Kabale und Liebe ist Friedrich Schillers erstes und einziges bürgerliches Trauerspiel, welches er laut seiner Schwägerin Karoline von Wolzogen im Juni 1782 zeitgleich mit seiner Flucht aus einem 14-tägigen Arrest geplant hat. Andreas Streicher, welcher gemeinsam mit ihm aus Mannheim flüchtete, berichtet davon, dass Schiller ihm seinen Plan für Louise Millerin, wie er das Stück während der Entstehung nennen wollte, auf dem Weg von Mannheim nach Darmstadt offenbarte:
Wörtlich heißt es bei Streicher, „daß Schiller seit der Abreise von Mannheim mit der Idee umging, ein bürgerliches Trauerspiel zu dichten, und er schon so weit im Plan desselben vorgerückt war, daß die Hauptmomente hell und bestimmt vor seinem Geiste standen. Dieses Trauerspiel . . . wollte er mehr als einen Versuch unternehmen, ob er sich auch in die bürgerliche Sphäre herablassen könne, als daß er sich öfters oder gar für immer dieser Gattung hätte widmen wollen“.
Über Luise, ihren Vater, über Ferdinand und seinen Vater – selbst über Hofmarschall Kalb und Sekretär Wurm, welche lediglich dem Vollzug der Hofkabale dienen, wird man in der Forschung schnell fündig. Lady Milford hingegen wird weitgehend ignoriert.
Durch ihre immer wieder miteinander konkurrierenden positiven und negativen Charakterzüge scheint sie den Anforderungen des von Lessing geforderten gemischten Charakter zu entsprechen. Verglichen hierzu ist Schillers Lady Milford ein nahezu unerforschter Charakter, der trotz seiner Nebendarstellerposition alle Lessing’schen Anforderungen an die Figurengestaltung im bürgerlichen Trauerspiel entspricht. Sich auf der Ebene der Figurengestaltung „in die bürgerliche Sphäre herablassen“ und den Vorgaben des bürgerlichen Trauerspiels zu entsprechen, scheint Schiller also gelungen zu sein.
Zu Beginn der Arbeit wird die Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels und dessen zentrale Aspekte skizziert, welche sich hauptsächlich auf Lessings Hamburgische Dramaturgie stützen. Im Anschluss gehe ich näher auf den von Lessing für notwendig erklärten gemischten Charakter und die kausale Verbindung zwischen Charakteren und Ereignissen ein. Letztendlich wird die Figur der Lady Milford in Schillers bürgerlichem Trauerspiel Kabale und Liebe charakterisiert, um ihr zusammenfassend in den Schlussbemerkungen ihre Rolle im Gesamtwerk zuweisen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Das bürgerliche Trauerspiel
- A. Die Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels
- B. Funktionen der Figuren im bürgerlichen Trauerspiel
- III. Friedrich Schillers Lady Milford
- A. Charaktereigenschaften
- IV. Schlussbemerkung
- V. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Rolle der Lady Milford in Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel „Kabale und Liebe“. Sie beleuchtet die Entstehung und die zentralen Aspekte des bürgerlichen Trauerspiels, insbesondere im Hinblick auf Lessings „Hamburgische Dramaturgie“. Die Arbeit untersucht, wie Schiller die Figur der Lady Milford in den Kontext des bürgerlichen Trauerspiels einbettet und welche Bedeutung ihr Charakter für die Dramenhandlung hat.
- Entstehung und Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels
- Die „Hamburgische Dramaturgie“ und ihre Relevanz für das bürgerliche Trauerspiel
- Der „gemischte Charakter“ in Lessings Dramentheorie
- Lady Milford als Figur des bürgerlichen Trauerspiels
- Die Rolle der Lady Milford in „Kabale und Liebe“
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung stellt das bürgerliche Trauerspiel „Kabale und Liebe“ und die Rolle der Lady Milford darin vor. Sie erläutert, dass Schiller das Stück zeitgleich mit seiner Flucht aus dem Arrest plante. Die Autorin hebt hervor, dass Lady Milford im Vergleich zu anderen Figuren des Stücks häufig übersehen wird. Ihre Analyse zielt darauf ab, den Charakter der Lady Milford im Kontext des bürgerlichen Trauerspiels zu beleuchten.
II. Das bürgerliche Trauerspiel
A. Die Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels
Dieser Abschnitt skizziert die Geschichte des deutschen Dramas und die Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels. Gottsched und Lessing werden als zentrale Akteure der Dramentheorie in diesem Abschnitt vorgestellt. Die Autorin beleuchtet Gottscheds Reformen des Theaters und dessen Kritik an den barocken Vorgaben. Sie hebt Lessings Kritik an Gottsched hervor und stellt die „Hamburgische Dramaturgie“ als wichtiges Werk Lessings vor.
B. Funktionen der Figuren im bürgerlichen Trauerspiel
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Lessings Theorie des „gemischten Charakters“ im bürgerlichen Trauerspiel. Die Autorin erklärt, dass Lessing für die Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels eine neue Form der Figurenzeichnung forderte, die die moralische Komplexität der Menschen widerspiegelt.
- Quote paper
- Fabienne Fleischhauer (Author), 2019, Die Rolle der Lady Milford in Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel "Kabale und Liebe", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507080