Der Essay thematisiert die Grundlagen der Spieltheorie, die auf das Live-Rollenspiel angewendet werden, um bei dem Live Action Role Playing (LARP) die Verhaltensweisen des Spielverderbers herauszuarbeiten. In Bezug auf die Spieltheorie der Medienwissenschaft können drei verschiedene Forschungsansätze genannt werden. Zum einen die Forschung zu menschlichem Spiel (Play), derer sich Johan Huizinga, Roger Caillois und Gregory Bateson widmen. Zum anderen Claus Pias, der sich abwendet vom anthropologischen Standpunkt und die Materialität des Spiels (Game) untersucht. Eine Verbindung dieser Ansätze findet sich bei Bernard Suits, der sich das Thema ‚Playing Games‘ zu eigen macht.
Role Playing ist identisch mit dem deutschen Wort Rollenspiel, welches sich in der LARP live, also in der realen Welt abspielt. Dadurch dass in diesen Rollenspielen fiktive Welten und Spielcharakter erschaffen werden, könnte man aufgrund des Fantasy-Charakters sagen, dass die zu untersuchende Spielform eine Art Pen & Paper Rollenspiel ist, das den Spielern die Möglichkeit bietet, die Rolle einer fiktiven Person in einer erdachten Welt einzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Bausteine der Spieltheorie
2. Definition eines Spielverderbers
3. LARP
3.1 Einführung in Live Action Role Playing
3.2 Bernard Suits Thesen angewendet auf LARP
3.3 Spielverderber innerhalb einer LARP
4. Literaturverzeichnis
Der folgende Essay behandelt die Grundlagen der Spieltheorie, die im weiteren Verlauf auf das Live-Rollenspiel LARP angewendet werden, um bezugnehmend auf die Ringvorlesung „Spielverderber – Logiken des Spiels in interdisziplinärer Perspektiv“ bei dem Live Action Role Playing die Verhaltensweisen des Spielverderbers herauszuarbeiten.
1. Bausteine der Spieltheorie
In Bezug auf die Spieltheorie der Medienwissenschaft können drei verschiedene Forschungsansätze genannt werden. Zum einen die Forschung zu menschlichem Spiel (Play), derer sich Johan Huizinga, Roger Caillois und Gregory Bateson widmen. Zum anderen Claus Pias, der sich abwendet vom anthropologischen Standpunkt und die Materialität des Spiels (Game) untersucht. Eine Verbindung dieser Ansätze findet sich bei Bernard Suits, der sich das Thema ‚Playing Games‘ zu eigen macht.
Huizinga, Callois und Bateson gehen von menschlichen Spieler*innen aus, die vollkommen in dem Spiel aufgehen und eine Kulturproduktion aus dem Spielen hervorgeht.1 Anders sieht es bei Pias aus, der sich in seinen Ausführungen primär auf Computerspiele bezieht.
Laut seiner These kommen Computerspiele ohne Menschen aus. Der Mensch oder User wird von seiner unmenschlichsten Seite entworfen und die Konstellation von Mensch und Maschine ist ein wechselseitiger Test der Pflicht und Zur-Stelle-Sein. Es handelt sich hierbei laut Pias also um einen Technikdeterminismus, wobei das Zusammenspiel zwischen Mensch/Ton/ Bild/Computer, also heterogener Dinge, dazu führt, dass sie selbst zu Maschinenteilen werden – in dieser Hinsicht bezieht er sich stark auf Deleuze und auch auf Marx, der die Unterwerfung des Menschen unter die Maschine prognostiziert hat. In dieser technikdeterministischen Argumentation und der Polemik gegen die anthropologische Spieltheorie betont Pias die Materialität von Spielen im Sinne von Games (im Gegensatz zu menschlichem Play).2
Pias nennt bei seiner These als Ursprung der Computerspiele das Militär, bei welchem zunächst der Mensch in bestimmten Momenten die Computertaste drücken muss, um ein Signal (pinq) an den Computer zu senden, wenn es von ihm verlangt wird – als Symbol, dass da noch etwas ist. Hierbei werden in den Computer Befehle eingespeist, die, sobald sie wegfallen und es zu Interrupts kommt, zum Alarm führen – der Mensch zählt hier nicht mehr als Mensch, er muss einfach zum richtigen Zeitpunkt ein Signal an den Computer senden. Somit findet er eine medienarchäologische Zugangsweise in kleinen Beispielen der frühen Computergeschichte und fragt nach der Verfertigung des menschlichen Users als Teil des Device.
Diese Vorgehensweisen erinnern stark an Spiele wie Tetris, ein puzzleartiges Computerspiel, bei dem von oben herabfallende geometrische Figuren so nebeneinander oder übereinander platziert werden sollen, dass möglichst keine Lücken entstehen. Da der Spieler immer rechtzeitig reagieren muss, wird, laut Pias, die Pünktlichkeit zur Pflicht. Die Kommunikation der Spieler besteht nur darin Meldung zu machen3 - was konträr zu einem subjektiven Spielgefühl steht. Die Pflicht muss also durch Geschicklichkeit und Pünktlichkeit geleistet werden, da die Verletzung dieser Pflichten mit dem symbolischen Tod, dem Spielende, einhergeht. Pias geht es um die Materialität der Interaktion zwischen Maschine und Mensch und den daraus resultierenden Möglichkeitsbedingungen.
Im Gegensatz zu Pias medientheoretischem Ansatz analysiert Bernard Suits das Spielen von Spielen (Playing Games). Dieses trennt er von technischen Aktivitäten, wie beispielsweise der Arbeit, da Spiele die effizientesten Mittel, um ans Ziel zu gelangen, verbieten. Diese nennt Suits constitutive rules.4 Zum Beispiel könnte das oben genannte Tetris effizienter gespielt werden, wenn man sich geometrisch passende Objekte aussuchen könnte, um die Lücken zu füllen.
Ein weiterer Unterschied zwischen technischen Aktivitäten und dem Spiel liegt darin, dass ein Spiel nur gewonnen werden kann, wenn man es spielt. Dazu zählt eine spielermöglichende Haltung – die lusory attitude.5
Gerade in Hinblick auf die Rolle des Spielverderbers sind diese Aussagen wichtig. Denn was tut ein Spielverderber, wenn laut Suits das Nicht-Einhalten der Regeln dazu führt, dass nicht gespielt wird und wenn nicht gespielt wird, niemand gewinnen kann?
2. Definition eines Spielverderbers
Spielverderber sind keineswegs nur Figuren, die das Spiel zerstören. Sie umfassen vielmehr unterschiedliche Praktiken der Grenzüberschreitung, die sich produktiv auf die Spielwelt richten können. Spielverderber bringen das Spiel selbst ins Spiel, sie stellen es ontologisch auf die Probe, testen und reizen es aus. Sie pflegen somit eine enge Beziehung zum Regelwerk.6
Dies ist ein kurzer Ausschnitt aus der Beschreibung des Spielverderbers in der Inhaltsangabe der Ringvorlesung. Eine typische Verhaltensweise des Spielverderbers scheint es also zu sein, das vorhandene Regelwerk des Spiels anders als erwartet auszulegen. Sei es das Schummeln, das in Kreisen der Computerspiele sogar das geflügelte, englische Wort Cheaten erhalten hat oder auch das penible Hinterfragen der Spielzüge auf Richtigkeit und das Verderben des Spiels durch Zurechtweisung der Mitspieler. Im Groben kann gesagt werden, dass das Verhalten des Spielverderbers an den Gefühlen der Mitspieler gemessen werden kann, denen das Spiel durch unzulängliches Verhalten verdorben wird. Hierzu das Zitat aus Ernst von Salomons Autobiografie Der Fragebogen, woran der moralische und emotionale Aspekt deutlich wird : „Er war ein famoser Junge, ich kam mir schändlich neben ihm vor, schändlich wie ein Spielverderber.“7
3. LARP
3.1 Einführung in Live Action Role Playing
Da bis zum heutigen Tag die wissenschaftliche Forschung zu dem Thema Live-Action-Role-Playing, abgekürzt LARP, eher spärlich ausfällt und höchsten unter dem Gesichtspunkt von Rollenverhältnissen und pädagogischer Wertevermittlung beleuchtet wird, so basiert dieser Teil des Essays vorwiegend auf den Aussagen befreundeter LARP-Fans und deren subjektiver Einstellung zu Spielverderbern.
Zunächst eine kurze Begriffsdefinition, die fast selbsterklärend ist. Role Playing ist identisch mit dem deutschen Wort Rollenspiel, welches sich in der LARP live, also in der realen Welt abspielt. Dadurch dass in diesen Rollenspielen fiktive Welten und Spielcharakter erschaffen werden, könnte man aufgrund des Fantasy-Charakters sagen, dass die zu untersuchende Spielform eine Art Pen & Paper Rollenspiel ist, das den Spielern die Möglichkeit bietet, die Rolle einer fiktiven Person in einer erdachten Welt einzunehmen. Eine weitere Übereinstimmung zu Pen & Paper ist der Spieler, der dabei die Rolle der Spielwelt erfüllt und dadurch allen Spielern das Bild der erschaffenen Welt und der darin enthaltenen Beziehungen und Regeln vermittelt.8 Genau diese Spielleitung arbeitet auch im Vorfeld einer jeden LARP den Plot aus und koordiniert während des Spiels die Akteure.
Diese Akteure gliedern sich in SC und NSC. Die Abkürzung SC steht für Spieler-Charakter, der im Gegensatz zu den Nicht-Spieler-Charakter, eine selbstdefinierte Rolle erfüllt, die er sich, wie seine Fähigkeiten und Kostüme, selbst zugelegt hat.9 NSC unterliegen im höheren Maße den Anweisungen der Spielleitung, da sie dafür zuständig sind, den Plot voran zu treiben.
[...]
1 Vgl.: Johan Huizinga : Das Spielelement der Kultur, Matthes & Seitz, Berlin, 2014, S.13.
2 Vgl.: Claus Pias: Die Pflichten des Spielers. Der User als Gestalt der Anschlüsse. In : Coy, Wolfgang/ Tholen, Georg Christoph / Warnke, Martin (Hg.) : Hyperkult II – Zur Ortsbestimmung analoger und digitaler Medien, Bielefeld, 2005, S.315.
3 Claus Pias: Die Pflichten des Spielers. Der User als Gestalt der Anschlüsse. In : Coy, Wolfgang / Tholen, Georg Christoph / Warnke, Martin (Hg.) : Hyperkult II – Zur Ortsbestimmung analoger und digitaler Medien, Bielefeld, 2005, S.322.
4 Bernard Suits : Construction of a definition. In : Ders.: The Grasshopper. Games, Life and Utopia. Peterborough, Ont : Broadview Press, 2014, S.39f..
5 Bernard Suits : Construction of a definition. In : Ders.: The Grasshopper. Games, Life and Utopia. Peterborough, Ont : Broadview Press, 2014, S.37.
6 Isabell Otto / Sascha Pöhlmann : Spielverderber – Logiken des Spiels in interdisziplinärer Perspektive (Ringvorlesung) in : https://www.gamel.uni- konstanz.de/lehrveranstaltungen/, Stand : 27.08.2019.
7 Ernst von Salomon: Der Fragebogen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1961, S. 442.
8 Manuel Stark : Das gehört nicht ins Feuilleton ,Zeit Online, 23.05.2018, https://www.zeit.de/2018/22/pen- paper-rollenspiele-fantasy, Stand : 25.08.2019.
9 Vgl Kimberley Geyer : Was ist ein LARP? – Häufig gestellte Fragen (FAQ), LARPerLeben, 30.07.2019, in : https://larperleben.de/larp-faq/, Stand : 26.08.2019.
- Quote paper
- Franca Dangel (Author), 2019, Spielverderber im Live Action Role Playing. Grundlagen der Spieltheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505425
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