Im Bereich der Arbeit unterscheidet Durkheim drei Bereiche die noch von anomischer Arbeitsteilung „befallen“ sind. Diese Bereiche sind industrielle/kommerzielle Organisation, die sich in Krisen ausdrückt, die Feindschaft zwischen Arbeit und Kapital, die sich in Revolten der Arbeiter gegen die Meister zeigt, sowie die Spezialisierung der Wissenschaften, bei der die Wissenschaftler sich auf ein Spezialgebiet beschränken, dieses für das wichtigste halten und den Gesamtzusammenhang aus den Augen verlieren. Für heutige Sichtweise sind diese „Pathologien“ nur Anzeichen für die Freiheit der Arbeiter bzw. Wissenschaftler, für Durkheim sind es ungeregelte Gebiete die keine Solidarität und Abhängigkeit erzeugen und somit Integrationshemmend und schädlich für die Menschheit sind. Da Durkheim die Vernetzung der einzelnen differenzierten Funktionen feststellt (eine Art Kettenreaktion, denn Geschehnisse in einem Bereich wirken sich auf einen anderen aus) sieht er auch die Notwendigkeit von Regeln zwischen diesen, um einen geregelten Ablauf von Interaktionen zu ermöglichen. Diese Regeln sollen von einer unabhängigen Instanz gesetzt werden. Für das menschliche Verhalten ist diese die Regierung, für die Wissenschaft die Philosophie. Die Regeln sollen den Zusammenhang der Funktionen herstellen, wobei sie die wesentlichen und die am öftesten vorkommenden Berührungspunkte festlegen, damit grundsätzliche Sachen nicht immer wieder neu verhandelt werden müssen. Der übrige Spielraum bleibt den Individuen frei zur Ausgestaltung und sie sind nur angewiesen, nicht den Gesamtzusammenhang aus den Augen zu verlieren.
Thema: Emile Durkheim: Individualisierung und Vergesellschaftung
Frage: Diskutieren Sie vor dem Hintergrund von Durkheims Theorie folgende Frage: Wie frei und autonom ist des Individuum in der modernen Gesellschaft und inwieweit ist es gesellschaftlichen Zwängen ausgesetzt?
Bevor ich auf die oben genannte Frage eingehe, möchte ich auf die unterschiedlichen Auffassungen der Terminologie „Freiheit des Individuums“ und „Gesellschaftliche Zwänge“ von Emile Durkheim und der Zeit in der er gelebt hat, sowie unserer Auffassung, hinweisen. Für Durkheim ist die Abhängigkeit von der Gesellschaft Naturnotwendig und überhaupt die Grundlage des menschlichen Lebens. Was wir heute unter freier Entfaltung der eigenen Persönlichkeit verstehen, war zu seiner Zeit für Durkheim der Anfang des Unterganges der menschlichen Rasse. Obwohl die Grundzüge der Lebensweise sowie zum Beispiel die Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Gruppen sich stark ähneln, waren zur Durkheims Zeit die Grenzen des Individuums wesentlich enger gestellt, als die es heute sind. Im folgenden werde ich aus der Sicht von Emile Durkheim argumentieren, so dass die Definitionen von Freiheit und Zwang teilweise nicht den heutigen Auffassungen entsprechen.
Durkheim begründete eine kollektivistische Theorie der Gesellschaft. Der Ausgangspunkt seiner Argumentation war, dass auch moderne Gesellschaften (wobei er diese mit den archaischen Gesellschaften verglichen hat) ein gemeinsames Wertesystem haben. Dieses gemeinsame Wertesystem ist nicht mehr auf Kollektivbewußtsein durch Religion sowie soziale Ähnlichkeiten, wie dieses bei archaischen Gesellschaften der Fall war, zurückzuführen, sondern beruht auf gemeinsam geschaffenen Werten, wie zum Beispiel Menschenrechte, Weltfrieden oder Demokratie. Das was die moderne Gesellschaft zum Kollektiv macht, ist der moralische Individualismus der Menschen. Auch wenn jeder an seiner Unabhängigkeit und Eigenständigkeit hängt, sind doch alle den gleichen Rechten und Pflichten unterworfen. Der Prozess der Arbeitsteilung, der gesellschaftliche Differenzierung bewirkt, wird von Durkheim als Integrationsfördernd angesehen, weil dieser soziale Interdependenzen anwachsen lässt und somit Solidarität und moralische Ordnung schafft. Durch Arbeitsteilung wird der Mensch nicht mehr direkt in die Gesellschaft integriert, sondern die Integration erfolgt durch die unterschiedlichen sozialen Gruppen, von denen das Individuum gleichzeitig mehreren angehört, wie zum Beispiel die Familie, Arbeit und soziales Leben. Die jeweiligen Gruppen haben eigene Regeln, denen der Mensch sich anpassen muss, somit ist er noch mehr den „gesellschaftlichen Zwängen“ unterlegen, denn er muss sich an mehrere Sachen gleichzeitig Anpassen. Aus diesen einzelnen Gruppen ergeben sich für Durkheim zwei große Regelwerke, die untereinander nochmals untergliedert sind und denen der Mensch unterliegt. Die universale Moral bildet zwei abgrenzenden Pole und zeigt die Integration in die gesamte Gesellschaft. Auf der einen Seite die Rechte und Pflichte gegenüber sich selbst, auf der anderen Seite die Rechte und Pflichten gegenüber der Menschheit. Zwischen den zwei großen Polen sind die partikularen Moralsystheme verteilt, die für die einzelnen, sozialen Gruppen/Milieus stehen. Diese sind in häusliche-, berufliche- und staatsbürgerliche Moral eingeteilt. Die wichtigste Instanz, die Solidarität und Abhängigkeit zwischen allen vermischen lässt und die das Individuum am meisten Integriert, ist der Beruf. Beim Arbeiten entwickelt und fördert der Mensch seine Individualität und Persönlichkeit am meisten, weil er die meiste Zeit mit dem Arbeiten verbringt und integriert sich gleichzeitig am besten in die Gesellschaft, weil er an ihrer Entwicklung aktiv teilnimmt und sich seine Rolle in dieser sichert. Dem Vorwurf, dass die Arbeitsteilung das Individuum eher zur Maschine macht und dass routinisierte Handlungen keine Erweiterung der Horizontes bewirken, stellt Durkheim den eigentlichen Gedanken der Arbeitsteilung entgegen, der darauf beruht, dass das Individuum im ständigen Kontakt zu seinen Nachbarfunktionen stehen soll und die Zusammenhänge sowie die Ziele der Arbeit für ihn bekannt sein sollten. Wenn sich das Individuum mit seiner Arbeit identifiziert, dann fördert sie seiner Meinung nach seinen Horizont und lässt ihn nicht Abstumpfen.
[...]
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2005, Emile Durkheim: Individualisierung und Vergesellschaftung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50511
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.