Der Titel der Erzählung "Die Ermordung einer Butterblume" erscheint dem Leser zunächst wie die Überschrift eines Zeitungsberichtes - sachlich und prägnant. Gleichzeitig ist er befremdlich, da klar ist, dass ausschließlich Menschen ermordet werden können. Das Paradoxe des Titels zwingt einen Leser mittels einer subjektiven Betrachtungsweise an den Text heranzugehen - nämlich mit der Perspektive des Herrn Michael Fischer. Dieser erlebt die Zerstörung der Butterblume als Mord. Der Titel gibt somit eine Personifizierung der Pflanze vor. Im Laufe des Textes können weitere Hinweise auf eine Vermenschlichung der Natur gefunden werden, die in dieser Arbeit untersucht werden.
Inhaltsangabe:
1. Einleitung
2. Der Inhalt
3. Das Aussehen Herrn Fischers
4. Das Verhalten Herrn Fischers
5. Die Butterblume und der Spießbürger
6. Bibliographie
1. Der Titel:
Der Titel der Erzählung „Die Ermordung einer Butterblume“ erscheint dem Leser zunächst wie die Überschrift eines Zeitungsberichtes – sachlich und prägnant. Gleichzeitig ist er befremdlich, da klar ist, dass ausschließlich Menschen ermordet werden können. Das Paradoxe des Titels zwingt einen Leser mittels einer subjektiven Betrachtungsweise an den Text heranzugehen – nämlich mit der Perspektive des Herrn Michael Fischer. Dieser erlebt die Zerstörung der Butterblume als Mord.
Der Titel gibt somit eine Personifizierung der Pflanze vor.[1] Im Laufe des Textes können weitere Hinweise auf eine Vermenschlichung der Natur gefunden werden, die an späterer Stelle untersucht werden sollen.
2. Der Inhalt:
Der Kaufmann Michael Fischer, ein offensichtlich wohlhabender und angesehener Bürger, gerät bei einem Waldspaziergang aus nichtigem Grunde in Rage und schlägt mit seinem Spazierstock wild um sich, wobei er einer Butterblume die Blüte abschlägt. Diese kaum nachzuvollziehende Tat führt zu merkwürdigen Komplikationen Herrn Fischers mit seiner Umwelt. Die Natur des Waldes, so meint er jedenfalls, scheint sich gegen ihn verschworen zu haben, um den Übergriff auf die Blume zu rächen. Herrn Fischers verzweifelte Versuche, aufkommende Angst- und Schuldgefühle zu unterdrücken und ins Lächerliche zu ziehen, bleiben erfolglos. Möchte er anfangs die möglicherweise nur verletzte Pflanze retten, so rennt er letztendlich, von Panik ergriffen, aus dem Wald, um den Fängen der Natur zu entkommen. Um Wiedergutmachung bemüht, greift Herr Fischer zu kaufmännischen Mitteln und will für die „Ermordete“ ein Konto eröffnen. Seine Schuldgefühle bringen ihn soweit, dass er beschließt eine Butterblume in einem vergoldeten Topf aufzuziehen. Durch ein Missgeschick wird die Pflanze jedoch zerstört. Überglücklich und von Schadenfreude erfüllt, stürzt der Kaufmann in den Wald und verschwindet.
3. Das Aussehen Herrn Fischers:
Michael Fischers Äußeres wird zunächst einmal wie das eines anständigen und beispielhaften
Bürgers beschrieben. Er ist schwarz bekleidet, trägt weiße Manschetten und eine schwarze Weste, an der eine goldene Uhr befestigt ist. Diese Uhr und die wohlbeleibte Figur des Protagonisten lassen einen gewissen Wohlstand erkennen. Mit dem Spazierstock und dem steifen englischen Hut verfügt der Kaufmann über zwei typische Attribute des damaligen gut situierten Bürgers, wobei dieser Eindruck durch die häufige Bezeichnung „Herr“ verstärkt wird. Das harmlose Aussehen des Kaufmannes wird durch die Beschreibung seines Gesichtes gestützt. Neben freundlichen braunen Augen besitzt Herr Fischer „ein plattes bartloses Gesicht, ein ältliches Kindergesicht mit süßem
Mündchen.“ (S.5) Diese doppelte Verniedlichung des Gesichtausdruckes, die eine gewisse
kindliche Unschuld des Protagonisten vermuten lässt und somit zu einer Betonung der Harmlosigkeit beitragen soll, passt eigentlich nicht zur anfänglichen Erscheinung des ernsthaften schwarz
gekleideten Herren. Aber selbst einzelne Ausdrücke, die der Beschreibung dienen, scheinen gegensätzlich zu sein. So bildet z.B. sein „ältliches Kindergesicht“ (S.5) ein „Oxymoron“, denn das Gesicht eines Kindes lässt sich wohl kaum als ältlich bezeichnen. Wenig später lässt sich abermals ein Widerspruch bei der Beschreibung des Gesichtes auffinden. So ist von dem „Ernst seines
Äffchengesichts“ (S.12) die Rede, wobei seine Mimik dermaßen ins Lächerliche gezogen wird, dass man sich eine Ernsthaftigkeit, die in seinem Mienenspiel enthalten sein soll, nur schwer vorstellen kann. Alles in allem kommt der Leser zu dem Schluss, dass sich hinter der Harmlosigkeit des Mannes offensichtlich noch andere, weniger unschuldige Charakterzüge verbergen.
So wird dann auch das friedliche Bild in ein bedrohlich aggressives verzerrt. Als er zufällig „an einem spärlichen Unkraut“ (S.5) mit seinem Stock hängen bleibt und sich daraufhin wutentbrannt auf selbiges stürzt, wird bald klar, dass das zunächst verniedlichte Aussehen des Herrn im extremen Widerspruch zum jetzigen Erscheinungsbild steht. Das erzürnte Gesicht färbt sich blutrot, die ursprünglich freundlichen Augen blitzen wütend und, wird er anfangs als ruhig und gelassen beschrieben, prustet er jetzt laut vor sich hin. Selbst als sich die Emotionen wieder etwas beruhigt zu haben scheinen, wischt er sich „den Schweiß von der Nase“ (S.5) und bemerkt, dass sich „sein Gesicht ganz verzerrt“ (S.5) hat. Von einem Herrn Michael Fischer ist nun nicht mehr ausschließlich die Rede und der auktoriale Erzähler greift auf abwertende Benennungen zurück. Nach der ersten Attacke auf die Blumen am Wegesrand wird er „der Dicke“ (S.5) gerufen. Kurz nachdem er die Butterblume zerschlagen hat, ist er „der schlaffe Herr in Schwarz“ (S.7). Im Kontrast zu den Ekelgefühlen, die er nach der Tat, als er sich wieder etwas beruhigt zu haben scheint, der Blume gegenüber empfindet, wird er „der feinfühlige Herr“ (S.8) genannt, der offensichtlich erbrechen muss und die blaubleichen Lippen einer Leiche hat. Wenig später bläst „der finstere Dicke“ (S.8) erneut zum Angriff und sticht auf einen Baum ein. Als seine Auseinandersetzung mit der Natur ihren Höhepunkt erreicht hat, bezeichnet ihn der Erzähler als „schwarze runde Gestalt“ (S.10), die mit offen
[...]
[1] Reiner Marx, Literatur und Zwangsneurose, Eine Gegenübertragungs-Improvisation zu Alfred Döblins früher Erzählung Die Ermordung einer Butterblume, in: Internationales Alfred-Döblin-Kolloquium, hrsg. v. Gabriele Sander, Leiden 1995, Bern u.a. 1997, S. 49-60, hier: S. 54.
- Arbeit zitieren
- Philipp Gaier (Autor:in), 2003, Vermenschlichung der Natur in "Die Ermordung einer Butterblume" von Alfred Döblin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50708
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