Die Regierung Brandt wurde zum Hoffnungsträger einer ganzen Generation, die eine Beschleunigung und Vertiefung der schon in den 60er Jahren begonnenen Liberalisierung, Demokratisierung und den Abbau autoritärer Strukturen erwartete. Gleichzeitig war die SPD spätestens seit Godesberg in die Mitte gerückt und hat sich als klar systemwahrende Partei positioniert, insbesondere im Hinblick auf das bestehende kapitalistische Wirtschaftssystem. Wie es diesbezüglich zu Ambiguitäten und der damit notwendigen Abgrenzung nach links, innerhalb und außerhalb der Partei kam, wird in dieser Arbeit dargelegt.
Zunächst wird summarisch dargestellt, wie die Regierung Brandt die recht allgemeinen und heterogenen Postulate der 68er Protestbewegung aufnahm - inklusive der (wenigen) Maßnahmen, die das Machtverhältnis zwischen Kapital und Arbeit betrafen - den intern und extern stark anwachsenden linken Strömungen jedoch nicht genügen sollte. So wird anschließend der innerparteiliche wirtschaftssystemkritische Widerstand durch Jusos und andere parteinahe linke Gruppierungen besprochen sowie, wie die SPD darauf reagierte. Danach geht die Arbeit auf die der Partei externen linken Regierungs- beziehungsweise Verfassungsgegner ein, die sich nach der Auflösung der APO, der DKP oder den zahlreichen K-Gruppen angeschlossen haben und wie diese gefühlte Bedrohung dazu führte, dass es unter Brandt zu einer Neuauflage des "Radikalenerlasses" mit deutlicher Tendenz gegen Linksoppositionelle kam.
In vielerlei Hinsicht war die Wahl Willy Brandts 1969 eine Zäsur. Erstmals gelang ein friedlicher Machtwechsel zwischen Regierung und Opposition. Der Machtantritt des Emigranten bedeutete für viele Anhänger den Aufbruch in eine neue Zeit. Brandt befeuerte diese Hoffnungen mit seiner Regierungserklärung unter dem Motto: "Mehr Demokratie wagen" und dem abschließenden Ausruf: "Nein: Wir sind nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an". Mit seiner Regierungserklärung reagierte Brandt 1969 auf Bedürfnisse, die sich bereits seit einem Jahrzehnt in der Gesellschaft ausgeprägt hatten. Gleichzeitig musste er den politischen Spagat bewältigen, diese Hoffnungen zu erfüllen, und sich gleichzeitig von Kommunismus oder radikalem Sozialismus abzugrenzen.
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Hintergrund
1.2 Fragestellung und Aufbau
1.3 Forschungsstand
2. Das Reformwerk der sozialliberalen Koalition
2.1 „Mehr Demokratie wagen“ - die Fundamentalliberalisierung ausbauen
2.2 Das kapitalistische Modell bleibt unangetastet – trotz betrieblicher Mitbestimmung
3. Von der APO zur „IPO“ – innerparteiliche Opposition in der SPD
3.1 Integrieren und disziplinieren – Die Jusos
3.2 Der SHB und weitere linke Gruppierungen
3.3 Die Reaktionen der SPD auf die IPO – Zwischen Integration und Ausgrenzung
4. „Wehrhafte Demokratie“
4.1 Linksextreme und terroristische Bedrohung
4.2 Der Radikalenerlass – ein sozialdemokratischer Sündenfall
5. Fazit
Verzeichnis der Quellen, Hilfsmittel und Forschungsliteratur
Abkürzungsverzeichnis
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