In dieser Arbeit wird das Problem der Verführung in Wagners Drama "Die Kindermörderin" vor dem Hintergrund der Rechtslage im 18. Jahrhundert beleuchtet. Dabei wird die Frage beantwortet, um welchen Tatbestand es sich bei dem sexuellen Übergriff des Leutnants handelt. Es ist hierbei sinnvoll, zunächst auf die Vorstellungen von (vorehelicher) Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts und den damit verbundenen Begriff weiblicher Tugend und Ehrbarkeit einzugehen. Um den sexuellen Übergriff in Wagners Drama klassifizieren zu können, ist es außerdem notwendig, die einzelnen Tatbestände von Unzucht, Vergewaltigung und Notzucht aus damaliger Sicht zu definieren und den Begriff der Verführung davon abzugrenzen. Basierend auf diesen theoretischen Grundlagen erfolgt im Anschluss die Analyse der Beziehung zwischen Leutnant von Gröningseck und Evchen Humbrecht, wobei stets ein Bezug zu dem sexuellen Übergriff hergestellt werden soll. Abschließend wird geprüft, inwieweit die Tat mit der Katastrophe am Ende des Dramas zusammenhängt.
Im 18. Jahrhundert wurde bei der Beurteilung sexueller Übergriffe auf Frauen neben der körperlichen auch immer eine psychische Gewalteinwirkung in Betracht gezogen. Dies thematisiert auch der Jurist und Autor Heinrich Leopold Wagner in seinem Drama "Die Kindermörderin" aus dem Jahr 1776. In dem Trauerspiel findet ein sexueller Übergriff des Leutnants von Gröningseck auf die Bürgerstochter Evchen Humbrecht statt. Wie dieser zu bewerten ist, darüber besteht in der Forschungsliteratur keine Einigkeit. Luserke sieht in dem sexuellen Übergriff definitiv eine Vergewaltigung, wohingegen El-Dandoush die Tat als Verführung bezeichnet. Anders als in der bäuerlichen Bevölkerung oder in der adligen Gesellschaft hatte Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts ihre ausschließliche Legitimation in der Institution der Ehe. Aufgrund der moralischen Vorstellungen von Kirche und Staat war Sexualität ein tabuisiertes Thema und wurde, wenn sie vor- oder außerehelich stattfand, von kirchlicher und staatlicher Seite diskriminiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- (Voreheliche) Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts
- Weibliche Tugend und Ehrbarkeit
- Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen: Unzucht, Vergewaltigung und Notzucht
- Notzucht im medizinischen und gerichtsmedizinischen Diskurs
- Verführung als psychische Gewalt
- Die Beziehung zwischen Evchen Humbrecht und Leutnant von Gröningseck in Heinrich Leopold Wagners Drama „Die Kindermörderin“
- Das Verhalten der Figuren vor der Tat
- Der sexuelle Übergriff des Leutnants
- Die Wandlung des Leutnants und seine Beziehung zu Evchen
- Verführung im Hinblick auf die Katastrophe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Problem der Verführung in Heinrich Leopold Wagners Drama „Die Kindermörderin“ im Kontext des 18. Jahrhunderts. Sie analysiert den sexuellen Übergriff des Leutnants von Gröningseck auf Evchen Humbrecht und versucht, diesen vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage und gesellschaftlichen Moralvorstellungen zu klassifizieren. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob es sich um Vergewaltigung, Notzucht oder Verführung handelt.
- Vorstellungen von (vorehelicher) Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts
- Der Begriff der weiblichen Tugend und Ehrbarkeit
- Die Definitionen von Unzucht, Vergewaltigung und Notzucht im 18. Jahrhundert
- Analyse der Beziehung zwischen Evchen Humbrecht und Leutnant von Gröningseck
- Der Zusammenhang zwischen dem sexuellen Übergriff und der Katastrophe im Drama
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Verführung im 18. Jahrhundert ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Klassifizierung des sexuellen Übergriffs in Wagners Drama. Sie erwähnt divergierende Interpretationen in der Forschung und skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit, der die Analyse der Beziehung zwischen Evchen und dem Leutnant mit dem rechtlichen und gesellschaftlichen Kontext verbindet.
(Voreheliche) Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts: Dieses Kapitel beschreibt die strengen moralischen Vorstellungen des Bürgertums im 18. Jahrhundert bezüglich vorehelicher Sexualität. Es betont die zentrale Rolle der Ehe als einzige legitime Form sexueller Beziehungen und die Diskriminierung außerehelicher Sexualität, insbesondere im Kontext von Handwerkerzünften, wo uneheliche Geburten den Ausschluss zur Folge hatten. Die Bedeutung der Enthaltsamkeit und Frömmigkeit sowie die Funktion der Sexualität in der Ehe – die Zeugung von Kindern und die Sicherung des sozialen Status – werden hervorgehoben. Der Abschnitt führt überleitend zum Thema der weiblichen Ehre und Tugend.
Die Beziehung zwischen Evchen Humbrecht und Leutnant von Gröningseck in Heinrich Leopold Wagners Drama „Die Kindermörderin“: Dieses Kapitel analysiert die Beziehung zwischen Evchen und dem Leutnant im Detail, wobei der Fokus auf dem sexuellen Übergriff liegt. Es wird die Situation vor der Tat, der Übergriff selbst und die Entwicklung der Beziehung danach beleuchtet. Die Analyse betrachtet die Handlungen und Motivationen beider Figuren und deren Konsequenzen. Der Zusammenhang zwischen der Beziehung und der Katastrophe am Ende des Dramas wird vorbereitet.
Schlüsselwörter
Verführung, Sexualität, Bürgertum, 18. Jahrhundert, Weibliche Tugend, Ehrbarkeit, Unzucht, Vergewaltigung, Notzucht, Heinrich Leopold Wagner, Die Kindermörderin, Evchen Humbrecht, Leutnant von Gröningseck, psychische Gewalt.
Häufig gestellte Fragen zu „Die Kindermörderin“: Verführung im 18. Jahrhundert
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den sexuellen Übergriff des Leutnants von Gröningseck auf Evchen Humbrecht in Heinrich Leopold Wagners Drama „Die Kindermörderin“ im Kontext des 18. Jahrhunderts. Sie analysiert den Übergriff vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage und Moralvorstellungen und klassifiziert ihn im Hinblick auf Vergewaltigung, Notzucht oder Verführung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Vorstellungen von (vorehelicher) Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts, den Begriff der weiblichen Tugend und Ehrbarkeit, die Definitionen von Unzucht, Vergewaltigung und Notzucht, die Analyse der Beziehung zwischen Evchen Humbrecht und Leutnant von Gröningseck sowie den Zusammenhang zwischen dem sexuellen Übergriff und der Katastrophe im Drama. Es wird auch die Rolle sexueller Gewalt, insbesondere Notzucht und Verführung als psychische Gewalt, beleuchtet.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über (voreheliche) Sexualität im Bürgertum des 18. Jahrhunderts, ein Kapitel über die Beziehung zwischen Evchen Humbrecht und Leutnant von Gröningseck in Wagners Drama und ein Fazit. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz vor. Das zweite Kapitel behandelt die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Das dritte Kapitel analysiert die Beziehung der beiden Hauptfiguren und den sexuellen Übergriff im Detail. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf einer Analyse von Heinrich Leopold Wagners Drama „Die Kindermörderin“ und berücksichtigt die gesellschaftlichen und rechtlichen Normen des 18. Jahrhunderts. Die genauen Quellen werden im Haupttext der Arbeit detailliert angegeben.
Wie wird der sexuelle Übergriff klassifiziert?
Die Klassifizierung des sexuellen Übergriffs als Vergewaltigung, Notzucht oder Verführung ist ein zentrales Thema der Arbeit. Die Analyse berücksichtigt die Handlungen der beteiligten Personen, die gesellschaftlichen Normen und die rechtlichen Definitionen der damaligen Zeit, um eine fundierte Klassifizierung vorzunehmen.
Welche Rolle spielt die weibliche Tugend und Ehrbarkeit?
Die Konzepte der weiblichen Tugend und Ehrbarkeit spielen eine entscheidende Rolle im Verständnis des sexuellen Übergriffs und seiner Konsequenzen. Die Arbeit untersucht, wie diese Konzepte die Wahrnehmung des Ereignisses und die Reaktionen der Gesellschaft beeinflussten.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Verführung, Sexualität, Bürgertum, 18. Jahrhundert, Weibliche Tugend, Ehrbarkeit, Unzucht, Vergewaltigung, Notzucht, Heinrich Leopold Wagner, Die Kindermörderin, Evchen Humbrecht, Leutnant von Gröningseck, psychische Gewalt.
- Quote paper
- Sarah Meister (Author), 2017, Der sexuelle Übergriff in Heinrich Leopold Wagners "Die Kindermörderin". Verführung oder Vergewaltigung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507101