Das Thema dieser Bachelor-Thesis ist „Die Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA unter Berücksichtigung der BEPS Maßnahme 7 im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung“. Die gesetzlichen Änderungen, welche die Betriebsstättendefinition und Betriebsstättengewinnermittlung betreffen, haben vielfältige Konsequenzen für die internationale Betrachtung einer Betriebsstätte und der damit verbundenen Ergebnisabgrenzung. Es handelt sich hierbei um einen sehr aktuellen Sachverhalt aus dem internationalen Steuerrecht, dessen weitreichende Auswirkungen mit der nachfolgenden Bachelorarbeit untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Ziel der Arbeit
1.1 Aufbau der Arbeit
1.2 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Doppel- und Minderbesteuerung bei Betriebsstätten im Ausland
2.2 Zielsetzung der OECD
2.3 Das Betriebsstättenprinzip
2.4 Authorized OECD Approach (AOA)
2.5 Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)
2.5.1 BEPS-Aktionsplan der OECD
2.5.2 Aktionspunkt 7 - Verhinderung der künstlichen Umgehung des Betriebsstät- tenstatus
3 Die Betriebsstätte
3.1 Der Begriff der Betriebsstätte
3.2 Die Betriebsstätte nach nationalem Steuerrecht
3.3 Die Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA
3.3.1 Allgemeines
3.3.2 Geschäftseinrichtung
3.3.3 Bau- und Montagetätigkeit
3.3.3.1 Begriffsbestimmung und die Zwölfmonatsregel
3.3.3.2 Der Principal Purpose Test (PPT)
3.3.4 Negativkatalog
3.3.5 Anti-Fragmentierungs-Regel
3.3.6 Vertreterbetriebsstätte
3.3.6.1 Abhängiger Vertreter
3.3.6.1 Unabhängiger Vertreter
3.3.7 Anti-Organ-Klausel
3.3.8 Definition der eng verbundene Unternehmen
4 Die Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung
4.1 Allgemeines
4.2 Betriebsstättengewinnermittlung nach innerstaatlichem Recht
4.2.1 Buchführung und Aufzeichnungpflichten
4.2.2 Gewinnermittlung inländischer Betriebsstätten (Inbound)
4.2.3 Gewinnermittlung ausländischer Betriebsstätten (Outbound)
4.3 Einkunfts- und Vermögensabgrenzung
4.3.1 Einkünfteabgrenzung nach Abkommensrecht Art. 7 OECD-MA
4.3.2 Methoden der Gewinnaufteilung
4.3.3 Zuordnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
4.3.3.1 Schritt 1: Funktion und Risikoanalyse 40 a) Funktionszuordnung (Personalfunktion) 40 b) Zuordnung der Vermögenswerten und der Geschäftsvorfälle 42 c) Zuordnung von Chancen und Risiken 44 d) Dotationskapital und Finanzierungsaufwendungen
4.3.3.2 Schritt 2: Vergleichbarkeitsanalyse 47 a) Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (dealings) 47 b) Fremdvergleichsgrundsatz 49 c) Verrechnungspreise
5 Zusammenfassung und Fazit
A Literaturverzeichnis
B Urteilsverzeichnis
C Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
D Quellen aus dem Internet
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grundformen der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit
Abbildung 2: Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
Abbildung 3: Der BEPS-Aktionsplan
Abbildung 4: Betriebsstätte Inbound-Fall
Abbildung 5: Betriebsstätte Outbound-Fall
Abbildung 6: Das zweistufige Verfahren des AOA
Abbildung 7: Verrechnungspreismethoden
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenüberstellung des Art. 7 OECD-MA 2008 und Art. 7 EOCD-MA
Tabelle 2: Merkmale einer Betriebsstätte
Tabelle 3: Aufbau des Art 5. OECD-MA
Tabelle 4: Aufbau des Art 5. Abs. 4 OECD-MA
Tabelle 5: Grundsätze zur Zuordnung von Vermögenswerten zu einer Betriebsstätte
Tabelle 6: Voraussetzungen des konkreten Fremdvergleichs
1 Ziel der Arbeit
Das Thema dieser Bachelor-Thesis ist „Die Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA unter Berücksichtigung der BEPS Maßnahme 7 im Rahmen der Betriebsstättengewinnermitt- lung“. Die gesetzlichen Änderungen, welche die Betriebsstättendefinition und Betriebs- stättengewinnermittlung betreffen, haben vielfältige Konsequenzen für die internationa- le Betrachtung einer Betriebsstätte und der damit verbundenen Ergebnisabgrenzung. Es handelt sich hierbei um einen sehr aktuellen Sachverhalt aus dem internationalen Steu- errecht, dessen weitreichende Auswirkungen mit der nachfolgenden Bachelorarbeit un- tersucht werden.
1.1 Aufbau der Arbeit
Diese Bachelorarbeit hat als zentrales Thema die Betriebsstättengewinnermittlung und die damit verbundenen Neuregelungen. Sie beginnt mit einer Einleitung, welche das erwählte Thema zunächst übergreifend vorstellen soll. Hierauf folgend liefert das zweite Kapitel Auskunft über wesentliche Grundlagen. Es werden zunächst die Gründe, die zu einer Doppel- bzw. Minderbesteuerung führen können, aufgezeigt und das Betriebsstät- tenprinzip erläutert. Die Ziele und aktuelle Maßnahmen der Organisation for Economic Cooperation Development (OECD), insbesondere der sog. Authorized OECD Approach (AOA) und das Projekt „Base Erosion and Profit Shifting” (BEPS) werden an dieser Stelle vorgestellt. Das sog. Dealing-at-arms-Length-Prinzip wird hierbei detaillierter beschrieben, da es im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung eine zentrale Be- deutung einnimmt. Der abschließende Teil dieses Kapitels beschreibt die aktuellen Ent- wicklungen, welche durch die OECD beobachtet und beschrieben wurden. Als Folge daraus hat die OECD 2013 einen 15 Punkte umfassenden BEPS- Maßnahmenplan eta- bliert.
In Kapitel 3 soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsstätte nach deutschen und auch nach unilateralen Recht begründet wird. Hier liegt ein beson- derer Fokus auf dem Art. 5 OECD-MA, da dieser wesentlichen Aktualisierungen im Zuge des BEPS-Aktionsplans der OECD unterworfen war.
Die Betriebsstättengewinnermittlung und -abgrenzung wird im Kapitel 4 veranschau- licht. Auch hierfür erfolgt zunächst eine Abgrenzung der Begriffe. Die Gewinnermitt- lung, welche nach nationalem Recht durchgeführt wird, soll anhand der Buchführungs- pflichten und der Unterscheidung zwischen einer inländischen und ausländischen Be- triebsstätte in Kapitel 4.2 konkretisiert werden. Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zwischen der Betriebsstätte und dem Stammhaus nach dem zweistufigen Verfahren des AOA ist ein wesentlicher Bestandteil der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und wird im Abschnitt 4.3 ausführlich erläutert. Hierbei werden zunächst die abkommens- rechtlichen Grundlagen erläutert und die Methoden der Gewinnaufteilung vorgestellt. Im nächsten Schritt wird das Verfahren mit seinen zwei Schritten erklärt.
Die Bachelor-Thesis schließt in Kapitel 5 mit einer Zusammenfassung und einem Fazit.
1.2 Einleitung
Die zunehmend globalisierte Ausprägung der Weltwirtschaft erlaubt es Unternehmen, ihren Unternehmenstätigkeiten immer leichter auch über Landesgrenzen hinweg nach- zukommen. Deutsche Unternehmen expandieren in einer globalisierten Markwirtschaft mit Hilfe unterschiedlicher Unternehmensformen ins Ausland. In Folge dessen werden immer größere Gewinnanteile im Ausland erwirtschaftet. Gleichzeitig lassen sich aus- ländische Unternehmen mittels diverser Investitionsformen in Deutschland nieder.
Durch diese zunehmende internationale, grenzüberschreitende Vernetzung unterliegen weltweit tätige Unternehmen in verschiedenen Ländern unterschiedlichsten nationalen Steuersystemen. Oftmals gilt es hierbei, komplexe Steuerregeln befolgen zu müssen. Die Gestaltungsform, welche für das Auslandsengagement gewählt wird, ist für den wirtschaftlichen Erfolg von wesentlicher Bedeutung. Die gewählte organisatorische Struktur bestimmt die Besteuerung dieser grenzüberschreitenden Tätigkeit, da sie die Grundlage für steuerliche Anknüpfungspunkte bildet.1
In der Regel bestehen vier Investitionsformen für die grenzüberschreitende Unterneh- menstätigkeit. So kann die Investition als Direktgeschäft erfolgen. Es handelt sich hier- bei um die einfachste Form des Leistungsaustauschs über die Grenze ohne einen festen Stützpunkt im Ausland. 2 Andererseits können Investitionen im Ausland mit einem fes- ten Standort erfolgen. Hierbei ist die Betriebsstätte als eine rechtlich unselbstständige Niederlassung oder eine Tochtergesellschaft in Form einer Kapital- oder Personenge- sellschaft als eine rechtlich selbststiindige Untemehmenseinheit moglich.3
Die folgende Abbildung soil die unterschiedlichen Investitionsformen zusammenfas send veranschaulichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Grundformen der grenzUberschreitenden Untemelunenstatigk.eit
Entnommen aus: Briihler G., Intemationales Steuerrecht, 2014,S. 218.
Im Vergleich zur Griindung einer Tochtergesellschaft gestaltet sich die Errichtung einer Betriebsstiitte einfacher, da die Anforderungen beziiglich der Griindung hieran deutlich geringer sind. Dadurch rentiert sich die ausHindische Betriebsstiitte auch bei ldirzeren Engagements, so dass ihr tendenziell eine groBe Bedeutung beigemessen werden kann. Hier stellt sich allerdings die wichtige Frage, inwieweit den beteiligten Staaten ein Be steuerungsrecht beziiglich des Untemehmensgewinnes, welcher in der Betriebsstiitte erzielt wurde, zu steht.
Aus deutscher Sicht, welche der Sichtweise der OECD folgt, soil der Gewinn der Be triebsstiitte nur in dem Staat besteuert werden, in dem diese Betriebsstiitte liegt. Die Folge ist, dass der Betriebsstiittengewinn in einem Land mit einem niedrigeren Steuer niveau einer geringeren Besteuerung unterzogen wird, als der inliindische Gewinn des Stammhauses. Die Betriebsstiittengewinnermittlung wurde daher schon seit liingerer Zeit als problematisch angesehen. Auch schien eine Aktualisierung der Begriffsdefiniti on der Betriebsstiitte erforderlich zu sein, da seit 1977 keine relevanten Anderungen vorgenommen wurden. Aufmerksamkeit findet in diesem Zusammenhang die Initiative der OECD, welche mit dem BEPS-Projekt gegen missbriiuchliche Gewinnkiirzung und Gewinnverlagerungen vorgeht.4 Eine zentrale Rolle spielt bei diesem Projekt der Akti onspunkt 7_ Die hierbei entwickelten Neuerungen zum Begriff der Betriebsstiitte wur- den 2017 im OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (OECD-MA) aktualisiert.5 Zusätzlich dazu wurde ein multilaterales Übereinkommen verabschiedet, welches die über 3.0006 voneinander unabhängige Doppelbesteuerungs- abkommen (DBA) harmonisieren soll.
Die OECD hat mit dem AOA den Rahmen für die Gewinnermittlung und -abgrenzung international festgeschrieben. 7 Die Gewinne einer Betriebsstätte werden dabei unter Anwendung einer vollkommen uneingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion dieser er- mittelt. Es kommt die direkte Methode, welche international als functionally seperate entity approach bezeichnet wird, zur Anwendung. Diese Methode wurde mit dem Be- richt unter dem Titel „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ von der OECD in dem Musterabkommen 2010 verankert. Hierbei wird der Gewinn der Betriebsstätte zugeteilt, den diese, unter gleichen Bedingungen, unter denen ein selb- ständiges Unternehmen Gewinne erwirtschaftet hätte, zu erzielen im Stande gewesen wäre. Dies bedeutet, dass für rein steuerliche Zwecke die Betriebsstätte gegenüber ih- rem Stammhaus tatsächlich wie eine Tochtergesellschaft behandelt wird.8
Der Gesetzgeber hat diese Grundidee des AOA in das deutsche Recht in § 1 Abs. 5 AStG eingeführt. Der AOA sieht für die Gewinnermittlung zwei Stufen vor:9
Im ersten Schritt werden der Betriebsstätte die Vermögenswerte, Chancen und Risiken und das Dotationskapital mittels einer Funktions- und Risikoanalyse zugeordnet. Dabei umfasst der Begriff der Vermögenswerte sowohl materielle als auch immaterielle Wirt- schaftsgüter und ist hierbei unabhängig von der handelsrechtlichen Bilanzierbarkeit. Entscheidend für die Zuordnung ist jeweils die maßgebliche Personalfunktion („signifi- cant people function“).10
Im zweiten Schritt wird das Ergebnis der Betriebsstätte unter Anwendung von Verrech- nungspreisen festgestellt. Besonders relevant sind hierbei die internen Lieferungen und Leistungen zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte, die sog. „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“.
2 Grundlagen
2.1 Doppel- und Minderbesteuerung bei Betriebsstätten im Ausland
Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung der Unternehmen und der grenzüber- schreitenden Mobilität der Menschen, steigen die Fälle, in denen Steuerpflichtige dem Steuerrecht mehrerer Staaten unterliegen. Unverändert bleibt allerdings die Souveränität der einzelnen Staaten in Bezug auf die Ausgestaltung ihrer eigenen Steuergesetze. Sie sind somit auf ihrem Hoheitsgebiet im Hinblick auf Festsetzung von Steueransprüchen und Ausübung von Staatsgewalt autonom. 11 Ferner sind die Staaten verpflichtet, die Ge- bietshoheit der anderen Staaten zu respektieren. Dabei wird aber nicht das Recht eines Staates ausgeschlossen, relevante Vorgänge auf dem Gebiet eines anderen Staates im Inland zu besteuern.12 Zu einer Doppelbesteuerung kommt es, wenn zwei Staaten das- selbe Unternehmen bzw. dieselbe Person im gleichen Zeitraum für denselben Steuerge- genstand zu einer gleichen Steuer heranziehen. Dies ist dann der Fall, wenn der Steuer- pflichtige in beiden Staaten zeitgleich beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtig ist. Demnach können sich die Staaten auf das Welteinkommens- oder das Territorialitäts- prinzip berufen. Eröffnet ein deutsches Unternehmen z.B. eine Betriebsstätte im Aus- land, so können zwei Staaten einen Besteuerungsanspruch an das Ergebnis dieser Be- triebsstätte erheben. Deutschland hätte als Ansässigkeitsstaat des Unternehmens einen persönlichen Anknüpfungspunkt nach § 1 Abs. 1 EStG und der andere Staat als Tätig- keitsstaat einen sachlichen Anknüpfungspunkt. Dadurch könnte das Unternehmen dop- pelt besteuert werden. Betriebswirtschaftlich bedeutet diese Doppelbesteuerung jedoch eine Minderung der Rentabilität dieser Unternehmung und auch eine Benachteiligung gegenüber reinen Inlandsgeschäften.13
Diese unterschiedlichen Steuersysteme der jeweiligen Staaten können neben der Dop- pelbesteuerung auch zu einer Minderbesteuerung einzelner Steuertatbestände führen.14 Von einer Minderbesteuerung wird gesprochen, wenn ein Steuerobjekt, welches in meh- reren Staaten tätig ist, geringer besteuert wird als eines, welches nur in einem Staat tätig ist. Für die Beurteilung der Minderbesteuerung müssen die Verhältnisse aller dabei be- teiligten Staaten zusammen betrachtet werden. Dabei ist die jeweilige Steuerbelastung dieser Staaten von Bedeutung. Die Minderbesteuerung ist ein betriebswirtschaftlicher Anreiz, da so die Rentabilität der Unternehmung steigt.15 Allerdings führt sie genauso wie die Doppelbesteuerung zu einer Wettbewerbsverzerrung. Die Folgen der Minderbe- steuerung können für die Volkswirtschaft gravierend sein. 16
2.2 Zielsetzung der OECD
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) wurde 1961 gegründet. Ihr gehö- ren heute 36 Staaten an und darüber hinaus arbeitet sie eng mit großen Schwellenlän- dern wie China, Indien und Brasilien zusammen. Sie versteht sich als ein Forum für Re- gierungen, in dem sie Erfahrungen austauschen und Lösungen für gemeinsame Proble- me erarbeiten können.17 Die OECD arbeitet in sehr vielfältigen Bereichen, welche sie selbst in sieben Kategorien Wirtschaft, Gesellschaft, Innovation, Finanzen, Governance, Nachhaltigkeit sowie Entwicklung unterteilt.18
Die vorrangigen Ziele der Organisation sind laut Art. 1 OECD-Konvention:
a) zu einer optimalen Wirtschaftsentwicklung, hoher Beschäftigung und einem steigen- den Lebensstandard in ihren Mitgliedstaaten beizutragen,
b) in ihren Mitgliedstaaten und den Entwicklungsländern das Wirtschaftswachstum zu fördern,
c) zu einer Ausweitung des Welthandels auf multilateraler Basis beizutragen.19
Die OECD hat 1963 das sogenannte „Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbe- steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ entworfen und ständig weiter entwickelt (zuletzt 2017).20 Dieses Musterabkommen dient als Grundlage für die einheitliche Regelungen, Verhandlung und Anwendung bilateraler Steuerabkommen (DBA) zwischen den Ländern. Es spielt eine wesentliche Rolle für die Beseitigung steuerlicher Hindernisse bei grenzüberschreitendem Handel und Investitio- nen bei gleichzeitiger Unterstützung zur Vermeidung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung.21
2.3 Das Betriebsstättenprinzip
Dem allgemeinen Verständnis des Betriebsstättenprinzips liegt die Vorstellung zu Grun- de, dass die Betriebsstätte eine Tätigkeit so ausübt, wie es ein selbstständiges und unab- hängiges Unternehmen täte.22 Nach diesem Prinzip werden die erzielten Einkünfte der Betriebsstätte im Quellenstaat besteuert. Die Betriebsstätte wird dadurch im internatio- nalen Steuerrecht zu einem wichtigen Zuordnungsmerkmal für gewerbliche Einkünfte. Dem Betriebsstättenstaat soll dann ein Besteuerungsrecht zustehen, wenn ein Unter- nehmen unmittelbar und nachhaltig am Wirtschaftsverkehr dieses Staates teilnimmt und intensive Geschäftsbindungen zum Quellenstaat hat.23 Dieses Prinzip hat sich im inter- nationalen Steuerrecht etabliert und wird regelmäßig in den Doppelbesteuerungsab- kommen i.S.d. Art. 7 OECD-MA als allgemein gültiges Prinzip für die Besteuerung der Unternehmensgewinne vereinbart. Dem Äquivalenzprinzip24 folgend, soll der Quellen- staat für seine Bereitstellung von Ressourcen wie z.B. Infrastruktur, sicheres Umfeld usw. in Form von Steuern entschädigt werden.25 Ferner sollen mögliche Wettbewerbs- vorteile gegenüber den vor Ort heimischen Unternehmen verhindert werden (Kapital- importneutralität26 )27. Aber auch für das Stammhaus soll die Besteuerung zu den ortsüb- lichen steuerlichen Bedingungen erfolgen. Dies wird durch die Freistellung im Sitzstaat erreicht (Kapitalexportneutralität28 ). Die Investitionsentscheidung wird somit nicht da- von beeinflusst, woher das Unternehmen bzw. der Investor stammt.
Da die Staaten in ihrer Gesetzgebung souverän sind, sind sie nicht an dieses Prinzip ge- bunden. Auch im deutschen Steuerrecht werden Ausnahmen vom Betriebsstättenprinzip gemacht, wenn es wirtschaftlich notwendig ist. So werden gem. § 50a EStG i.V.m. § 49 EStG Gewinne aus künstlerischen oder sportlichen Darbietungen dem Steuerabzug un- terworfen, obwohl diese gerade keine Betriebsstätte im Inland begründen.
2.4 Authorized OECD Approach (AOA)
Dem Betriebsstättenprinzip folgend, liegt auf der Gewinnaufteilung zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte ein besonderes Augenmerk. Der Betriebsstättenge- winn wird im Ansässigkeitsstaat besteuert, aber nur durch eine geregelte und einheitli- che Aufteilung können Unklarheiten in der Besteuerung und damit mögliche Doppelbe- steuerung vermieden werden. Durch die Einführung des Authorized OECD Approach hat die Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten eine wichtige Re- form erfahren. In dem 2008 und 2010 veröffentlichten Bericht über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten (Originaltitel: 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments) und der Aktualisierung des Art. 7 OECD-MA (2010) wur- den die Grundsätze der Betriebsstättengewinnaufteilung überarbeitet.29 Die wesentli- chen Änderungen des Art 7 OECD-MA als Ergebnis der Überarbeitung soll die folgen- de Tabelle veranschaulichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Gegenüberstellung des Art. 7 OECD-MA 2008 und Art. 7 OECD-MA 2010
Modifiziert entnommen aus: Bendlinger, Die Betriebsstätte, 2013, S. 218.
Die Kernidee des AOA ist, die ausländische Betriebsstätte für steuerliche Zwecke als völlig selbstständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln („functionally se- parate entity approach“).
Somit kommt der Fremdvergleichsgrundsatz (,arm's length principle") auf aile Leis- tungsbeziehungen zu anderen Untemehmensteilen zur Anwendung.30
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstiitte
Entnommen aus: Brahler G., lnternationales Steuerrecht, 2014, S. 233.
Diesem Dealing-at-Arm's-Length-Prinzip liegt die Vorstellung zu Grunde, dass mitein ander verbundene Untemehmen die Konditionen ihrer Geschli.fte miteinander so gestal ten, wie sie es mit fremden Dritten tun wiirden. Die ,dealings" sind dabei die Innen transaktionen des Einheitsuntemehmens.31 Die Bezeichnung ,Arm's Length" beruht auf der Vorstellung, dass die Untemehmen bei intemen Preisvereinbarungen trotz ihrer Ver bundenheit einen Mindestabstand, quasi eine ,,ArmesUinge", zueinander einhalten. Die ser Grundsatz kommt sowohl bei den steuerrechtlichen Instituten der verdeckten Ge winnausschiittung und der verdeckten Einlage als auch in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, zur Anwendung. Er besagt, dass die Verrechnungspreise so zu wablen sind, wie ,sie von einander unabhangige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verha.Itnissen verein bart hatten"32.
Die Ermittlung der Einkiinfte der Betriebsstatte erfolgt gemii8 AOA in einem zweistufigen Verfahren.
Dabei wird im ersten Schritt eine Hilfs- und Nebenrechnung für die Betriebsstätte er- stellt. Hierbei werden der Betriebsstätte Wirtschaftsgüter, Forderungen und Verbind- lichkeiten zugeordnet. Mittels einer Funktions- und Sachverhaltsanalyse werden die Funktionen und Risiken welchen von dem Stammhaus und der Betriebsstätte wahrge- nommenen identifiziert und der jeweiligen Einheit zugeordnet.33 Auch die Kapitalaus- stattung der Betriebsstätte wird in diesem Schritt analysiert. Hierbei sind auch unter- nehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zu identifizieren.34
Im zweiten Schritt des AOA werden die Geschäftsvorfälle der Betriebsstätte betrachtet. Hier werden auch die fiktiven Innentransaktionen zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätten (Dealings) so bewertet, als hätten diese zwischen Mutter- und Tochter- gesellschaft stattgefunden. Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes findet un- ter Berücksichtigung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-VPL) statt.35 Der AOA selbst bildet keine Rechtsgrundlage für innerstaatliches Recht, weshalb er eine Umsetzung ins nationale Recht benötigt.36 Deutschland setzte den AOA mit dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) am 26.06.2013 in inner- staatliches Recht um. Die entsprechende Regelung findet sich in § 1 Abs. 5 AStG.37 Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wurde gem. § 1 Abs. 6 AStG ermächtigt, Ein- zelheiten des AOA per Verordnung „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichs- grundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebs- stättengewinnaufteilungsverordnung - BsGaV)“ zu regeln. Am 22.12.2016 wurde das Schreiben „Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischem Unternehmen und seiner aus- ländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte einer inländischen Be- triebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergeset- zes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung Verwaltungsgrundsätze Be- triebsstättengewinnaufteilung - VWG BsGa vom BMF veröffentlicht.38
2.5 Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)
2.5.1 BEPS-Aktionsplan der OECD
Da das internationale Besteuerungssystem seit Jahrzehnten keine Generalüberholung mehr erfahren hat, konnte es folglich mit den schnellen Entwicklungen in Teilen des Wirtschaftslebens nicht mehr mithalten. So entstand ausreichend Raum für Steuerver- meidungsstrategien.39 Es wurde beobachtet, dass große multinationale Konzerne sehr geringe Steuerquoten aufweisen, was auf eine aggressive Steuerplanung zurückzuführen ist. Auch in der Presse werden prominente Fälle von Unternehmen wie Amazon, Apple, Google oder Starbucks diskutiert. Diese Unternehmen nutzen zu ihrem Vorteil aus, dass die einzelnen Steuersysteme der Länder nicht ausreichend aufeinander abgestimmt sind. Ganz legal verschieben sie ihre Gewinne von einem Land ins nächste, um so diese zu maximieren. Zusätzlich wurden auch die Praktiken einzelner Länder aufgedeckt, welche bestimmten Konzernen extrem niedrige Steuerbelastungen ermöglichen. Diese soge- nannten "Tax Rulings“, die u.a. in Luxemburg und den Niederlanden genutzt wurden, räumen Konzernen Sonderbehandlungen ein.40 Dieses Verständigungsverfahren der "Tax Rulings" ist eine Art Steuervereinbarung dieser Länder mit den einzelnen Unter- nehmen. Hierbei wurden für bestimmte Arten von Einkünften, wie beispielsweise für Lizenzgebühren, Sonderrechte geschaffen.41 Die großen multinationalen Konzerne sind global aufgestellt und dadurch sehr mobil. Betriebswirtschaftlich gesehen nutzen sie also Vorteile aus, die sich in bestimmten Ländern ergeben aus. Die wirtschaftliche Aktivität dieser Unternehmen ist somit davon unabhängig, wo das Einkommen erzielt und besteuert wird. Ihr Ziel ist folglich, die Gewinne in Länder mit niedrigem Steuer- satz und dementsprechend die Aufwendungen in Länder mit einer höheren Besteuerung zu verlagern.42 Die Mindereinnahmen der Länder belaufen sich laut einer Schätzung der OECD weltweit jedes Jahr auf ca. 100-240 Mrd. US-$.43
Traditionelle, kleine und mittelständische Unternehmen haben diese Möglichkeiten nur sehr begrenzt, da sie tendenziell einen höheren Einsatz von materiellen Wirtschaftsgü- tern und eine starkere Verankerung in ihrem Heimatland haben.44 Das fiihrt dann zwangsHiufig zu Wettbewerbsnachteilen.
Vor diesem Hintergrund hat die OECD im Jahr 2013 den Base Erosion and Profit Shif ting- Aktionsplan ausgearbeitet. BEPS bedeutet allgemein die Steuervermeidungsstrate gien der multinationalen Konzerne und auf Deutsch: Gewinnkiirzung und Gewinnverla gerung.45 Dieser 15-Punkte umfassende Aktionsplan basiert auf den von der OECD zu vor identifizierten Schwachstellen. Dieser Plan wurde am 16.11.2015 von den G20 Re gierungschefs bei ihrem Treffen in Antalya I Tiirkei bekraftigt.46 Er konzentriert sich auf die folgenden drei Schwerpunktbereiche welche die 15 MaBnahmen enthalten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Der BEPS-Aktionsplan
Entnommen aus: https://www.sif.admin.chlsif/de/home/multilateralluntemehmensbe steuerunglbeps-aktionsplan.html
Die MaBnahmen enthalten neben iiberarbeiteten, bereits bestehenden, internationalen Standards auch neue Mindeststandards. Diese sollen die Konvergenz der nationalen Vorschriften und Leitlinien anstreben und dabei ,Best Practice"47 schaffen. Der erste Bereich beschreibt die Abstimmung der nationalen Steuergesetze, um so die Räume zur Steuergestaltung zu minimieren. Der zweite Bereich hat das Ziel, die bestehenden DBA und die Verrechnungspreisrichtlinien an die sich kontinuierlich wandelnden Geschäfts- modelle und voranschreitenden wirtschaftlichen sowie technologischen Entwicklungen anzupassen. Hier ist der Aktionspunkt 7 angesiedelt, welcher sich mit der Verhinderung der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus beschäftigt. Der dritte Bereich soll die Transparenz und Rechtssicherheit gewährleisten. Damit soll die Planungssicherheit erhöht und die Informationsasymmetrien zwischen den jeweiligen Finanzverwaltungen abgebaut werden. Die Aktionspunkte 1 - Lösung der Probleme der digitalen Wirtschaft und 15 - Entwicklung eines multinationalen Instruments haben eine besondere Stellung. Der Aktionspunkt 1 erstreckt sich inhaltlich über alle anderen Punkte.48 Auf den Akti- onspunkt 7 nimmt er in Form der Überarbeitung des Begriffs der Vertreterbetriebsstätte und beim Konzept einer Digitalen Betriebsstätte Einfluss.49 Mit der Hilfe des multina- tionalen Instruments sollen die bereits bestehenden DBA auf die vereinbarten BEPS- Maßnahmen aktualisiert werden. So werden die DBA ergänzt und müssen nicht jeweils einzeln an die neuen Vorgaben angepasst werden.50
2.5.2 Aktionspunkt 7 - Verhinderung der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus
Bereits im Oktober 2014 wurde der erste Entwurf zum Aktionspunkt 7 zur Vermeidung der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus von der OECD der Öffentlichkeit präsentiert.51 Er greift die beschriebenen Probleme aus dem OECD-Bericht aus 2013 auf und beschreibt die Herausforderungen bezüglich der künstlichen Vermeidung des Status einer Betriebsstätte. Der Bericht zeigt, dass es möglich ist, an dem Wirtschaftsle- ben eines anderen Staates teilzunehmen, ohne dort eine Betriebsstätte zu begründen und folglich dort auch nicht steuerpflichtig zu sein. Als Ursachen dafür werden u.a. der Aus- bau der digitalen Wirtschaft, z.B. Internethandel und die Umgehung der Regeln des abhängigen Vertreters gem. Art. 5 Abs 5 und 6 OECD-MA aufgezeigt. Folglich war es zwingend notwendig, die Definition der Betriebsstätte im OECD-MA im Lichte des Ak- tionspunktes 7 zu überarbeiten und zu aktualisieren. Zum einen sollen die Gestaltungen unterbunden werden, wodurch die Begründung einer Betriebsstätte durch Kommissio- näre oder andere Strukturen verhindert wird. Zum zweiten soll verhindert werden, dass multinationale Konzerne ihre Tätigkeiten so aufspalten, dass sie die Ausnahmen des Ka- taloges des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA für sich beanspruchen können. 52 Die Fragestellung zum Missbrauch durch die Aufteilung von Bau- und Montageverträgen sollen zusätzlich Berücksichtigung finden. Ferner sollen auch die Fragen bezüglich der Gewinnzurech- nung, welche sich in diesem Zusammenhang ergeben, diskutiert werden.
Der Final Report wurde schließlich am 5.10.2015, nach einer öffentlichen Diskussion und einer Überarbeitung, veröffentlicht. Der Bericht zum Aktionspunkt 7 gliedert sich in vier Abschnitte. Der Abschnitt A befasst sich mit der Problematik des Kommissionärs und gleichwertigen Vertriebsstrukturen. Hier werden Änderungen des Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA empfohlen. Im Abschnitt B werden Neuerungen zum Katalog des Art.4 Abs.4 OECD-MA vorgestellt. Der Abschnitt C behandelt die Aufteilung der Verträge bei Bau- und Montagearbeiten. Hier erfolgt allerdings ein Verweis auf den Aktionspunkt 6. Auch der Abschnitt D, welcher sich mit der Gewinnzurechnung bei Betriebsstätten befasst, verweist auf die Aktionspunkte 8 und 10.
3 Die Betriebsstätte
3.1 Der Begriff der Betriebsstätte
Voraussetzung für die Betriebsstättengewinnermittlung ist eine klare begriffliche Ab- grenzung, was konkret unter einer Betriebsstätte zu verstehen ist.53 Der Begriff der Be- triebsstätte spielt im deutschen Ertrags- und Verkehrssteuerrecht, im Abkommensrecht und auch im Handelsrecht eine große Rolle. Das Handelsrecht enthält lediglich Rege- lungen zu Zweigniederlassungen. Im Steuerrecht finden sich hingegen zahlreiche Vor- schriften, welche sich mit der Betriebsstätte beschäftigen. Wesentlich sind hierbei dieje- nigen, welche die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte festlegen.54
Im §12 der Abgabenordnung (AO) und im Artikel 5 des OECD-Musterabkommens (MA) werden die Kriterien für das Vorliegen einer Betriebsstätte beschrieben. In beiden Fällen ist der Text so gestaltet, dass zuerst eine allgemeine Definition der Betriebsstätte erfolgt und dann eine Aufzählung der wesentlichen Merkmale.55 Als die Legaldefinition der Betriebsstätte gilt der § 12 AO für das deutsche Ertragssteuerrechts.56 Die Definition der Betriebsstätte nach § 12 AO ist nicht ganz identisch mit der Definition des Art. 5 des OECD-MA. Hier wird das Vorliegen einer Betriebsstätte deutlich eingegrenzt, da dabei das Ziel verfolgt wird, einen Vertragsstaat zu ermächtigen, die Unternehmensge- winne der Betriebsstätte des anderen Vertragsstaates zu besteuern.57 Besteht zwischen den Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen, dann legt dieses DBA die Definition der Betriebsstätte eigenständig fest. Diese Spezialnorm geht als lex specialis58 den na- tionalen Regeln also der Definition des § 12 AO vor. Die DBA haben aufgrund ihres multilateralen lex specialis- Charakters einen höheren Rang als nationale Regelungen. Sie gehen gem. § 2 AO grundsätzlich anderen Gesetzen vor. Die Gesetzgeber sind aller- dings weder verfassungsrechtlich noch völkerrechtlich daran gehindert, durch ein spezi- elleres nachfolgendes Gesetz, diese DBA-Regeln innerstaatlich wieder zu umgehen.59
Dieses Aushebeln des Vertrages wird als „ treaty override “ bezeichnet.60 Wurde jedoch mit dem anderen Staat kein DBA geschlossen, so ist hier im Umkehrschluss der § 12 AO einschlägig.
Eine Betriebsstätte ist ein rechtlich unselbstständiger und räumlich getrennter Teil eines Unternehmens, mit einer festen Geschäftseinrichtung, durch welche die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werden kann. Beispiele sind hierfür der Ort der Leitung, eine Zweigniederlassung, eine Geschäftsstelle, eine Werkstätte oder Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen.61 Eine feste Geschäftseinrichtung oder auch Anla- ge liegt vor, wenn sie dem Unternehmer mit einer gewissen Beständigkeit dient.62 Diese gewisse Beständigkeit liegt regelmäßig dann vor, wenn die Geschäftseinrichtung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestehen bleibt.
Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Indizien für das Vorliegen einer Betriebsstät- te.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Merkmale einer Betriebsstätte
Modifiziert entnommen aus Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 221.
Feste Geschäftseinrichtungen, die ausschließlich dem Zweck dienen, für das Unterneh- men Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten zu erbringen, gelten nicht als Betriebsstätten. Ebenfalls liegt eine Betriebsstätte nicht bei einem Warenlager, einer Einkaufsstelle, ei- ner Informationsstelle oder einem Repräsentationsbüro vor. Diese Tätigkeiten dürfen ohne jeden Zweifel keinen wesentlichen und maßgeblichen Teil an der Tätigkeit des Gesamtunternehmens betragen.63
[...]
1 Vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 218.
2 Vgl. Birk D., Steuerrecht, 2012, Rz.1469.
3 vgl. Btihler G., Intemationales Steuerrecht, 2014, S. 218.
4 vgl. Bohmer in: Wassenneyer/Andresen/Ditz, Betriebsstiitten Handbuch, 2017,Rn.14.2.
5 vgl. OECD, Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, 2014, S. 24.
6 vgl. Monatsbericht des BMF- Einigung von OECD und G20 auf internationale Standards gegen Ge- winnkürzung und -verlagerung multinationaler Unternehmen, 22.10.2015.
7 vgl. Gosch, ISR 2018, S. 404-416
8 vgl. https://www.haufe.de/finance/steuern-finanzen/auswirkungen-betriebsstaettengewinnaufteilungs- verordnung/allgemeine-regelungen-fuer-alle-betriebsstaetten_190_285740.html <24.05.2019>
9 vgl. OECD, OECD, Bericht über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten, 2010, Tz. 10.
10 vgl. Frotscher G., Internationales Steuerrecht, 2015, Rn. 466.
11 vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 3.
12 vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 3.
13 vgl. Egner T., Internationale Steuerlehre, 2015, S. 10.
14 vgl. Höhn N., Das Steuerrecht international agierender Unternehmen, 2010, S. 32.
15 vgl. Höhn N., Das Steuerrecht international agierender Unternehmen, 2010, S. 44.
16 vgl. Höhn N., Das Steuerrecht international agierender Unternehmen, 2010, S. 44.
17 http://www.oecd.org/about/history/
18 http://www.oecd.org/berlin/dieoecd/
19 http://www.oecd.org/berlin/dieoecd/
20 vgl. Höhn N., Das Steuerrecht international agierender Unternehmen, 2010, S. 53.
21 https://www.oecd.org/ctp/model-tax-convention-on-income-and-on-capital-condensed- version-20745419.htm <30.05.2019>
22 vgl. Ditz X., Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2004, S. 206.
23 vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 123.
24 Definition laut wirtschaftslexikon.gabler.de: Besteuerungsprinzip, nach dem sich die Höhe der Abgaben nach dem Empfang staatlicher Leistungen durch den Staatsbürger richtet. (08.03.2019)
25 vgl. Funktionen und Bedeutung des Begriffs der Betriebsstätte, StuB Nr. 20 vom 23.10.2015 - NWB DokID [VAAAF-05970] S.782.
26 Definition laut wirtschaftslexikon.gabler.de: Bei Kapitalimportneutralität werden alle Investitionen in einem Land gleich behandelt. Dies wird durch das Quellenlandprinzip gewährleistet. Alle Investoren in einem Inland, unabhängig von ihren Wohnsitz, unterliegen dem gleichen Steuersatz.
27 vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 101.
28 Definition laut wirtschaftslexikon.gabler.de: Kapitalexportneutralität besagt, dass ein Investor, unab- hängig davon wo er sein Kapital anlegt, mit dem gleichen Steuersatz belastet wird und damit überall die - selbe Nettorendite erwirtschaften kann. Sie wird in der Regel durch das Wohnsitzlandprinzip verwirk- licht: Der Investor muss sein Einkommen in seinem Wohnsitzland versteuern. Unabhängig von dem Ort der Investition, kommt immer der gleiche Steuersatz zur Anwendung.
29 vgl. Ditz, ISR 2012, 48.
30 vgl. Welz in: Braun/Giinther, Das Steuer-Handbuch, 2018.
31 vgl. Gosch, ISR 2018, 405.
32 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG.
33 vgl. OECD, Bericht über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten, 2010, Tz. 108.
34 vgl. Ditz, ISR 2012, 50.
35 vgl. OECD, Bericht über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten, 2010, Tz. 179.
36 vgl. Ditz, ISR 2012, 52.
37 vgl. Haverkamp in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2018, Rn. 5.4.
38 BMF, Schreiben v. 22.12.2016, IV B 5 - S 1341/12/10001-03.
39 vgl. OECD, Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Trans- parenz und Substanz, 2016, S. 9.
40 vgl. https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/215471/oecd-aktionsplan 29.04.2019
41 vgl. OECD, Erläuterung, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD, 2015, S 14.
42 vgl. EU.-Kommision,Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES, 2016, S. 3.
43 vgl. OECD, Erläuterung, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD, 2015, S 4.
44 vgl. Stiftung Familienuntemehmen, Intemationaler Steuerwettbewerb -Bewertung, aktuelle Trends und steuerpolitische Schlussfolgerungen, 2018, S. XII.
45 https://www.bundesfmanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel!fhemen/Steuern/2017-06-07- beps-gewinnkuerzung-und-gewinnverlagerung.html 30.04.2019.
46 Vgl. OECD, Erliiuterung, OECD/G20 Projekt Gewinnverkiirzung und Gewinnverlagerung, OECD, 2015, S. 5, Am Projekt waren mehr als 60 Staaten direkt beteiligt, und mehr als 80 Entwiklungs-und Schwellenliinder bei der Ausarbeitung miteinbezogen.
47 vgl. OECD, Erliiuterung, OECD/G20 Projekt Gewinnverkiirzung und Gewinnverlagerung, OECD, 2015, S. 64.
48 vgl. OECD, Erläuterung, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD, 2015, S. 13.
49 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2017-06-07- beps-15-aktionspunkte.html 06.05.2019.
50 vgl. OECD, Erläuterung, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, 2015, S. 19.
51 http://www.oecd.org/ctp/treaties/revised-discussion-draft-action-7-prevent-artificial-avoidance-pe-sta- tus.htm 07.05.2019.
52 vgl. OECD, Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD, 2015, S. 23.
53 vgl. Andresen U., Schönfeld J., Wassermeyer F., u.a., Betriebsstättenhandbuch, 2006, Rz.1.1.
54 vgl. Heinsen in Löwenstein U., Looks C., Betriebsstättenbesteuerung, 2003, Rz. 1.
55 vgl. Frotscher G., Internationales Steuerrecht, 2009, S. 123.
56 vgl. Haase F., Internationales und Europäisches Steuerrecht, 2014, Rz. 199.
57 vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 146.
58 Definition laut www.rechtslexikon.net: Spezielles Gesetz, welches dem allgemeinen Gesetz, dem s.g. lex generalis vorgeht. Dieses spezielle Gesetz verdrängt das allgemeine Gesetz -lex specialis derogat legi generali. (22.05.2019)
59 vgl. Brähler G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 107.
60 Definition laut wirtschaftslexikon.gabler.de: Bezeichnung für eine Regelung, mit der ein Steuergesetz - geber sich über die bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen aus einem internationalen Vertrag völ - kerrechtswidrig hinwegsetzt. (23.05.2019)
61 vgl. Bundeszentralamt für Steuern, Betriebsstättenbesteuerung, 04.2014 www.steuerliches-info-center.- de 14.04.2019.
62 vgl. BFH Urteil v. 3.2.1993, BStBl. 1993 II S. 462.
63 vgl. Bundeszentralamt für Steuern, Betriebsstättenbesteuerung, 04.2014 www.steuerliches-info-center.- de (14.04.2019).
- Quote paper
- Christina Yosul (Author), 2019, Die Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA unter Berücksichtigung der BEPS Maßnahme 7 im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505801
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