Die Arbeit beschäftigt sich mit der Zeitkritik Wilhelm Raabes am Philister als einem bestimmten Typus des Bürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts in seinem späten Chronistenroman „Akten des Vogelsangs“. Die „Akten des Vogelsangs“ seien echte Altersarbeit gewesen. Das gesteht Wilhelm Raabe in einem Brief aus dem Erscheinungsjahr 1896. Doch der zähe Schreibprozess ist nicht nur auf das Alter oder die private Situation Raabes (Tod der Tochter 1892) zurückzuführen. Die für Raabe unüblich lange Arbeitszeit von 25 Monaten mag vielmehr mit den Spezifika der „Akten“ zusammenhängen.
Neben der Fülle an Zitaten und Anspielungen, mit dem Raabe den für ihr so typischen beeindruckenden kompositorischen Raum schafft, seiner Liebe für die Aufladung von Details mit Bedeutung, tragen vor allem die Zeitkritik Raabes am Philiströsen des Bürgertums und das Wiederaufgreifen bekannter Motive aus früheren Werken dazu bei, dass die „Akten des Vogelsangs“ als ein sehr dicht verwobener aber gleichzeitig ergiebiger und somit lesenswerter Roman erscheinen.
Wie der aktenmäßige Rückblick Karl Krumhardts an den Kindheitsort des Vogelsangs in die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts fällt, ist Raabe selbst Genosse dieses Zeitalters († 1910). Seine kritischen, teils satirisch überzeichnenden Darstellungen müssen stets mit dem historischen Kontext behandelt werden. Schließlich wird das sog. lange 19. Jahrhundert als das Zeitalter der Revolutionen geführt. Der Umgang mit der Modernisierung der politischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Strukturen, angetrieben von der Industrialisierung, ist in den „Akten des Vogelsangs“ mitthematisiert. Dabei liegt ein Spannungsverhältnis zwischen der menschlichen Wesensart des Bewahrens gerade in Zeiten des Wandels und der Technisierung, Beschleunigung und der damit einhergehenden Unsicherheit auf der Hand.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung - Echte Altersarbeit
- 2. „Krieg den Philister!“ - Der angelegte Philisterbegriff
- 3. Das Bürgertum in seiner ganzen philiströsen Pracht
- 4. Zur philiströsen Arroganz
- 5. Philosophischer Hintergrund Wilhelm Raabes
- 6. Von der Komödie des Lebens im Welttheater
- 7. „Sie wackeln, die Aktenhaufen – und Velten Andres ist wieder schuld daran.“
- 8. „Und der Vogelsang lachte ihr nach“ – Zur Dichotomie von Ironie und Kritik
- 9. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Wilhelm Raabes Kritik am Philistertum im späten Chronistenroman „Die Akten des Vogelsangs“. Ziel ist es, Raabes Zeitkritik am spezifischen Typus des Bürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts herauszuarbeiten und ein besseres Verständnis für den produktiven Vertreter des Realismus zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden induktiv gewonnen.
- Raabe's Definition des "Philisters" und dessen historische Kontexte
- Darstellung des Bürgertums in "Die Akten des Vogelsangs" und dessen philiströse Züge
- Die Rolle von Ironie und Kritik in Raabes Werk
- Der Gegensatz zwischen dem ländlichen Idyll ("Vogelsang") und der modernen Gesellschaft
- Die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen des späten 19. Jahrhunderts im Roman
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung - Echte Altersarbeit: Die Einleitung beleuchtet den langen Entstehungsprozess von Raabes „Akten des Vogelsangs“ und verbindet ihn mit der komplexen Zeitkritik des Autors am Philistertum des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Der Roman wird als dicht verwobenes Werk beschrieben, welches durch seine Fülle an Zitaten, Anspielungen und Details besticht. Der aktenmäßige Rückblick Karl Krumhardts auf seine Kindheit im Vogelsang wird als Spiegelbild Raabes eigener Zeitgenossenschaft interpretiert, wobei die kritischen und satirischen Darstellungen im historischen Kontext des „langen 19. Jahrhunderts“ und der damit verbundenen Modernisierungsprozesse betrachtet werden. Die Arbeit fokussiert sich auf die Herausarbeitung von Raabes Zeitkritik am Philister als einem bestimmten Typus des Bürgertums.
2. „Krieg den Philister!“ - Der angelegte Philisterbegriff: Dieses Kapitel untersucht den von Raabe verwendeten Begriff des „Philisters“ und dessen historische Entwicklung. Es beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs von der frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert, mit Bezug auf Autoren wie Eichendorff, Novalis, Heine und Schopenhauer. Der Philister wird als konservativer, unaufgeschlossener und der geistigen Entwicklung abgeneigter Bürger charakterisiert, der sich an traditionellen Normen und Werten klammert und Veränderungen ablehnt. Das Kapitel endet mit einer Definition des Philisters in Raabes Kontext, der als ein nicht-armer, traditionalistischer Bürger charakterisiert wird, dessen Moralvorstellungen und rationales Handeln über affektives Handeln stehen. Die Charakterisierung der Philisterfiguren in "Die Akten des Vogelsangs" wird angekündigt.
3. Das Bürgertum in seiner ganzen philiströsen Pracht: Dieses Kapitel analysiert die Darstellung des Bürgertums in Raabes Roman vor dem Hintergrund der deutschen Einigung 1871 und der damit verbundenen Enttäuschung des Liberalismus. Raabes Kritik an der „Liberalismusmüdigkeit“ und den ungelösten sozialen Fragen der Industrialisierung wird thematisiert. Der Gegensatz zwischen dem ländlichen Idyll des Vogelsangs und Amerika wird als Ausdruck der Zeitkritik interpretiert. Das Kapitel betont Raabes Verwendung von Antagonismen in der Figurenkonstellation und stellt die Familie Krumhardt sowie weitere Figuren als Beispiele für Raabes philiströse Charaktere vor. Der Werte- und Normhorizont dieses Bürgertums wird als zentrales Thema des Kapitels hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Wilhelm Raabe, Die Akten des Vogelsangs, Philistertum, Bürgertum, Zeitkritik, Realismus, Ironie, Satire, 19. Jahrhundert, Modernisierung, Industrialisierung, Deutschland, Idyll, Antagonismen.
Häufig gestellte Fragen zu Wilhelm Raabes "Die Akten des Vogelsangs"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Wilhelm Raabes Kritik am Philistertum im späten Chronistenroman "Die Akten des Vogelsangs". Sie untersucht Raabes Zeitkritik am spezifischen Typus des Bürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts und zielt auf ein besseres Verständnis des Autors als produktiven Vertreter des Realismus ab. Die Analyse erfolgt induktiv.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Raabes Definition des "Philisters" und dessen historische Kontexte; die Darstellung des Bürgertums in "Die Akten des Vogelsangs" und dessen philiströse Züge; die Rolle von Ironie und Kritik in Raabes Werk; den Gegensatz zwischen dem ländlichen Idyll ("Vogelsang") und der modernen Gesellschaft; und die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen des späten 19. Jahrhunderts im Roman.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in neun Kapitel: Einleitung, die den langen Entstehungsprozess des Romans und Raabes Zeitkritik beleuchtet; ein Kapitel zur historischen Entwicklung des Philisterbegriffs; eine Analyse der Darstellung des Bürgertums im Roman; Kapitel zu Raabes Ironie und Kritik; sowie weitere Kapitel, die verschiedene Aspekte des Romans und dessen Kontext untersuchen. Die Arbeit schließt mit einem Resümee.
Welche Kapitelzusammenfassungen sind enthalten?
Die bereitgestellte Vorschau enthält Zusammenfassungen der ersten drei Kapitel. Kapitel 1 beleuchtet den Entstehungsprozess des Romans und dessen kritische Darstellung im Kontext des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Kapitel 2 untersucht den Begriff des "Philisters" historisch und in Raabes Werk. Kapitel 3 analysiert die Darstellung des Bürgertums im Roman vor dem Hintergrund der deutschen Einigung und der Industrialisierung.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Schlüsselwörter der Arbeit sind: Wilhelm Raabe, Die Akten des Vogelsangs, Philistertum, Bürgertum, Zeitkritik, Realismus, Ironie, Satire, 19. Jahrhundert, Modernisierung, Industrialisierung, Deutschland, Idyll, Antagonismen.
Welche Methode wird verwendet?
Die Ergebnisse der Arbeit werden induktiv gewonnen.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit möchte Raabes Zeitkritik am spezifischen Typus des Bürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts herausarbeiten und ein besseres Verständnis für den produktiven Vertreter des Realismus ermöglichen.
Wie wird der Philister in Raabes Werk dargestellt?
Der Philister wird bei Raabe als konservativer, unaufgeschlossener und der geistigen Entwicklung abgeneigter Bürger charakterisiert, der sich an traditionellen Normen und Werten klammert und Veränderungen ablehnt. Er ist ein nicht-armer, traditionalistischer Bürger, dessen Moralvorstellungen und rationales Handeln über affektives Handeln stehen.
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- Michael Prestele (Author), 2019, Wilhelm Raabes Kritik am Philistertum im Spätwerk "Die Akten des Vogelsangs", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499745