Am 10.10.2018 erließ die EU-Kommission eine neue Verordnung zur Änderung des Anhangs der bereits bestehenden Verordnung 1907/2006. Letztere wurde im Jahr 2006 veröffentlicht und beinhaltete im Appendix eine umfassende Liste mit Chemikalien, deren Inverkehrbringen überwacht und begrenzt wird. Textilien und Bekleidung waren bislang weitestgehend nicht davon betroffen. Der Erlass zur Änderung der Nachschrift, dessen Auswirkungen Thema dieser Arbeit sind, wird als VO 2018/1513 bezeichnet. Durch ihn sind 33 CMR-Stoffe in den Anhang XVII mit aufgenommen worden. CMR ist die Abkürzung für die englischen Begriffe cancerogen, mutagen und reprotoxic, bezeichnet also chemische Stoffe, die krebserregend, erbgutverändernd oder fruchtbarkeitsgefährdend sind oder mindestens eine dieser Eigenschaften innehaben.
Welche Auswirkungen die neue Verordnung auf die Textil- und Bekleidungsindustrie hat, ist bislang wenig untersucht. Da eine Richtlinie mit so weitreichender Gültigkeit für die genannte Branche noch nicht besteht, sind die Ausmaße bislang kaum bekannt. Aufgrund dessen ergibt sich die Problemstellung, dass mögliche, realistische Folgen für die betroffene Branche noch unklar sind. Zum einen könnten Unternehmen nicht über die Verordnung informiert worden sein beziehungsweise nicht nachvollziehen können, was die Regelung für sie zu bedeuten hat, zum anderen könnte unbekannt sein, was konkret ab dem Tag des Inkrafttretens zu beachten ist. Demnach ist eine Erläuterung für die Unternehmen notwendig, die klare Vorgaben enthält, wie sie zukünftig handeln sollten, um dem europäischen Gesetz zu entsprechen.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2 Chemikalien in der Textilindustrie
2.1 Funktionskategorien von Chemikalien
2.2 Freigabe von chemischen Stoffen aus Textilien und Bekleidung
2.3 Gefährdung des Menschen durch verschiedene Aufnahmewege
3 Verordnung 2018/1513 der EU-Kommission
3.1 Bisherige Einschränkungen für Chemikalien
3.2 Durch die VO betroffene Produktgruppen und Ausnahmen
3.3 Inkrafttreten und Geltungsbereich
4 Vorstellung der 33 neu aufgenommenen CMR-Stoffe
4.1 Begriffsdefinition und Gefahr durch CMR-Stoffe
4.2 Übersicht der 33 CMR-Stoffe und jeweiligen Konzentrationsgrenzen
4.3 Schwermetalle
4.3.1 Cadmium
4.3.2 Chrom(VI)-oxid
4.3.3 Arsen
4.3.4 Blei
4.4 PAK und Benzol
4.4.1 Benzol
4.4.2 Benz[a]anthracen
4.4.3 Benz[e]acephenanthrylen
4.4.4 Benzo[a]pyren
4.4.5 Benzo[e]pyren
4.4.6 Benzo[j]fluoranthen
4.4.7 Benzo[k]fluoranthen
4.4.8 Chrysen
4.4.9 Dibenz[a,h]anthracen
4.5 Chlorkohlenwasserstoffe
4.5.1 p-Chlorbenzotrichlorid
4.5.2 Benzotrichlorid
4.5.3 Benzylchlorid
4.6 Formaldehyd
4.7 Weichmacher
4.7.1 Diisoheptylphthalat; Di-C 6-8-verzweigte Alkylester, C7-reich
4.7.2 Bis(2-methoxyethyl)phthalat
4.7.3 Diisopentylphthalat
4.7.4 Di-n-pentylphthalat
4.7.5 Di-n-hexylphthalat
4.8 Lösungsmittel
4.8.1 N-Methyl-2-pyrrolidon
4.8.2 N,N-Dimethylacetamid
4.8.3 Dimethylformamid
4.9 Farbstoffe
4.9.1 1,4,5,8-Tetraamino-anthrachinon
4.9.2 Benzolamin, 4,4′-(4-Iminocyclohexa-2,5-dienylidenmethylen)dianilin-hydrochlorid, Parafuchsin
4.9.3 4-[4,4′-Bis(dimethylamino)benzhydryliden]cyclohexa-2,5-dien-1-yliden]dimethylammoniumchlorid mit ≥ 0,1 % Michlers Keton, Kristallviolett
4.10 Arylamine und Chinolin
4.10.1 4-Chlor-o-toluidiniumchlorid
4.10.2 2-Naphthylammoniumacetat
4.10.3 4-Methoxy-m-phenylendiammoniumsulfat
4.10.4 2,4,5-Trimethylanilin-Hydrochlorid
4.10.5 Chinolin
4.11 Zusammenfassung
5 Analyseverfahren und Prüflaboratorien
5.1 Normen zu Chemikalien-Testverfahren
5.2 In Deutschland agierende Prüfungsinstitute
5.2.1 TÜV Rheinland
5.2.2 Bureau Veritas
5.2.3 Eurofins WKS Labservice
5.2.4 Bremer Umweltinstitut
5.2.5 OMPG
5.2.6 my lab international
5.3 Zusammenfassung
6 VO-konforme Alternativen
6.1 Farbstoffe
6.1.1 Alternative Metallpigmente
6.1.2 Recycrom
6.1.3 The Colors of Nature
6.1.4 AVITERA® SE
6.1.5 DyeCoo
6.1.6 Colorifix und Vienna Textile Lab
6.2 Weichmacher
6.2.1 Langkettige Weichmacher
6.2.2 Hexamoll® DINCH und Mesamoll®
6.2.3 PevalenTM , Proviplast und TBC
6.3 Pflegeleicht-Ausrüstung
6.3.1 BTCS mit TiO2
6.3.2 Alternative Polycarbonsäuren
6.3.3 5-HMF
6.4 Flammschutzausrüstung
6.4.1 PVA-Schaum
6.4.2 Flammschutz für BW
6.4.3 Fire-off EBR
6.4.4 Nofia® Homopolymers
6.4.5 SOL FR®
6.5 Pestizide
6.5.1 Biobaumwolle
6.5.2 Hanf und Leinen
6.5.3 Effektive Mikroorganismen
6.6 Acryl und Elastan-Lösungsmittel
6.6.1 Cyrene
6.6.2 Loxanol® MI 6470
6.6.3 TPM
6.7 Gerbmittel
6.7.1 Chrom(VI)-Bildung verhindern
6.7.2 Natürliche Gerbmittel
6.7.3 Olivenleder®
6.7.4 rhabarberleder®
6.8 Schwermetalle im Grundwasser
6.9 Zusammenfassung
7 Ergebnisdarstellung
8 Ergebnisinterpretation
8.1 Zusammengefasste Beantwortung der wesentlichen Forschungsfragen
8.2 Effekte auf die Industrie innerhalb Europas
8.3 Effekte auf die Industrie außerhalb Europas
8.4 Konsequenzen für Endkunden
8.5 Handlungsempfehlungen für die Textil- und Bekleidungs-industrie
8.6 Grenzen der Arbeit
9 Ausblick und Fazit
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Emigration chemischer Stoffe aus Textilien in ihre Umgebung
Abbildung 3-1: Titelblatt der VO 2018/1513
Abbildung 4-1: Michler’s Keton
Abbildung 6-1: Chemie und Färbeprinzip verschiedener Farbmittel für die Textilfärberei
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4-1: Beschränkte Stoffe und Höchstgrenzen für die Konzentration
Tabelle 4-2: Steckbrief Cadmium
Tabelle 4-3: Steckbrief Chrom(VI)
Tabelle 4-4: Steckbrief Arsen
Tabelle 4-5: Steckbrief Blei
Tabelle 4-6: Steckbrief Benzol
Tabelle 4-7: Steckbrief Benz[a]anthracen,
Tabelle 4-8: Steckbrief Benz[e]acephenanthrylen
Tabelle 4-9: Steckbrief Benzo[a]pyren
Tabelle 4-10: Steckbrief Benzo[e]pyren
Tabelle 4-11: Steckbrief Benzo[j]fluoranthen
Tabelle 4-12: Steckbrief Benzo[k]fluoranthen
Tabelle 4-13: Steckbrief Chrysen
Tabelle 4-14: Steckbrief Dibenz[a,h]anthracen
Tabelle 4-15: Steckbrief p-Chlorbenzotrichlorid
Tabelle 4-16: Steckbrief Benzotrichlorid
Tabelle 4-17: Steckbrief Benzylchlorid
Tabelle 4-18: Steckbrief Formaldehyd
Tabelle 4-19: Steckbrief Diisoheptylphthalat
Tabelle 4-20: Steckbrief Bis(2-methoxyethyl)phthalat
Tabelle 4-21: Steckbrief Diisopentylphthalat
Tabelle 4-22: Steckbrief Di-n-pentylphthalat
Tabelle 4-23: Steckbrief Di-n-hexylphthalat
Tabelle 4-24: Steckbrief N-Methyl-2-pyrrolidon
Tabelle 4-25: Steckbrief N,N-Dimethylacetamid
Tabelle 4-26: Steckbrief Dimethylformamid
Tabelle 4-27: Farbmittel in der Textilindustrie
Tabelle 4-28: Steckbrief Disperse Blue 1
Tabelle 4-29: Steckbrief Basic Red 9
Tabelle 4-30: Steckbrief Basic Violet 3
Tabelle 4-31: Steckbrief 4-Chlor-o-toluidiniumchlorid
Tabelle 4-32: Steckbrief 2-Naphthylammoniumacetat
Tabelle 4-33: Steckbrief 4-Methoxy-m-phenylendiammoniumsulfat
Tabelle 4-34: Steckbrief 2,4,5-Trimethylanilin-Hydrochlorid
Tabelle 4-35: Steckbrief Chinolin
Tabelle 4-36 Zusammenfassung der in der Textilindustrie angewandten Substanzklassen
Tabelle 5-1: Erläuterung zu Norm-Bezeichnungen und zuständiger Behörde
Tabelle 5-2: Übersicht der Testmethoden und Normen zur Ermittlung der chemischen Stoffe in Textilien
Tabelle 5-3: Analyseangebot des TÜV Rheinland
Tabelle 5-4: Übersicht der OMPG zu Normen, Probenmaterial, Preisen und Geräten der Testverfahren
Tabelle 5-5: Prüfungsangebot für Privatpersonen von my lab international
Tabelle 6-1: Wichtige mechanische Eigenschaften von Baumwolle, Leinen und Hanf
Tabelle 6-2: Zusammenfassung der Alternativen unter Angabe der Funktion und Produktnamen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die Textilindustrie ist eine Branche mit sehr hohem Chemikalienverbrauch. Die Prozesse in der textilen Kette, für welche die meisten chemischen Stoffe genutzt werden, sind der Anbau und die Produktion der Rohfasern sowie die Veredlung.1 Allein im Anbau von Baumwolle (BW) werden 25% der weltweit hergestellten Insektizide und 10% der Pestizide eingesetzt.2 In genannten Schritten werden vor allem Prozesschemikalien und Textilhilfsmittel genutzt. Am höchsten ist daher die Belastung für Mensch und Umwelt in den Regionen, in denen ebendiese Prozesse stattfinden. Auch der Verbraucher, der am Ende die Kleidung kauft und trägt, ist gefährdet, da in ebendieser Kleidung Restkonzentrationen der eingesetzten Substanzen verbleiben können. Durch den rasanten Anstieg in der Produktion von Bekleidung, steigt auch der Verbrauch der chemischen Stoffe. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Textilherstellung mindestens verdoppelt mit steigendem Trend.3 Bislang gab es auf europäischer Ebene keine gesetzliche Regelung für die Überwachung der Restkonzentration von chemischen Substanzen in Kleidung.
Am 10.10.2018 erließ die EU-Kommission eine neue Verordnung (VO) zur Änderung des Anhangs der bereits bestehenden VO 1907/2006. Letztere wurde im Jahr 2006 veröffentlicht und beinhaltete im Appendix eine umfassende Liste mit Chemikalien, dessen Inverkehrbringen überwacht und begrenzt wird. Textilien und Bekleidung waren bislang weitestgehend nicht davon betroffen. Der Erlass zur Änderung der Nachschrift, dessen Auswirkungen Thema dieser Arbeit sind, wird als VO 2018/1513 bezeichnet. Durch ihn sind 33 CMR-Stoffe in den Anhang XVII mit aufgenommen worden. CMR ist die Abkürzung für die englischen Begriffe c ancerogen, m utagen und r eprotoxic, bezeichnet also chemische Stoffe, die krebserregend, erbgutverändernd oder fruchtbarkeitsgefährdend sind, bzw. mindestens eine dieser Eigenschaften innehaben.4
1.1 Problemstellung
Welche Auswirkungen die neue Verordnung auf die Textil- und Bekleidungsindustrie hat, ist bislang wenig untersucht. Da eine Richtlinie mit so weitreichender Gültigkeit für die genannte Branche noch nicht besteht, sind die Ausmaße bislang kaum bekannt. Aufgrund dessen ergibt sich die Problemstellung, dass mögliche, realistische Folgen für die betroffene Branche noch unklar sind. Zum einen könnten Unternehmen nicht über die VO informiert worden sein bzw. nicht nachvollziehen können, was die Regelung für sie zu bedeuten hat, zum anderen könnte unbekannt sein, was konkret ab dem Tag des Inkrafttretens zu beachten ist. Demnach ist eine Erläuterung für die Unternehmen notwendig, die klare Vorgaben enthält, wie sie zukünftig handeln sollten, um dem europäischen Gesetz zu entsprechen.
1.2 Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Textil- und Bekleidungsindustrie über Konsequenzen der neuen VO 2018/1513 und damit einhergehenden möglichen Handlungsfolgen aufzuklären. Dies soll anhand von vier Forschungsbereichen ermöglicht werden.
1. Was beinhaltet die VO? Welche Produktgruppen sind betroffen und ab wann ist sie gültig?
2. Um welche neu aufgenommenen Stoffe handelt es sich? Wie sind ihre Eigenschaften und wofür werden sie in der textilen Kette eingesetzt?
3. Bestehen bereits genormte Prüfverfahren für ebendiese Chemikalien? Wie sind die Konditionen (Dauer, Preis, benötigtes Probenmaterial) und durch welche Parteien können sie durchgeführt werden?
4. Können die gegebenen Höchstgrenzen für Restkonzentrationen im fertigen Teil eingehalten werden? Welche Alternativen bestehen derzeit zu den durch die VO begrenzten Stoffen?
Mithilfe dieser Forschungsfragen wird die Mode- und Textilindustrie über Folgen aufgeklärt und mit Handlungsempfehlungen ausgestattet.
1.3 Vorgehensweise
Im Zuge der vorliegenden Arbeit wurden die Folgen der VO 2018/1513 für die Textil- und Bekleidungsindustrie anhand vieler Informationen untersucht. Hierzu ist die Arbeit in fünf informative Teile strukturiert.
Zunächst wird in Kapitel 2 über Chemikalien in der Textilindustrie aufgeklärt. Es werden verschiedene Einsatzmöglichkeiten und Funktionen chemischer Substanzen dargestellt. Durch Erläuterung der Wege, durch welche Stoffe aus dem fertigen Produkt freigesetzt werden können, wird die Gefahr für den Menschen verdeutlicht.
In Kapitel 3 wird über die VO 2018/1513 informiert. Es werden bisherige gesetzliche Maßnahmen angeschaut und dargeboten, warum die VO notwendig war. Darüber hinaus wird der Inhalt erläutert: welche Produkte betroffen sind und ab wann und wo die VO gültig ist.
Kapitel 4 handelt von den neu aufgenommenen 33 CMR-Stoffen, deren jeweilige maximale Konzentrationsgrenze durch die VO 2018/1513 bestimmt wurde. Zunächst werden CMR-Stoffe definiert und die dadurch herrührende Gefahr gezeigt. In einer tabellarischen Übersicht werden die Stoffe in Substanzklassen gegliedert und die Konzentrationsgrenze nach Gewicht gezeigt. Anschließend werden die beschränkten Schadstoffe genauestens erklärt, so auch der chemische Charakter sowie Einsatz und Vorkommen in Textilien und Bekleidung. Auch die von ihnen ausgehende Gefahr wird eingehend dargestellt.
Im darauffolgenden Kapitel 5 wurden Normen für Prüfverfahren recherchiert, um die Möglichkeit der objektiven, reproduzierbaren Analyse aller Substanzen aufzuzeigen. Des Weiteren wurden durch eine Marktanalyse Prüflaboratorien ermittelt, die die quantitative Feststellung ebendieser beschränkten Stoffe anbieten, und nähere Informationen zu Dauer und Kosten der jeweiligen Tests dargestellt, um Textilunternehmen mögliche Kooperationspartner für die Untersuchung ihrer Produkte aufzuzeigen.
Der letzte, aufklärende Teil in Kapitel 6 handelt von Alternativen zu allen gelisteten Chemikalien. Auf Basis der Informationen aus dem ersten Teil werden Mittel und konkrete Produkte dargestellt, die die Funktion der verbotenen Stoffe im selben Maße erfüllen. Hierfür wurde eine globale Marktanalyse verschiedener Chemieproduzenten durchgeführt. In einer tabellarischen Zusammenfassung werden die acht Substanzklassen aus Kapitel 4 den hier herausgestellten Alternativen gegenübergestellt.
Eine abschließende Ergebnisinterpretation rundet diese Arbeit ab. Es werden positive und negative Folgen der VO 2018/1513 für die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die darin arbeitenden Menschen präsentiert und Handlungsvorschläge für Unternehmen geboten, um der VO zu entsprechen.
2 Chemikalien in der Textilindustrie
Im nachfolgenden Kapitel werden vorerst Chemikalien und ihre Einsatzmöglichkeiten in der Textil- und Bekleidungsindustrie im Allgemeinen erörtert. Anschließend werden Immissionswege aufgezeigt, durch welche die Stoffe aus den fertigen Produkten in ihre Umgebung gelangen können. Auf Basis dessen werden die Gefahren für den Menschen präsentiert.
2.1 Funktionskategorien von Chemikalien
Die Anwendung für chemische Stoffe in der Textilindustrie ist essenziell und sehr weit gefächert. In einer Studie aus dem Jahr 2009 wurde ermittelt, dass für die Herstellung von 1 kg Baumwoll-Shirt 3 kg Chemikalien eingesetzt werden.5
Die Stoffe können in drei Kategorien sortiert werden:6
1. Funktionelle oder effekt-bringende Chemikalien
Funktionelle chemische Substanzen werden beigefügt, um einen beabsichtigen Effekt zu erzielen und diesen auch beizubehalten. Es wird darauf abgezielt, dass diese Stoffe in gewisser Konzentration dauerhaft in den Textilien verbleiben. Derartige Stoffe sind z.B. Farbstoffe und Pigmente, wasser- oder ölabweisende Mittel sowie flammhemmende, knitterfreie oder antibakterielle Ausrüstung.
2. Hilfsstoffe
Hilfsstoffe werden eingesetzt, um Prozesse zu begünstigen. Sie sollten anschließend wieder von der Ware entfernt werden, da sie keinen gewünschten Effekt beim Tragen bringen. Prozesshilfsmittel sind z.B. organische Lösemittel, Weichmacher, Salze, Säuren, Basen und auch Pestizide, die während der Lagerung notwendig sind.
3. Unbeabsichtigt enthaltene Stoffe
Die übrigen Chemikalien, welche in Textilien und Bekleidung zu finden sind, können als unbeabsichtigt enthaltene Stoffe angesehen werden. Dies bedeutet, dass sie während anderer Prozesse oder unkontrollierter chemischer Reaktionen ihren Weg in das finale Produkt gefunden haben, ohne eine gewünschte Wirkung zu haben. Solche Stoffe können aufgrund ihrer Eigenschaften bedenklich sein und sind daher, auch bei sehr niedriger Konzentration, in der Kleidung unerwünscht. Als Beispiel dienen freies Formaldehyd, polycyclische aromatische Kohlenstoffe (PAK), Schwermetalle und Arylamine.7 Betrachtet man die CMR-Liste von REACH so sind viele der Chemikalien der letzten Gruppe zuzuordnen. Für gewöhnlich sollten in einem fertigen Textil nur funktionelle chemische Stoffe vorhanden sein. Prozesshilfsmittel werden nach abgeschlossenem Prozess ausgewaschen oder verflüchtigen sich. Einige Mittel sind jedoch aufgrund ihrer Eigenschaften schwieriger zu entfernen, wie etwa hydrophobe Stoffe.
2.2 Freigabe von chemischen Stoffen aus Textilien und Bekleidung
Es gibt mehrere Wege, durch die chemische Stoffe ein Textil verlassen und so in den Organismus des Trägers oder die Umwelt gelangen können. Diese sind vereinfacht in der folgenden Abbildung 2-1 dargestellt. Die wichtigsten Eigenschaften, die die Freilassung des Stoffes beeinflussen, sind der spezifische Dampfdruck sowie Fett- und Wasserlöslichkeit. Stoffe von hohem Dampfdruck emigrieren leicht in die Luft. Wasserlösliche Materialien können sich in diesem Medium oder aber auch in Schweiß und Speichel lösen, während fettlösliche Stoffe besonders von der Haut aufgenommen werden.8
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Emigration chemischer Stoffe aus Textilien in ihre Umgebung
Quelle: Vgl. KEMI (2014), S. 35.
2.3 Gefährdung des Menschen durch verschiedene Aufnahmewege
Wie oben zu sehen, gibt es für den Menschen drei Hauptaufnahmewege, durch welche schadstoffbehaftete Textilien in den Organismus gelangen könnten: durch Durchdringen der Haut, Inhalation (bzw. den Atemtrakt) sowie oral durch Einatmen der an Staub gebundenen Fasern. Auch das Verschlucken oder Ansaugen von Kleidung ist ein oraler Aufnahmeweg, der besonders bei Säuglingen zu bedenken ist. Das Einatmen von gasförmigen Chemikalien, die aus dem Textil flüchten, ist zum einen bei dem Träger bedenklich, zum anderen bei Arbeitern, die in kleinen Räumen mit neuer Ware arbeiten, wie z.B. in Lagerhäusern. Welche der limitierten CMR-Stoffe aus VO 2018/1513 über welchen Aufnahmeweg bevorzugt in den Körper gelangen, wird in Kapitel 4 im Einzelnen dargestellt. Da Menschen jeden Alters Kleidung tragen, würden Giftstoffe, die in dieser enthalten sein könnten, jeden betreffen, woraus weitverbreitete Erkrankungen für die breite Population erfolgen könnten. Darüber hinaus werden Textilien in privaten und öffentlichen Innenräumen genutzt, z.B. als Vorhänge, Bett- und Kissenbezüge. Der Mensch ist somit ständig davon umgeben und den daraus emittierenden Stoffen ausgesetzt. Eine gesetzliche Regelung, die diese Gefahren eindämmt, ist daher absolut notwendig.
3 Verordnung 2018/1513 der EU-Kommission
Aus Kapitel 2 gingen die Gefahren bestimmter chemischer Substanzen, welche in Bekleidung und Textilien in Resten verbleiben können, hervor. Daraus entstand die Notwendigkeit, ebendiese Rückstände zu überwachen und zu kontrollieren. In diesem Kapitel geht es um die VO der europäischen Kommission, die eben dies tun soll. Es werden Inhalt, Geltungsbereich und der Zeitpunkt des Inkrafttretens ausgeführt. VO 2018/1513 ist eine Anweisung der EU-Kommission zur Änderung des Anhangs XVII in der REACH-VO 1907/2006, in welcher es u.a. um die Gründung der Europäischen Agentur für chemische Stoffe ging. Der bisherige Anhang XVII enthielt bereits eine Liste von Chemikalien, deren Inverkehrbringen kontrolliert werden muss, allerdings waren darin nur wenige Stoffe enthalten, die ausdrücklich nicht in Bekleidung und Textilien vorgefunden werden dürfen. Dieser Zusatz ist neu und wird als Nummer 72 in den Appendix aufgenommen.
3.1 Bisherige Einschränkungen für Chemikalien
Bevor die VO 2018/1513 im Oktober 2018 erlassen wurde, gab es nur eine limitierte Regelung bzgl. einiger chemischen Stoffe in Textil und Bekleidung. Die VO dient zur Änderung des Anhangs XVII der VO 1907/2006 vom 18.12.2006. Diese ist auch als REACH9 -Verordnung bekannt, da durch eben diese das EU-Parlament ein Chemikaliengesetz erschaffen hat, das mit der Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien beauftragt und in allen europäischen Ländern gültig ist. In der REACH-VO waren bislang nur wenige Stoffe aufgeführt, die ausdrücklich nicht in textilen Erzeugnissen vorkommen durften, und zwar vor allem Cadmium und Quecksilber, Azofarbstoffe, Nonylphenol und eine Liste von chlorhaltigen Stoffen.10
Davon abgesehen konnten Unternehmen freiwillig ihre Produkte mit verschiedenen Siegeln auszeichnen, die auf Schadstofffreiheit hindeuten. Jedes Siegel hat eigene Grenzwerte, die für den Erhalt eingehalten werden müssen. Durch die Auszeichnung hat der Kunde die Sicherheit, kein gesundheits- und umweltschädliches Kleidungsstück zu erhalten.11 Für die Hersteller bedeuten Siegel einen hohen Kostenfaktor. Daher sind wenige Produkte, vor allem wenige aus dem Bereich Fast Fashion, mit ihnen gekennzeichnet. Des Weiteren gibt es kein einheitliches gesetzlich geschütztes Zertifikat für schadstofffreie Kleidung, wodurch ein Unternehmen sich zwischen mehreren Alternativen entscheiden muss. Folglich bestand weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene eine gesetzliche Regelung bezüglich der im Folgenden gelisteten Stoffe. Zum Schutz der Konsumenten war solch ein Erlass überaus notwendig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3-1: Titelblatt der VO 2018/1513
Quelle: Europäische Kommission (2018), S. 256/1.
3.2 Durch die VO betroffene Produktgruppen und Ausnahmen
Die vorgesehenen Änderungen sind im Anhang der VO 2018/1513 aufgeführt. Hierbei geht es um die Höchstgrenzen für die Konzentration der 33 CMR-Stoffe sowie die Waren, für die genannte Grenzen gelten werden, und den Tag des Inkrafttretens. Betroffene Waren sind Kleidung und Schuhwaren, wie sie unter 1a) bis c) erläutert werden, aber auch Textilien, „die in einem ähnlichen Maße wie Bekleidung mit der menschlichen Haut in Berührung kommen“12 wie z.B. Bettwäsche und Polsterungen. Anders ausgedrückt, alle Bekleidungswaren, die nicht unter die Ausnahmen unter 3. – 7. aufgelistet sind. Mehr dazu weiter unten. In die Liste der zu kontrollierenden Stoffe werden insgesamt 33 neue Mittel gelistet. Neben der Konzentrationsmenge werden jeweils die CAS-, EG- und Indexnummer genannt. Hierbei handelt es sich um den internationalen Bezeichnungsstandard für chemische Stoffe (CAS -Nummer), die Nummer der Stoffe aus dem EG-Stoffinventar, welche als wichtige Ordnungskategorie des europäischen Chemikalienrechts dient (EG- Nummer), und eine ID-Codierung, die durch Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG entstanden ist (Indexnummer). Nicht betroffene Ausnahmen sind z. B. persönliche Schutzkleidung, Medizinprodukte, Teppiche und Kleidung, die ausschließlich aus Tierhäuten oder –fellen besteht.13 Die ersten beiden Seiten der VO, in welchen diese Punkte ausführlich erläutert werden, sind dieser Ausarbeitung als Anhang 1 angefügt. Formaldehyd (FA) wird ausdrücklich bei den Ausnahmen erwähnt. Hierfür wird noch eine dreijährige Übergangsphase toleriert: Vom 01.11.2020 bis zum 01.11.2023 darf die Konzentration eine Höchstmenge von 300 mg/kg betragen, danach jedoch die in der Anlage aufgeführte Maximalkonzentration. Diese beträgt 75 mg/kg, also 75 % weniger. Die Regelung gilt jedoch nur für Jacken, Mäntel und Polsterungen. Ein weiterer nennenswerter Punkt ist der Vorbehalt, die Ausnahme von Teppichen und textilen Fußbodenbelägen zu überprüfen und eventuell zu ändern.14
3.3 Inkrafttreten und Geltungsbereich
VO 2018/1513 wurde am 10.10.2018 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am 01.11.2018, am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung, in Kraft. Das Gesetz ist mit Inkrafttreten verbindlich und gültig für alle 28 Mitgliedstaaten der EU.15 Es gilt jedoch eine Übergangsphase von 24 Monaten. Somit ist der Stichtag der 01.11.2020.
In besagter Nachschrift ist aufgeführt, wie die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung ausgewählter chemischer Stoffe, Gemische und Erzeugnisse beschränkt werden müssen.16 Das bedeutet, dass sowohl Hersteller, Produzenten, Mittelsmänner als auch Verkäufer an den Endkunden sich daran halten müssen. Folglich sind nicht nur Produkte betroffen, die in Europa hergestellt werden, sondern auch solche, die in die Mitgliedsländer der EU importiert und verkauft werden. Hersteller und Importeure, die mehr als eine Tonne pro Jahr einer Chemikalie in der EU herstellen oder sie dorthin importieren, sind von REACH betroffen. Dabei ist es irrelevant, ob die Chemikalie in reiner Form oder als Bestandteil eines Gemischs erscheint. In welcher Form die Stoffe genutzt werden, was sie ausmacht, weswegen sie gefährlich sind und durch welche Prozesse sie in das textile Produkt gelangen, wird im folgenden Kapitel präsentiert.
4 Vorstellung der 33 neu aufgenommenen CMR-Stoffe
Für einen Überblick und besseres Verständnis werden die Stoffe im folgenden Kapitel in Substanzklassen gegliedert. Die Definition und Eigenschaften der Klassen werden im weiteren Verlauf erläutert, sowie durch welche Produktions- oder Veredlungsprozesse die Chemikalien in die fertige Textilware gelangen. Zu jedem Stoff sind Steckbriefe mit wichtigen Informationen dargestellt, u.a. auch die GHS-Gefahrenstoffkennzeichnung. Eine Erläuterung der Symbole ist dieser Arbeit als Anhang 2 beigefügt. Vorab wird erläutert, wie die Bestimmung über die Grenzwerte zustande gekommen ist und wer daran beteiligt war. Die hinter der Abkürzung CMR stehenden Begriffe werden definiert und die daraus hergeleitete Gefährdung demonstriert. Eine tabellarische Übersicht der 33 Stoffe sowie ihrer jeweiligen Konzentrationsgrenzen rundet die Einführung ab.
4.1 Begriffsdefinition und Gefahr durch CMR-Stoffe
Exposition ist unerlässlicher Faktor jeder Risikoabschätzung. Die Ermittlung der Konzentrationsgrenzen wurde von REACH in mehreren Schritten durchgeführt. Zunächst wurden Berichte „über das Verhalten des Stoffes im Körper (Toxikokinetik, d. h. Absorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung)“17 und die Auswirkungen des Stoffes auf die menschliche Gesundheit zusammengetragen, wie bspw. akute und chronische Toxizität, Mutagenität, Kanzerogenität und Reproduktionstoxizität. Auf Basis dieser Informationen wurde die schädliche Wirkung erforscht. Anschließend wird die Dosis ohne beobachtbare schädliche Wirkung ermittelt und hieraus die Expositionshöhe ohne Beeinträchtigung abgeleitet. Letztere bezeichnet die Expositionshöhe eines Stoffes, „über welcher Menschen nicht exponiert werden dürfen“.18 Das genaue Verfahren ist in den Leitlinien zu Informationsanforderungen und Stoffsicherheitsbeurteilung, Teil B: Ermittlung schädlicher Wirkungen19 beschrieben.
Wie in der Einleitung erwähnt, bezeichnet der Begriff CMR-Stoffe alle Chemikalien, die aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen Eigenschaften in der CMR-Gesamtliste der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) genannt sind. Diese riskanten Stoffe werden in mindestens einem der folgenden Kriterien in Kategorie 1 oder 2 nach CLP20 -Verordnung eingestuft. Die CLP-Verordnung ist eine Chemikalienverordnung der EU für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Um die Dringlichkeit der daraus hervorgehenden Gefahr zu verstehen, werden diese Begriffe im Folgenden erklärt.
C – cancerogen
Als krebserzeugende Stoffe oder Stoffgemische werden solche bezeichnet, die Krebs erzeugen oder aber dessen Häufigkeit erhöhen können.
M – mutagen
Keimzellen-Mutagenität beschreibt die Fähigkeit einer Chemikalie, Mutationen in menschlichen Keimzellen auszulösen, die ebenso an Nachkommen weitergegeben werden können.
R – reproduktionstoxisch
Stoffe mit reproduktionstoxischem Potential können sowohl bei Frauen als auch Männern die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bzw. Potenz beeinträchtigen. Des Weiteren besteht bei Schwangeren die Gefahr, die Entwicklung des ungeborenen Nachkommens zu beeinträchtigen.
Wie beschrieben, sind CMR-Stoffe in einem oder mehreren der Eigenschaften der Kategorie 1 oder 2 zugeordnet. Kategorie 1 wird in zwei Untergruppen geteilt: 1A weist darauf hin, dass der Stoff überwiegend wegen Befunden an Menschen bekanntlich für den Menschen krebserzeugend, mutagen oder reproduktionstoxisch ist, während Kategorie 1B diesen Effekt vermutlich auslöst, und zwar auf Basis von Ergebnissen bei Tieren.21 Chemikalien der Kategorie 2 gelten als „Verdachtsstoffe“.22
4.2 Übersicht der 33 CMR-Stoffe und jeweiligen Konzentrationsgrenzen
In der untenstehenden Tabelle werden die 33 Stoffe, die in der Anlage 12 als Eintrag 72 der VO 2018/1513 hinzugefügt wurden, tabellarisch aufgelistet und mit entsprechender Konzentrationsgrenze ausgewiesen, so wie es im besagten Anhang steht. Darüber hinaus werden sie nach Substanzklassen geordnet, um einen besseren Überblick zu behalten. Die CAS-, EG- und Indexnummern sind für diese Ausarbeitung nicht relevant und werden daher an dieser Stelle nicht aufgeführt.
Tabelle 4-1: Beschränkte Stoffe und Höchstgrenzen für die Konzentration
Quelle: Europäische Kommission (2018), S. 256/5 ff
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nachfolgend werden Eigenschaften, Vorkommen und Gefahr der acht Substanzklassen sowie der 33 CMR-Stoffe im Einzelnen betrachtet.
4.3 Schwermetalle
Im Folgenden wird die Bedenklichkeit von Schwermetallen im Allgemeinen dargestellt. Weitergehend werden die in Tabelle 1 gelisteten Metalle im Einzelnen aufgeführt, unter Vorstellung des Einsatzes in der Textilproduktion sowie Gesundheitsrisiken. Es werden auch beispielhaft Pigmente genannt, welche bekanntlich Schwermetalle enthalten. Die Benennung erfolgt mithilfe des internationalen Colour Index (C.I.) durch die Society of Dyers and Colourists.
Cadmium, Chrom, Arsen und Blei gelten aufgrund ihrer hohen Dichte von > 5,0 g/cm³ als Schwermetalle. Bereits geringe Mengen im Blut können eine akute Vergiftung auslösen. Die Aufnahme kann über Luft, Nahrung und auch über die Haut erfolgen. Besonders gefährlich sind diese Metalle durch Bioakkumulation. Dies bedeutet, dass sie sich im Körper ablagern und ansammeln.
Bei Vergiftungen durch Chemikalien wird zwischen akuten und chronischen Zuständen unterschieden. Letztere resultieren aus beschriebener Ansammlung im menschlichen Organismus. Beim Tragen von Kleidung ist eine akute Vergiftung unwahrscheinlich. Bei Arbeitern in der Textilen Kette ist die chronische Vergiftung wahrscheinlicher. Dies einerseits dadurch, dass z.B. Baumwollfasern durch vergiftetes Wasser belastet sein können, welche die Feldarbeiter einatmen, oder durch Veredlungsprozesse, in denen Schwermetalle eingesetzt werden. Zur Vergiftung mit einem dieser Schwermetalle tragen viele Faktoren bei. Es ist von Bedeutung, welches Metall, in welcher Menge, akut oder chronisch, über welchen Weg eingenommen wurde. Besonders gefährlich ist eine Schwermetallvergiftung bei Neugeborenen und Kleinkindern, da ihre Gehirne noch formbar sind und die Vergiftung dessen Entwicklung beeinträchtigen könnte.23 Hierbei verursachte neuronale Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Physiologisch erfolgt eine Vergiftung dadurch, dass Ionen des Metalls sich an Sauerstoff-, Stickstoff- oder Sulfid-Gruppen eines Proteins anbinden, was eine Veränderung der Enzymfunktion zur Folge hat.24 Metalle geben gerne Elektronen ab, um Kationen zu bilden.25 Entsprechend sind sie relativ reaktionsfreudig. Dies könnte der Grund dafür sein, dass auch Verbindungen mit Cadmium, Arsen, Blei oder Chrom nur zu einer limitierten Höchstmenge im Textil vorhanden sein dürfen.
Die genannten Schwermetalle gelangen vorwiegend als Farbpigmente in Textilien. Die Color Pigments Manufacturers Association definiert Pigmente als organische oder anorganische Feststoffe, die für gewöhnlich unlöslich sind und dessen Erscheinung sich durch die selektive Absorption oder Streuung von Licht verändert.26 Hierbei werden sie gerne wegen ihrer hohen Wasch- und Lichtechtheit eingesetzt. Welche Stoffe in welcher Form und Anwendung genau genutzt werden, wird nun dargestellt.
Tabelle 4-2: Steckbrief Cadmium
Quelle: Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019w)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.3.1 Cadmium
Cadmium ist meist als Pulver vorzufinden. Es ist silbergrau, geruchlos und praktisch unlöslich in Wasser. Das Metall wird als Carbonat oder in Sulfid- und Selenidgruppen als Pigment gefunden. Farblich erstreckt es sich von gelb über orange bis rot.27 Bekannte Pigmente sind u.a.: C.I. Pigment Orange 20 (Cadmiumsulfoselenidorange) und C.I. Pigment Red 108 (Cadmiumsulfoselenidrot). Als solche wird es in der Färbung von textilen Flächen eingesetzt.28 Das Schwermetall ist in Berührung ungefährlich, was bedeutet, dass es weder Haut- noch Augenirritation auslöst. Somit bleibt es als Restsubstanz in Materialien, wie z.B. Bekleidung, vorerst unentdeckt. Die Aufnahme erfolgt neben der Lunge auch über Ernährung. Durch das Blut gerät das Metall in innere Organe und wird so in Niere und Leber gespeichert. Besonders gefährlich ist es jedoch für die Lunge. So führt eine akute Vergiftung bereits zu Atemnot und Lungenödemen. Langzeitige Aussetzung steht im Verdacht, die Entstehung von Lungenkrebs zu fördern.29 Es bestehen genügend Gründe zur Annahme, dass Cadmium sowohl reproduktionstoxisch, mutagen als auch kanzerogen für den Menschen ist.30
Tabelle 4-3: Steckbrief Chrom(VI)
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019y)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.3.2 Chrom(VI)-oxid
Auch dieses Schwermetall ist in Pulverform vorzufinden, von grauer Farbe und geruchlos. Chromate können in vielen Verbindungen gefunden werden und ergeben als Pigment ein breites Farbspektrum von gelb, orange, rot und violett zu braun und grün.31 Gerne wird das Pigment für die Färbung von Wolle genutzt.32 Chrom(VI) findet sich vor allem in der Gerbung von Leder, wenn Chrom (III) als Gerbstoff genutzt wurde. Wird die Gerbung nicht einwandfrei durchgeführt, sind Rückstände des giftigen Stoffes zu finden.33 Mahr dazu in Kapitel 6.7.1. Chrom ist in hexavalenter Form (Cr(VI)) ein starker Oxidator. Das bedeutet, dass das Molekül gerne Elektronen abgibt, was die Reaktionsfreudigkeit und damit einhergehende Gefahr dieses Stoffes erklärt. Die Aufnahme geschieht hauptsächlich über die Luft, Nahrung oder Wasser. Absorption über die Haut ist kaum bekannt. Hexavalentes Chrom hat im pH-Milieu des menschlichen Körpers die gleiche Struktur wie Phosphat und Sulfat. Somit kann es von jeder Zelle und jedem Organ im Körper aufgenommen werden. Auf diesem Wege gerät es auch ins Gehirn. Besonders gefährlich ist das Metallion dadurch, dass es mit Proteinen reagiert und Krebs verursachen kann.34
Chrom stellt vor allem in Billiglohnländern eine Gefahr für die Menschen und Umwelt dar, da es dort als günstiges Gerbmittel für Leder eingesetzt wird. So z.B. auch in Indien. Das alarmierende hierbei ist, dass das chrombelastete Abwasser ungeklärt in das Grundwasser gelangt, was ebenso als Trinkwasser für die Tiere dient und zum Bewässern des Ackerbaus genutzt wird. Entsprechend ist auch die Nahrung der Menschen belastet. Das Schwermetall gelangt in Flüsse, die wiederum in den Ganges, den zweitgrößten Fluss Indiens, gelangen und belastet somit einen Großteil des Landes.35 Chrom(VI)-oxid ist ein nachgewiesenes Kanzerogen. Des Weiteren bestehen hinreichende Anhaltspunkte, die die Mutagenität und Reproduktionstoxizität des Mittels für den Menschen belegen.36
Tabelle 4-4: Steckbrief Arsen
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019i)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.3.3 Arsen
Arsen wird als Pigment oft in Verbindungen in Form eines Sulfids oder Oxids vorgefunden. Die Sulfidgruppen ergeben eine Farbigkeit von gelb bis rot, während Oxide weiß sind. Arsenate und Arsenide gehen Verbindungen mit weiteren chemischen Stoffen ein und ergeben dadurch ein weites Spektrum an Farben. In Verbindung mit Kobalt kommt ein blaues oder violettes Pigment zustande, eine Kupferverbindung resultiert in Grüntönen. Arsenblei ergibt ein gelbfarbiges Pigment.37 Dieses Schwermetall gilt als besonders schädlich für die kognitiven Fähigkeiten und das Verhalten von Menschen. Eine chronische Aufnahme erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Störung der Atemwege und auch Diabetes mellitus.38 Wird Arsen über die Luft aufgenommen, wie in bestimmten industriellen Arbeitsbedingungen, erhöht dies stark das Lungenkrebsrisiko.39 Die mutagene sowie kanzerogene Wirkung beim Menschen wurden für Arsen nachgewiesen.40
Tabelle 4-5: Steckbrief Blei
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019v)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.3.4 Blei
Blei wird wegen der starken Farbe und Deckkraft gerne als Pigment in der Farb- und Spielzeugindustrie genutzt, ebenso wie Cadmium und Chrom.41 Als Pulver ist es grau und geruchlos. Bekannte Pigmente sind: C.I. Pigment Yellow 34 (Bleisulfochromatgelb) und C.I. Pigment Red 104 (Bleichromatmolybdatsulfatrot).42 Dass diese Pigmente zusätzlich Chrom enthalten, macht sie umso gefährlicher. Die toxische Aufnahme von Blei wird selten in Zusammenhang mit Kleidung gebracht. Es findet sich jedoch oft in T-Shirt-Aufdrucken.43 Im vordergründigen Verdacht steht arbeitsbedingte Aufnahme, u.a. bei Malern und Schmelzern.44 Besonders tragisch sind die Auswirkungen auf das soziale Verhalten von chronisch bleivergifteten Personen. So wurde herausgefunden, dass sich das Verhalten von Kindern selbst nach der Heilung einer bloß akuten Vergiftung anhaltend durch Aggressivität, Ruhelosigkeit und Unaufmerksamkeit auszeichnete.45 Das Schwermetall gilt als embryotoxisch.
4.4 PAK und Benzol
Zunächst werden Gemeinsamkeiten dieser Stoffgruppe erklärt. Später werden die acht Aromen einzeln betrachtet. In einem tabellarischen Steckbrief werden andere Namen, der Aggregatzustand, die Strukturformel sowie Gefahrensymbole dargestellt.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) repräsentieren eine Stoffgruppe von organischen Verbindungen. Das besondere Merkmal dieser Gruppe liegt darin, dass sie sich aus mindestens zwei verbundenen aromatischen Ringsystemen zusammensetzen, die in einer Ebene liegen. Sie sind überwiegend neutral und unpolar, dadurch meist hydrophob und lipophil. Mit steigender Anzahl der Ringe nimmt die Unlösbarkeit in Wasser und organischen Lösungsmitteln ab. Durch die lipophile Eigenschaft werden sie leicht vom menschlichen Körper aufgenommen. Ihre fehlende Löslichkeit trägt ebenfalls dazu bei, dass die Stoffe sich im Fettgewebe lebender Organismen ansammeln (Bioakkumulation).46 Viele PAK wurden nachweislich als Karzinogene gelistet. Ihre krebserregende Eigenschaft kann daher kommen, dass sie im Körper zu sehr reaktionsfähigen, zyklischen, organischen Verbindungen werden, die mit der DNA reagieren können. Viele PAK sind nicht nur toxisch und bioakkumulativ, sondern auch noch persistent, was bedeutet, dass sie in der Umwelt kaum abgebaut werden und lange bestehen bleiben. Die Kombination dieser drei Eigenschaften macht die Stoffgruppe daher auch für die Umwelt sehr bedrohlich.47 Die meisten PAK werden durch Verbrennung gefährlich, da hierbei ätzende Gase entstehen, die die Lunge schädigen. Damit geht einher, dass der Hauptaufnahmeweg meistens über den Atemtrakt stattfindet. Nichtsdestotrotz werden die aromatischen Kohlenwasserstoffe bei langem Hautkontakt auch hierüber aufgenommen und gelangen so in den Körper.48
Das National Toxicology Program des US-Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Dienste hat in seinem 14. Bericht über Karzinogene die hier genannten PAK als vermutliche Karzinogene für den Menschen eingestuft, nämlich Benz[a]anthracen, Benzo[j]fluoranthen, Benzo[k]fluoranthen und Benzo[a]pyren.49 Die EU fügt diesen noch Benzo[e]pyren, Chrysen und Dibenzo[a,h]anthracen hinzu.50 Benzol gilt auch als krebserregend, ist per Definition jedoch kein PAK, da es aus einem einzigen aromatischen Kohlenstoffring besteht. Die Gefahr bei diesen krebserregenden Stoffen rührt auch daher, dass keine Dosis bekannt ist, die ohne schädliche Wirkung auftritt. Entsprechend geht man davon aus, dass jede Menge an PAK stark gesundheitsschädlich ist. Es wird daher empfohlen, mit den Stoffen so wenig wie möglich und notwendig in Berührung zu kommen.51
Die Stoffgruppe findet sich als natürlicher Bestandteil in Erdöl und Kohle wieder. Auch bei der Verbrennung von Holz werden PAK in die Atmosphäre entladen, sowie bei unvollständiger Verbrennung anderer organischer Stoffe, wie beim Grillen oder Verbrennen von Tabak. Kaum ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff wird absichtlich industriell hergestellt. Meist sind es Nebenprodukte anderer Herstellungsverfahren. Hauptanwendungsgebiet für PAK ist als Weichmacher in Kunststoffen, um diesen Flexibilität zu verleihen. Teeröle und andere, bestimmte Öle aus der Erdölverarbeitung können zum Weichmachen von Gummi und Kunststoffen bei getan werden. Diese Verwendung bildet den größten Teil der PAK ab, die zum Verbraucher gelangen.52 Im Umfang dieser Arbeit werden nur Anwendungen aus der Textil- und Bekleidungsindustrie und entsprechende Ergebnisse diskutiert.
Die Stiftung Warentest untersuchte 20 „Grabbeltisch-Produkte“,53 darunter u.a. Badelatschen und Gummistiefel, auf deren Qualität. Das Ergebnis erschien in ihrer Ausgabe im Juli 2017. Hiernach wurden in etwa der Hälfte der Produkte so hohe Schadstoffkonzentrationen gefunden, „dass [sie] es mit der Note Mangelhaft bewerten mussten.“54 Man darf annehmen, dass hiervon auch die Gummistiefel und Badelatschen betroffen waren. Auch der TÜV Rheinland fand erhöhte PAK-Gehalte in Schuhen und Sportartikeln.55 Die Textil- und Bekleidungsindustrie betreffend, können diese Produkte als besonders betroffen angesehen werden. Grund dafür ist, dass PAK-haltige Weichmacheröle günstig sind und folglich das Produkt billig verkauft werden kann. Sie werden genutzt, um die Flexibilität spröder Kunststoffe zu erhöhen, wie etwa PVC.56 Zwar sind auch weniger schädliche Alternativen bekannt, diese kosten aber entsprechend mehr. Daraus resultiert, dass zu hohe Schadstoffbelastung oft bei Billigprodukten gefunden wird.57
Tabelle 4-6: Steckbrief Benzol
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019p)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.1 Benzol
Benzol ist per Definition kein PAK, da es aus nur einem aromatischen Ring besteht. Seine Struktur bildet die Stammverbindung aller PAK. Der flüssige organische Kohlenstoff hat einen aromatischen, süßlichen Geruch, ist farblos und leicht entzündlich.58 Benzen gelangt in der Natur durch Vulkanausbrüche und Waldbrände in die Atmosphäre. Industriell wird der Stoff produziert, um andere Materialien herzustellen, die für die Produktion von Plastik, Nylon, Harz und Synthetischen Fasern gebraucht werden. Er wird auch in einigen Formen von Gummi, Farbe, Klebern und Waschmitteln eingesetzt.59 Über diese Wege findet sich Benzol in Schuhwaren mit Gummianteil und in Bekleidung. Der Hauptaufnahmeweg dieses Gefahrenstoffs ist über die Lunge. Resorption über die Haut ist an zweiter Stelle gefährlich, da diese durch längeren Hautkontakt mit Benzol garantiert ist. Wiederholter Kontakt mit der Flüssigkeit kann Austrocknung der Haut sowie Dermatitis verursachen. Wesentlich gefährlicher ist die chronische Aufnahme. Hierbei wirkt sich der toxische Stoff auf das blutbildende System aus, insbesondere auf das Knochenmark, indem er die Blutbildung hemmt. Als Folge kann der Betroffene an irreversiblen, im längeren Verlauf zerstörerischen Blutkrankheiten erleiden.60 Menschen, die unter chronischer Benzol-Vergiftung leiden, bzw. dem Stoff über eine längere Zeit andauernd ausgesetzt waren, weisen zudem eine erhöhte Allergiehäufigkeit und gesenkte zelluläre Immunität auf. Diese Konsequenzen werden mit der Wirkung von Benzol auf das Knochenmark erklärt. Viele Fälle von Leukämie konnten in Verbindung mit Benzol-Einatmung gebracht werden. Der Stoff steht zudem stark unter Verdacht, erbgutverändernd zu wirken.61
Die vielfältige Anwendung könnte erklären, warum für Benzol trotz der hohen Gefahr ein Grenzwert von 5 mg/kg entschieden wurde, während es für polyzyklische aromatische Kohlenstoffe nur 1 mg/kg sind. Es besteht Grund zur Annahme, dass die Eliminierung aus demselben Grund schwer zu kontrollieren und umzusetzen ist.
Tabelle 4-7: Steckbrief Benz[a]anthracen,
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019j)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.2 Benz[a]anthracen
Benz[a]anthracen ist als farbloses bis gelb-bräunliches Pulver zu finden. Bei Zersetzung werden giftige Gase wie Kohlenstoffmonooxid freigesetzt. Der Stoff ist so gut wie unlöslich in Wasser.62 Tetraphen wird nicht zur kommerziellen Verwendung hergestellt. Es ist in Zigarettenrauch, Autoabgasen, einigen Ölen und Wachsen zu finden.63 Das PAK wird hauptsächlich über den Atemtrakt aufgenommen. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung informiert des Weiteren darüber, dass „unter bestimmten Bedingungen [..] auch eine evtl. sogar bevorzugte Aufnahme über die Haut erwartet werden [kann]“.64 In Hinblick auf die Möglichkeit, dass dieser Stoff sich in Textilien und Bekleidung befinden könnte, steigt dadurch die davon ausgehende Gefahr. Eine 24-stündige Untersuchung mit Ratten zeigte, dass 35% der ihrer Haut ausgesetzten Dosis an Benz[a]anthracen aufgenommen wurde. Allerdings liegen nicht genügend Ergebnisse über die Folgen dessen vor. Über die akute Schädigung ist wenig bekannt. Benz[a]anthracen wird dennoch, ähnlich wie anderen PAK, akutes, hautschädigendes Potential zugeschrieben. Es soll übermäßige Verhornung der Haut sowie „Veränderungen des epidermalen Zellwachstums bewirken können.“65 Tieruntersuchungen haben die karzinogene Eigenschaft dieses Aromas bestätigt.66
Tabelle 4-8: Steckbrief Benz[e]acephenanthrylen
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019m)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.3 Benz[e]acephenanthrylen
Benz[e]acephenanthrylen ist ein weißer Feststoff, der durch seine Struktur praktisch unlöslich in Wasser ist. Es besteht keine industrielle Verwendung und Produktion für diesen Stoff. Dieses PAK entsteht typischerweise bei der unvollständigen Verbrennung von fossilen Brennstoffen, organischem Material und Zigarettenrauch. Es lässt sich auch in Teer finden.67 Über die Hautresoprtion von Benzo[b]fluoranthen ist zu wenig bekannt, um eine kräftige Aussage zu treffen. Belegt ist dennoch, dass die Chemikalie über die orale Aufnahme Krebs und genetische Schäden verursachen kann.68
Tabelle 4-9: Steckbrief Benzo[a]pyren
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019k)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.4 Benzo[a]pyren
Benzo[a]pyren ist ein gelblicher, nicht brennbarer Feststoff. Auch dieses PAK kann als praktisch unlöslich in Wasser betrachtet werden. Wie auch vorherige PAK, gelangt dieser auf natürliche Weise durch Vulkanausbrüche und Waldbrände in die Natur. Durch den Menschen verursachtes Benzo[a]pyren findet sich in Tabakrauch, Autoabgasen sowie bei der Verbrennung von Kohle und Holz.69 Benzo[def]chrysen wird in der Industrie in bestimmten Ölen genutzt, um Gummi und Plastik weicher zu machen und die erwünschte Elastizität zu erlangen. Hierfür ist es ein sehr günstiges chemisches Mittel.70 Diese Anwendung erklärt den Befund des gefährlichen Aromaten in Gummi-Sandalen. Die gefährliche, krebserregende Eigenschaft von Benzo[a]pyren wird schon lange untersucht. Dank dieses chemischen Stoffs konnte zum ersten Mal nachgewiesen werden, dass ein Stoff allein eine Krebserkrankung verursachen kann.71 Die Karzinogenität dieses PAK wurde in zahlreichen Tierversuchen bestätigt. Immer wieder erkrankten die Tiere an Lungenkrebs, auch Tumore auf der Haut waren die Folgen.72
Tabelle 4-10: Steckbrief Benzo[e]pyren
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019l)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.5 Benzo[e]pyren
Benzo[e]pyren ist gelblich und anders als Benzo[a]pyren sogar brennbar. Der Feststoff ist ebenfalls kaum löslich in Wasser. Benzo[e]pyren findet sich, ähnlich wie –[a]pyren, in fossilen Brennstoffen und unvollständig verbrannten organischen Materialien.73 Der Stoff besitzt ein hohes Potential zur Anreicherung im menschlichen Organismus und ist höchstwahrscheinlich mutagen. Zudem besteht ausreichend Verdacht für die krebserregende Eigenschaft der Chemikalie.74
Tabelle 4-11: Steckbrief Benzo[j]fluoranthen
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019n)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.6 Benzo[j]fluoranthen
Benzo[j]fluoranthen ist ein gelber bis orange-farbener Feststoff. Ähnliche wie vorherige PAK wird Benzo[j]fluoranthen nicht explizit für industrielle Zwecke hergestellt, außer in der Forschung. Das Vorkommen in der Natur und im Alltag ist den oben beschriebenen PAK abzuleiten. Der Hauptaufnahmeweg ergibt sich über den Atemtrakt, dadurch dass sich der Feststoff an Staubpartikel bindet. Über die direkte Hautaufnahme von Benzo[j]fluoranthen bestehen nicht ausreichende Daten. Stellvertretend für andere polyzyklische aromatische Kohlenstoffe besteht Grund zur Annahme, dass dermale Resorption auch stattfindet. Der Stoff gilt sowohl als mutagen als auch als kanzerogen.75 In Tierversuchen zur dermalen Aufnahme wurde festgestellt, dass sich bei den Mäusen Tumoren auf der Haut bildeten.76
Tabelle 4-12: Steckbrief Benzo[k]fluoranthen
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019o)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.7 Benzo[k]fluoranthen
Auch Benzo[k]fluoranthen ist ein brennbarer Feststoff, von gelber Färbung, der praktisch unlöslich in Wasser ist. Das Vorkommen für Benzo[k]fluoranthen entspricht dem zuvor beschriebenen Benzo[j]fluoranthen. Auch die von diesem Stoff ausgehende Gefahr entspricht dem Vorgänger in dieser Ausarbeitung. So sind auch zu Benzo[k]fluoranthen unzureichend Ergebnisse zu Untersuchungen zu finden, die über die Menge informieren, die diesen Stoff bei Inhalation und Hautaufnahme gefährlich machen. Analog zu anderen PAK geht man dennoch davon aus, dass eine langandauernde Aussetzung gegenüber diesem Stoff zu Lungenkrebs und Schädigung der Haut führen kann.77
Tabelle 4-13: Steckbrief Chrysen
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019z)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.8 Chrysen
Chrysen besteht aus farblosen Kristallen, die eine blaue Fluoreszenz aufweisen. In der Industrie besteht keine Anwendung für Chrysen. Der Stoff wird nur für die Forschung produziert. Die Kanzerogenität von Chrysen durch Hautaufnahme konnte in Tierversuchen bestätigt werden.78 Die mutagene Wirkung ist nur widersprüchlich belegt.79
Tabelle 4-14: Steckbrief Dibenz[a,h]anthracen
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019aa)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4.9 Dibenz[a,h]anthracen
Dibenz[a,h]anthracen ist als farbloses, kristallines Pulver zu finden, das ebenfalls nicht in Wasser zu lösen ist. Auch hierfür findet keine kommerzielle Anwendung statt.80 Gefährlich wird der PAK durch Aufnahme durch Verschlucken oder über die Haut.81 Auf Basis von Ergebnissen aus zahlreichen Tierversuchen ist die karzinogene Wirkung bei Menschen höchst wahrscheinlich.82
4.5 Chlorkohlenwasserstoffe
Die folgenden Chemikalien der 3. Gruppe sind aromatischen Chlorkohlenwasserstoffen (CKW) zuzuordnen. Der Aufbau ähnelt den zuvor beschriebenen PAK, dadurch dass Kohlenwasserstoffe cyclisch in einem aromatischen System angeordnet sind. Das besondere bei CKW ist, dass ein Teil der Wasserstoffatome durch Chloratome ersetzt wird. Weitere Untergruppen der CKW, ebenfalls nach der Struktur benannt, sind Chloralkene, Chloralkane und weitere Aliphaten.83
Aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaft sind CKW wasserunlöslich und reichern sich im Fettgewebe von Lebewesen an, hierbei vor allem in fettreichen Nervenzellen. Des Weiteren erschwert dies die Abbaubarkeit in der Natur, was sie zu umweltschädigenden Substanzen macht. Die Toxizität der Chlorkohlenwasserstoffe beruht für Mensch und Tier darauf, dass die Anbindung an Nervenzellen Veränderungen an der Membran auslösen, was als nächstes das Nervensystem stört. Akut können Kopfschmerzen, in schlimmen Fällen sogar Herz- oder Atemstillstand die Folge sein. Bei chronischer Aussetzung gegenüber CKW können beim Abbau im Organismus giftige Zwischenprodukte entstehen, die mit den Makromolekülen in den Zellen des menschlichen Körpers reagieren. Dies ist höchstwahrscheinlich die Weise, durch welche die Chemikalie mutagen wirkt.84 Durch ebendiese Toxizität eignen sich CKW gut als Schädlingsbekämpfungsmittel und werden entsprechend in Insektiziden eingesetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind Lösungs-, Extraktions- und Textilreinigungsmittel.85 Betrachtet man Textilien und Bekleidung, so wäre es einerseits möglich, dass CKW als Prozessmittel hineingelangen, oder aber auch schon der Rohstoff (z.B. BW) durch Pestizide belastet ist. Im Folgenden werden die drei gelisteten aromatischen CKW einzeln betrachtet.
Tabelle 4-15: Steckbrief p-Chlorbenzotrichlorid
Quelle: online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019aj)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.5.1 p-Chlorbenzotrichlorid
p-Chlorbenzotrichlorid ist eine klare bis gelbliche Flüssigkeit. Der Stoff wird als Zwischenprodukt zur Herstellung von Herbiziden, Pharmaka, Farbstoffen und Desinfektionsmitteln verwendet.86 Als Hauptaufnahmewege gelten der Atemtrakt und die Haut. Bei der akuten Hautaufnahme einer zu hohen Dosis sind Reiz- bis Ätzwirkung die Konsequenzen. Bei inhalativer Einnahme ist die Substanz „deutlich toxischer“.87 In Langzeitversuchen an Mäusen wurde nach wiederholter oraler oder dermaler Applikation eine deutliche Zunahme an Tumoren erkannt. Ebenso konnte festgestellt werden, dass der Stoff die Haut durchdringt. Aus diesem und zahlreichen anderen Tierversuchen wird geschlussfolgert, dass p-CBTC auch für den Menschen krebserregend ist.88 Es gilt ebenfalls als vermutlich reproduktionstoxisch.
[...]
1 Vgl. online: Umwelt Bundesamt (2014).
2 Ebd.
3 Vgl. Greenpeace (2017), S. 3.
4 Vgl. online: BfGA GmbH (2019).
5 Vgl. Olsson (2009) S.3.
6 Vgl. KEMI (2014), S.33.
7 Vgl. KEMI (2014), S. 33f.
8 Vgl. KEMI (2014), S. 35.
9 REACH steht für: R egistration, E valuation, A uthorisation and Restriction of Ch emicals.
10 Vgl. Europäische Kommission (2006), S. 219, 221, 224, 229, 233, 240, 242.
11 Vgl. online: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2016).
12 Europäische Kommission (2018), S. 256/2.
13 Vgl. Europäische Kommission (2018), S. 256/4.
14 Ebd.
15 Vgl. Europäische Kommission (2018), S. 256/3.
16 Vgl. Europäische Kommission (2018), S. 256/1.
17 ECHA (2011), S.39.
18 Ebd.
19 Ebd.
20 CLP steht für C lassification, L abelling and P ackaging .
21 Vgl. online: BfGA GmbH (2019).
22 Online: WEKA Media GmbH (2017).
23 Vgl. online: Adal (2018).
24 Ebd.
25 Vgl. Jaishankar et al. (2014), S.60.
26 Vgl. online: Society of Dyers and Colourists & AATCC (2018).
27 Vgl. Eastaugh et al. (2007), S. 69.
28 Vgl. Gulrajani (2013), S. 120.
29 Vgl. Waalkes (2003), S. 110.
30 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019w).
31 Vgl. Eastaugh et al. (2007), S. 69
32 Vgl. online: Neosmart Consulting GmbH (2019).
33 Vgl. online: my-lab International (2018).
34 Vgl. Costa/Klein (2006), S. 161.
35 Vgl. online: Global2000 (2006).
36 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019y).
37 Vgl. Eastaugh (2007), S. 22.
38 Vgl. Ratnaike (2003), S. 391.
39 Vgl. Singh (2006), S. 361.
40 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019i).
41 Vgl. Gulrajani (2013), S. 119.
42 Ebd.
43 Vgl. online: Neosmart Consulting GmbH (2019).
44 Vgl. Needleman (2004), S. 210.
45 Vgl. Needleman (2004), S. 216.
46 Vgl. Umweltbundesamt (2016), S. 5.
47 Vgl. Umweltbundesamt (2016), S. 6.
48 Vgl. online: Stiftung Warentest (2018).
49 Vgl. National Toxicology Program (2016), S. 3.
50 Vgl. online: Stiftung Warentest (2018).
51 Ebd.
52 Vgl. Umweltbundesamt (2016), S. 4.
53 Online: Stiftung Warentest (2018).
54 Ebd.
55 Vgl. online: TÜV Rheinland AG (2009).
56 Vgl. Umweltbundesamt (2016), S. 11.
57 Ebd.
58 Vgl.online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019p).
59 Vgl. online: TOXNET (2014).
60 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019p).
61 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019j).
62 Ebd.
63 Vgl. online: TOXNET (2019).
64 Online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019j).
65 Online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019j).
66 Vgl. National Toxicology Program (2016), S.6.
67 Vgl. online: Chemicalbook (2017a).
68 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019m).
69 Vgl. online: Chemicalbook (2017c).
70 Vgl. online: Stiftung Warentest (2017b).
71 Ebd.
72 Vgl. National Toxicology Program (2016), S. 8.
73 Vgl. online: Umweltprobenbank (2018).
74 Ebd.
75 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019n).
76 Vgl. National Toxicology Program (2016), S. 12.
77 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019o).
78 Vgl. online: Chemicalbook (2017b).
79 Vgl. online: IFA GESTIS-Stoffdatenbank (2019z).
80 Vgl. online: PubChem (2019).
81 Vgl. online: Chemicalbook (2017d).
82 Vgl. online: PubChem (2019).
83 Vgl. online: Energie-Portal (2019).
84 Vgl. online: Sauermost, R. (1999).
85 Ebd.
86 Vgl. Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (o.J.), S. 3.
87 Ebd.
88 Vgl. Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (o.J.), S. 4.
- Quote paper
- Elisabeth Blacha (Author), 2019, Auswirkungen der EU-Verordnung 2018/1513 auf die Textil- und Bekleidungsindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499894
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