form des allgemeinbildenden Schulabschlusses besteht. Je nach Abschluss wird der Besuch weiterführender Bildungseinrichtungen des Sekundarbereichs II ermöglicht.17
Sekundarbereich II: Dieser Bereich erstreckt sich von allgemeinbildenden oder beruflichen Vollzeitschulen bis hin zur Berufsausbildung im dualen System. Der Zugang besteht je nach Schulabschluss des Sekundarbereichs I. Die Abschlüsse führen je nach Schultyp zur allgemeinen oder fachgebundenen Hochschulreife bzw. Fachhochschulreife und gestatten den Übertritt in den Tertiärbereich (mittels dualer und vollzeitschulischer Ausbildung wird bereits ein beruflicher Abschluss erworben.).
Tertiärbereich: Der Eintritt in diesen Bereich geschieht nach vollendeter Schulpflicht und hat einen akademischen Abschluss zum Ziel.
Innerhalb des Primarbereichs sowie dem Sekundarbereich I und II gibt es außerhalb des allgemeinen Schulsystems auch Förderschulen für Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Grundstruktur des Bildungssystems in Deutschland, angelehnt an Dokumente der KMK (Kulturministerkonferenz)1819
Die Forsa befragte im Jahr 2010 insgesamt 1.000 Menschen zur Zufriedenheit mit dem Schulsystem in Deutschland. Die Ergebnisse zeigten, dass 3 % sehr zufrieden, 27 % zufrieden, 42 % weniger zufrieden und 20 % überhaupt nicht zufrieden waren, wobei 8 % keine Wertung abgaben.18 Eine erneute Umfrage zur Zufriedenheit mit dem deutschen Schulsystem fand 2011 mit insgesamt 706 Eltern mit Kindern im Alter von 5 bis 17 Jahren statt. Die Ergebnisse zeigten, dass 1 % sehr zufrieden und 42 % eher zufrieden waren, wohingegen 43 % eher unzufrieden und 11 % sehr unzufrieden waren (3 % hatten hierzu keine Meinung).19 Waren im Jahr 2010 noch 30 % zufrieden und 62 % unzufrieden; so nahm die Unzufriedenheit in 2011 ab (43 %) und die Zufriedenheit zu (54 %). Darüber hinaus lässt sich in der jüngeren Messung feststellen, dass weniger Befragte sehr zufrieden sind (-2 %), jedoch auch weniger überhaupt nicht zufrieden (-9 %) sind. Im Jahr 2018 waren 45 % der Befragten unzufrieden und 47% zufrieden mit dem Schul- und Bildungssystem im eigenen Bundesland. Dies geht aus einer Studie hervor, welche in der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz (Februar 2018) vorgestellt wurde.20 In der Konferenz wurde für den Abschluss eines Bildungsstaatsvertrages zwischen den deutschen Ländern geworben. Dieser beantwortet den von der Bevölkerung ausgehenden Wunsch, bei welchem sich 61 % mehr Einfluss des Bundes auf die Bildungspolitik erhoffte. Dieser Staatsvertrag sollte für mehr Vergleichbarkeit im deutschen Bildungssystem sorgen. Es sprachen sich 72 % der Befragten für den Staatsvertrag aus. Ziel dessen ist es über die Landesgrenzen hinweg hohe Bildungsqualität, Vergleichbarkeit der Anforderungen sowie Mobilität zu sichern.21
2.3 Schulen mit außergewöhnlichem Ansatz
Eine Initiative aus den USA nennt sich “Schools of Tomorrow” (zu Deutsch, Schulen von morgen). Sie basiert auf der Grundlage der Publikation “Schools of To-Morrow”, aus dem Jahr 1915, von dem Philosophen und Pädagogen John Dewey und seiner Tochter Evelyn. Die Publikation entstand durch Reformpädagogen, um eine Basis für ein neues Lernen und Lehren zu bilden. Sie beschreibt eine Erziehungstheorie anhand von Schulexperimenten, mit dem pädagogischen Ansatz Schüler auf die aktive Mitgestaltung der Gesellschaft vorzubereiten. Schools of Tomorrow möchte die Frage beantworten wie Lernen heute organisiert werden kann.22 In der Zusammenarbeit zwischen Schulleitern und Schülern wurde ein auf der Publikation basierendes Grundgerüst entwickelt, welches anschließend in der Praxis und Forschung erprobt und er- wiesen wurde.23 Dieses Gerüst beschreibt vier Grundlagen der gleichen Wertigkeit, welche eine “Schule von Morgen” darstellt.24 Einrichtungen, welche als “Ausgezeichnete Schulen” beschrieben werden, zeichnen sich durch hohe Leistungen bei diesen Grundlagen aus:25
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Vier Fundamente außergewöhnlicher Schulen26
Höchstleistungen (Highest levels of achievement): Alle Lernenden machen höchste Fortschritte in Bezug auf ihre eigenen Ausgangspunkte gegenüber den vereinbarten nationalen Standards.
Höchstes Wohlbefinden (Highest levels of well-being): Die Gesinnung der Schule sichert das höchstmögliche Niveau von Gesundheit und Glück, als auch das physische, soziale, emotionale, kulturelle, moralische und spirituelle Wohlbefinden und die Entwicklung.
Hocheffektive Vorbereitung auf die Zukunft (Highly effective preparation for the future): Alle Lernenden erhalten eine erhöhte Verantwortung und Vorbereitung für die Durchführung ihres Lebens und Lernens. Darüber hinaus werden sie bei der Entwicklung zu widerstandsfähigen, kreativen Individuen, aktiven Bürgern und unternehmungslustigen Arbeitern in der Gesellschaft, in der sie leben unterstützt.
Hochwirksames Engagement für Familie und Gemeinschaft (Highly effective family and community engagement): Die Schule und ihre Gemeinschaften stellen gegenseitig Ressourcen, Fachwissen, Beschäftigungs- und Lernerfahrungen bereit, um hochwirksame Beiträge zum sozialen Gefüge zu leisten. Es ist eine Lerngemeinschaft mit einer effektiven lokalen, nationalen und internationalen Vernetzung auf allen Ebenen.
Schools of Tomorrow ist auch eine Thematik in Deutschland. Für das Jahr 2018 wurde ein Projekt in Form eines Ideenwettbewerbs vom Haus der Kulturen der Welt (gefördert durch das Auswärtige Amt sowie durch Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) und der ZEIT Verlagsgruppe veranlasst. So suchten Schüler der 7. bis 12. Klasse, Künstler, Pädagogen und Wissenschaftler im Schuljahr 2017/2018 innerhalb von 21 Projekten in Form von Arbeitsgemeinschaften, im Wahlpflichtunterricht oder in künstlerischen Projektwochen gemeinsam nach Wegen und Mitteln, wie Schule mitgestaltet werden kann.27
Quest to Learn - Schulkonzept
Die Schule Quest to Learn (Q2L) eröffnete im Jahre 2009 in New York, USA und ist eine öffentliche Schule für die Jahrgänge 6-12. Die Unterrichtsphilosophie dieser Schule wurde durch Pädagogen und Spiele-Theoretikern des “Institute of Play” mit Hilfe von Förderungen der “The MacArthur Foundation” entwickelt. Das Schulkonzept basiert auf Game-Based Learning (Spielbasiertem Lernen) und verfolgt somit den Ansatz des “spiel-ähnlichen” Lernens.28 29 Dieses Konzept wird vorgestellt, da es bereits den Ansatz der Gamification (Spielifizierung) einbindet, welches mit dieser These erforscht wird.
Quest to Learn nutzt Game-Based Learning als einen Grundpfeiler der Wissensvermittlung und wendet somit eine spezielle Unterrichtsform an. Die Schule hat Spiele sorgfältig als schülerorientierte, sinnstiftend erklärende, strukturierte, interaktive und immersive30 Systeme entworfen. Des Weiteren wird auf Forschungen verwiesen, bei welchen Bildungsforscher entdeckt haben, dass Spiele eine der reichsten Lernerfahrungen ermöglichen. Spiele ermöglichen die Interaktion mit Anderen während des Lernprozesses. Darüber hinaus findet eine fortlaufende Rückmeldung über das Versagen oder den Erfolg in einer Situation statt. An den Spiel-Ansatz ist die Erlaubnis geknüpft, nach einem Fehler eine Wiederholung (“iteration”) zu beginnen. Da das Versagen ein Bestandteil eines Spiels ist, schafft es in diesem schulischen Kontext eine Motivation für Schüler, welcher darin besteht, bei dem nächsten Versuch erfolgreicher zu sein.31
Das Schulkonzept verfolgt “Die 7 Prinzipien des Game-Based Learning”:32
- Jeder ist ein Teilnehmer: Oft steuern verschiedene Schüler unterschiedliche Arten von Fachwissen bei, so existiert eine gemeinsame Kultur und Praxis in welcher jeder mitwirkt.
- Herausforderung: Es existiert eine konstante Herausforderung, da Schüler durch ihren Wissensdurst permanent herausgefordert werden Probleme zu lösen dessen Ressourcen außer Reichweite liegen.
- Lernen geschieht durch machen: Lernen ist aktiv und erfahrbar, so lernen die Schüler durch das Vorschlägen, Testen, Spielen und Validieren von Theorien.
- Feedback ist unmittelbar und fortlaufend: Schüler erhalten durchweg Feedback zu ihren Fortschritten, Lern- und Prüfungszielen.
- Misserfolg wird als “Wiederholung” umgestaltet: Durch Versagen kann gelernt werden, und so werden alle Lernerfahrungen in einen Test- und Wiederholungsprozess umgestaltet.
- Alles ist miteinander verbunden: Schüler können ihre Arbeit, Fähigkeiten und Wissen in Netzwerken, Gruppen und Gemeinschaften teilen.
- Es fühlt sich wie ein Spiel an: Um Forschung und Kreativität zu unterstützen, werden Lernerfahrungen ansprechend, schülerzentriert und organisiert gestaltet.
Die Schule führt einen eigenes Glossar, welches sehr an das Gaming-Vokabular angelehnt ist. Beispielsweise heißt die Klasse “Point of View” (Erzählerperspektive), Aufgaben sind “Quests” (Suchmission) und Themenbereiche werden als “Mission” tituliert.33 Quest to Learn hat eigene Auswahlkriterien, um die Eignung der Schülerfestzustellen. So müssen diese mit den nach der Schulphilosophie, innovativen und praktischen “Quests” umgehen können. Bei Schülern wird nach bestimmten Eigenschaften, wie Kreativität, Neugier oder Technologie-, Design-, Kunst- und Medien-Enthusiasmus gesucht.34
3 Zusammenspiel von Motivation, Nudge und Gamification
Bereits vor über 1.000 Jahren, setzten sich Philosophen mit der Frage auseinander was dem Menschen von Natur aus gegeben ist, und was er erlernt hat. Die Nature - Nurture Debatte (Natur-Umwelt-Debatte) beschreibt eine langjährige Diskussion um die Frage, ob menschliches Verhalten durch angeborene biologische Antriebskräfte erlernt (Nature), oder als Erlerntes durch die Umwelt geprägt (Nurture) entsteht.35
Der erste Ansatz dieser Debatte wurde durch die Begrifflichkeit 1874 von Sir Francis Galton geprägt, indem er bereits vor der genetischen Wissenschaft argumentierte, dass Intelligenz und Charakterzüge durch erbliche Faktoren bedingt sind (NatureNurture). Der gegenteilige Standpunkt wurde von dem Philosophen John Locke gehalten, welcher die Theorie vertrat, dass jeder Mensch als ...unbeschriebenes Blatt zur Welt kommt. Einzig gemeinsamer Nenner dieser Standpunkte war, dass die Erziehung (Nurture) als vorherrschende Kraft in der Entwicklung dargestellt wird. Von den 1970er Jahren bis Ende des 20. Jahrhunderts entstand eine Verlagerung der Theorie, hingehend zur “Natur” (bezogen auf Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen), bedingt durch das wachsende Wissen in Bezug auf das Gehirn und die Genetik. Erkenntnisse aus Forschungen waren, dass die Genetik (Nature) als auch die Umwelteinflüsse (Nurture) oft zu gleichen Teilen prägen. Somit wurde es zunehmend schwerer Nature oder Nurture eine “Vorherrschaft” zuzusprechen und die zwei Sparten voneinander zu trennen. Heutiger Erkenntnisstand ist, dass Nature und Nurture ausnahmslos miteinander verbunden sind. Gene beeinflussen die erlebte Umwelt, zeitgleich können das Umfeld und Erfahrungen bestimmte Gene einer Person direkt verändern, welche wiederum die physische Struktur als auch die Aktivität des Gehirns verändern.36
Im Folgenden werden die Schwerpunkte Motivation, Nudge (Stups) und Gamification (Spielifizierung) näher betrachtet.
3.1 Motivation und Motivationstheorien
“Motivation bezeichnet eine aktivierende Ausrichtung auf einen positiv bewerteten Zielzustand”.37 In Zusammenhang mit der Motivation steht der Wille bzw. die Willenskraft. Sie ist trainierbar, verhält sich allerdings wie ein Muskel, so kommt es zur “Erschöp- fung”, wenn die Willenskraft zu lange in Anspruch genommen wird. Willenskraft kommt zum Einsatz, wenn es darum geht Unlust zu überwinden (also auch bei ausbleibender Motivation). “Motivation kann reduzierte Willenskraft kompensieren und Willenskraft kann fehlende Motivation kompensieren.”38 So können trotz ausbleibender Motivation gute Leistungen erzielt werden, dies geschieht allerdings unter höherem Einfluss der Willenskraft. Gute Leistungen können daraufhin mit weiterhin ausbleibender Motivation vermehrt abnehmen. “Motivation ergibt sich aus dem Zusammenspiel einer motivierten Person mit einer motivierenden Situation”.39 Gegenüber eines Motivationsgeschehens (mit Zielen, Motiven oder auch Bedürfnissen) stehen zu gestaltende Situationen (welche Anreize oder Aufforderungsreize bieten).40
Intrinsische Motivation beschreibt eine aus sich selbst entstehende, also innere Motivation. Dies bedeutet Tätigkeiten werden aus eigenem Willen ausgeübt. Eine intrinsische Motivation wird durch interne Prozessmotivation (der Begeisterung oder Freude an einer Tätigkeit) und internes Selbstverständnis (dem Nachkommen eigener Werte, Überzeugungen, Grundsätze oder Maßstäbe) ausgelöst.41 Im Rahmen der intrinsischen Motivation beim Lernen muss die Beziehung zum Lernstoff für den Schüler motivierend wirken, also sollte der Lernstoff Interesse, beziehungsweise Freude oder ein Bedürfnis wecken. Zur Förderung kann ein persönlicher Bezug zwischen dem Schüler und den Lerninhalten geschaffen werden. Intrinsische Motive sind hierbei der Aufforderungscharakter, der Wissensdrang und die Neugier, aber auch der Drang etwas zu vollenden.42
Im Gegensatz dazu wird die durch äußere Reize bedingte, extrinsische Motivation betrachtet. Die Psychologen Edward Deci und Richard Ryan unterteilen die extrinsische Motivation in vier Formen. Neben der extrinsischen Motivation (belohnungsorientiert) existieren die introjizierte (eine ursprünglich fremde Einstellung wird übernommen), die identitätsbestimmende Motivation (Übereinstimmung mit Werten oder Zielen) und die integrierte Motivation (Verschmelzung innerer Absichten und äußerer Erfordernisse).43 Mittels äußerer Reize (extrinsisches Motiv) kann die Lernmotivation gestärkt oder verursacht werden. Diese Reize können materieller (z.B.
Belohnungen, Bestrafungen oder externe Ziele) oder sozialer (z.B. Wettbewerb oder Zugehörigkeit) Natur sein.44
Die Motive treten häufig in Kombination miteinander auf, eine solche Überschneidung wird als Motivation Crowding Effect bezeichnet. Hierbei kann fehlende intrinsische Motivation durch extrinsische Motivation verstärkt werden, dies funktioniert auch umgekehrt.45
Wird die Begrifflichkeit der Motivation auf das Lernen übertragen, leiten sich die Lernmotive (siehe Seite 20 Grundmotive und Motive schulischen Lernens) und die Lernmotivation ab. Die Lernmotivation “steht insgesamt für vielfältige kognitive und emotionale Prozesse, die eine Selbststeuerung zielgerichteten Verhaltens ermöglichen”46 Unter der Lernmotivation verstehen sich somit sämtliche kognitiven und emotionale Prozesse welche dazu anregen Neues zu erlernen. Je nach Persönlichkeit und vorhandener Fähigkeiten und Motivationen, ist auch die Lernmotivation bzw. Zielsetzung individuell.
Die amerikanischen Psychologen Yerkes und Dodson hatten mittels Forschungen an Ratten herausgefunden, dass eine Beziehung zwischen Motivation bzw. Erregung (beispielsweise Angst) und Leistung in Bezug auf Lernaufgaben existiert, so entstand das Yerkes-Dodson-Gesetz. Diese Ergebnisse wurden anschließend auch auf den Menschen übertragen. Ein optimaler Leistungsgrad existiert bei mittlerer Erregung. Grafisch wird dies in der Abbildung mittels einer umgekehrten U-förmigen Leistungskurve dargestellt - extreme Unter- oder Überbelastungen wirken sich negativ auf das Leistungsniveau aus.47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Yerkes-Dodson-Gesetz
Grundmotive des schulischen Lernens
Der US-amerikanische Psychologe McClelland, Verfasser des Buches “The Achieving Society”, beschrieb drei je nach Persönlichkeit unterschiedlich dominante Grundmotive, welche für eine Leistungserbringung bedient sein müssen. In der Theorie auch bekannt als “Learned Needs Theory”, wurde die Behauptung aufgestellt, dass diese (Grund-) Motive erlernt sind. Grundmotive sind nicht an Geschlecht, Kultur oder Alter gebunden und können auf das Lernen übertragen werden. Die Grundmotive sind getrieben durch Wünsche und werden zurückgehalten durch Befürchtungen:4849
1. Leistung: Ein Bedürfnis Ziele zu setzen und diese zu erreichen, wobei auch Risiken eingegangen werden um dem Ziel nachzugehen.
- Wünsche: Erfolg, Fortschritt, Kreativität, Abwechslung, Neugier
- Befürchtungen: Unfähigkeit, Schwäche, Nutzlosigkeit, Dummheit, gelten als Verlierer oder Versager
2. Macht: Das Bedürfnis nach Wettbewerben, einem Status und Anerkennung, gekoppelt mit der Macht oder Kontrolle über eine Aufgabe oder Personen.
- Wünsche: Kontrolle, Dominanz, Status, Einfluss, Kampf
- Befürchtungen: Kontrollverlust, Irrelevanz, Abhängigkeit, Bedeutungslosigkeit
3. Zugehörigkeit: Das Bedürfnis gemocht zu werden und Teil einer Gruppe zu sein. Daher wird das Zusammenarbeiten wichtiger als der Wettbewerb empfunden und Meinungen gehen meist konform mit der jeweiligen Gruppenmeinung.
- Wünsche: Sicherheit, Zuwendung, Geborgenheit, Freundschaft
- Befürchtungen: Unbeliebtheit, Zurückweisung, Isolation, Ausschließung
Der österreichische Psychologe und Schriftsteller Werner Stangl stellte bereits Qualitätsunterschiede an deutschen Schulen fest. Demnach sind Schüler i.d.R. bereits neugierig, müssen jedoch zum Lernen angeregt werden. Die folgenden Motive sind angelehnt an Werner Stangls Motive des schulischen Lernens:48 49 50
Sozialmotiv: Der Schüler möchte in ein bestimmtes soziales Umfeld integriert sein und in diesem interagieren. Mittels Gruppenarbeiten wird ein solches geschaffen, wodurch Schüler miteinander arbeiten und sich gegenseitig helfen können.
Selbstmotiv: Der Schüler möchte Aufgaben selbstständig bewältigen und im besten Falle auch eine Wahl haben. Durch selbstständiges Arbeiten kann der Schüler in seinem Selbstbewusstsein gestärkt werden und dabei selbst entscheiden, wie er die Aufgabe umsetzt.
Sachmotiv: Der Schüler geht einer Tätigkeit aus Interesse nach. Dies geschieht beispielsweise innerhalb des Lieblingsfachs, kann aber auch durch die Verbindung von interessanten Verfahrensweisen für den Schüler hervorgerufen werden.
Neugiermotiv: Der Schüler kennt sich mit einem Themengebiet noch nicht aus oder möchte sein Wissen erweitern. Durch Fragerunden kann der Schüler aktiv eingebunden werden und Aspekte hinterfragen.
Lernmotiv: Der Schüler möchte sich Wissen oder eine Fähigkeit aneignen, hieraus resultiert der Spaß am Lernen. Dieser Wille kann durch einen persönlichen Bezug oder Nutzen für den Schüler entstehen.
Leistungsmotiv: Der Schüler möchte aus eigenem Antrieb eine gewisse Leistung erbringen und fordert hierbei sein eigenes Durchhaltevermögen. Die Leistung kann beispielsweise durch einen Wettbewerbsgedanken oder Gleichstellungswunsch in der Gruppe angestrebt werden.
Identifikationsmotiv: Der Schüler identifiziert sich mit einer Fähigkeit oder Person und ahmt diese nach. Je nach Präsentation einer Aufgabe oder Fähigkeit kann dies positiv begünstigt werden.
Zustimmungsmotiv: Der Schüler erwartet für seine Leistungen eine Belohnung, hierbei zählt nicht der Erwerb einer Kenntnis oder Fähigkeit. Die im Schulsystem dafür vorgesehene Entlohnung ist beispielsweise die Bewertung durch den Lehrer in Form einer Note.
Geltungsmotiv: Der Schüler möchte beachtet werden und mittels guter Leistungen die entsprechende Anerkennung erhalten. Dies bedeutet nicht, dass der Schüler für schlechte Leistungen missachtet werden darf, da dies zu einer Negativspirale der Leistungen führen kann.
Machtmotiv: Der Schüler strebt nach einem bestimmten Status oder Ämtern. Durch die Vergabe verschiedener Aufgaben oder einer Aufgabenrotation im Klassenverband kann dieses Bedürfnis bedient werden.
Aggressionsmotiv: Der Schüler ist in “Angriffsstimmmung” und hat das Bedürfnis durch seine Leistungen eine andere Person herauszufordern. Dies kann positiv, durch einen hohen Leistungsanspruch als auch negativ, durch einen ausbleibenden Leistungsanspruch verlaufen.
Strafvermeidungsmotiv: Schüler kommen verschiedenen Aufgaben nach, um vermeintliche “Strafen” zu vermeiden. Wichtig ist dass Schüler nicht aus Angst agieren, da dies eine negative Haltung im Schulverhältnis erzeugen könnte.
3.2 Nudge - der „Stubs“ in die richtige Richtung
Das menschliche Gehirn nimmt pro Sekunde ca. elf Millionen Sinneseindrücke auf, von welchen nur etwa 40 bewusst wahrgenommen werden.51 Neben dieser Filterfunktion, kommt es im Gehirn auch zu kognitiven Verzerrungen (cognitive bias), bei welchen es zu systematischen Fehlern innerhalb der Verarbeitung von Interpretationen und der Verarbeitung von Informationen kommt. Mit der Thematik der kognitiven Verzerrung beschäftigte sich unter anderem der Autor Buster Benson. Er unterteilte die Ursachen, durch die es zu den Fehlverarbeitungen kommt, in vier Typen und schrieb diesen Unterkategorien zu, welche Vorgehensweisen vom Gehirn (richtig oder falsch) gesteuert werden, um Aspekte wahr zu nehmen. Zum einen erschließt sich die Situation, dass zu viele Informationen zur Verfügung stehen. Reaktionen darauf sind beispielsweise, dass bereits Erlerntes wiedererkannt wird oder der Fokus lediglich auf unerwarteten Informationen liegt. Eine andere Ursache wird als unzureichende Bedeutung beschrieben. Folgereaktionen sind hier beispielsweise die eigenständige Füllung der Lücken vom Gehirn durch Allgemeingültigkeiten oder Stereotypen. Bei der Kategorie der Notwendigkeit einer schnellen Handlung kommt es zu einer Vereinfachung, z.B. dass eindeutige Optionen den unklaren oder komplexen vorgezogen werden. Als vierte Kategorie wird die Frage aufgeführt, an welche der Informationen soll sich erinnert werden. Eine der Verarbeitungsmöglichkeiten ist hier das Verwerfen von Besonderheiten und Herstellen einer Allgemeingültigkeit, um die Erinnerung übersichtlich zu gestalten.52
Einige dieser Faktoren finden sich bei Thaler und Sunstein wieder. Sie schrieben 2008 gemeinsam das Buch “Nudge - Improving decisions about health, wealth and happi- ness” (zu deutsch: Stups - Aufbessern von Entscheidungen bezüglich der Gesundheit, des Wohlstands und Zufriedenheit). Der Begriff “Nudge” kommt aus dem englischen und bedeutet so viel wie “schubsen”. Thematisch ist das Buch in der Verhaltensökonomie angesiedelt und erläutert Kernelemente welche kleine aber wirkungsvolle Einflussfaktoren sind, um das Verhalten Dritter positiv zu beeinflussen. Die Besonderheit des Nudges ist es, dass eine Richtung nicht forciert wird, sondern er lediglich einen Hinweis in die „richtige Richtung“ darstellt, und somit der Fokus der Person gelenkt wird.
Ein Nudge ist psychologisch betrachtet eine Information, die mit einer bestimmten Lenkungsabsicht konstruiert wurde, damit Menschen aus mehreren Handlungsoptionen spontan eine bestimmte wählen.53 In der Regel gilt, je weniger der Mensch durch eine eigene Meinung vorbelastet ist, desto eher kann er durch einen Nudge beeinflusst werden. Dieser psychologische Trick wird beispielsweise genutzt, um Kunden zum Kauf zu manipulieren. Jedoch lassen sich die Ansätze auch auf andere Bereiche übertragen, wie für diese Arbeit auf den Bildungssektor.
Das Buch bedient sich hierbei gängiger Theorien aus der Psychologie, welche je nach Zielsetzung ihre Anwendung finden und zum Teil nahezu ineinander übergehen.
Entscheidungsarchitektur
Die Entscheidungsarchitektur (choice architecture) beschreibt die Beeinflussung des Verhaltens, welche allein durch die Anordnung von Dingen geschieht. Diese “Dinge” können Verkaufsprodukte in einem Einkaufsladen, das Essen in der Cafeteria oder PCEinstellungen sein. Die Person welche die Entscheidungen einer anderen beeinflusst, wird als Entscheidungsarchitekt (choice architect) bezeichnet. Durch diese „Voreinstellungen“, kann der Entscheidungsarchitekt dem Nutzer in ein gewisses Verhaltensmuster suggerieren. Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, durch aktives Einschreiten, aus einer vorgegebenen Architektur auszubrechen. Diese Option des anderen Handelns wird als “Opt-out” bezeichnet.54
Weg des geringsten Widerstandes (the path ofleast resistance)
Der Theorie des Buchs' nach ist der Mensch im Grunde ein faules Wesen. Eben diese Faulheit wird auch in der Kaufpsychologie angewandt. So werden hochpreisige Produkte im Geschäft eher auf Augenhöhe angepasst und für die preiswerteren müsste sich der Kunde strecken oder bücken. Auch bei Verträgen findet ein ähnliches Phäno- men statt, bei dem dem Kunden die “Last” genommen wird sich selbst um eine Vertragsverlängerung zu kümmern. Stattdessen erweitert sich die Laufzeit eines Vertrages, wenn der Nutzer nicht aktiv wird und interveniert. Dieser Ansatz beschreibt, dass wenn ein Mensch zwischen einfachen und komplizierten Optionen wählen kann, er sich aller Wahrscheinlichkeit nach für die einfache Variante entscheiden wird. Eine geringere Auswahl an Optionen führt beim Kunden eher zur Beanspruchung als eine übermäßige Auswahl - frei nach dem Motto: die Qual der Wahl.
Als Vorurteile und Fehler (bias and blunders) greifen Thaler und Sunstein einige gängige Psychologische Aspekte auf.
Entscheidungsregeln und Neigungen (heuristics and biases)
Der Mensch ist zwar in der Lage individuelle Situationen eigenständig zu betrachten, jedoch ist es wesentlich einfacher durch bisheriges Wissen neue Situationen einzuschätzen. Somit wird er durch Faustregeln und Neigungen bei Entscheidungen beeinflusst. Diese Entscheidungsregeln sind in drei Kategorien zu unterscheiden um eine Neigung zu prägen.
Anker
Wenn beim Urteilen eine Tendenz hingehend zu einem vorab präsentierten Standard (Anker) zu beobachten ist, beschreibt dies einen Ankereffekt.55 In erster Linie muss dem Probanden ein Anker gesetzt werden, dieser muss jedoch in keiner Relation mit der darauffolgenden Frage stehen. So liest die Probandengruppe A einen Text mit der Überschrift “Wohnraum kostet 30 Prozent des Einkommens.” und die Probandengruppe B “70 Prozent der Deutschen wollen gesünder leben.” Wird daraufhin die Frage gestellt: “Wie Wahrscheinlich ist ein Terror-Anschlag in einer deutschen Großstadt?” so wird die Probandengruppe A eine geringere Wahrscheinlichkeit vermuten als Probandengruppe B.
Dieser Effekt kann auch durch die Reihenfolge von Fragen die Antworten der Probanden beeinflussen. Wenn die erste Frage (Anker) negativ beantwortet wird, kann sich diese negative Haltung auf die nächste Frage übertragen.
Verfügbarkeitsheuristik (avalability heuristic)
Verfügbarkeitsheuristik beschreibt die stärkere Wichtung von leicht verfügbaren Informationen.56 Als leichter verfügbar gelten solche Informationen, welche mit einer starken Emotion verknüpft sind, oder die aus der nahen Vergangenheit stammen. Dies bedeutet, dass der Mensch danach urteilt, was er kennt bzw. danach beurteilt, was in seinem näheren Umfeld geschieht.
Ein Beispiel für die Verfügbarkeitsheuristik ist die Angst des Menschen vor Haien. Die Anzahl von Haiangriffen auf den Menschen sind verschwindend gering, so wurden im Jahr 2017 weltweit insgesamt 88 Personen von Haien angegriffen, von welchen fünf Angriffe einen tödlichen Verlauf nahmen.57 Im Gegensatz dazu kam es im selben Jahr allein in Deutschland zu 404 Todesfällen durch Ertrinken.58 Das Verhältnis zur Angst vor Haiangriffen steht somit in keiner Relation zur realistischen Wahrscheinlichkeit.
Repräsentativitätsheuristik (representativeness)
Die Repräsentativitätsheuristik beschreibt das Entscheiden und Urteilen aufgrund subjektiv wahrgenommener Ähnlichkeiten.59 Diese Theorie kann als Schubladendenken bzw. als Stereotypisierung verstanden werden. Der Mensch ist der Auffassung Zusammenhänge zu erkennen, auch wenn keine bestehen. Dieser Prozess geschieht schneller und der Einfachheit halber, jedoch besteht der Fehler darin, dass nicht alles vereinheitlicht werden kann. Werden Entscheidungen oder auch Wertungen in Situationen auf Grundlage ähnlicher bereits bekannter Situationen getroffen, so wird durch Vorurteile bewertet. Ein Beispiel: Mit den Zahlen “1,2,3,4,5,6” im Lotto zu gewinnen ist genauso wahrscheinlich wie mit den Zahlen “13,18,30,38,45,47”. Jedoch erscheint das erste der beiden aufgeführten Beispiele als unwahrscheinlicher.
Optimismus und Selbstüberschätzung (optimism and overconfidence)
Optimismus wird als “Lebensauffassung, die alles von der besten Seite betrachtet; heitere, zuversichtliche, lebensbejahende Grundhaltung”60 beschrieben. Selbstüberschätzung erklärt sich selbst als das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten. Diese Einstellung ob bewusst oder unterbewusst, führt dazu, dass der Mensch i.d.R. ein besseres Bild von sich hat, als es in der Realität der Fall ist. Gut veranschaulicht sind Op- timismus und Selbstüberschätzung bei Castingshows, wobei die Medien diese Fehleinschätzungen besonders nutzen. Zum Beispiel durch Showformate, bei denen sich tausende Bewerber zur Schau stellen, weil sie der Meinung sind, genau diese eine Person zu sein, die dieses Format gewinnen wird. David Dunning und Justin Kruger stellten darüber hinaus fest, dass diese Fehleinschätzung bei steigender Inkompetenz zunehmend ist und benannten dieses Phänomen als “Dunning-Kruger effect”.61
[...]
1 vgl. [Bildungsberichterstattung: 2018] S. 5 Organization for Economic Cooperation and Development
2 vgl. [Bildungsberichterstattung: 2018] S. 7 f [Gerrig, Zimbardo: 2008] S. 192
3 vgl. [Merrill: 2002] S. 43 ff
4 vgl. [Merrill: 2002] S. 45
5 vgl. [Brockhaus: 2003] S. 1859
6 vgl. [Statista: 2015]
7 vgl. [Kolb:1981] S232ff
8 vgl. [Mandl, Friedrich: 2006] S. 371 f
9 vgl. ebd [Saum-Adelhoff: 2010]
10 vgl. [Saum-Adelhoff: 2010]
11 vgl. [Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: 2009] S. 14
12 vgl. [Bundesinstitut für Berufsbildung: 2010] S.53 f
13 vgl. [Edelstein: 2013]
14 vgl. [Bax: 2019]
15 vgl. [Kultuminister Konferenz: 2015]
16 vgl. [Statista: 2010]
17 vgl. [Statista: 2011]
18 vgl. [Wirtschaftswoche: 2018]
19 vgl. [Hahn: 2018]
20 vgl. [Hkw: 2019 a]
21 vgl. [Schools of Tomorrow: 2019] vgl. [Schools of Tomorrow: 2019]
22 vgl. [Hkw: 2019 b]
23 vgl. [Sälen, Torres, Wolozin, Rufo-Tepper, Shapiro: 2011]
24 vgl. [Q2L: 2019 a] Begriff aus dem Gaming Bereich, welcher das Eintauchen in eine fiktionale Welt beschreibt,
25 vgl. [Q2L: 2019 a]
26 vgl. [Q2L: 2019 a]
27 vgl. [Q2L: 2019 b]
28 vgl. [Q2L: 2019 c]
29 vgl. [Rettew: 2017]
30 vgl. ebd [Gröpel: 2014] ebd [Reinmann: 2005] S.53
31 vgl. ebd
32 vgl. [Charlier: 2001] S. 34 ff.
33 vgl. [Stangl: 2019 a]
34 vgl. Diefendorff: 2013
35 vgl. [Stangl: 2019 a]
36 vgl. [Charlier: 2001] S. 34 ff.
37 vgl. [Stangl: 2019 a]
38 vgl. [Dietz: 2006] S. 28
39 vgl. [Charlier: 2001] S. 34 ff.
40 vgl. [Mindtools: 2019]
41 vgl. [Stangl: 2019 a]
42 vgl. [Kreisl: 2019]
43 vgl. [Webcampus: 2017]
44 vgl. [Stangl: 2019 b]
45 vgl. [Thaler, Sunstein: 2009] S.12
46 vgl. [Felser: 2015] S.186
47 vgl. [Gillenkirch: 2017]
48 vgl. [Statista: 2018 a]
49 vgl. [Statista: 2018 b]
50 vgl. [Fischer, Jander, Krueger: 2018] S. 42 ff [Duden: 2019 a]
51 vgl. [Dunning, Kruger: 1999] S. 1121 ff
52 vgl. [Thaler, Sunstein: 2009] S.36 [Kirchner, Stark: 2019]
53 vgl. [Bax: 2019]
54 vgl. [Kultuminister Konferenz: 2015]
55 vgl. [Statista: 2010]
56 vgl. [Statista: 2011]
57 vgl. [Wirtschaftswoche: 2018]
58 vgl. [Hahn: 2018]
59 vgl. [Hkw: 2019 a]
60 vgl. [Schools of Tomorrow: 2019] vgl. [Schools of Tomorrow: 2019]
61 vgl. [Hkw: 2019 b]
- Quote paper
- Sara Kamolz (Author), 2019, Motivation und Lernverhalten an Schulen in der Bundesrepublik Deutschland. Typisierungen des Lernens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507595
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